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Individualität

gregor

New Member
Registriert
30. Oktober 2004
Beiträge
16
Es war ein Streben, ein unvergleichbares Streben von uns. Wir wurden getrieben und gezogen vom Glauben absolutes Individuum werden zu können. Der Drang danach in der Differenz aufzugehen, die Möglichkeit der absoluten Freiheit, bestimmte unser Sein, nein, eigentlich unser Werden. Ich war gezwungen mich zu entreißen, mich an meinem Kopf zu packen und raus zu zerren, um mich dann hinaus in die Freiheit zu werden. Es war der Moment, als diese grenzenlose Kommunikation vor uns aufstand. Dort an diesen Geräten saß ich nun und wir erschufen sie, unsere Gesellschaft, die virtuelle Gesellschaft, die nicht unwirklicher ist als jede andere ihrer Formen.

Ich habe es verpasst, diesen Moment, als entschieden wurde. Ich war zu beschäftigt damit die Neue, unsere, meine Gesellschaft zu erschaffen. Eben eine losgelöst von euch, von ihnen, von mir. Die von euch als „wirkliche“ bezeichnete, war nun vor die Forderung gestellt sich selbst niederzureißen, wenn sie weiter bestehen möchte. Und sie wollte und setzte einen Schnitt durch uns. Doch ich verpasste meine Teilung, ich war ja zu beschäftigt und voller Drang, das Andere zu werden.

Ihr braucht mich nicht mehr? Scheiß egal, es geht zu Ende mit euch, bis ihr nur mehr Einer seid. Wir sind die Großzahl, die Stille Menge, der Stimme beraubt. Aus unserer Untätigkeit aufstehen, sollen wir? Doch das Wir ist tot in uns, in dieser vereinsamten Masse, da wo jeder sich selbst, das absolute Individuum ist, eben nichts mehr als sich selbst. Wir verbleiben und sind. Ihr wenigen jedoch erschafft, die Möglichkeit mich selbst zu werden.

Der Hammer saust nieder, auf meinen Kopf, er schlägt ein Loch hinein. Bitte füllen!!! Schreie ich, sitzend, wartend, ohne Stimme. Doch es genügt nicht, ich muss zusehen, immer. Ich kann nicht anders, ich muss es durch euch füllen lassen, mit Bildern, mit Leben. Ich schreie euch nochmals an, füllt dieses absolute Loch! Der Trichter ist platziert.
 
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Hi, Gregor!

Deine Sprache ist auch sehr individuell. Dabei ist sie doch das Werkzeug zur Kollektivierung, zur Gemeinschaftsbildung, die wir brauchen. Sei nicht dein eigener Feind...

Gysi
 
hallo Gregor

Du solltest mal
The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind
von Julian Jaynes lesen
(Zusammenfassung via google)

das Problem, welches Du anspichst,
ist paar tausend Jahre alt
(da wurde nämlich die Individualität geboren)

es gibt zwar auch Texte, die behaupten,
daß sich der Mensch in den letzten hundert Jahren geändert habe
aber wahrscheinlicher ist,
daß die populäre Art Wissenschaft zu treiben nicht Wahrheit sondern Ideologie zum Vorschein bringt
(so war es zumindest im Ostblock)

die Beschäftigung mit der Frage
'Warum spielen die Geisteswissenschaften keine Rolle mehr?'
dürfte Dein Loch im Kopf wieder schließen
 
Hallo!

