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Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

xcrypto

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28. März 2008
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439
Der britische Biologe Richard Dawkins hat die recht umstrittene Theorie der "Memetik" entwickelt, nach der sogenannte "Meme" evolutionären Prozessen unterliegen, vergleichbar mit Genen, die den gleichen Prozessen unterliegen. Ein Mem wird dabei als ein Gedanke oder eine Idee verstanden, der sich über Generationen erhalten kann, dabei aber mutiert, sich anpasst und weiterentwickelt. Dawkins liefert als Hauptbeispiel für die Memtheorie die Religionen an, bei denen es sich nach der Memetik um sogenannte "Memplexe" handelt, also Gruppen von Memen, die aneinandergekoppelt die Zeiten und Generationen überdauern können, sich aber im Verlauf der Mem-Generationen verändern können.

Details hierzu finden sich bei Wikipedia: Memetik, Meme, Memplex.

Ich finde diese Theorie recht einleuchtend, allerdings soll es in diesem Thread eigentlich nicht darum gehen, ich habe das nur ausgeführt um zu zeigen, dass ich kein einsamer Irrer bin angesichts der noch folgenden Abschnitte :)

Aber leider muss ich noch weiter ausholen, um zum Punkt zu kommen. Ich fürchte, das wird kein einfacher Thread, sorry!

Vor vielen Jahren hatte ich ein Buch von einem Mann gelesen, den ich damals als Wissenschaftler betrachtete und heute eher in die Esotherik-Ecke stellen würde. Leider kann ich mich an seinen Namen nicht mehr erinnern und das Buch ist natürlich auch weg. Wie auch immer, der Mann hatte eine recht abenteuerliche Theorie, nach der es vor vielen Tausend Jahren schon einmal eine technisch hochentwickelte Zivilisation gab, unter Umständen sogar schon mehrere. Diese Anschauung hatten übrigens auch die Maya, die glaubten, die Menschheit würde in sogenannten Erdzeitaltern leben, von denen jedes ca fünftausend Jahre dauert. Am Ende jedes Zeitalters würde die Menschheit ein fortschrittliches, hohes Niveau erreichen, dieses aber nur für kurze Zeit halten können, um am Ende unterzugehen. Die Überlebenden müssten dann wieder von vorn anfangen, also in der Steinzeit.

Nach dieser Theorie - um die es hier aber eigentlich auch nicht geht :) - befinden wir uns momentan genau am Ende eines solchen Zeitalters. Betrachtet man die weltweiten Kriege und die allgegenwärtie Umweltzerstörung, dann ist der Gadanke gar nicht mal so abwegig.

Der Mann aus den unbekannten Buch hatte nun aber einen faszinierenden Gedanken. Er hat sich überlegt, was eine Gruppe von Menschen tun würde, wenn sie erkennen würde, dass sie die Vertreter einer untergehenden oder bereits untergegangenen Zivilisation sind, und dass es die nächsten paar tausend Jahre keine solche Zivilisation mehr geben wird. Er kommt zu dem Schluss, dass es wohl ein recht dringlicher Wunsch dieser Menschen sein wird, irgendwelche Spuren zu hinterlassen, irgendwie eine Nachricht in die Zukunft zu schicken, vielleicht einfach nur, dass sie da waren oder eine Warnung.

Wenn man versucht sich in so eine Lage zu versetzen, dann steht man vor erheblichen Problemen. Wie sollte man so eine Botschaft übermitteln? Sollte man sie aufschreiben? Das wäre ganz schlecht, da es wahrscheinlich ist, dass einige tausend Jahre später niemand mehr die Botschaft lesen können würde, abgesehen von dem Problem, dass der Schriftträger, seien es Steinplatten oder sonst was, einfach verloren gehen könnte. Das wäre ungefähr so, als ob man heute eine wichtige Nachricht an seinen Vermieter in die Erde vor dem Haus ritzen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass so eine Nachricht den Vermieter je erreichen würde, beträgt gleich Null.

Er kommt dann auf den Gedanken, dass die Botschaft nur durch mündliche Überlieferung erhalten bleiben könne. Der Vorteil wäre, dass diese Methode sprach- und schriftunabhängig wäre, sie wäre ausserdem geeignet über Generationen zu funktionieren. Aber z.b. eine einfache Geschichte ohne tiefere Bedeutung würde trotzdem verloren gehen. Sie könnte langweilig werden oder sich so sehr verändern, dass die Geschichte zwar weiterlebt, die eigentliche Botschaft aber nicht. Man sieht hier schon den Zusammenhang mit den oben erwähnten Memen :)

Das geeignete Vehikel für so eine Botschaft könne daher nur etwas sein, dass eine grosse Bedeutung hat, das von allen respektiert würde. Es müsste irgendwie "heilig" sein, und zwar so heilig, dass es kaum jemand wagen würde, einzelne Details daran mutwillig zu verändern. Eine Religion wäre daher das ideale Mittel um so eine Botschaft in die Zukunft zu schicken. Man kann die Religion mit verschiedenen Geschichten verknüpfen. Diese Geschichten würden, da sie in religiösem Zusammenhang stehen, ebenso heilig wie die eigentliche Religion behandelt werden, sich daher auf Dauer als stabil erweisen und wenig bis keinen Veränderungen unterliegen.

