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Beweis einer unphysikalischen Seele

Wargole

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1. November 2003
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Beweis, dass jeder ein unphysikalisches Selbst haben muss

Wie der Titel schon sagt, glaube ich beweisen zu können, dass wahrscheinlich jeder von uns ein unphysikalisches Selbst hat. Richtig verstanden könnte man das durchaus als "Seele" bezeichnen.

Gleich mal vorweg:
Ich bin kein religiöser Mensch und ich bin auch nicht in einer Sekte oder so. Die Folgerungen, die sich aus meinen Überlegungen ergeben, stehen denn auch in krassen Gegensatz zu meinem übrigen Weltbild, zu meiner persönlichen Erfahrung und Sicht der Welt. Von daher ist mir auch nicht ganz wohl bei der Sache. Andererseits finde ich meine Überlegungen so zwingend, einleuchtend und bemerkenswert, dass ich sie nicht einfach so ignorieren kann.

Zunächst aber muss ich erst mal erklären und definieren, was genau ich unter einem "Selbst" verstehe.

Dazu muss ich etwas ausholen. Also: Wenn du auf dein bisheriges Leben zurückblickst, dann hast du erst mal einen Haufen Erinnerungen. Diese beweisen aber nicht, dass du das alles erlebt hast, was du meinst erlebt zu haben. Es könnte sich um Einbildungen handeln, oder vielleicht war es jemand anders, der es erlebt hat. Vielleicht existierst du erst seit zwei Minuten. Die Philosophen haben hier traditionellerweise bereits halt gemacht, da sie nur an Gewissheiten interessiert waren, und da man keine Gewissheit über diese Frage gewinnen kann. Ich plädiere allerdings dafür, dass wir einmal etwas weiter spekulieren, da sich dabei etwas Interessantes ergeben könnte. Es ist doch ganz einfach so, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder man hat es wirklich erlebt, oder eben nicht. Die meisten von uns glauben ganz selbstverständlich, dass ihre Erinnerungen an ihr bisheriges Leben wenigstens in groben Zügen tatsächlich das wiedergeben, was sie wirklich selber erlebt haben.

Wenn ich annehme, dass ich es wirklich erlebt habe, stellt sich die Frage nach dem Träger der Identität. Das heisst: Ich jetzt und ich damals sind ein und dasselbe Subjekt, die gleiche Person - wie immer man es auch nennen mag - wir nehmen an, dass die beiden identisch sind, d.h dass es eine Identität über die Zeit hinweg gibt. Deshalb ergibt sich die Frage, worauf diese Identität beruht, oder worin sie besteht. Ich gebe diesem Identitätsträger nun provisorisch das Label "Selbst". Damit lasse ich aber vorerst völlig offen, was genau darunter zu verstehen ist. Ein Materialist wird selbstverständlich annehmen, dass dieses Selbst nichts weiter als der Körper, oder genauer, das Gehirn ist. Ein Buddhist wird sagen, dass das Selbst eine Illusion ist (wobei man dann aber erklären müsste, wie es zu so einer Illusion kommen kann, d.h. wie so eine Illusion überhaupt möglich ist).
Wie auch immer, hier haben wir jedenfalls die erste Bedeutung meines Selbst-Begriffs.

Die zweite Bedeutung ergibt sich aus der Tatsache, dass es zu einem beliebigen Zeitpunkt oft gleichzeitig eine riesige Menge an bewussten Erlebnissen auf der Welt gibt. Da stellt sich doch die Frage: Wie komme ich aus diesem Wust an Erlebnissen zu gerade meinen Erlebnissen? Die Erlebnisse, die ich jetzt habe, sind nur eine kleine Teilmenge aller Erlebnisse, die es jetzt gibt. Was genau bestimmt, welche Erlebnisse meine sind? Eine Antwort wäre anzunehmen, dass es verschiedene Selbste gibt, die sich in verschiedenen, ganz spezifischen Situationen in der Welt befinden, und dass sie dadurch zu bestimmten Erlebnissen kommen. Wieder lasse ich offen, was unter so einem Selbst genau zu verstehen ist. Wieder könnte sogar die buddhistische Annahme zutreffen, dass so ein Selbst eine Illusion ist.

Nun habe ich erklärt, was für Bedeutungen ich dem Begriff "Selbst" gebe.

Jetzt werde ich beweisen, dass das Selbst kein physisches Objekt sein kann. Das heisst, die materialistische Annahme, dass das Selbst der Körper, oder das Gehirn ist, wird ad absurdum geführt.

1. Jedes physische Objekt kann in Teile gespalten werden. Wenn also mein Selbst ein physisches Objekt wäre, könnte es in zwei voneinander unabhängige Teile gespalten werden, welche beide natürlich weiterhin mein Selbst blieben. Ich könnte dann z.B gleichzeitig zwei Gehirne sein. Natürlich ist das technisch unmöglich, aber hier geht es nur ums Prinzip, und in einer fernen Zukunft könnte es tatsächlich möglich sein - wenn nicht mit uns, dann zumindest mit anderen möglichen, bewussten Wesen der Zukunft.

2. Ich bin nun selbstverständlich wie die meisten Leute der Überzeugung, dass mein Selbst zum jetzigen Zeitpunkt auf genau einen Körper beschränkt ist: auf meinen. Würde mein Selbst auch einen anderen Körper umfassen, wäre meine Erfahrung völlig anders. Es gäbe definitiv einen Unterschied zu meiner jetzigen Erfahrung, da ich dann gleichzeitig auch mit dem zweiten Körper sehen, hören und fühlen würde. (Siehe auch meine zweite Bedeutung des Begriffs "Selbst" oben in der Definition.) Dann würde ich meinen, dass mein Selbst auf zwei Körper beschränkt ist. Und es erscheint logisch, dass ich diese Ansicht dann auch niederschreiben, oder anderen erzählen könnte, und zwar mit jedem der zwei Körper.