Dieses "Loch" ist nicht nur mein Loch, sondern in meinen Augen die Triebfeder von allem Werdendem. Lacan hat es in seiner Psychoanalyse als "das Ding" bezeichnet. Triebfeder ist es deshalb weil es gefüllt werden muss, ohne jemals gefüllt werden zu können, analog spricht Lacan das "das Ding" ein ursprünglich "entrießenes" ist, dass es nun wieder zu ersetzen gilt, ohne jedoch jemals ersetzt werden zu können. Dieses "füllen" oder "ersetzen", wie man will, ist eben unsere Gestaltungsmöglichkeit, meine Möglichkeit mein ICH zu konstruieren. Dabei muss angemerkt werden, dass dieser Prozess in den seltensten Fällen bewusst vor sich gehen soll. Die Frage die ich nun aufwerfen wollte, ist, ob wir es nun mit einer Entwicklung zu tun haben, in der dieses "füllen" nicht mehr gestalterisch genutzt wird, sondern das "neue" Individuum ist sozusagen süchtig danach, dass etwas eingefüllt wird. Das könnten eben die Bilder des Fernsehens, die übermäßigen Informationen des Internets usw. sein. Darum schreibe ich "sitzend, wartend", das Individuum verharrt in Passivität.

Der andere Punkt, den ich ansprechen wollte, ist eben die unbedingte Forderung unserer Gesellschaft, dass wir Individuen werden sollen, um jeden Preis.

schöne Grüsse
 
Lieber Gregor,

erstmal danke für Deine Art von Schreibweise, die mich zum Grübeln angeregt hat (manchmal denk ich tatsächlich mal wieder was :engel2: ). Erst dachte ich, ich weiß genau, was Du meinst; dann aber wieder nicht mehr---->hmmm;
also schreib ich trotzdem diese kleine Geschichte dazu auf, die mir zu Deinen Worten eingefallen ist, eine kleine Metapher dazu:

"Es war eine Kugel, der ein großes keilförmiges Stück fehlte. Auf der Suche nach ihrem fehlenden Stück erlebt sie viele Abenteuer und erlernt durch Ihre Erfahrungen, die sie dabei sammelt, wer sie ist und wie sie ihre fehlenden Stücke langsam wieder zusammensammelt. Einige Stücke die sie findet sind zu groß, sodaß sie holpert; andere zu klein, sodaß sie eiert. Letztendlich, nach vielen Erfahrungen, Erkenntnissen und Überprüfungen der eigenen Wahrheit findet sie das passende Stück und ist wieder ganz."

Viele Situationen, die wir in unserem eigenen Leben erfahren, erzeugen Löcher in uns. Wir leben im Dualismus und haben uns wohlgemerkt dazu entschieden, bestimmte Bedingungen und Ereignisse in unserem physischen und psychischen auf uns zu nehmen, um daraus zu lernen. Diese Ereignisse geben uns die Möglichkeit, Verständnis und Erfahrung zu erlangen, um wiederum durch den freien Willen zu entscheiden, was wir letztendlich daraus machen und wie wir weiterverfahren, um uns selbst wieder zu finden.

Liebe Grüße
Lacu
 
Gerade ist mir nochmal ein passendes Zitat dazu eingefallen:

Wenn ein Mensch ein Loch sieht, hat er das Bestreben, es auszufüllen.
Dabei fällt er meistens hinein.

LG
Lacu
 
Wer sagt wir können dieses Loch niemals auffüllen?
Solange niemand die Ausmaße dieses Lochs kennt weis auch
keiner wieviel er hineinfüllen muss.
Wir füllen dieses Loch bis ans Ende unseres Lebens (und viellleicht auch
darüber hinaus?) Es scheint wie ein Loch ohne Boden das wir denken nie
füllen zu können. Aber wenn wir dann den Löffel abgeben stellen andere für uns fest das das Loch komplett gefüllt ist würde man nur etwas hinzutun wäre es
überfüllt, aber nimmt man nur das kleinste Teil weg, so ist es komplett leer.
Wir wissen nicht was wir werden bis wir nichts mehr werden können,
und selbst dann ist es (vielleicht) zu spät für uns es selber zu begreifen.
 
