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Agenda 2010: Reform oder sozialer Kahlschlag?

Von Gisbert Zalich
Zurzeit stürmt ja - besonders durch die Talk-Shows - eine Stimmungsmache gegen die Arbeitslosen durch das Land. Der brave Arbeitsplatzinhaber ist ja schon auf Krawall gebürstet, BEVOR er mit einem Arbeitslosen ins Gepräch kommt. Diese Stimmungsmache bezeichne ich als HETZE, und die ist nicht gut

Diese Stimmungsmache zeigt wohl auch leider ihren Erfolg.
(Wohl auch bei manchem Mitglied dieses Forums)


Gruß
Georg
 
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Hi Georg -

wenn Du nicht unterscheiden kannst zwischen dem Versuch einer etwas differenzierteren Sichtweise und bloßer Stimmungsmache, dann tut es mir leid.

Findest Du es gerechtfertigt, Leute, die Du nicht kennst, sofort in eine Ecke zu stellen? Das wäre Schwarz-Weiß-Malerei und - mit Verlaub - ziemlich billig.

Ich weigere mich schlicht, mich blindlings "auf eine Seite" zu stellen und die andere ebenso blindlings zu verteufeln. Als ich vor 3 1/2 Jahren kurz nach einer großen OP noch an Krücken auf Arbeitssuche war, kam ich in den "Genuß" von allen möglichen Aufmerksamkeiten. Einerseits durch Arbeitsamtmitarbeiter ("WENN Sie arbeiten wollten dann hätten Sie sich ja wohl kaum ausgerechnet JETZT ins Krankenhaus gelegt!"), andererseits durch "Kollegen" in der Arbeitslosigkeit ("Was, Du willst arbeiten? Sei doch nicht blöd, nutz Deine Krücken aus so lange es geht!") und auch von Arbeitgebern ("Wenn ich Sie so anschaue weiß ich jetzt schon daß Sie ständig krank sein werden!")

Es ist einfach, zu sagen "DIE" Arbeitgeber, "DIE" Wirtschaftsbosse, "DIE" Arbeitslosen usw. Ich schrieb von Arbeitslosen in großer Zahl, die ich auch kennengelernt habe - die schlicht faule Säcke sind. Und ich schrieb von Arbeitgebern, die ich ebenso kennengelernt habe - z.B. einen CallCenter-Betreiber, der mir damals anbot, mich wg. des weiten Arbeitsweges so lange mit dem Auto abzuholen und wieder nach Hause zu bringen, bis ich ohne Krücken laufen könnte - und meiner jetzigen Arbeitgeberin, die tatsächlich eine der übelsten Angestellten-Verheizerinnen ist, die mir je begegnet ist - und die mich damals trotzdem eingestellt hat und mir kommentarlos einen teuren Spezial-Bürostuhl anschaffen ließ - wohlgemerkt zu der Zeit für eine poplige 30-Stunden-Callcenter-Telefonistin.

Ich bin diese dummdreisten Gut-Böse, Schwarz-Weiß-Malereien so leid! Bei vorschnellen Beiträgen wie Deinem frage ich mich wirklich: halten Leute wie Du die Welt eigentlich für einen Comic, in dem es nur zweidimensionale Wahrnehmungen gibt?

Grantig jetzt!
wirrlicht
 
Original geschrieben von Georg
Diese Stimmungsmache zeigt wohl auch leider ihren Erfolg.
(Wohl auch bei manchem Mitglied dieses Forums)
Und dann werden in die Talk-Shows auch noch die WIRKLICHEN Parasiten rangekarrt. Und die macht man dann zu den Repräsentanten der Arbeitslosen generell. :mad:
Dann sollte man zudem mal hinschauen, wie fertig diese "Repräsentanten" sind. Fertig vom Leben. MITLEID wäre der normale Reflex. Meine ich. Stattdessen diese - Tritte ins Gesicht! Verabscheuungswürdig, mit Verlaub!
Ich rede jetzt von diesen Mittags-Talk-Shows, Oliver Geissen und so. Ich rede NICHT von Wirrlicht. Ich glaube auch, dass ihr euch einander noch nicht so richtig verstanden habt.... ;)

Gysi
 
Re: Arbeitslose

Original geschrieben von Gisbert Zalich
Zurzeit stürmt ja - besonders durch die Talk-Shows - eine Stimmungsmache gegen die Arbeitslosen durch das Land. Der brave Arbeitsplatzinhaber ist ja schon auf Krawall gebürstet, BEVOR er mit einem Arbeitslosen ins Gepräch kommt. Diese Stimmungsmache bezeiche ich als HETZE, und die ist nicht gut. Wir haben 5 Mio. Arbeitslose. Von denen sind vielleicht 1 Mio. Arbeitsscheu, und diese Zahl ist sehr hoch gegriffen.