3. Aber wenn das Selbst zwei von einander unabhängige physische Objekte wäre, gäbe es unter Umständen keine Möglichkeit, wie eines von ihnen Informationen vom anderen gewinnen könnte. Es würde keine spezielle, "geheime" Verbindung zwischen diesen zwei Objekten geben, nur weil sie beide Teil des selben Selbstes wären. Folglich wäre es unmöglich, dass eines von ihnen niederschreiben, oder anderen erzählen könnte, dass es das selbe Selbst zu sein fühlt wie das andere Objekt.

Somit ist es unmöglich, dass das Selbst ein physisches Objekt ist.

Es gibt nun zusätzlich zu diesem Beweis eine weitere Überlegung, die denselben Schluss nahelegt: Man sollte sich einmal fragen, weshalb jedem Gehirn genau ein Selbst entsprechen soll. Wieso kann ein Gehirn nicht zufällig mehreren Selbsten entsprechen, und wieso kann ein Selbst nicht über mehrere Gehirne verteilt sein? Also: Warum ist das Ding, dieses Etwas, das ich zufällig bin, nicht eine Teilmenge des Gehirns, oder eine Ansammlung von Gehirnen? Dass jemand zufällig ein Gehirn ist, mag ja mal vorkommen, aber warum soll das die Regel sein? Auch diese einfache Frage legt den Schluss nahe, dass die simple Vorstellung, dass das Selbst, so wie ich es definiere, das Gehirn ist, etwas zu simpel ist.

Nun könnte jemand einwenden, dass die Erfahrung immer, auf jeden Fall, auf einen Körper beschränkt ist. Demnach wäre Punkt zwei in meinem Beweis fehlerhaft. Es ist ja ohne Zweifel so, dass der Bewusstseinsstrom in einem Gehirn das ist, was wir erleben, und dass dieser Strom auf jeden Fall von anderen solchen Strömen physisch getrennt ist - möglicherweise ganz egal was mit dem Selbst geschieht, und wie es geteilt wird. Aber auch diese Idee wird ad absurdum geführt - man stelle sich vor: Ich bin ein Gehirn in einem Körper, und in mir läuft ein innerer Film ab, "Bewusstseinsstrom" genannt. Nun gibt mir jemand heimtückischerweise KO-Tropfen, und infolgedessen verliere ich das Bewusstsein - ich bin bewusstlos. Jetzt wird eine Hälfte meines Selbstes aus meinem Schädel herausoperiert, dabei aber künstlich am Leben erhalten, und in einen anderen Körper verpflanzt. Während dieses ganzen Vorganges bleibe ich bewusstlos. Dann aber, wenn die Operation abgeschlossen ist, und eine Hälfte von mir in einem anderen Körper steckt, könnten beide Körper wieder zu Bewusstsein kommen. Der zu widerlegenden Annahme zufolge hiesse das, dass der nun wieder startende innere Film zwangsläufig in zwei unabhängige Filme geteilt wurde. Und nur einen dieser Filme erlebe ich - der andere bliebe mir unbewusst. Der wiederum wäre dann ein anderes Bewusstsein, aus dessen Perspektive mein Bewusstsein ihm unbewusst wäre. Die Absurdität dieser Vorstellung tritt besonders zu Tage, wenn ich mich frage, welcher der beiden Bewusstseinsströme mir dann bewusst wäre, und aus welchem Grund nicht der andere. Wenn mein physisches Selbst genau in der Hälfte geteilt wurde, gäbe es schlicht kein Kriterium, das bestimmen könnte, als wer ich wieder zu Bewusstsein komme. Anzunehmen, dass ich dann einfach der bin, der zuerst aufwacht, ist offensichtlich absurd. Was, wenn beide gleichzeitig aufwachen? Dass die Frage, als welcher Körper ich aufwache, nicht belanglos ist, kann man sich besonders gut vor Augen führen, wenn man annimmt, dass der eine Körper in Deutschland liegt, während der andere in den brasilianischen Dschungel gebracht wurde. Sprich: Die Erfahrungen, die die beiden haben werden, könnten extrem verschieden sein.

