AW: Auf der Suche der Mythen
von Ginsi:
So.. Ich habe mir "Also sprach Zarathustra" ausgewählt.
- Grober Ablauf der Geschichte:
Zarathustra geht als Einsiedler auf einen Berg. Irgendwann geht er zu den Menschen um ihnen seine Weisheit weiterzugeben. Er geht auf den Markt und fängt an zu erzählen..[Erläuterung des Konzeptes des Übermenschen].. Dort kriegt er nur Hohn und Spott zu spüren. .. Wie geht es weiter, was wäre zu einer reinen Inhaltsangabe noch wichtig?
Hey Ginsi, ein schönes Thema, aber schwierig.
Zarathustra kommt insgesamt 3mal wieder vom Berg herunter, dazwischen geht er immer wieder zurück, weil er merkt, dass die Menschen ihn nicht verstehen, dass sie noch nicht so weit sind. (Das kann ich nachvollziehen. *schmunzel * )
Mit dem Markt ist nur einmal ein wirklicher Markt gemeint, Nietzsche bezeichnet ähnlich wie viele östliche Schulen die Zivilisation allgemein als „Marktplatz“.
Wichtig erscheint mir die Verwandlung des Menschen vom Herdentier zum freiheitsliebenden und wilden Wolf, der seine Bedürfnisse entdeckt und durchsetzt. Im weitesten Sinne geht es dabei um die Verwirklichung des Realitätsprinzips, auch vom Mitlaufenden zum Schaffenden, zum Gestaltenden, es geht um das Herauslösen aus dem Unbewussten, um ein Bewußtwerden. Und dann weiter die Entwicklung vom Wolf zum Kind, was nicht wirklich ein Rückschritt ist.
Das Kind symbolisiert das unbelastete unschuldige Wesen. Man kann es auch als „das befreite“ verstehen. Befreiung kann man hier als die Befreiung des Menschen von den verstandesgeborenen Problemen beschreiben. Das Kind hat durch die Stadien des Bewusstwerdens hindurch, seine Unschuld zurückerobert. Seine Handlungen werden von einem IN den Wahrnehmungen und Handlungen integrierten Verstandesleistungen verstehen. Das Kind verschmilzt wieder mit der Wahrnehmung. Betrachter und Betrachtetes vereinigen sich wieder. Leidenschaft und Integrität wird geboren. Der verstandesgeborene Zweifel erlischt.
Die Krux ist, dass der Wolf, der um seine Unschuld innerlich weiß, zwar ein wildes Tier ist, aber keine Bestie. Diesen Zusammenhang leugnen wir, weil wir Angst davor haben. Die Religionen wirken mit ihrem Gerede von Erbsünde u. Co. hier kontraproduktiv. Bei den Sufis und im Tantra taucht der Weise augenscheinlich als Verrückter auf. Aber eben verrückt in unseren Augen.
Am Ende der Geschichte lädt Zarathustra viele Gäste in seine Höhle ein, um festzustellen, ob diese im folgen können. Er stellt fest, dass es keiner geschafft hat. Die Gäste stellen m.E. Eigenschaften und Begierden dar, welche es dem Menschen noch nicht ermöglichen, „hinüber zu gehen“ (übergehen-Übermensch). Eben diese Eigenschaften zeigen den „aktuellen Entwicklungsstand des Menschen. Gleiches spricht Marx an, wenn er sagt, die Menschheit befindet sich in ihrer eigenen Vorgeschichte. Der Mensch kann noch nicht erkennen. Das findet sich in vielen anderen Richtungen wieder. Der Zarathustra ist m.E. ein gelungenes Bindeglied westlicher Philosophie zum östlichen Tao. Im Tao versteht man unter dem Kid ein Wesen, was zurückgefunden hat zum Tao. Das Kindliche lässt sich vom Tao führen, es handelt nicht entgegen des Taos, nicht entgegen des „Laufs der Dinge“. Es ist ungezähmt, aber wunderschön. Zu einer Bestie wird es nur, wenn unsere konditionierten Augen seine Lebendigkeit bewerten.
Der Übermensch ist als übergehender Mensch angelegt, nicht als „übergroßer“. Die Nazis haben das m.E. bereits missverstanden. Ihre Wolfssymbolik verliert sich in Größe und Macht. Bleibt der Übergehende jedoch in diesem Stadium stecken (also wird er nicht zum Kind), wird das Tao sich zwangsläufig gegen ihn richten, sein Scheitern scheint gesetzmäßig.
Erschöpfend kann man den Zarathustra nicht beschreiben, da sich bei jedem erneuten lesen, auch in Abhängigkeit von der eigenen Bewusstseinsentwicklung immer wieder neues erschließt.
Der Übermensch ist eigentlich ein zur Unschuld zurückgekehrter Weiser, der seinen Verstand nur einen Hauch anders als ein verrückter einsetzt. Daher wird Zarathustra auch überall belächelt.
Der Übermensch geht also aus der Herde (Symbol für das Unbewusste) hinüber zum Wolf, zum wachsenden Bewussten, was sich im Realitätsprinzip der Welt bemächtigt und mündet in das unschuldige Wesen eines Weisen, eines Kindes, was um seine Unschuld wissend, den Verstand nicht mehr als Feind, auch nicht als unbewussten Feind empfindet, sondern ihn in sein Sein integrieren kann. Man könnte diesen Zustand vergleichen mit einem Menschen, der etwas leidenschaftlich tut dem Verliebsein. Er wird zur Welt.
Im Kind existiert der Widerspruch nicht. Das Kind lässt sich treiben und wird vom Lauf der Dinge mitgerissen. Es befindet sich „im Fluss“ (begrifflich aus der Esoterik). Der Zweifel und die Mühsal die durch den Sündenfall in der Mythologie ausgelöst wurde, wird „integriert“.
Das Stadium des Wolfes kann nicht ausgelassen werden, weil gerade das den Unterschied zwischen dem Weisen und dem Kind wie wir es verstehen, bildet.
Solange man nicht akzeptiert, dass im Menschen der Wolf als ursprüngliches, kraftvolles, unbeugsames, wildes befindet und man ihn immer nur als Hund sieht, wird man nicht übergehen können. Was wir heute tun, ist, den Wolf (in uns) zahm zu machen, ihn zum Hund zu domestizieren, zu dressieren und wir erschrecken, wenn der Wolf im Hund zum Vorschein kommt. (töten, Sex, Amok...) Wir leugnen ihn und wollen ihn mit Strafen und Leckerlis dressieren. Ein grundlegendes Missverständnis.
Deine Frage „Was ist der Mensch?“, ist m.E. nicht lösbar. An so etwas würde ich mich nicht heranwagen.
Hoffe das hilft ein bisschen.
Viele Grüße
Bernd