Hi Gysi,

ich kann's nicht belegen, aber ich bin sicher daß 20 % "Arbeitsscheue" zu hoch gegriffen sind - so viele sind das nicht. Aber - und das stinkt mich so an - es sind leider gerade die faulen Eier, die sich breitgrinsend bei jeder Gelegenheit hinstellen und lauthals verkünden: "Arbeiten? Iiiiich? Bin ich blöd?!" die das Bild prägen - diejenigen, die sich zu Geissen und Co. kutschieren lassen um für 150 Euro (oder so um den Dreh) jeden Mist zu verzapfen, der ihnen als quotentreibend in den Mund gelegt wird.

TV-Bilder haben viel Macht - SOWAS prägt sich ein. Ist genauso wie mit den paar schrillen Fummeltrinen, die alljährlich bei CSD's so begeistert gefilmt werden - daß "der Schwule an sich" zum Großteil ebenso "normal" bzw. "unnormal" ist wie jeder Mann kommt den Leuten ja gar nicht erst ins Bewußtsein - woher auch, wenn das Plakative als Norm vorgeführt wird? *groll* bin gerade sooo geladen!


Was ist mit dem Rest, den 4 Mio.? Es gurkt immer wieder das Argument "Wer arbeiten will, der bekommt auch Arbeit!" durch die Sender. Gegen diese Dummheit erhebt sich kaum Protest. FAKT ist: WIR HABEN ZU WENIG ARBEITSPLÄTZE!

Stimmt, und besonders schmerzlich erlebe ich das in Dresden im Umfeld meines Freundes. Da sind qualifizierte Arbeiter, die sich wirklich ein Bein ausreißen um IRGENDEINE Arbeit zu finden - selbst wenn die verabscheuungswürdig niedrig bezahlt wird - damit sie wenigstens wieder sagen können: "Ich arbeite dort und dort!" Was mir dort manchmal begegnet tut mir in der Seele weh. Da ist sich ein Lehrer Anfang 50 nicht zu schade, Regale aufzufüllen oder Zeitungen auszutragen (der Vater meines Freundes) - und solche Menschen müssen sich dann am Negativ-Image des Sozialschmarotzers messen lassen? Das ist nicht fair!


Außerdem könnte man sich auch mal Gedanken machen, WARUM manche sich vor Arbeit drücken. Warum sie ausgesprochen FAUL sind. Wer sich vor dem Altwerden deaktiviert, hat ein Problem, das mit Tritten ins Gesicht nicht gelöst werden kann... Es war schon immer leicht gewesen, im Schwachen den Schuldigen zu suchen und zu finden.

Da möchte ich differenzieren. Früher habe ich genauso argumentiert - ich denke mal, daß ein Mensch, der mit Perspektiven aufwächst und wenigstens etwas motiviert wird (wer will das nicht? Es macht stolz, etwas zu leisten und dafür Anerkennung zu bekommen) nicht einfach so zum "faulen Sack" wird. Wie überall gibt's aber die berühmten schwarzen Schafe - diejenigen, die absichtlich in ein Bewerbungsgespräch mit versifften Klamotten und Bierfahne aufkreuzen - und die gleichzeitig nicht wenig Schotter verdienen, weil sie schwarzarbeiten. DAS sind echte Sozialschmarotzer die ich gefressen habe! Das ist das eine. Und das andere: ich finde nicht, daß "dem Schwachen" ins Gesicht geschlagen werden darf, indem man ihm auch noch den letzten Rest an Selbstachtung wegquasselt. Aber trotzdem finde ich, sollten solche Menschen durchaus mit Strenge wieder in die Arbeitswelt zurückgeführt werden - notfalls mit Druck. Zu dieser Überzeugung bin ich über die Jahre gekommen, weil ich mich (durch meine eigenen Erkrankung) sehr viel in "Psychokreisen" aufgehalten habe. In diesem Umfeld (betreutes Wohnen, ehemalige Psychiatrie-Patienten usw.) ist es mir zu oft begegnet, daß die Betroffenen schlicht resigniert hatten - das führte dann dazu daß sie selbst niedrigschwellige Angebote nicht mehr wahrnehmen wollten/konnten. Die wenigsten hatten so vernünftige Betreuer, die dafür sorgten, daß sie - zunächst wirklich durch DRUCK - erstmal wieder aus dieser resignierten Grundhaltung rauskamen. Natürlich ist das nicht vergleichbar mit dem, was Schröder und Konsorten vorhaben - das ist doch nix weiter als der Versuch der Symptombehandlung ohne Rücksicht auf die eigentlichen Ursachen. Wenn man hier wirklich konstruktiv Veränderungen erreichen wollte, müßte eine Regierung mit Vehemenz dafür sorgen, daß es sehr viel mehr Arbeitsplätze auf dem "2. Arbeitsmarkt" gibt, d.h. vom Sozialamt bezahlte, betreute Arbeitsplätze, die Betroffenen einerseits ein notwendiges "Gerüst" bietet, andererseits aber auch klar macht: wer ständig seinen Wehwehchen nachgibt, bekommt eben weniger Unterhalt. Sowas eben - diese Modelle gibt es, sie werden nur immer weniger finanziert - und DAS ist skandalös!