Wenden wir uns jetzt der buddhistischen Vorstellung zu, dass es keine Selbste gibt. Wie ich schon erwähnt habe, muss man hier aber erklären, wie es zu der Illusion eines Selbstes kommen kann, d.h. wodurch sie ermöglicht wird. Wenn es kein Selbst gibt, das meine Erfahrungen hat, dann existieren meine Erfahrungen eben ohne ein Selbst. "Ich" bestehe dann nur aus meinen Erfahrungen. Warum glaube ich aber, eine dauerhafte Existenz, ein die Zeit überdauerndes Selbst zu haben? Und was könnte die Funktion übernehmen, die ich oben in den Definitionen dem Selbst zugeschrieben habe? Die Antwort wäre: Das (vermeintliche) Subjekt ist schon in den Eindrücken drin! Man kann einen Eindruck nicht von seinem Subjektgefühl trennen. In meinen Überlegungen oben habe ich die Erfahrung aufgesplittet, in ein Subjekt, das die Erfahrung hat, und in die Erfahrung selbst, die das Objekt des Subjekts ist. Buddhisten sagen nun, dass diese Aufsplittung den Irrtum hervorruft, dass es ein Subjekt gibt, das von der Erfahrung unabhängig ist. Wenn es diesen Subjekt-Objekt-Dualismus wirklich gibt, dann ist zum Beispiel mein Eindruck von einem bestimmten Objekt, unter Umständen völlig identisch mit dem Eindruck, den jemand anders von diesem Objekt hat. Der einzige Unterschied zwischen den Erfahrungen besteht dann darin, dass sie von verschiedenen Subjekten gehabt werden. Wenn es aber diesen Dualismus nicht gibt, dann muss der Unterschied im Eindruck selbst bestehen. Das heisst, selbst wenn ich beispielsweise einmal etwas ganz Simples sehe, ein rotes Quadrat z.B., und sonst gar nichts (und dabei für einmal auch keine weiteren geistigen Tätigkeiten neben dem puren Sehen verrichte), dann ist der Eindruck einer anderen Person, die genau dasselbe erlebt, ja sogar genau dieselbe rote Farbe sieht (nehmen wir ruhig mal an, dass unsere Roteindrücke identisch sind), auf eine ganz spezifische, subtile Weise verschieden. "Ich" erlebe dann nicht, was "sie" erlebt, weil sich ihr Eindruck so anfühlt, dass nur "sie" diesen Eindruck haben kann. Umgekehrt sind alle meine Eindrücke auf eine bestimmte Weise derartig individuell, dass automatisch nur "ich" sie haben kann, und niemand anders. Ich habe die Pronomen in Anführungszeichen gesetzt, da sie ja untrennbarer Teil der Erfahrung sind, wenn wir den Dualismus aufgeben. Nur durch diese Erklärung kann man die buddhistische Idee, dass es kein Selbst gibt, wirklich verstehen, d.h. einen Weg finden, unsere alltägliche Erfahrung logisch nachvollziehbar in die buddhistische Sicht zu übersetzen, und zudem die Fragen beantworten, die sich oben in den Definitionen gestellt haben. Wenn man annimmt, dass die Erfahrungen nicht auf diese Weise individualisiert sind (wenn also meine Erfahrung genau jetzt theoretisch völlig identisch sein könnte mit der Erfahrung von jemand anderem), dann kommt man schnell in unüberwindliche Schwierigkeiten und Widersprüche.

Die Idee, dass es kein Selbst gibt, müsste also konkreter als die Idee bezeichnet werden, dass es keine Selbst-Substanz gibt. Es gibt demnach kein substanzielles Selbst, das irgendwie gesondert von der Erfahrung dastehen kann, aber es gibt sehr wohl eine Art Pseudo-Selbst, welches erst den Glauben ermöglicht und hervorruft, dass es ein Selbst gibt. Dieses besteht in der spezifischen Individualität konkreter Erfahrungen. Zwischen meinen Erfahrungen jetzt, meinen Erfahrungen früher und meinen zukünftigen Erfahrungen besteht also eine gewisse, subtile Ähnlichkeit, welche mein Pseudo-Selbst ausmacht. Sollte es aus irgendeinem Grund einmal nicht mehr Erfahrungen dieser Art geben, wäre ich seelisch tot.
Die Frage, ob es jetzt ein Selbst gibt, oder nur ein Pseudo-Selbst, lässt sich empirisch nicht beantworten.

Für Materialisten ist die Kein-Selbst-Idee dagegen wider Erwarten keine Option. Man könnte ja zunächst meinen, dass auch irgendwelche physische Prozesse ein Pseudo-Selbst (d.h. Erfahrungen ganz bestimmter Art) erzeugen könnten. Solche physischen Prozesse liessen sich aber prinzipiell immer kopieren. Wenn man also die Funktionsweise eines Gehirns genau kopieren würde, dann gäbe es plötzlich zwei voneinander unabhängige, miteinander identische Pseudo-Selbste, und man käme wieder in die selben Probleme, die sich oben schon gestellt haben.

Kurzum, egal, ob es nun ein Selbst, oder nur ein Pseudo-Selbst gibt - auf jeden Fall kann es nicht physisch sein. Denn, um die ganzen Überlegungen auf den Punkt zu bringen: Alles, was physisch ist, lässt sich teilen; jeder physische Prozess lässt sich kopieren - das Selbst nicht, da es per Definition unteilbar und nicht kopierbar ist.


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Was haltet ihr davon?
 
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Hallo Wargole,

ich respektiere deine Überlegungen, zumal wenn sie zum großen Teil auf Eigenleistung beruhen.
Ich muss aber sogleich hier einhaken:

Diese beweisen aber nicht, dass du das alles erlebt hast, was du meinst erlebt zu haben. Es könnte sich um Einbildungen handeln, oder vielleicht war es jemand anders, der es erlebt hat. Vielleicht existierst du erst seit zwei Minuten. Die Philosophen haben hier traditionellerweise bereits halt gemacht, da sie nur an Gewissheiten interessiert waren, und da man keine Gewissheit über diese Frage gewinnen kann.

