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Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

verzeihung, ich will mich mal mit einer Frage einmischen:

gestern habe ich meinen Nachbarn „Käptn blaubär“ mal wieder getroffen.
(habe von ihm im thread „Grundsicherung“ berichtet)

auf meine scherzhaft formulierte Frage, ob er sich nun zum Präkariat zählt, hat er herzhaft gelacht und mir von Menschen berichtet, die wirklich arm sind, und die keine Chancen haben, aus dem Dreck herauszukommen.

Der Blaubär bekommt Sozialhilfe. Miete und Heizung, Arzt und Zahnarzt, mobilare Grundausstattung, Wintermantel, Fernsehgebühren und und und …..zahlt das Sozialamt, er fährt ein passables auto, lebt nach dreißig Jahren Globetrotter-zeit jetzt ein ruhiges und wenig bewegtes Seßhaften-leben und ist mit sich und der welt zufrieden.
Er kam mit buchstäblich Nichts (außer dem goldwerten deutschen Paß) nach Hause,
und so wie er lebt, kann es hier jeder haben.
Ein typischer Armer im reichen (und wegen seiner überbordenden Sozialausgaben hochverschuldeten) deutschland.

Die Schulden sollten doch eher unser Problem sein, nicht die „Armen“ ?
fragt Claus
 
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AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

Aber Claus!

ohne Arbeit zu leben, vom Staat in welcher Form auch immer Stütze zu bekommen kann nur für einen Aussenseiter wie dieser Blaubär schön sein - und ist sehr erniedrigend für die absolute Mehrheit der Bevölkerung. Fehlt nun noch das Argument, dass es sich hier um Faulheit handelt...

Natürlich fängt man nach einer Zeit an sich diesem sozialen Gefüge irgendwie anzupassen, eine Schicht zu bilden die man "die Ausgegrenzten" nennen kann, die ihre eigene Verhaltensmuster und auch ihre Regeln hat um zu überleben.

Den Blaubären gegen die Studien enst zu nehmenden Soziologen scheint mir doch eine etwas abstruse Konstruktion zu sein...

Gruß

Miriam
 
AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

Den Blaubären gegen die Studien enst zu nehmenden Soziologen scheint mir doch eine etwas abstruse Konstruktion zu sein...

Gruß

Miriam

naja, Miriam.
der Blaubär mag ein Exot unter den Armen sein,
und es mag auch unter den vielen Arbeitslosen echt nach Arbeit suchende geben,
mir (und sicher Dir auch) sind die periodisch wiederkehrenden Berichte im TV aus der Landwirtschaft (sie nehmen gern polnische Arbeiter, aber um Himmels willen keine vom deutschen Arbeitsamt!) im Gedächtnis,

mein Sohn ist im Management der Berliner Niederlassung der holländischen Firma Randstaad, die suchen allein im Raum Berlin 12oo (zwölfhundert !) Hilfs- und Facharbeiter aus allen Gewerken.
Anläßlich einer linken Protestveranstaltung gegen die Arbeitslosigkeit in Berlin haben Vertreter von R. unter den "Arbeitssuchenden" flyer verteilt mit Arbeitsangeboten (das Berliner fernsehen war dabei, ich habs auf RBB gesehen!),
ganze zwei Neueinstellungen hatte das zur Folge.

geh mir mit den Soziologen,
meint Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

Hi Miriam,
nun ich kenne viele Arbeitslose, welche nicht arbeiten gehen wollen bzw. viel zu hohe Ansprüche an einen Job haben.
Genauso gut kenne ich Menschen, die wirklich arbeiten wollen, auch schon viele schlechte Jobs angenommen haben, aber keine "anständige" Arbeit finden.

Zu welcher Gruppe gehörten vor der "neuen Armut" die Obdachlosen?

