AW: Finanzkrise 2008
Benjamin schrieb:
Richtig, ohne Schulden keine Finanzblase.
Aber solch eine Blase kann sehr wohl gedeckt sein, indem ganz einfach die Schulden gedeckt sind. Das muss nicht über Geld laufen. Es muss nur etwas sein, das einen realen Marktwert hat, also schlicht und ergreifend etwas, das die Leute brauchen und haben wollen.
Dann kann man sagen: Überschuldung ist - für den Wert eines Gutes - ebenso schädlich wie unmotivierte Überproduktion ("Marktüberschwemmung").
Man kann aber auch sagen, scillas Bonmot einmal umgedreht - "Das Kapital ist der Gegenwert des Geldes": das ständige Hin-und-Her-Wogen der Kapitalbewegung, das lediglich auf Vermutungen und subjektiven Einschätzungen beruht, läßt manchmal die Wellen über die Ufer treten, und plötzlich ist zuviel oder zuwenig Geld da. Und klar gab es im Vorfeld aller Finanzkatastrophen auch Broker, die nicht nur "Gezeitenkraftwerk", sondern "Wellenmacher" gespielt haben.
Benjamin schrieb:
Der Begriff "Scheinwert", den man Wertpapiere gerne zuspricht, ist in meinen Augen irreführend. Er ist genauso real, wie der Wert von Immobilien. Der Wert definiert sich aber eben über die Nachfrage.
Das gilt doch für Sachgüter genauso wie für Wertpapiere: steigende Nachfrage verknappt das Gut und erhöht den Preis, steigendes Angebot senkt den Preis. Das Angebot an Textilien oder Möbeln z.B. ist in den Industrieländern sicher jenseits jedes Bedarfs - in der Folge ist ein Großteil der Produkte, vor allem bei Textilien, nicht nur extrem billig, sondern qualitativ so minderwertig, daß der Konsument nach einem halben Jahr nachkaufen muß, sonst lohnt sich die erzeugung nicht. Von den Produktionsbedingungen zu schweigen: der Unterbietungswettbewerb des Preises hatte - für die Textilfabrikation der Industrieländer jedenfalls - großteils vernichtende Folgen.
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Die US-Immobilienblase scheint aber ganz anderen Bedingungen als denen zu folgen, die man mit Angebot und Nachfrage erklären könnte.
Benjamin schrieb:
In der Immobilienkrise der USA war das eben nicht der Fall. Es wurde mit Schulden gebaut, die nicht abgeglichen werden konnten, und das in einem so großen Ausmaß, dass man plötzlich mehr Häuser dort stehen hat, als nun gefragt sind.
Man hat also das Geld für etwas ausgegeben, was jetzt keiner mehr will.
Theoretisch müßten also all die Häuser jetzt sehr billig sein. Sind sie aber nicht: es wurde per Verschuldung gebaut, richtig; plötzlich wurden aber die Kredite gerade der untersten Stufe, der privaten Kleinkreditnehmer rückgefordert, d.h. nicht länger gewährt - und die sitzen jetzt auf der Straße bzw. leben notdürftig in Zelten, ohne weiteres eigenes Verschulden als das, irgendwann mal einen Kredit aufgenommen zu haben. Die vielen Häuser aber stehen immer noch da, jetzt unbewohnt!
Da muß doch noch etwas anderes eine Rolle gespielt haben. Sind all die Hauskäufer schlagartig insolvent? Wenn ja, warum? Oder haben sich die Kredite plötzlich so drastisch verteuert, wenn ja, wodurch? Oder gab es keine Garantie, daß man sein Haus zu dem vereinbarten Preis und Zins abbezahlt? Heißt das, in USA galt bislang: okay, kannst das Haus haben, zu den und den Bedingungen, aber ich, der Geldgeber oder Verkäufer behalte mir vor, je nach Lage und Belieben den Preis zu erhöhen - und das zahlst du mir dann gefälligst auch?
Das wäre kaum zu glauben - aber die plötzlich Obdachlosen sind halt die andere Seite der geplatzten Blase.