Es ist mitnichten so, dass Philsophen hier nicht weiter interessiert waren. Vielmehr würde ich solche Gedanken für die heutige Philosophie als selbstverständlich erachten. Man findet sie bei den radikalen Konstruktivisten, den Systemtheoretikern und allen, die an Erkenntnistheorie interessiert sind.
Von halbwegs fortschrittlichen Denkern wird auch Gehirn und Selbst, bzw. Gehirn und Bewusstein nicht gleichgesetzt.
Ich gehe nach deinen Ausführungen davon aus, dass für dich Selbst=Bewusstsein. In der Auffassung der Systemtheorie ist das Bewusstsein in der Tat kein materielles Ding, sondern ein System, das sich selbstreferentiell, momenthaft über kognitive Operationen (Autopoiesis) schließt.
Wenn du das vielleicht mal nachliest und nachvollziehst, wird es möglich sein, dass sich deine Überlegungen mit deinem restlichen Weltbild nicht mehr im Widerstreit befinden werden.
Allerdings beruht das Bewusstsein auf materiellen Vorgängen im Gehirn. Daher kommt es schon zu einer Art von Bewusstseinsteilung etwa bei Patienten mit durchtrenntem Balken. Sie haben zwar dann nicht zwei Bewusstseine (zwei "Selbste") aber es kann vorkommen, dass sie bestimmte Wahrnehmungen nicht mehr mit allen anderen kognitiven Vorgängne verknüpfen können, sie zum Beispiel einen Gegenstand nur sehen aber nicht benennen können oder Ähnliches. Aber das soll keine Widerlegung sein, sondern nur den Schwerpunkt darauf legen, dass das Bewusstsein zwar nichts Materielles ist, aber auf Materiellem beruht und das dieser Zusammenhang der Schlüssel zum Verständnis ist. Ein weiterer Schlüssel ist die Vorstellung des Bewusstseins als etwas sich momenthaft, selbstreferentiell Erhaltendes, mit Betonung auf momenthaft.
 
Hallo Robin.

Robin schrieb:
Von halbwegs fortschrittlichen Denkern wird auch Gehirn und Selbst, bzw. Gehirn und Bewusstein nicht gleichgesetzt.
Ich gehe nach deinen Ausführungen davon aus, dass für dich Selbst=Bewusstsein.

Jein bis nein. Für mich ist Bewusstsein primär einfach ein Konglomerat von Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen. Oder anders gesagt: Bewusste Erlebnisse. Aber was genau determiniert jetzt, welche bewussten Erlebnisse die meinen sind, und welche die deinen? Von meinen Erlebnissen jetzt bekommst du subjektiv nichts mit, höchstens indirekt. Du kannst bezweifeln, dass ich überhaupt subjektive Erlebnisse habe. Umgekehrt gilt das gleiche für mich und deine Erlebnisse. Was wir in einem bestimmten Moment erleben, ist zudem nur eine kleine Teilmenge aller Erlebnisse zu einem bestimmten Moment. Wie gesagt, man muss annehmen, dass es die Situation des jeweils eigenen Selbstes in der Welt ist, welche determiniert, welche Erlebnisse jeweils uns zukommen. Und was ermöglicht, dass ich nicht nur jetzt Erlebnisse habe, sondern auch in Zukunft und in der Vergangenheit (was jedenfalls der Fall zu sein scheint, und was wir einfach mal als wahr angenommen haben)?
Das genau wäre das Selbst.

Gut, man könnte z.B. (um Aspekt zwei aufzugreifen) verkürzend fragen: Ist dieses Bewusstsein (dieses Menschen da) identisch mit dem Bewusstsein (dieses Menschen) vor 5 Minuten? Aber das wäre etwas unklar ausgedrückt. In welchem Sinn soll es dasselbe Bewusstsein sein, schliesslich haben sich die Inhalte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit gewandelt.

Und ich bestreite ja nicht, dass es Zustände vorübergehender Bewusstlosigkeit geben kann - wenn das Selbst das Bewustsein wäre, hiesse das, dass in so einem Zustand das Selbst einer Person aufgehört hat zu existieren. Aber was, wenn sie wieder zu sich kommt? Kann es dann noch dieselbe Person sein? Wie? Warum? Was ist die Verbindung, die Kontinuität? Man muss sich das mal aus der eigenen subjektiven Perspektive vorstellen, damit das Problem in seiner ganzen Tragweite bewusst wird: Wenn ich mal bewusstlos werde, unter welchen Bedingungen kann ich später wieder bewusst sein? Oder bin ich unwiderruflich seelisch tot, nur wenn ich mal kurz bewusstlos werden sollte? Das Selbst ist meiner Definition nach unter anderem der Träger dieser Identität. Wenn es im bewusstlosen Zustand nicht existieren täte, könnte es diese Funktion natürlich nicht übernehmen.

Diese beiden Funktionen des Selbst, so wie ich es definiere, legen doch oberflächlich betrachtet wirklich den Schluss nahe, dass es mit dem Körper, bzw. Gehirn zu identifizieren ist. Solange mein Gehirn existiert und funktionstüchtig ist, solange kann ich wieder zu Bewusstsein kommen. Und ich bin die Person, die die Erlebnisse hatte, die ich mich erinnere gehabt zu haben, weil ich dasselbe Gehirn bin. Und meine Erlebnisse sind einfach die Erlebnisse meines Gehirns, während die Erlebnisse jedes anderen Gehirns mir logischerweise subjektiv nicht zugänglich sind. Genau diese Identifikation des auf diese Weise definierten Selbstes ist es aber, was ich zu widerlegen versucht habe.

Wenn es nun kein substanzielles Selbst geben sollte, was wir empirisch wie gesagt nicht entscheiden können, dann ist das Selbst, oder Pseudo-Selbst wie ich es genannt habe, in der Tat ein Aspekt jedes Bewusstseins. Sozusagen die spezifisch individuelle Färbung eines bestimmten Bewusstseins, oder des Bewusstseins einer bestimmten Person.

