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Kant, wie Postulat Gott erklären?

EuFrank

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17. September 2007
Beiträge
130
Hallo Leser!

Wie kann man einem philosophischen Laien Kants Postulatenlehre erklären? Mir geht es im Grund nur um die Erklärung des Postulates Gott. Warum ist Gott ein Postulat der (praktischen) Vernunft?
 
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AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Hallo Leser!

Wie kann man einem philosophischen Laien Kants Postulatenlehre erklären? Mir geht es im Grund nur um die Erklärung des Postulates Gott. Warum ist Gott ein Postulat der (praktischen) Vernunft?

Weil Kant an Gott glaubte und der preußische König überzeugt war, dass Gott bzw. christliche Dogmen auch der Philosophen letzter Schluss zu sein haben. Ansonsten drohte Berufsverbot und Kerker!

manni :reden:
 
AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Hallo mwirthgen!

Weil Kant an Gott glaubte und der preußische König überzeugt war, dass Gott bzw. christliche Dogmen auch der Philosophen letzter Schluss zu sein haben. Ansonsten drohte Berufsverbot und Kerker!

manni :reden:
Verstehe ich Dich richtig? Kants Postulatenlehre basiert Deiner Meinung nach nicht auf Kants Denken und System sondern auf äusseren politischen Einflüssen? Also alles nur Blödsinn, was Kant sagt, hervorgerufen durch äusseren Druck? Diese Antwort wäre allerdings eine bequeme, weil Du mir nicht mehr die Postulatenlehre auseinandersetzen müßtest :).
 
AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Kants Glauben ist nicht nur Basis seines Denkens, sondern auch Zweck seines Denkens. In der 'Praktischen Vernunft' wird der Glaube an Gott als nützliches Instrument der Moralität aufgefasst. Dass anderes zu erläutern, zu Kants Zeiten sehr riskant gewesen wäre und den sesshaften Königsberger etwa zur Flucht getrieben hätte, ist eine historische Tatsache. Die kann man bestreiten. Kant selbst schreibt, dass er des öfteren in seinen Vorlesungen Besucher der Zensurbehörde zu Gast hatte, die eifrig jedes seiner Worte mitschrieben. Es gab Schriften von ihm, die in Preußen nicht gedruckt werden durften.

Kant stammte aus einem pietistischen Elternhaus, ging in eine erzpietistische Schule (Ableger der August-Hermann-Francke Anstalten in Halle/Saale), wurde dort streng autoritär an Latein, Griechisch und Theologie geschult. Ein ungläubiger Philosoph hätte sich vermutlich nicht, wie er die Mühe gemacht, in Form seiner Transzendentalphilosophie wenigstens ein Stückchen Metaphysik, d.h. Glauben für die Philosophie, zu retten.

Du musst das nicht glauben, du kannst das alles selbst nachlesen.

manni :)
 
AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Hallo mwirthgen!

Kants Glauben ist nicht nur Basis seines Denkens, sondern auch Zweck seines Denkens. In der 'Praktischen Vernunft' wird der Glaube an Gott als nützliches Instrument der Moralität aufgefasst. Dass anderes zu erläutern, zu Kants Zeiten sehr riskant gewesen wäre und den sesshaften Königsberger etwa zur Flucht getrieben hätte, ist eine historische Tatsache. Die kann man bestreiten. Kant selbst schreibt, dass er des öfteren in seinen Vorlesungen Besucher der Zensurbehörde zu Gast hatte, die eifrig jedes seiner Worte mitschrieben. Es gab Schriften von ihm, die in Preußen nicht gedruckt werden durften.

Kant stammte aus einem pietistischen Elternhaus, ging in eine erzpietistische Schule (Ableger der August-Hermann-Francke Anstalten in Halle/Saale), wurde dort streng autoritär an Latein, Griechisch und Theologie geschult. Ein ungläubiger Philosoph hätte sich vermutlich nicht, wie er die Mühe gemacht, in Form seiner Transzendentalphilosophie wenigstens ein Stückchen Metaphysik, d.h. Glauben für die Philosophie, zu retten.