Hallo!

lacuna777 hat in dieser Diskussion in meinen Augen einen entscheidende Frage bei mir aufgeworfen, es ist die Frage des "freien Willen". Ist dieser Voraussetzung für jenes, war wir Individualität nennen und denken? Oder könnte es auch nicht der Fall sein, dass diese ganze Individualisierung unabhängig von der freien Entscheidung vor sicht geht? Denn was benötigt Individualität, eben nur die Möglichkeit der Differenz.

Jemand, ich habe leider seinen Namen vergessen, hat gesagt: "Wir denken viel weniger, als wir glauben." Ich möchte diesen Gedanken nun weiterführen, wir entscheiden, glaube ich zumindest, viel weniger bewusst, als wir denken wollen. Ich möchte in keinster Weise eine Form des Determinismus zeichnen. Doch ist es nicht so, dass der "freie Wille", dass die Möglichkeit der "freien Entscheidung", unter dem Zwang stehen, bewusst zu sein? Ich möchte hier auch nicht den Zufall, als Konstrukteur des Ich's, also der Welt, anschreien. Ich möchte vielmehr die Frage aufwerfen, ob es nicht so ist, dass die Vielzahl der Objekte, mit denen ich mein Ich zusammenbaue, von dem Anderen ausgewählt werden? So komme ich zum Schluss und wieder zum Anfang, und stelle die Behauptung auf, dass der freie Wille keine unbedingte Voraussetzung für die Individualisierung ist.

schöne Grüsse
Gregor
 
Entfremdung

Otto Normal quält sich durch den Tag
damit es weitergeht,
braucht er Aufputschmittel, Geld, Schmeichler, Ablenkung

Selbsterkenntnis stört da nur

Dieses "Loch" ist nicht nur mein Loch, sondern in meinen Augen die Triebfeder von allem Werdendem

NEIN
das Jetzt ist kein Loch
Du lebst im Jetzt
und wenn Du das beherzigst,
wirst Du das,
was Dich von Dir selbst entfremdet, unterlassen

daß dann, wenn die alten Probleme gelöst sind,
dafür neue Probleme auftauchen
gehört zum Wesen des Seins

das Sein lässt sich jedoch erforschen
wer das Sein gut kennt
(also viele Probleme gelöst hat)
dem stellen sich nur noch solche Probleme,
die auf das Leben praktisch keine Auswirkung haben

man sitzt dann genauso faul und träge rum wie ein Buddha
 
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Hallo!

scilla schrieb:
Entfremdung

NEIN
das Jetzt ist kein Loch
Du lebst im Jetzt
und wenn Du das beherzigst,
wirst Du das,
was Dich von Dir selbst entfremdet, unterlassen

Das folgende mag etwas befremdlich klingen, aber wahrscheinlich habe ich einfach zu viel Freizeit. Wie auch immer, ich lebe nicht im JETZT, niemals will ich im JETZT leben. Das was nur jetzt lebt, ist tot. Ich allerdings lebe in meiner Vergangenheit, in meiner Zukunft und dazwischen drin. Der Mensch der im Jetzt lebt ist nicht verantwortlich, er hat ja keine Zukunft, sondern nur eine endliche Abfolge von Jetzt's. Der Drogensüchtige lebt im jetzt, das einzige was bei ihm zählt ist der Augenblick.

Dem Begriff "Sein" stehe ich grundsätzlich kritisch gegenüber. Denn etwas das Ist, ist fertig, doch ich bin nicht fertig, wäre ich das, hätte ich keinen Grund mehr zu leben (siehe Thema von DerRidda, Paradies, oder so ähnlich). Diesem Sein möchte ich das Werden gegenüberstellen. Und dies alles hat in meinen Augen sehr wohl Auswirkung auf das "wirkliche" Leben, denn dadurch dass ich mein Leben als ein Werden auffasse, bin ich auch Verantwortlich, verantwortlich eben für das was da wird. Außerdem will ich nicht akzeptieren was ich bin, denn würde ich das, wäre ich doch wohl etwas größenwahnsinnig, oder nicht?

schöne Grüsse
Gregor
 
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