Falls jemand diesen Gedankengang schon beschrieben und veröffentlicht haben sollte, wäre ich natürlich interessiert und dankbar, davon zu erfahren. Also; hat jemand schon mal eine Identifikation des in meinem Sinne (!) verstandenen Selbstes mit materiellen Objekten widerlegt? Dazu müsste natürlich schon mal jemand auf die Problematik hingewiesen haben, die durch meinem Selbst-Begriff ausgedrückt wird, was mir nicht selbstverständlich erscheint. Aber möglich wäre es schon. Unter anderem deshalb schreibe ich auch hier. ;)


Robin schrieb:
In der Auffassung der Systemtheorie ist das Bewusstsein in der Tat kein materielles Ding, sondern ein System, das sich selbstreferentiell, momenthaft über kognitive Operationen (Autopoiesis) schließt. Allerdings beruht das Bewusstsein auf materiellen Vorgängen im Gehirn.

Naja, soweit ich das beurteilen kann, ist von den physikalistischen Modellen schon der Funktionalismus die plausibleste Variante. Käme der der Systemtheorie nicht nahe?

Allerdings, wenn ich annehme, dass Menschen ein unphysikalisches Selbst haben, bin ich wohl ein Substanz-Dualist, wenn auch nicht ganz im cartesischen Sinne.
Ansonsten, wenn ich nicht ein Selbst annehme, dann akzeptiere ich nur mentale Eigenschaften.
Trotzdem wäre ich wahrscheinlich ein Substanz-Dualist, aber einer, der nur eine einzige geistige Substanz annimmt.


Robin schrieb:
Daher kommt es schon zu einer Art von Bewusstseinsteilung etwa bei Patienten mit durchtrenntem Balken.
Sie haben zwar dann nicht zwei Bewusstseine (zwei "Selbste") aber es kann vorkommen, dass sie bestimmte Wahrnehmungen nicht mehr mit allen anderen kognitiven Vorgängne verknüpfen können, sie zum Beispiel einen Gegenstand nur sehen aber nicht benennen können oder Ähnliches.

Je nun, ich habe schon von den Split-brain Patienten gelesen. Ich würde sagen, das ist von einigen (Nagel) etwas überinterpretiert worden, imho. Wie du schon gesagt hast, gibt es dann nicht plötzlich vorübergehend zwei voneinander unabhängige Bewusstseine oder Selbste, sondern die Hirnhälften sind mit ihren spezifischen Fähigkeiten in bestimmten Situationen auf sich allein gestellt. Die linke Hälfte kann zwar ein Wort lesen, sich aber keine Form darunter vorstellen, die rechte Hälfte kann eine Form erkennen, kann sie aber nicht benennen. Wenn also ein Objekt nur mit der linken Hand wahrnehmbar ist, ist es für die Patienten nicht benennbar. Das linke Auge kann Wörter nicht lesen, aber Bilder verstehen. Wenn man dann beiden Augen eine Aufgabe zu lesen gibt, und ein dazu gehörges Bild nur dem linken Auge zeigt, dann ergibt sich manchmal ein etwas seltsames Verhalten, das aber nicht durch die Annahme zweier unabhängiger Bewusstseine oder Selbste erklärt werden muss. Wir kennen ja auch Situationen, wo wir zwischen zwei Fakten keine Verbindung herstellen können, wo uns eine Lösung einfach nicht einfällt, oder wo uns ein Wort auf der Zunge liegt, aber nicht einfällt.
Dass die kognitiven Funktionen von den Hirnstrukturen abhängen, würde ich im übrigen nicht bestreiten. Darum gings mir in meinem Beitrag auch gar nicht.

Robin schrieb:
Ein weiterer Schlüssel ist die Vorstellung des Bewusstseins als etwas sich momenthaft, selbstreferentiell Erhaltendes, mit Betonung auf momenthaft.

Ich glaube nicht, dass ich dich hier vollständig verstehe. Aber ich habe das Gefühl, da liegt tatsächlich ein Knackpunkt nahe. Wie ist das Momenthaft zu verstehen, bzw. kannst du diesen Satz etwas erläutern?
 
Wargole schrieb:
Für mich ist Bewusstsein primär einfach ein Konglomerat von Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen. Oder anders gesagt: Bewusste Erlebnisse. Aber was genau determiniert jetzt, welche bewussten Erlebnisse die meinen sind, und welche die deinen? Von meinen Erlebnissen jetzt bekommst du subjektiv nichts mit, höchstens indirekt.