Du musst das nicht glauben, du kannst das alles selbst nachlesen.

manni :)
Ich bezweifle ja prinzipiell nicht einzelne Fakten, die Du erwähnst. Ich bezweifle allerdings Deine Schlussfolgerung, dass Kants Postulatenlehre auf der Basis der Bedrängnis (Druck durch die Behörde etc) zustande gekommen ist. Dies widerspricht Kants Persönlichkeit. Es wäre für ihn doch ein leichtes gewesen (im Falle von Angst) einfach nichts mehr zu schreiben. Schon wären seine Philosophie und sein Leben sicher gewesen. Im Prinzip hat er ja auch eine ähnliche Lösung gewählt. Er hatte es nicht nötig, seine Philosophie äusseren Umständen anzupassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Hallo,
zunächst einmal ein Versuch meinerseits, die eingangs von Dir aufgestellte Frage, nach einer einfachen und für den geisteswissenschaftlich ungebildeten Mitmenschen verständlichen Erklärung des Postulates Gott.

>>>Die Vernunft ist das höchste Gut und befolgt den Sittengesetzen und nicht der Glückseligkeit. Weil aber der Mensch ein Sinnenwesen ist, d.h. der Mensch mit seinen Sinnen an dieser Welt teil hat, muss die Glückseligkeit zur Vervollständigung und Stabilisierung des höchsten Gutes hinzutreten. Daher wird die Existenz Gottes als Unabdingbarkeit gesetzt. Gott ist für die Glückseligkeit und die Vernunft für die Sitten als gleichwertig und allseits garantierte Übereinstimmung von entscheidender Bedeutung. Die Bedeutsamkeit dieser Annahme stärkt das – in meinen Augen – geschwächte Sinnbild.<<<

Oh je – ist nicht so dolle, diese komprimierte Kurzfassung.
Aber weder der Hirschberger noch der DTV-Atlas haben eine kürzere und allgemein verständlichere Fassung.
Ich gestehe an diese Stelle, dass ich zwar Kant als Person recht interessant und von hoher Bedeutung sehe, aber ich mich mit seinen philosophischen Texten nur spärlich anfreunden kann.
Seine Sprache ist verständlich und auch mit Sinn und Bedeutung behaftet, jedoch habe ich immer das Besondere beim Lesen vermisst. Dieses Aha-Erlebnis, wenn der Groschen quasi fällt und sich ein Durchbruch des Denkens offenbart.
Nichtsdestotrotz werde ich noch das eine oder andere in seinen Texten nachlesen, um einen Kontrast zu den anderen Philosophien zu erzeugen, die dann wiederum den Bereich des gemeinsamen Möglichen, vom eigenen Möglichen und dem Unmöglichen in Gewissheit zu trennen vermag.

Er hatte es nicht nötig, seine Philosophie äußeren Umständen anzupassen.

Diese Aussage halte ich persönlich für falsch.
Er hatte es sehr nötig, denn bis zum Alter von 40 Jahren hatte er nichts vorzuweisen, was auf einen beruflichen Erfolg hinweisen würde.
Er hat mit 31 Jahren seine Dissertation begonnen und erst mit fast 40 wurde er habilitiert. Für die damalige Zeit ein sehr ungewöhnlich verspäteter Zeitpunkt. Ich wage mal die Behauptung, dass es sich bei Kant, „nur“ um eine abgemilderte Sichtweise, von zuvor bereits durchdachten Philosophien handelt. Ich erkenne nichts, was es zuvor nicht auch schon gegeben hat - teils sogar brillanter und in sich schlüssiger, wie z.B. David Hume. Die Aussage über Kant stammt m.E. nach von Gottfried Herder, der mit „öde Wüsten voll leerer Hirngeburten“ oder mit „anmaßende Wortnebel“ usw. die Bemühungen Kants in seiner transzendentalen Analytik kommentiert und damit sein Schaffen in den Nonsens stellt.
Auch ein interessanter Denkanstoß gibt uns R. D. Precht in seinen aktuellen Bestseller „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“, indem er die Person Kant in den Vordergrund seiner Darlegungen stellt und die Begeisterung für die Mathematik und Physik, insbesondere für die Astronomie, offenbart. Precht beschreibt weiter die Vermutungen des Kants, als ersten Versuch, die Entstehung des Planetensystems ohne mithilfe Gottes erklären zu wollen und hält seine Ansichten für forsch und fortschrittlich, zu seiner Zeit, jedoch ist kant außer Stande, so fährt Precht weiter fort, seine Kariere zu planen oder seine bescheidenen Einkommensverhältnisse zu verbessern.
Weiterhin, so finde ich es recht interessant, kommt ein Heinrich Heine Kommentar mit besonderer Präsenz zum Tragen. Heine meint, dass niemand über Kant eine Lebensgeschichte schreiben kann, weil er weder ein Leben, noch eine Geschichte gehabt hat.

