Gert Scobel kommentiert die erste Enzyklika von Papst Benedikt den XVI. Er hat Theologie und Philosophie studiert - und ist seit 1995 Moderator der Sendung "Kulturzeit". Seit Anfang 2004 ist er außerdem Moderator und Redaktionsleiter des Denk-Magazins delta.
Gert Scobel wurde Ende 2005 zum "Kulturjournalisten des Jahres" von der Fachzeitschrift "Medium Magazin" gewählt.
Alter Wein in ausgebesserten Schläuchen
Papst Benedikt XVI. hat in seiner ersten Enzyklika die Gottes- und Nächstenliebe als Bedingungen für eine sozial gerechte und menschenwürdige Welt hervorgehoben. Die Schrift "Deus Caritas est" (Gott ist Liebe) richtet sich an Bischöfe, Priester, Diakone, gottgeweihte Personen und alle Gläubigen. Experten meinen, dass diese Enzyklika in ihrer perfekten Dialektik unangreifbar und zugleich unbrauchbar sei - im Sinne einer pragmatischen Verwertung. Dabei sollte eine Enzyklika eine Handlungsanleitung sein. Ein Kommentar von Gert Scobel:
Wer über die Liebe schreibt, kann eigentlich nichts falsch machen. Liebe ist eine sichere Sache. Sie ist gut. Von Liebe haben wir nie zuviel, und wenn Gott die Liebe ist, dann ist nicht nur alles mit der Welt, sondern auch mit dem Menschen in Ordnung. Die Frage ist also nicht, was man falsch, sondern was man beim Reden über die Liebe richtiger machen kann - richtiger als die Vorgänger. Papst Benedikt XVI. hat, verkürzt gesagt, ein gutes kleines Buch geschrieben, das im Stil zwischen feuilletonistischem Apercu, Predigt und theologischer Abhandlung mäandert. Als gut geschulter Philosoph weiß Joseph Ratzinger, dass man mit einer Analyse der Sprachspiele zu beginnen hat: Vaterlandsliebe, Liebe zum Beruf, Elternliebe, Liebe zwischen Mann und Frau - die andere kommt nicht vor. Der Text klingt ein wenig nach Oberseminar: Hat nicht Nietzsche gesagt, Lust und Liebe zielten auf Ewigkeit und damit auf Ausschließlichkeit?
Umherlaufen im Kreis
Und schon hört man die Nachtigall des Ehe-Kirchenrechts laut singen. All das ist gut verpackt und intellektuell anheimelnd - wäre es nicht das, was das griechische Wort "Enkyklios" ursprünglich meint - ein Umherlaufen im Kreis. Der Text ist alter Wein in den bekannten, rissigen Schläuchen der Scholastik, von denen nur einige kleine Stücke in poppig-farbigen Begriffen aus heutigen Materialien ersetzt worden sind.
Interessanter sind die politischen Überlegungen. Wenn Gott Liebe ist, gilt diese dem Nächsten. Hier muss der Liebesgedanke seine sozial-moralische Wende nehmen. Im Liebestun der Kirche, also innerhalb der Glaubensgemeinschaft dürfe es keine Armut geben, schreibt der Papst. Und außerhalb? Da ist eine gerechte Ordnung in Staat und Gesellschaft der zentrale Auftrag und das innere Maß der Politik. Um es kurz zu machen: Die Kirche wird nicht aus dem Sack gelassen. Denn direkte Politik soll die Kirche nicht machen - eine klare Absage an die Befreiungstheologie also.
Und was soll sie dann tun? "Einen Beitrag zur Reinigung der Vernunft und ethischen Bildung" leisten. Wie, das bleibt offen. "Deus Caritas est" sagt mit keinem Wort, wo die Kirche konkret gegen Ungerechtigkeit vorzugehen gedenkt. Das aber wäre an der Zeit.
Gert Scobel wurde Ende 2005 zum "Kulturjournalisten des Jahres" von der Fachzeitschrift "Medium Magazin" gewählt.
Alter Wein in ausgebesserten Schläuchen
Papst Benedikt XVI. hat in seiner ersten Enzyklika die Gottes- und Nächstenliebe als Bedingungen für eine sozial gerechte und menschenwürdige Welt hervorgehoben. Die Schrift "Deus Caritas est" (Gott ist Liebe) richtet sich an Bischöfe, Priester, Diakone, gottgeweihte Personen und alle Gläubigen. Experten meinen, dass diese Enzyklika in ihrer perfekten Dialektik unangreifbar und zugleich unbrauchbar sei - im Sinne einer pragmatischen Verwertung. Dabei sollte eine Enzyklika eine Handlungsanleitung sein. Ein Kommentar von Gert Scobel:
Wer über die Liebe schreibt, kann eigentlich nichts falsch machen. Liebe ist eine sichere Sache. Sie ist gut. Von Liebe haben wir nie zuviel, und wenn Gott die Liebe ist, dann ist nicht nur alles mit der Welt, sondern auch mit dem Menschen in Ordnung. Die Frage ist also nicht, was man falsch, sondern was man beim Reden über die Liebe richtiger machen kann - richtiger als die Vorgänger. Papst Benedikt XVI. hat, verkürzt gesagt, ein gutes kleines Buch geschrieben, das im Stil zwischen feuilletonistischem Apercu, Predigt und theologischer Abhandlung mäandert. Als gut geschulter Philosoph weiß Joseph Ratzinger, dass man mit einer Analyse der Sprachspiele zu beginnen hat: Vaterlandsliebe, Liebe zum Beruf, Elternliebe, Liebe zwischen Mann und Frau - die andere kommt nicht vor. Der Text klingt ein wenig nach Oberseminar: Hat nicht Nietzsche gesagt, Lust und Liebe zielten auf Ewigkeit und damit auf Ausschließlichkeit?
Umherlaufen im Kreis
Und schon hört man die Nachtigall des Ehe-Kirchenrechts laut singen. All das ist gut verpackt und intellektuell anheimelnd - wäre es nicht das, was das griechische Wort "Enkyklios" ursprünglich meint - ein Umherlaufen im Kreis. Der Text ist alter Wein in den bekannten, rissigen Schläuchen der Scholastik, von denen nur einige kleine Stücke in poppig-farbigen Begriffen aus heutigen Materialien ersetzt worden sind.
Interessanter sind die politischen Überlegungen. Wenn Gott Liebe ist, gilt diese dem Nächsten. Hier muss der Liebesgedanke seine sozial-moralische Wende nehmen. Im Liebestun der Kirche, also innerhalb der Glaubensgemeinschaft dürfe es keine Armut geben, schreibt der Papst. Und außerhalb? Da ist eine gerechte Ordnung in Staat und Gesellschaft der zentrale Auftrag und das innere Maß der Politik. Um es kurz zu machen: Die Kirche wird nicht aus dem Sack gelassen. Denn direkte Politik soll die Kirche nicht machen - eine klare Absage an die Befreiungstheologie also.
Und was soll sie dann tun? "Einen Beitrag zur Reinigung der Vernunft und ethischen Bildung" leisten. Wie, das bleibt offen. "Deus Caritas est" sagt mit keinem Wort, wo die Kirche konkret gegen Ungerechtigkeit vorzugehen gedenkt. Das aber wäre an der Zeit.