Hallo Wargole,

ich denke hier müssen wir genauer differenzieren. Denn genau in den Differenzen liegen die Grenzen, die uns erlauben, unsere Vorstellung zu verbessern.
Wir müssen das auseinander nehmen: Wahrnehmen, Gedanken, Erinnerung und Gefühle.
Wahrnehmen ist, folgt man Niklas Luhmann, die Hauptaufgabe des Bewusstseins. Im beständigen Wahrnehmen operiert es momenhaft in der Gegenwart. Dies ist aber nur möglich, wenn es das Wahrgenommene ständig mit Bekanntem (Gedächtnis) abgleicht, dabei auf Informationsgehalt überprüft und extrem spontan "entscheidet", welcher winzige Bruchteil davon erneut im Gedächtnis behalten werden soll. "Entscheiden" in Anführungszeichen, weil das natürlich über Schmemata läuft, die wir garnicht kontrollieren können.
Man könnte also sagen: Bewusstsein ist Wahrnehmen vor dem Hintergrund des Gedächtnisses mit der Möglichkeit, dies auf eine unbekannte Zukunft zu projizieren und entsprechend (bewusste) Entscheidungen zu fällen.
Diese Vorstellung vertritt also ein anderes Paradigma: Die Wahrnehmung wird in den Vordergrund gerückt. Das NAchdenken ist zweitrangig (aber natürlich unbedingt notwendig).
Die Hauptaufgabe liegt im Wahrnehmen und Vergessen (um das Bewusstsein funktionsfähig zu halten. Die Welt und das was kognitiv verarbeitet wird, ist ein winziger Ausschnitt der Realität und nur wenn das so ist, kann das Bewusstsein ohne Selbstblockade funktionieren.)
Das Momenthafte liegt also im Einbeziehen der Zeit. Tot ist das Bewusstsein, wenn jeder Moment wie der vorige ist. Denn dann gibt es keinen Abgleich mehr. Kein Vergessen und Erinnern mehr. Keine Wahrnehmung mehr. Tod.
Dieses Modell bietet also unter Einbeziehung der Zeit neben der physischen (Gehirn) oder der metaphysischen (Seele) eine "prozessuale Entität" an, falls man das so sagen dürfte.
Aber was genau determiniert jetzt, welche bewussten Erlebnisse die meinen sind, und welche die deinen?
Eben nur die Wahrnehmung. Das schließt alle Zweifel aus. Wobei aber klar sein muss, dass Wahrnehmungen interne Operationen des Bewusstseins sind. Einwand: Wieso, sie kommen doch von außen?!
Was von außen kommt, ist lediglich ein Reiz über unsere Sinne. Erst wenn dieser Reiz in etwas umgewandelt wird, was unser Bewusstsein verarbeiten kann (etwa: den Reiz des Auges in die Wahrnehmung: "Rotes Auto"), beginnt der interne Abgleich mit dem Gedächtnis ("rotes Auto hab ich schon mal gesehen; das hier ist aber ein echt scharfer Schlitten")

Von meinen Erlebnissen jetzt bekommst du subjektiv nichts mit, höchstens indirekt. Du kannst bezweifeln, dass ich überhaupt subjektive Erlebnisse habe.
Ganz recht. Allerdings bezweifle ich nicht, dass du Erlebnisse hast. Ich bezweifle nur, dass wir auch nur ein äußeres Erlebnis genau gleich wahrnehmen. Du musst nicht farbenblind sein, um das "Erlebnis" rotes Auto anders wahrzunehmen.

Die Tatsache, dass Erlebnisse niemals im Außen liegen, sondern stets im Innern ist allerdings schon früh reflektiert worden; teilweise bei den Griechen; bei Boetius; bei Schopenhauer (Welt als Wille und Vorstellung). Es waren aber noch nicht die biologischen und theoretischen Erkenntnisse da, um daraus eine einheitliche Bewusstseinstheorie zu formen. (Die es vollständig sicher immer noch nicht gibt).

In diesem Sinne ist auch diese Frage
Ist dieses Bewusstsein (dieses Menschen da) identisch mit dem Bewusstsein (dieses Menschen) vor 5 Minuten? Aber das wäre etwas unklar ausgedrückt. In welchem Sinn soll es dasselbe Bewusstsein sein, schliesslich haben sich die Inhalte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit gewandelt.
so zu beantworten, dass die beiden Bewusstseinszustände nicht identisch sind, ja nicht identisch sein dürfen; denn dann wäre, wie ich oben beschrieb, der Tod eingetreten (den Grenzbereich des Komas lasse ich hier mal außen vor).
Das Identischsein (oder: die Identität ;) ) liegt nur im Aufrechterhalten der Konstruktion einer Identität. Das Selbst selbst ;) ist also nur eine Vorstellung - aber eine sehr stabile, faszinierende und wohl auch noch rätselhafte. Wie kommt es zu der Schließung kognitiver Prozesse zu einem Selbst-Bewusstsein? Kognitive Prozesse gibt es ja auch bei Tieren: Sind also Vorformen, Übergangsformen, Unterformen von Bewusstsein denkbar?

Ich glaube, die hier skizzierten Gedanken widersprechen deinen Überlegungen nicht. Man muss nur die Zeitdimension in das Modell mit einbeziehen.
Deine Überlegungen des ersten Beitrags (warum gibt es nicht Gehirne mit zwei Bewusstseinen etc.) sind m.E. mit der Vorstellung abgedeckt, dass sich Bewusstsein und Gehirn evolutionär zusammenentwickelt haben und zwei Bewusstseine in einem Hirn wenig überlebnsfähig wären - derjenige wäre einfach "verrückt" und handlungsunfähig...
(Ich weiß nicht, was du mit "Funtionalismus" meinst, ich kann ja mal googeln.)

Zur Verdeutlichung kurz skizziert, wie sich derselbe Ansatz beim System der Kommunikation darstellt:
Wenn sich zwei Menschen unterhalten, findet Kommunikation statt. Verlässt nun einer den Raum, wo ist dann die Kommunikation hin? Mit ihm gegangen? Nein, sie hätte ja auch bei dem anderen Menschen bleiben können. Ist sie in die Gedächtnisse übergegangen? Nein, denn da wären sie ja offensichtlich Teil des Bewusstsein, kognitive Prozesse. War die Kommunikation die Schallwellen und ist sie mit diesen verflogen? Nein, denn man hätte sich ja auch schreiben oder per Zeichensprache verständigen können.
Die Kommunikation war offensichtlich etwas "Drittes", das nur da war, wenn beide Menschen da waren, aber dennoch nicht mit ihnen identisch, in ihnen materialisiert und in dem Moment, wo ihr Zeitstrahl unterbrochen wird "tot".

Um in dem Bild zu bleiben, könnte man Bewusstsein als Interaktion zwischen Trilliarden von Gehirnzellen sehen, die sich deren aber nur als Medium bedient, um sich zeitlich-prozessual fortzupflanzen.

Der Begriff Medium ist hier also sehr wichtig, ich will es aber erstmal soweit belassen.
 