Also das Buch „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“von Precht ist gerade für Laien und Anfänger ideal und auf der Höhe der Zeit.
 
AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Ich bezweifle ja prinzipiell nicht einzelne Fakten, die Du erwähnst. Ich bezweifle allerdings Deine Schlussfolgerung, ...

Ich habe mich wohl sehr missverständlich ausgedrückt. Ich habe nicht gemeint, dass Kants Philosophie auf Grund der Bedrängnis durch Behörden zustande gekommen ist. Sondern mir geht es dabei um den Kontext seines Philosophierens. Für mich ist die behördliche Zensur u.a. ein Indiz dafür - was du ja auch so zu sehen scheinst - dass wenn er Gott aus seiner Philosophie hätte weglassen wollen, dies u.a. auch auf konkreten Widerstand gestoßen wäre, mit sehr negativen Folgen für seine persönliche Existenz. Und derartiger Druck könnte immerhin Kants Unbehagen an ganz bestimmten philosophischen Lösungen unterdrückt haben. Ich räume gern ein, eine wilde Behauptung. Die Tatsachen dazu müsste ich durch eine fundierte wissenschaftliche Untersuchung erst herausfinden. Ich beschreibe hier nur meinen Eindruck, der sich mir an Kants Denken und seinem Leben nahelegte.

Im wesentlichen ist meine Einschätzung Kants folgende: Ich gehe davon aus, dass sein Glaube für seine Art des Philosophieren ein wesentliches Kriterium war. Er war sich darüber im Klaren - dies kann man der 'Kritik der reinen Vernunft' entnehmen, dass Gott nicht bewiesen werden könne, wie bis dahin die traditionelle metaphysische Philosophie immer wieder versucht hatte. Ungeschminkt notiert er sinngemäß am Ende seiner 'Kritik der reinen Vernunft', dass Philosophen nicht mehr über Gott wissen, als jeder andere Mensch. Gott verweist er philosophisch in die praktische Vernunft und ich behaupte, damit beschreibt er auch sein ganz persönliches Arrangement mit Glauben und Philosophieren. Im praktischen Gebrauch der Vernunft (Dieser Teil seiner Philosophie ist in den englisch-sprachigen, pragmatisch denkenderen Ländern - im Unterschied zur 'Kritik der reinen Vernunft' - sehr bekannt worden.) ist der Glaube an Gott - da er nun einmal da ist - eine die Moralität stützende und fördernde Funktion, auf die der 'Mensch' nicht verzichten kann. Dies entspricht vermutlich seiner persönlichen Gläubigkeit und seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis.