Ich glaube auch nicht, dass ein anderes Bildungssystem die Tendenz aufhalten kann.

fussel
 
AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

naja, Miriam.
der Blaubär mag ein Exot unter den Armen sein,
und es mag auch unter den vielen Arbeitslosen echt nach Arbeit suchende geben,
mir (und sicher Dir auch) sind die periodisch wiederkehrenden Berichte im TV aus der Landwirtschaft (sie nehmen gern polnische Arbeiter, aber um Himmels willen keine vom deutschen Arbeitsamt!) im Gedächtnis,

mein Sohn ist im Management der Berliner Niederlassung der holländischen Firma Randstaad, die suchen allein im Raum Berlin 12oo (zwölfhundert !) Hilfs- und Facharbeiter aus allen Gewerken.
Anläßlich einer linken Protestveranstaltung gegen die Arbeitslosigkeit in Berlin haben Vertreter von R. unter den "Arbeitssuchenden" flyer verteilt mit Arbeitsangeboten (das Berliner fernsehen war dabei, ich habs auf RBB gesehen!),
ganze zwei Neueinstellungen hatte das zur Folge.

geh mir mit den Soziologen,
meint Claus
Abermals muß ich claus zustimmen. - Ein wenig wundere ich mich darüber, daß eine so kluge Frau wie miriam nicht sieht, daß dieser famose Capt'n Blaubär doch nur pars pro toto steht. Ich behaupte nicht, daß auch nur die Mehrzahl der Erwerbslosen nicht ernsthaft an einer Arbeit interessiert sei; aber der Anteil derer, die nicht bereit sind, Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen, darf nicht unterschätzt werden.
Ich könnte Claus Liste endlos verlängern. Jener "Bewerber", der sich bei meinem Friseur vorstellt und diesem beim Einstellungsgespräch offen sagt: Ich will den job eigentlich nicht, ich will nur, daß Sie mir für die Arbeitsagentur bescheinigen, daß ich ungeeignet bin. Von 100 Deutschen in Sachsen-Anhalt, die zum Spargelstechen eingestelt wurden, waren nach drei Tagen ganze fünf noch übrig geblieben . Die einen hatten es "im Kreuz", anderen wird schlecht, wenn sie so früh aufstehen müssen, der dritte bekommt vom Bücken Blutwallung im Gehirn usw. Nun, die Polen haben den job gemacht.
Es geht nicht an, die Augen davor zu verschließen, daß Drückebergerei längst ein Massenphänomen geworden ist und sich nicht mehr auf Einzelfälle beschränkt. Das eigentlich Neue an dieser "neuen Armut" ist die Tatsache, daß sich Menschen schon in dritter Generation an Transfereinkommen gewöhnt haben, gar nichts mehr dabei empfinden, daß sie lebenslänglich parasitär auf Kosten anderer leben. Sie sind "abgehängt" aber auch "abhängig" - und viele, wie dieser Blaubär, fühlen sich recht wohl dabei. Ein Supermarkt in meiner Nähe sucht seit Monaten verzweifelt Lagerarbeiter. Bekommt keine usw.usf.
Noch ein nettes Erlebnis,das ich kürzlich hatte: Ein Bettler (ca. 35 Jahre) sprach mich an: "He Chef, haste nich mal 'n € für mich". Meine Antwort. Habe ich nicht, aber ich hätte Arbeit für Sie.
"Wat haste jesagt? Arbeit? Ich bin doch nicht hier...!" und er machte mit der Hand eine unmißverständliche Drehbewegung an seinem Kopf.
Dennoch: Frohe Grüße - Ziesemann
 
AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

Abermals muß ich claus zustimmen. - Ein wenig wundere ich mich darüber, daß eine so kluge Frau wie miriam nicht sieht, daß dieser famose Capt'n Blaubär doch nur pars pro toto steht. Ich behaupte nicht, daß auch nur die Mehrzahl der Erwerbslosen nicht ernsthaft an einer Arbeit interessiert sei; aber der Anteil derer, die nicht bereit sind, Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen, darf nicht unterschätzt werden.
Ich könnte Claus Liste endlos verlängern. Jener "Bewerber", der sich bei meinem Friseur vorstellt und diesem beim Einstellungsgespräch offen sagt: Ich will den job eigentlich nicht, ich will nur, daß Sie mir für die Arbeitsagentur bescheinigen, daß ich ungeeignet bin. Von 100 Deutschen in Sachsen-Anhalt, die zum Spargelstechen eingestelt wurden, waren nach drei Tagen ganze fünf noch übrig geblieben . Die einen hatten es "im Kreuz", anderen wird schlecht, wenn sie so früh aufstehen müssen, der dritte bekommt vom Bücken Blutwallung im Gehirn usw. Nun, die Polen haben den job gemacht.
Es geht nicht an, die Augen davor zu verschließen, daß Drückebergerei längst ein Massenphänomen geworden ist und sich nicht mehr auf Einzelfälle beschränkt. Das eigentlich Neue an dieser "neuen Armut" ist die Tatsache, daß sich Menschen schon in dritter Generation an Transfereinkommen gewöhnt haben, gar nichts mehr dabei empfinden, daß sie lebenslänglich parasitär auf Kosten anderer leben. Sie sind "abgehängt" aber auch "abhängig" - und viele, wie dieser Blaubär, fühlen sich recht wohl dabei. Ein Supermarkt in meiner Nähe sucht seit Monaten verzweifelt Lagerarbeiter. Bekommt keine usw.usf.
Noch ein nettes Erlebnis,das ich kürzlich hatte: Ein Bettler (ca. 35 Jahre) sprach mich an: "He Chef, haste nich mal 'n € für mich". Meine Antwort. Habe ich nicht, aber ich hätte Arbeit für Sie.
"Wat haste jesagt? Arbeit? Ich bin doch nicht hier...!" und er machte mit der Hand eine unmißverständliche Drehbewegung an seinem Kopf.
Dennoch: Frohe Grüße - Ziesemann

Hallo Ziesemann,

was mich an dieser Art und Weise der Argumentation stört, ist nicht die Tatsache, daß alles falsch ist, was Du und Claus da vortragt. Das ist es wohl nicht unbedingt, es gibt diese Fälle in der Tat und sie sind ärgerlich, mir sind sie auch ein Dorn im Auge.

Aber die plumpe Verallgemeinerung, die Du dir leistest, ist billig und würde dem übelsten Stammtisch zur Ehre gereichen.

Zunächst einmal frage ich mich gern, wann du eigentlich zuletzt wochenlang auf einem Spargel- oder Erdbeerfeld bei brütender Hitze geknüppelt hast. Falls ja, will ich Dir in Deiner Argumentation gerne zustimmen, dann weißt Du wovon Du redest. Ich für meinen Teil habe derartige Arbeiten abgesehen von diversen privaten Gelegenheiten gottlob noch nicht leisten müssen, maße mir daher aber auch ungern weitgehende Beurteilungen anderer Menschen an.

Das Harz 4 Konzept leidet ferner in der Praxis durchaus daran, daß die Energiepreise exorbitant in die Höhe schnellen und die Transfers stellenweise eben doch nicht reichen.

Ich weiß persönlich von einer Reihe von Fällen, in denen wieder echter Mundraub angeklagt wurde, etwas, das -Sozialmißbrauch hin oder her - in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr als existent galt. Ich finde das bedenklich.

Und schließlich: Es läßt sich immer gut über die kleinen Würstchen und deren Sozialmißbrauch herziehen. Währenddessen lassen sich Top-Manager, die gerade trotz Unfähigkeit Millionenabfindungen kassiert haben, feiern, werden hofiert und fallen weich. Es gibt Mißbrauch auch "oben". Selten wird darüber in der gleichen Weise hergezogen.

Gruß
Zwetsche
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

Hallo Ziesemann,
du sprichst das Problem der Zumutbarkeit einer angebotenen Arbeit an.
das ist in der Tat eine sehr strittige Frage.

Die Arbeit in der Landwirtschaft, vom Spargelstechen bis zur Weinlese, ist sicher nicht nur gewöhnungsbedürftig um effektiv zu sein, sondern auch körperlich für einen Ungeübten schwer.

Aber für einen gesunden jungen Mann von 20 oder auch 35 Jahren sollte sie in jedem fall zumutbar sein.
Dann aber läßt sich die "Nichteignung" für einen Unwilligen in jedem Fall erreichen.
Eindrucksvolle Schilderung eines spargelbauern:
"da hat ein vom Arbeitsamt zugewiesener konsequent immer nur die spargelköpfe abgeschnitten. Bis ich es gemerkt habe, gab es schon einen beträchtlichen schaden, den hat mir niemand ersetzt. Als ich ihn davongejagt habe, hat er sich beim Arbeitsamt beschwert, ich hätte ihm die tätigkeit nicht richtig erklärt..."