Hallo Wargole,

Respekt für deine Ausführungen.
Es wundert mich, daß nicht alle Wissenschaftler hier einen Ansturm der Empörung auslösen.
Das zeigt vielleicht die Qualität deiner Argumente, oder aber die Nicht-Qualität ihrer Argumente.

Aus meiner Sicht ist das Selbst auch die physische Erfahrung. Es ist also nicht die Frage des Entweder-oder, sondern eines Sowohl–als-auch. Das Selbst erfährt sich u. a. durch Materialisation, aber nicht ausschließlich. Sie ist nur ein Aspekt, eine Möglichkeit, sich selbst zu erfahren. Ein weiterer Aspekt ist z. B. die Traum-Erfahrung.

In dem Moment, in dem sich das Selbst materialistisch erfährt, ist es auch diese Erfahrung. Erfährt es sich materialistisch, unterliegt es den Bedingungen (oder Regeln oder (Natur-)Gesetzen), die diese Art der Erfahrung erst ermöglichen. Weiter gedacht, ist es sogar die Bedingungen.
Ich würde also nicht sagen, das Selbst sei nicht der Körper oder das Gehirn, wohl aber, daß es nicht ein Produkt physikalischer Prozesse sein kann, weil es viel mehr ausmacht als das.

Minni
 
Minni schrieb:
Hallo Wargole,

Respekt für deine Ausführungen.
Es wundert mich, daß nicht alle Wissenschaftler hier einen Ansturm der Empörung auslösen.
Das zeigt vielleicht die Qualität deiner Argumente, oder aber die Nicht-Qualität ihrer Argumente.

Hallo Minni,

Wagroles Ausführungen widersprechen überhaupt nicht den Erkenntnissen der Wissenschaft. Vielleicht solltest du dir den gesamten Thread durchlesen oder dich mit moderner Bewusstseinsforschung beschäftigen.

Grüße
 
Robin schrieb:
Um in dem Bild zu bleiben, könnte man Bewusstsein als Interaktion zwischen Trilliarden von Gehirnzellen sehen, die sich deren aber nur als Medium bedient, um sich zeitlich-prozessual fortzupflanzen.

Der Begriff Medium ist hier also sehr wichtig, ich will es aber erstmal soweit belassen.

Hallo Robin,

sehr interessante Ausführungen, ich sehe den zitierten Part ebenso. Bewußtsein als Medium der Interaktion Milliarden von Neuronen.

Damasio unterscheidet noch zwischen ´Kernbewußtsein´ (nicht an ein Gedächtnis gebunden) - dieses wird in Schüben für jeden einzelnen Bewußtseinsinhalt erzeugt - nämlich immer dann, wenn man mit einem Objekt in Interaktion ist. (=neuronale Aktivität)
Und dem ´erweiterten Bewußtsein=autobiographisches Selbst´, also die beständige Ansammlung von individuellen Tatsachen, die eine Person charakterisieren = Identität, welche sich tatsächlich als neuronale Hirnstruktur im Langzeitgedächtnis manifestiert.

Das ist eine Sichtweise das Gehirn betreffend, dennoch stellt sich die Frage, gibt es ein Medium außerhalb davon ?

Oder anders gefragt: Bedient sich Bewußtsein des Vehikels Gehirn ? Was ist das verbindende Element, welches die Bilder/Wahrnehmungen der verschiedenen Gehirnareale zu einem Ganzen verbindet ? Es wird vermutet, daß es ein ´Synchronschwingen/Synchronfeuern´ der betreffenden Neuronen ist, was das Bild zusammenfügt. Dennoch bleibt für mich die Frage: Wer oder was ist der ´Betrachter/der Beoachter` dieses zusammengefügten Bildes ?

So, dabei will ich es erstmal belassen.

Viele Grüße von Amanda
 
Wargole schrieb:
Kurzum, egal, ob es nun ein Selbst, oder nur ein Pseudo-Selbst gibt - auf jeden Fall kann es nicht physisch sein.
Robin schrieb:
Wagroles Ausführungen widersprechen überhaupt nicht den Erkenntnissen der Wissenschaft. Vielleicht solltest du dir den gesamten Thread durchlesen oder dich mit moderner Bewusstseinsforschung beschäftigen.

Hallo Robin,

Ziehen wir die Konsequenz aus dem von Wargole Gesagtem, muß es dieses Selbst auch ohne Gehirn geben, d. h. auch ohne jeglichen Bezug zum Gehirn (z. B. in anderen, nichtmateriellen Realitäten).
Wenn das die moderne Bewußtseinsforschung sagt, nehme ich meine Aussage gerne zurück und bitte freundlichst um einen Hinweis, welcher Forscher derart Unwissenschaftliches von sich gibt, damit ich mich auf den neusten Stand bringen kann.

Minni
 
Minni schrieb:
Hallo Robin,

Ziehen wir die Konsequenz aus dem von Wargole Gesagtem, muß es dieses Selbst auch ohne Gehirn geben, d. h. auch ohne jeglichen Bezug zum Gehirn (z. B. in anderen, nichtmateriellen Realitäten).

Hmm, diese Konsequenz hätte ich nicht gezogen. Vielleicht sollte Wargole da noch mal Stellung zu beziehen.

Ich habe seine Überlegungen so interpretiert, dass er einen Beweis gefunden zu haben glaubt, dass das Selbst nicht-materiell ist. Dass er sich aber über die Konsequenzen dessen noch nicht ganz klar ist. Zwar hat er den Buddhismus erwähnt, sich aber (noch) nicht als Anhänger einer esoterischen Vorstellung von Bewusstsein (Selbst, Seele) gezeigt.
Aber, wie gesagt, soll er selbst sagen.