Die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden. Wenn Clement (den österreichischen Wirtschaftsminister kenne ich leider nicht) sagen würde, 2 Feiertage sollten nicht mehr bezahlt werden: o.k. Das ist ein Vorschlag, der einsehbar wäre. Aber er sagte ja: Die Leute sollen an den Feiertagen ARBEITEN, also insgesamt mehr arbeiten! D.h., die vorhandene Arbeit soll sich noch mehr auf weniger Arbeitende konzentrieren? :confused:

'Confused' fühle ich mich oft, wenn ich mir so anhöre, mit welchen "Spezialistenvorschlägen" unsere Politiker immer wieder aufwarten. Ging mir schon zu Seehofers Zeit so, als der die Pflegereform mit durchdrückte - damals war ich in einer Altenheimverwaltung als Aushilfe beschäftigt. Schreibtischtäter ohne jeden Bezug zur Praxis, kann ich da nur sagen (heute - nach seinem Beinahe-Tod bereut der gute Seehofer wohl so manche Entscheidung von damals... zu spät :( )

LG, wirrlicht



Achso:
Ich rede NICHT von Wirrlicht. Ich glaube auch, dass ihr euch einander noch nicht so richtig verstanden habt....

Na damit hast Du mir mindestens 5 1/2 Minuten meines Nachmittags gerettet :D Gracias!
 
Zuletzt bearbeitet:
Re: Re: Arbeitslose

Original geschrieben von wirrlicht
... hier wirklich konstruktiv Veränderungen erreichen wollte, müßte eine Regierung mit Vehemenz dafür sorgen, daß es sehr viel mehr Arbeitsplätze auf dem "2. Arbeitsmarkt" gibt, ...
Ich sehe, Georg, dass Wirrlicht nicht von der "Gegenseite" aus diskutiert... ;)

ABMs, das sind Konzepte, die eine Zielsetzung hatten (Zuführung in den 1. Arbeitsmarkt), die sie in Praxis nicht erfüllten. Ich bin für VERTEILUNG der vorhandenen Arbeit auf mehr Arbeitsplätze. Ist auch nicht so teuer. Wenn Geld da ist, bin ich für staatliche EXISTENZGRÜNDUNGEN. Oder mehr staatliche Unterstüzuung für private Existenzgründungen. Vielleicht auch mit staatlicher know-how-Begleitung durch die betriebswirtschaftlichen Fakultäten der Universitäten. In die Richtung könnte man noch Einiges machen....

Gysi
 
Re: Re: Re: Arbeitslose

Original geschrieben von Gisbert Zalich
ABMs, das sind Konzepte, die eine Zielsetzung hatten (Zuführung in den 1. Arbeitsmarkt), die sie in Praxis nicht erfüllten. Ich bin für VERTEILUNG der vorhandenen Arbeit auf mehr Arbeitsplätze. Ist auch nicht so teuer. Wenn Geld da ist, bin ich für staatliche EXISTENZGRÜNDUNGEN. Oder mehr staatliche Unterstüzuung für private Existenzgründungen. Vielleicht auch mit staatlicher know-how-Begleitung durch die betriebswirtschaftlichen Fakultäten der Universitäten. In die Richtung könnte man noch Einiges machen....

Gysi, ich sprach nicht von bloßen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, sondern von betreuten Arbeitsplätzen mit dem Ziel, Langzeitarbeitslose (sehr oft Menschen mit psychischen Schwierigkeiten) zunächst für den Arbeitsmarkt überhaupt wieder "fit" zu machen.