Als Beispiel für eine solche Botschaft nennt er die Sintflut. Die Geschichte ist ziemlich simpel, einfach zu merken und gerade weil sie so simpel ist, auch kaum veränderlich. Eine Sintflutgeschichte gibt es heute tatsächlich in praktisch allen Religionen, sie hat sich bis heute erhalten. Welchen Sinn es haben sollte, eine Botschaft über eine Sintflut zu erzeugen, könnte man zwar diskutieren aber hier geht es eher um die grundsätzliche Frage der Übermittlung von Informationen über Zeitalter hinweg.

Die Frage in die Runde ist nun: wie findet Ihr diese Theorie, insbesondere in Zusammenhang mit Dawkins' Memtheorie?



lg, xcrypto
 
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AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

Hi xcrypto,

Sorry, aber Informationenweitergabe an die nächste Generation, finde ich, ist eine ziemlich banale Theorie. Dabei ist es auch irrelevant, ob es sich dabei um Religion, Kultur, Handwerk oder Wissenschaft handelt. Man gibt das weiter, was einem persönlich wichtig erscheint.

lg,
fussel
 
AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

Dass Informationen Informationen an nächste Generationen weitergegeben werden ist keine banale Theorie sondern eine Tatsache. Die Theorie ist, dahinter eine Absicht zu vermuten. Und dass man weitergibt, was einem persönlich wichtig erscheint ist nichts anderes als was ich bereits feststellte. In diesem Zusammenhang ist eine Religion ein gutes Medium, da es dem Gläubigen in der Tat als "persönlich wichtig" erscheint. Insofern hast Du mir komplett Recht gegeben.


- xcrypto
 
AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

P.S.

Von der Theorie der Meme halte ich nicht viel.

Ich lese gerade sein Buch (bin cirka in der Mitte) und habe den Eindruck das diese Idee der Meme aus seiner Liebe zur Evolution und seiner Abneigung Religionen gegenüber entstanden ist. Die Theorie ist mir ein bisschen zu pseudo-wissenschaftlich.

lg,
fussel
 
AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

Hi xcrypto,

ich will dir auch nicht widersprechen.;)

Die Theorie ist, dahinter eine Absicht zu vermuten.
Aufgeschriebene Prophezeiungen lassen diese Absicht nicht nur vermuten, sie stehen dort schwarz auf weiß. :)

In diesem Zusammenhang ist eine Religion ein gutes Medium, da es dem Gläubigen in der Tat als "persönlich wichtig" erscheint.
Welches Medium benutzt du persönlich?

lg,
fussel
 
AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

ich will dir auch nicht widersprechen.;)

Ach herrje :)

Aufgeschriebene Prophezeiungen lassen diese Absicht nicht nur vermuten, sie stehen dort schwarz auf weiß. :)

Na um die ging es ja gerade nicht :) Ich meinte eher Dinge wie z.b. die Geschichten des AT, die lange nur mündlich weitergegeben wurden, bis sie aufgeschrieben worden sind. Dass sie sich dabei im Kern kaum verändert haben, zeigt die Tatsache, dass andere Religionen ähnliche Stories im Angebot haben.

Welches Medium benutzt du persönlich?

Gar keins. Ich bin ein Anhänger der Wissenschaft und bemühe mich, meinen Kindern keine Geschichten weiterzugeben, die ich nicht nachprüfen kann.

Die Sache ist halt die, dass es sich dabei eigentlich nicht um die Angelegenheit einer gerade lebenden Person handelt. Im Gegenteil, die Sache sollte ja - sofern man eben eine Intention unterstellt - vom Willen der Einzelperson unabhängig funktionieren, d.h. so, dass die Person Informationen weitergibt ohne dass sie es überhaupt merkt. Im Fall einer Religion ist das meiner Meinung nach so, jemand der gläubig ist, wird meist seinen Glauben an seine Kinder weitergeben, ohne sich dabei bewusst zu sein, dass seine Religion irgendwelche tiefergehenden Informationen enthielte. Aber wie gesagt, dies nur unter der Maßgabe, dass da eine Absicht dahinter steckt.



lg, xcrypto
 
AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

Im Fall einer Religion ist das meiner Meinung nach so, jemand der gläubig ist, wird meist seinen Glauben an seine Kinder weitergeben, ohne sich dabei bewusst zu sein, dass seine Religion irgendwelche tiefergehenden Informationen enthielte. Aber wie gesagt, dies nur unter der Maßgabe, dass da eine Absicht dahinter steckt.
*schmunzel* Nun Religionen enthalten, meinem Glauben nach, tiefgehende Wahrheiten und die Botschaft ist an jede kommende Generation gerichtet. Botschaften von Menschen an Menschen natürlich.