Ich habe nur versucht zu zeigen, dass der Schluss Bewusstein=Immatriell nicht gegen die Theorien der Wissenschaft steht. Vielleicht steht er gegen die Theorien gewisser traditioneller Auffassungen von Gehirn, Bewusstsein usw. Aber man ist heute weiter, denke ich.

Oder anders gefragt: Bedient sich Bewußtsein des Vehikels Gehirn ? Was ist das verbindende Element, welches die Bilder/Wahrnehmungen der verschiedenen Gehirnareale zu einem Ganzen verbindet ? Es wird vermutet, daß es ein ´Synchronschwingen/Synchronfeuern´ der betreffenden Neuronen ist, was das Bild zusammenfügt. Dennoch bleibt für mich die Frage: Wer oder was ist der ´Betrachter/der Beoachter` dieses zusammengefügten Bildes ?

Ja, Amanda, das ist die Frage: Wer ist der Beobachter? Das ist sehr kompliziert, wenn nicht paradox. Es ist sicher falsch, wenn die Hirnforschung versucht, den Beobachter auch noch im Hirn zu lokalisieren (was nicht heißt, dass er außerhalb liegt...). Es ist vielmehr die Frage ob die Aussage "Der Beobachter beobachtet sich selbst" nicht äquivalent dem Umstand entspricht, dass sich das System schließt (Autopoiesis). Die Systemtheorie sagt hier paradox: Der Beobachter ist sich selbst unsichtbar...er kann sich nur zeitversetzt, also aus der Erinnerung heraus, beobachten. Wie gesagt, das Selbst ist selbst eine Konstruktion. Aber wie das genau passiert, ist mit einfachen Bildern sicher nicht zu vestehen.
Jetzt gerade habe ich keine zeit, ich werde aber vielleicht auf den Punkt zurückkommen, je nachdem, wie sich die Diskussion entwickelt.

Grüße
 
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Hallo nochmal,

ich greife nur mal einzelne Passagen ob der Komplexität des Themas heraus:

Robin schrieb:
Das Identischsein (oder: die Identität ) liegt nur im Aufrechterhalten der Konstruktion einer Identität. Das Selbst selbst ist also nur eine Vorstellung - aber eine sehr stabile, faszinierende und wohl auch noch rätselhafte.

Diese Identität ist tatsächlich eine Ansammlung biografischer Daten, Erinnerungen, Erfahrungen, sowie des individuellen ´Weltwissens´ jedes Einzelnen, welche sich als Hirnstruktur im Neocortex manifestiert und somit auch - nach Bewußtlosigkeit, Tiefschlaf, sowie Nahtoderfahrungen - wieder abrufbar ist, es sei denn das Gehirn ist tatsächlich irreversibel geschädigt worden.

Erinnern ist - auf den Punkt gebracht - ein Verschalten von Neuronen. Wobei man auch dort festgestellt hat, daß jedes Mal nach Abruf einer solchen Erinnerung aus dem LZG diese in eine chemisch instabile Phase gerät, welche wiederum neu festgeschrieben werden muß. Die Konsolidierung ist also kein einmaliger Prozeß, das LGZ ist wesentlich labiler als vermutet, was erklären würde, warum im Laufe eines Lebens Veränderungen in diesen Erinnerungen stattfinden.

Robin schrieb:
]Ja, Amanda, das ist die Frage: Wer ist der Beobachter? Das ist sehr kompliziert, wenn nicht paradox. Es ist sicher falsch, wenn die Hirnforschung versucht, den Beobachter auch noch im Hirn zu lokalisieren (was nicht heißt, dass er außerhalb liegt...). Es ist vielmehr die Frage ob die Aussage "Der Beobachter beobachtet sich selbst" nicht äquivalent dem Umstand entspricht, dass sich das System schließt (Autopoiesis). Die Systemtheorie sagt hier paradox: Der Beobachter ist sich selbst unsichtbar...er kann sich nur zeitversetzt, also aus der Erinnerung heraus, beobachten. Wie gesagt, das Selbst ist selbst eine Konstruktion. Aber wie das genau passiert, ist mit einfachen Bildern sicher nicht zu vestehen.
Jetzt gerade habe ich keine zeit, ich werde aber vielleicht auf den Punkt zurückkommen, je nachdem, wie sich die Diskussion entwickelt.
Gerne .........

Nein, im Gehirn wurde dieser Beobachter meines Wissens auch nicht gefunden, obwohl er in der Tat ja dort gesucht wurde.

Mit fällt dazu *der Beobachter ist sich selbst unsichtbar... er kann sich nur zeitversetzt aus der Erinnerung heraus beobachten* ein Satz ein, den ich mal las und der sich mir eingeprägt hat, nämlich daß Zeit, Entfernung und Raum nur zwischen zwei Punkten von Bewußtsein existieren. Darüber gibt es für mich zumindest einiges nachzudenken.

Dazu gibt es auch interessante Untersuchungen von praktizierenden Buddhisten während der Meditationspraxis, deren zentrale Aussage der spirituellen Erfahrung ja folgende ist, also so in etwa: "Wenn alles EINS ist, wird weder zwischen Objekt noch Subjekt differenziert, man tritt ein in einen Zustand der Nichtzeit und Nichtlokalität."

Zu Wargole: Ich werde Deinen Einganspost nochmal ganz in Ruhe lesen, jedenfalls hochinteressant, bedarf aber etwas mehr Zeit meinerseits, um darauf einzugehen.

Bis dahin Amanda
 
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