ABM - klar funktioniert das nicht. Wer läßt sich denn - einfach nur um "aufgeräumt" zu sein - irgendwo hinbeordern?

Arbeitsplätze nach dem BSH-Gesetz gibt's nicht sehr viele, aber sie erfüllen durchaus ihren Zweck.

Ich hatte eine dieser Stellen inne. Ich glaube nicht, daß ich ohne die den beruflichen Wiedereinstieg geschafft hätte - 1 1/2 Jahre Nicht-Arbeit wg. Depressionen hatten mich davon überzeugt, alles andere als leistungsfähig zu sein. Langzeitarbeitslosen geht's sehr oft nicht anders: sie trauen sich - je länger dieser Zustand anhält - nicht mehr viel zu. Teufelskreis, den man unterbrechen kann, nur: alleine schaffen's viele nicht. Es wäre nicht aller Probleme Lösung - aber für einen großen Teil von Langzeitarbeitslosen könnte das sehr wohl die nötige Starthilfe sein :) Daß die vorhandene Arbeit trotzdem so gerecht wie nur möglich auf alle Arbeitssuchende aufgeteilt werden sollte: das schließt einander doch nicht aus, oder?

LG, wirrlicht
 
Wirrlicht, ich verrat dir mal etwas von meinem beruflichen Werdegang: Industriekaufmann 1969. 1981 Diplom in Ökonomie gebaut. Seitdem nur ABM´s, keinen einzigen Job auf dem 1. Arbeitsmarkt. NIE ein Angebot abgelehnt. Nagut: 1983 einen kleineren Unfall gehabt. Gut: einen schweren: Gehirnriss, seitdem humple ich. Das isses aber auch! (Keine Tabletten, wacher Geist - hoffe ich doch! :D ) ICH bewerbe mich nicht mehr! Ich habe aufgegeben. Nicht dass es mir schlecht geht, aber ich richte mich mit dem, was ich JETZT bin und habe, ein. Eine ABM oder andere staatliche Maßnahme würde ich SOFORT annehmen. Aber die müsste mir schon angeboten werden. ICH kümmere mich um Maßnahmen oder Jobs nicht mehr. 2001 hatte ich um einen Platz in einer Übungsfirma noch gekämpft. Ergebnis: Von 10 verschiedenen Zeitarbeitsfirmen, in denen ich als Arbeitssuchender eingetragen bin, bekam ich - lass mich mal nachrechnen - :D (das was ein Scherz...) - NULL Angebote.

Unser Thema war ABMs und andere staatliche Eingliederungsmaßnahmen: Wenn man so was bekommt: O.K.! Aber für der ERSTEN Arbeitsmarkt bringen sie nichts!

Gysi
 
gysi, ich liebe Dich

komm lass uns eine Koalition machen

sonst sind wir ja selten einer Meinung,
aber im Falle der wöchentlichen Arbeitszeit

JA!

.....................

inwiefern ist die ökonomische Theorie überhaupt in der Lage,
neue Arbeitsplätze zu schaffen?
(also nicht vorhandene Arbeit auf mehr Arbeiter zu verteilen)

ein BWLer will immer rationalisieren
- das bedeutet (da es Abschreibungen gibt) weniger Arbeitsplätze

ein VWLer will geringe Auflagen,
damit die Produktion im Inland rentabel genug bleibt
- das bedeutet, daß die Gesellschaft immer weniger Nutzen (Steuereinnahmen) und immer mehr Schaden (Umwelt) durch die Wirtschaft hat

auf welche Berater sollte Schröder hören,
wenn man davon ausgeht,
daß Arbeit auch dort entstehen könnte,
wo diese einen gesellschaftlichen Nutzen erzeugt

und welche Steuerungsmechanismen sind von der Politik anzuwenden,
um das gesellschaftlich Nützliche wirtschaftlich rentabel zu machen?

ich wollte hierzu meine Doktorarbeit schreiben
und es gibt hier irgendwo im Forum einen thread

philosophische Beiträge zur Wirtschaftspolitik
 
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Original geschrieben von scilla
und welche Steuerungsmechanismen sind von der Politik anzuwenden,
um das gesellschaftlich Nützliche wirtschaftlich rentabel zu machen?
Arbeit verteilen! Ich bin Lafontainist! ;)

ich wollte hierzu meine Doktorarbeit schreiben
und es gibt hier irgendwo im Forum einen thread
Wie, und jetzt nicht? Why? :confused:
Sach ma, bist du etwa auch so ein, *würg*, Diplomökonom? :( - :p :D

Gysi
 
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