wer nicht arbeiten will, kann also immer nachweisen daß er zum arbeiten ungeeignet ist.

meint Claus
 
AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

noch etwas zur Zumutbarkeit:

ist es für einen langzeitarbeitslosen Lehrer zumutbar
als Taxifahrer zu arbeiten?
ich weiß von einem, der es tut, obwohl er meint, das hätte er ablehnen können...

ich kenne (flüchtig) zwei ehemalige Hochschuldozenten aus dem damaligen Ostberlin:
einer hat über die "Pflanzenproduktion in der sozialistischen Landwirschaft" gelehrt und dies war nach der Wende eine brotlose Kunst.
Nach langen Jahren der Arbeitslosigkeit hat er sich entschlossen als Vertreter für Landmaschinen zu arbeiten,
obwohl er es immer noch als sozialen Abstieg empfindet ("vom Professor zum Handlungsreisenden").

der andere war Dozent für Marxismus-Leninismus.
Dieses fach war für jeden Studenten jeder Studienrichtung (von Chemie bis Romanistik) obligatorisch und deshalb gab es von dieser Sorte Dozenten auch jede Menge.
Er hat sich bisher konsequent geweigert, eine andere Arbeit anzunehmen, und ist immer mit dem Argument "unzumutbar" durchgekommen.
Er vertrödelt aber nicht seine Zeit,
sondern ist sehr rührig für seine Partei tätig (nicht PDS, sondern eine Splitterpartei, KPD oder Spartakisten)
und bei jeder linken Demo in der ersten Reihe mit dabei.
Wäre es für den nicht zumutbar, als Vertreter für Staubsauger oder Bügeleisen zu arbeiten,
statt ihn auf Kosten des Steuerzahlers zu versorgen und ihn herumziehen zu lassen,
den Leuten statt Staubsauger die proletarische Weltrevolution aufzuschwatzen?

fragt Claus
 
AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

Ja Ziesemann und Claus,

die Welt ist schlecht, die deutschen (und wahrscheinlich auch die österreichischen) Armen gehören zu den schlechtesten Menschen, nichts als Schmarotzer und Betrüger, und vor allem faule Säcke.
Ein Glück, dass ihr beide so gute redliche und aufrechte Bürger seid.
Das bisschen Steuerbetrug, was ist das schon. Immerhin sind es arbeitende Menschen, die von eurer Güte profitieren. Und ihr selbst wahrscheinlich auch ein bisschen. Man ist ja schließlich nicht der Feind seines Geldes.

Claus, ich wusste, du hast dir schon überlegt, welche Zumutbarkeitsbestimmungen eingeführt werden sollten. Du bist ja der Experte und kennst alle Fälle persönlich.

Wieder einmal sehr amüsiert :haare:

lilith
 
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AW: Prekariat – ein neuer Begriff für ein schon älteres Phänomen

Ich weiß persönlich von einer Reihe von Fällen, in denen wieder echter Mundraub angeklagt wurde, etwas, das -Sozialmißbrauch hin oder her - in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr als existent galt. Ich finde das bedenklich.

Zwetsche, Du bist doch logischen Argumenten zugänglich:

ein deutscher Sozialhilfeempfänger bekommt:
die Miete, die Heizung, einen Großteil der Bekleidung, einen Teil des Mobilars incl. Kühlschrank und notwendige Elektrogeräte,
ärztliche und zahnärztliche Leistungen
Zuschüsse für große Familienfeiern,
.......
und sicher noch viel mehr, was mir jetzt nicht einfällt,
vom Sozialamt.
Dazu noch afaik 350 Euro cash jeden Monat.

(wenn er alles ausschöpft also einen Gegenwert von mehr als 1000 euro jeden Monat,
das kommt nicht vom Weihnachtsmann, sondern von den Steuern, die die arbeitenden Menschen bezahlen)

wieso, bitteschön, muß dann jemand einen "Mundraub" begehen?
zumal es für immer noch hungrige, die ihr geld bereits verzockt oder versoffen haben, die öffentlichen Suppenküchen und Tafeln gibt,
jede menge caritative einrichtungen, deren geringstes es ist, einem hungernden zu helfen

fragt Claus
 
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