Ein eitel Sonnenstrahl
Hallo ihr absoluten Durchschnittstypen!
Zunächst zu Eve: Es geht nicht darum, eine konkret existierende mittelmäßige Masse zu definieren. Das ist in der Tat von keinem Standpunkt aus möglich-
Wichtig ist doch, dass Mittelmäßigkeit ALS BEGRIFF existiert und verwendet wird. Wir überlegen nicht, wer konkret Mittelmaß ist - sondern was es bedeutet, dass Mittelmaß mit dieser oder jener Konnotation VERWENDET und GEDACHT wird. Denn das lässt sich ja nicht abstreiten, oder?
So stellen wir z.B. fest, dass Mittelmaß eigentlich im Wortsinn DURCHSCHNITT bedeutet. Dennoch wird dieses Wort oft von Peymann-artigen Typen äußerst abschätzig verwendet - in dem er zum Beispiel das Publikum beschimpft oder generell die Berliner Mittelmäßigkeit beklagt.
Deine Metapher mit dem Organsimus finde ich übrigens nicht unzutreffend. Da ich glaube, dass sich Gesellschaft wie ein Organismus evolutionär entwickelt, lassen sich auch Teile der Gesellschaft wie funktionale Glieder derselben sehen. DIe Wissenschaft hat dafür den Begriff "funktional ausdifferenzierte Gesellschaft" eingeführt. Diese musst du also zumindest nicht aufwecken...
Apropos Augen öffnen: Ein Querverweis zu einem Thema aus der Politik von majanna sei hier gestattet: Eine moderne Art der Umfrage hat gründlich mit dem Bild des "informierten Bürgers" aufgeräumt. Spontan konnten so Zum Beispiel nur 50% der Befragten sagen, was den Gerhard Schröder so beruflich macht. Bei Angela Merkel waren es nur noch 30%.
Wir müssen also schon davon ausgehen, dass es einen breiten Teil der Bevölkerung gibt, die mit Information und Wissen in aktivem Sinne wohl nicht umgehen können. Der durchschnittliche Bürger hat nur in einem kleinen Teilbereich seines Umfelds eine gewisse Handlungskompetenz. In den anderen Teilbereichen schwimmt er "nur so mit".
Fragt sich nur, ob das schlimm oder normal ist? Oder ob diejenigen, die sich informierter glauben, wirklich einen so großen Vorsprung haben. Denn unsere ganzen Meinungen (auch die über den Irakkrieg, über Reaktorunglücke oder Sozialreformen) werden aufgrund absolut mangelhafter Kenntnisse und Kompetenz gefällt. Ein Beispiel war die Bohrinsel Brent Spar, wo uns Greenpeace ganz schön in die irre führte - Keiner wusste Bescheid, Meinungen gab es dennoch zuhauf.
Das Wunder ist doch: Warum funktioniert eigentlich dennoch alles so halbwegs?
Jérôme, das ist zwar nicht unsymphatisch, aber dennoch kokettierst du! Oder sagen wir: Du drückst dich vor meiner Problemstellung. Denn ein elitärer Mensch kann sich nicht einfach in den Durchschnitt hineinreden. Er kann sich vielleicht ein paar Tugenden der Durchschnittlichkeit herauspicken und sie mit Überzeugung leben lernen - er kann aber keinen Hehl daraus machen, dass er bildungsmäßig und in anderen Dingen weit über dem Durchschnitt steht. Und was ist mit der Tatsache, dass du keinen Fernseher besitzen willst? Elitäre Entscheidung oder nicht?
Nee, nee, man entkommt dem Paradox nicht, auch nicht Mara, selbst wenn sie es paradox formuliert.
Das Paradox lässt sich am Ehesten so auflösen, dass man eingesteht, dass Überdurchschnittliches nicht unbedingt Überdurchschnittliches hervorbringt. Da ist unsere GESELLSCHAFTSSTRUKTUR vor. Oder wie Eve sagt, die Art, wie unser "Organismus" funktioniert.
Meine Art, mich der Mittelmäßigkeit zu ergeben, ist zum Beispiel ein Kunstwerk, das ich erschaffen habe, nicht dem Urteil der Gesellschaft (des gesellschaftlichen Erfolgs) zu überlassen. Sondern vielleicht mehr dem Urteil von ein paar Freunden und Bekannten. Aber: Wo hören Bekannte auf, wo fängt Gesellschaft an? Und: Ganz den Traum vom großen Wurf wird sich auch der bescheidenste Künstler nie entledigen können. Und vor allem: wird er es nicht lassen können sich über die Peymanns und andere "große" Künstler aufzuregen, die fett auf dem Subventionskarussell mitfahren, revolutionäre Töne spucken und doch nichts tun, als sich in Eitelkeit sonnen...
Leider ist man selbst eitel...usw.
Einen durchschnittlichen Rutsch allen!