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Auf der Suche nach den Wurzeln des Antisemitismus

Die Antwort auf die Frage nach den Wurzeln des Antisemitismus würde vermutlich einen Schlüssel für den Umgang mit der aktuellen Islam- und Ausländerfeindlichkeit bieten.
Der Mensch fühlt sich instinktiv hingezogen zu dem was ihm gleicht und somit vertraut ist. Er ist ein soziales Wesen und möchte Zugehörigkeit erfahren. Gerechtigkeitsempfinden ist eine weitere Komponente gesellschaftlicher Grundbedürfnisse. Vor dem Hintergrund dieser einfachen Gleichung ist es völlig unerheblich, ob es um Juden, Muslime oder Ausländer im Allgemeinen geht. Es ist das Fremde, das Argwohn weckt und am Ende in Aggression und Hass umschlagen kann.
Man kann nun im Einzelnen untersuchen, was im Falle der Juden das Entscheidende war, was sie von anderen Mitbürgern unterschieden hat. Der Eingangsbeitrag zählt die wichtigsten Aspekte bereits auf. Viel wichtiger als die Gründe ist aber der Dialog, der sich aus den Betrachtungen ergeben sollte. Eine Auseinandersetzung, die eine Eskalation hätte verhindern können, ist ja offenbar ausgeblieben. Diesen Fehler sollten wir heute nicht wiederholen. Wenn das Verhalten einer Gruppe stört, wenn deren Gewohnheiten befremdlich wirken, wenn das Gerechtigkeitsempfinden der breiten Masse durch was auch immer verletzt ist, muss darüber debattiert werden. Andernfalls wird sich der unterdrückte Groll auf andere Weise Bahn brechen. Deshalb ist eine Unterdrückung des Unmuts gegenüber allem was "fremd" erscheint, wegen der Gefahr, als Faschist bezeichnet zu werden, der falsche Weg. Eine Pegida-Bewegung hätte es nie gegeben, wenn die Vorstellungen über die Grundbedingungen von Zuwanderung bereits zu dem Zeitpunkt formuliert worden wären, als die ersten Gastarbeiter sich entschlossen haben, nicht weiter Gäste zu sein, sondern Mitglieder unserer Gesellschaft zu werden.
Man kann das in etwa mit der Vorstellung vergleichen, wie verhält man sich, wenn man in eine Wohnung mit einziehen darf, die schon jemand anderem gehört. Folgende Fragen könnten Unstimmigkeiten zwischen alteingesessenen und hinzukommenden Bürgern einer Gesellschaft verhindern:
- wie lebt man in der bestehenden Gemeinschaft - und möchte ich genauso leben?
- wie kleidet man sich - und möchte ich mich genauso kleiden?
- wie verhält man sich - und möchte ich mich genauso verhalten?
- wie spricht man - und möchte ich genauso sprechen?
- welches sind die Pflichten - und möchte ich diesen Pflichten wirklich nachkommen?
- von wem ist die Anpassung zu erwarten - von den Alteingesessenen oder von den Hinzukommenden?

Im Kontext der Judenverfolgung waren diese Fragen im Wesentlichen geklärt. Die Nachnamen waren seit etwa zwei Jahrhunderten eingedeutscht, es gab kaum rein jüdische Viertel, es gab Mischehen, der Erste Weltkrieg wurde von Juden mit bestritten etc.
Was aber eine große Rolle spielte, war die Beobachtung, dass viele Juden tatsächlich gebildet, geschäftstüchtig, ehrgeizig und dementsprechend wohlhabend waren. Es handelt sich also um einen Aufstand des Proletariats gegen eine mehr oder weniger intellektuelle Oberschicht. Arbeitslosigkeit, Neid und das Gefühl von ehemals Fremden überholt zu werden, mag der Grund für immer größere Ressentiments gewesen sein. Es ist die Ironie des Schicksals, dass Westeuropa sich seiner kulturschaffenden, kaufkräftigen, intellektuellen Elite durch Tötung entledigte und nun statt dessen ein muslimisches Proletariat hat, welches kaum Kultur mitbringt, kaum Bildung hat und nun auch noch beginnt, uns durch Terroranschläge umzubringen. Die Gründe sind genau die selben. Eine arrogante Elite gewährt den anderen keinen Zugang. Deshalb schließen sich auch westliche Jugendliche den "fremden" Islamisten an, da das Ausgeschlossensein sie eint.

Es wäre allerdings zu einfach einer Partei die Schuld zuzuweisen. Weder die kulturelle, wohlhabende Elite noch die abgehängten Proletarier trage allein die Verantwortung. Wer etwas erreichen will, muss etwas dafür tun. Auf der anderen Seite muss der Weg nach oben auch offen sein. Eine Gesellschaft, die nicht durchlässig ist, sägt sich am Ende den Ast ab, auf dem sie sitzt. Das gilt für Juden wie für alle anderen auch. Wichtig ist wie gesagt, dass die Regeln auch klar formuliert werden. Wenn jeder nur seine Ressentiments versteckt mit sich herumträgt, wird aus der Einheit nichts. Jeder muss seine Vorstellungen, Erwartungen und Befremdlichkeiten offen auf den Tisch lege, damit eine faire Diskussion stattfinden kann. Im Zweifelsfall aber, müssen "die Neuen" sich den bestehenden Modalitäten anpassen.
 
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