Nicht jede Wahrheit ist meines Erachtens wissenschaftlich beweisbar.

lg
fussel

P.S.
Ich bin ein Anhänger der Wissenschaft und bemühe mich, meinen Kindern keine Geschichten weiterzugeben, die ich nicht nachprüfen kann.
Hast du deinen Kindern nie Märchen vorgelesen?:nein:
 
AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

Hallo xcrypto,
das mit der Weitergabe der Sintflutstory ist ja in meinen Augen deshalb so universell, weil es eine weltweite Sintflut durch einen Kometenseinschlag vor knapp 10.000 Jahren vermutlich gab.

Hast es vielleicht bei "objektive Geschichtsschribung" gelesen, aber ich zitiere mal meinen Text von dort, weil er - wie mir scheint - hierherpasst:

Es geht um das Buch eines österreichischen Geologen-Paares mit dem Titel:

"Und die Sintflut gab es doch", Tollmann & Tollmann

Hier der Amazon-Link (wenn mal erlaubt ):

http://www.amazon.de/Sintflut-doch-M.../dp/342677139X


Das ist - in meinen Augen - ein hervorragends Beispiel "objektiver Geschichtschreibung" (vor ca. 9500 Jahren angesiedelt).

Es wird anhand geologischer, ethnografischer und kulturhistorischer Daten ein Bild gezeichnet davon, was die "Sintflut" hervorgerufen hat und welche Folgen sie hatte.

Es wird "nebenbei" erklärt, warum die Genesis der Bibel so lautet, wie sie lautet. Oder warum fast alle Völker der Welt ihre Abstammung auf ein Menschenpaar zurückführen (weil nämlich die Menschheit durch einen Riesen-Kometeneinschlag fast ausgerottet wurde).

Ich kann nur allen Wissens- und nicht Glaubenshungrigen wärmstens empfehlen, das Buch zu lesen!

Da hättest Du dann auch ein klares Exempel für die Auslöschung einer bestehenden Zivilisation.

Dass sich aber bestehende hochtechnisierte Zivilisationen sozusagen selbst auslöschen könnten und wieder Steinzeitmenschen werden, halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Ich vermute auch, dass die von der Sintflut ausgelöschten Kulturen noch nicht technisiert waren, sonst hätte man mindestens weit unter der Erde die Reste ihrer Bergbautätigkeit vorfinden müssen. So vollständig die Auslöschung auf der Erdoberfläche vielleicht auch war, unter der Erde müssten Spuren da sein.

Ich meine daher, dass auch die damaligen Menschen nicht, ihren Untergang vorhersehend, sich ein Überlieferungsvehikel geschaffen haben, sondern dass einfach das Fürchterliche weitererzählt wurde, das geschehen ist.

Und natürlich ist so ein Ereignis ein gewaltiger, unauslöschlicher "Memkomplex".

Ein interessantes Detail unter vielen anderen ist hier die Schlange/der feuerspeiende Drache als Symbol des Bösen, Gefährlichen bei sehr vielen Völkern.

Das Sintflubuch stellt den Kometeneinschlag so dar, dass er tangential in die Atmosphäre eindrang, in mehrere Teiel zerfiel, die dann zumeist in den Ozeanen einschlugen.

Diese "Projektile hinterließen in der Atmosphäre zunächst glühende dann als Rauch sichtbare Streifen, welche durch Winde zu einer schlangenartigen Gestalt verformt wurden. Die Menschen hielten das dann für Schlangen mit feurigen Köpfen. Etliche im Buch zitierten Überlieferungen sind da voller plausibler Details.

So könnte auch das "Schlangen-Mem" erklärt werden, das so weit verbreitet ist.

LG, pispezi :zauberer2
 
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AW: Memetik: Religion als Nachrichtenmedium?

Hallo Pispezi,

ja sicher kann es natürlich auch einfach sein, dass die Sachen so passiert sind und deshalb über sie berichtet wird. Andererseits ist es umstritten, dass die Sintflut eine globale Katastrophe gewesen sein soll. Es gibt auch eine Theorie, die davon ausgeht, dass es nur im Schwarzmeerraum stattfand. Man hat dort in 300m Tiefe Reste von Siedlungen gefunden.

Zu den Überresten einer technisierten Zivilisation noch kurz: ich wäre mir nicht so sicher, ob es da was geben muss. Schau Dir mal unsere an. Bei uns ist Zeit Geld, alles muss schnell gehen. Und so bauen wir auch. Unsere Autobahnen, Brücken, Hochhäuser - all das wird in ein paar Hundert Jahren schon völlig verrottet sein. Ganz zu schweigen von all dem Plunder mit dem wir uns ständig eindecken. Hinzu kommt, dass es ja nicht in dem Umfang passieren muss wie bei uns heute. Eine Zivilisation kann auch kleiner sein. Was ist z.b. wenn die damals in der Antarktis gelebt haben, die zu der Zeit vielleicht ein tropisches Klima hatte? Dann könnten wir natürlich keine Reste finden.

Aber wie gesagt, das ist alles ohnehin nicht wissenschaftlich nachweisbar, sondern reine Spekulation. Spass macht es aber trotzdem mal ein wenig zu spekulieren :)



lg, xcrypto
 
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