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Mein Vater

... Obwohl ich wegen der weiten Anreise nur einmal pro Woche ins Heim kam, wusste ich das, während es dem Pflegepersonal noch nicht aufgefallen war. Denn dafür werden die Pflegerinnen nicht bezahlt. ...
Der analytische, emotional weniger anfällige und damit eher auf Plausibilität und Glaubwürdigkeit bedachte Leser nimmt wahr, dass die Veröffentlichung über die späte Zeit des Vaters offenkundig gleich zwei persönlichen Bedürfnissen nachkommt. Zum einen kommt hier, mit dem selbstbezichtigenden Motiv doch alles getan zu haben, rechtfertigenderweise ein gewisses Abschiednehmen zum Tragen; und dazu braucht es diesmal eben die Öffentlichkeit. Diese Feststellung wird dadurch erhärtet, dass es, einschließlich anderer Veröffentlichungen dieses Verfassers, gänzlich an Selbstkritik gegenüber seiner ureigenen Handlungseingebundenheit mangelt. Zum anderen wird hier dem narzisstischen Bedürfnis gefrönt, sogleich in vernichtender Weise, die eigene, eher laienhafte Handlungskompetenz, über die der anderen, eher fachspezifisch geprägten Handlungskompetenzen, zu stellen. Dazu wird aus dramaturgischen Gründen, und davon bin ich fest überzeugt, dem Leser hier und da eine eher mythenhaft angepasste Version der Geschehnisse offeriert; dies geschieht zumeist über das Weglassen tragender Details. Diese beiden Motive ziehen sich wie ein roter Faden durch diese und andere Veröffentlichungen dieses Verfassers. Dazu fällt mir, frei nach Gotthold Ephraim Lessing, ein: "Der Verfasser selbst braucht nichts besser machen zu können, was er tadelt".
 
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Dazu wird aus dramaturgischen Gründen, und davon bin ich fest überzeugt, dem Leser hier und da eine eher mythenhaft angepasste Version der Geschehnisse offeriert; dies geschieht zumeist über das Weglassen tragender Details.
Die Pflicht zur Lüge gegen sich selbst basiert auf dem Kant’schen kategorischen Imperativ. „Ich soll niemals anders Zeugnis geben, als so, dass ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden.“ Daraus erschließt sich, dass „der Mensch und überhaupt jedes vernunftbegabte Wesen […] als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel“ existiert. Das führt uns zum guten Willen; und mitunter, wie hier dargeboten, zur plakativen Herausstellung desselben.
 
Mein Vater war längst tot, ich besuchte meine Schwester, die gerade Witwe geworden war. Ich kam Freitag, am späten Nachmittag bei ihr an. Sie hatte Appetit auf Pizza. Ich fuhr zu ihrem Lieblingsitaliener.

Ich bestellte und setzte mich dann zum Warten vor die Tür, wo am Tisch der Mann mit einem Glas Bier saß, der kurz vor mir bestellt hatte und auch wartete. Wir kamen ins Gespräch.

Ich sprach ihn auf seinen niederbayrischen Dialekt an. Die Liebe habe ihn nach Franken geführt. Was er beruflich mache, fragte ich. Er arbeite als Altenpfleger bei einem Pflegedienst hier in der Nähe.

"Das finde ich interessant, darf ich Sie mal was Delikates fragen?" Er bejahte und guckte mich neugierig an. Ich fragte, ob mein Eindruck trüge und ein erheblicher Anteil der Demenzerkrankungen hierzulande während Klinikaufenthalten entstünden.

Er schaute mich jetzt so an, als wüsste er ein Geheimnis, das er eigentlich nicht erzählen darf. Dann schaute er fragend und sagte, wie ich das meine.

Ich sagte, dass mein Vater einst die ersten Demenzsymptome während eines Aufenthalts in anderer Sache an der Uniklinik bekam, wo er ganz offensichtlich starke Neuroleptika oder so was bekam. Mehr wollte ich nicht verraten.

Er sagte nun folgendes: Sehen Sie, wenn Sie sich die Kliniken hier in der Nähe genauer ansehen, dann entdecken Sie, dass es dort meistens Büros von zwei bekannten Pflegediensten gibt, die beide auch Pflegeheime betreiben. Er nannte die Namen.

Wenn die Auslastung der Betten in deren Pflegeheimen nicht optimal ist, was denken Sie, was dann in den Kliniken geschieht, mit denen beide Organisationen zusammen arbeiten?
 
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Bei uns in der Gemeinde gab es einen Weißrussen, der nach dem Krieg geblieben war und der in den Wäldern lebte. Wo genau sein Domizil war, das schien keiner so recht zu wissen. Möglicherweise spionierte ihn auch niemand nach. Denn man akzeptierte den friedlich wirkenden Mann, der nur selten etwas sagte. Man sah ihn gelegentlich, wenn er mit einem weißen Stoffbeutel vor dem Bauch durch die Dörfer des Umkreises ging und in den Läden Waren tauschte. Er sammelte Pilze, Kräuter und Beeren im Wald und tauschte gegen Brot und anderes. Er war ansonsten eher scheu, wusste aber, wohin er mit seinen Wünschen gehen konnte. Meine Oma, die Mutter meines Vaters, lebte auch im Wald bzw. am Waldrand in einer Holzhütte an einer Einöde ohne fließend Wasser und Strom. Die Kinder im Ort hielten Oma für eine Hexe, sagte man mir später. Allerdings nicht für eine böse Hexe, da man merkte wie friedlich sie war. Sie sammelte auch Pilze, Beeren, Kräuter und lief zweimal mit einem Leiterwagen die 35 km zum Nürnberger Markt, wo heute der Christkindlesmarkt ist und verkaufte dort ihre Waren.
 
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