Andererseits hat der ganz andere Humesche Ansatz ihn sehr nachdenklich gemacht und er hat nicht zuletzt in Antwort darauf, in seiner 'Kritik der reinen Vernunft' der Empirie einen unverzichtbaren Platz eingeräumt. Urteile sind ohne Empirie nicht möglich. Das ist eine klare Absage an die scholastische Metaphysik, wie sie noch Kants Philosophielehrer Wolff lehrte. Andererseits behauptet er, dass es in der Vernunft und im Verstand so etwas wie angeborene Prinzipien (Aprioris, Kategorien) gäbe, die zeitlos sind. Damit greift er die alte metaphysische Überzeugung auf, dass Vernunft bzw. Verstand eine Art Verbindung zwischen der absoltuen Wahrheit Gott und dem Menschen darstellten, weil ihnen zeitlos gültige Prinzipien innewohnten. Dies hat eine lange philosophische Tradition, die auf Augustinus zurückgeht. In diesem Falle hat er - aus meiner Sicht - u.a. den naturwissenschaftlichen Standard seiner Zeit absolut gesetzt. Dieser Irrtum hätte ihm vielleicht auffallen können, wenn er religiös nicht gebunden gewesen wäre und Empirie ihm persönlich mehr als Theorie bedeutet hätte. Wieder nichts als Spekulation!

Ich möchte darum noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam machen. Kant war als junger Philosoph nicht an erkenntnistheoretischen Fragen interessiert, sondern an Naturwissenschaften. [Er hat sich auch nicht um einen philosophischen Lehrstuhl bemüht, sondern um den für Mathematik. Der wurde abgeschafft - vielleicht weil man um die Frömmigkeit der Studenten fürchtete? - sehr zum Kummer Kants und in einen für Metaphysik umgewandelt.] In seinen Schriften zu naturwissenschaftlichen Themen (Anlass im folgenden das Erdbeben von Lissabon), zeigt sich Kant als durch und durch religiöser Mensch seiner Zeit, der seine Studien zur Natur als "Lobpreisungen Gottes" verstanden wissen möchte. " Der Mensch, welchem die Haushaltung des Erdbodens anvertraut ist, besitzt Fähigkeit, er besitzt auch Lust sie kennen zu lernen und preiset den Schöpfer durch seine Einsichten." [(Kant, 'Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat' in Kant's gesammelte Schriften. Bd. 1.1910b) S. 431] Den Charakter dieser Schrift beschreibt der Geophysiker Florian Dombois in seiner Disseration "Über Erdbeben", Berlin 1966, S. 125 so: "Nicht selten wechseln wissenschaftliche Erklärung sowie philosophische und theologische Betrachtung unvermutet ineinander über."

Dazu gehört auch seine Bewertung von Naturkatastrophen im Kapitel "Vom Nutzen der Erdbeben", wo Kant das Erdbeben von Lissabon als 'fürchterliche Strafruthe' Gottes bezeichnet. Er versucht durch Hinweise auf 'warme Bäder, Erzbildung und Reinigung' angesichts des grauenvollen Leides der Erdbebenopfer - das von ihm nicht geschildert wird - einen Nutzen zu skizzieren, der den Menschen trotz aller Not, die Naturkatastrophen für ihn bringen, zur 'Dankbegierde gegen das höchste Wesen' bewegen soll, "das selbst alsdann, wenn es züchtigt, verehrungs- und liebenswürdig ist". (Dombois S.128f)

Vielleicht kann dies dazu beitragen, den Kontext meines knappen Postings erahnen zu lassen.

manni :)
 
AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Hallo Aktivdenker!

Hallo,
zunächst einmal ein Versuch meinerseits, die eingangs von Dir aufgestellte Frage, nach einer einfachen und für den geisteswissenschaftlich ungebildeten Mitmenschen verständlichen Erklärung des Postulates Gott.

>>>Die Vernunft ist das höchste Gut und befolgt den Sittengesetzen und nicht der Glückseligkeit. Weil aber der Mensch ein Sinnenwesen ist, d.h. der Mensch mit seinen Sinnen an dieser Welt teil hat, muss die Glückseligkeit zur Vervollständigung und Stabilisierung des höchsten Gutes hinzutreten. Daher wird die Existenz Gottes als Unabdingbarkeit gesetzt. Gott ist für die Glückseligkeit und die Vernunft für die Sitten als gleichwertig und allseits garantierte Übereinstimmung von entscheidender Bedeutung. Die Bedeutsamkeit dieser Annahme stärkt das – in meinen Augen – geschwächte Sinnbild.<<<

Oh je – ist nicht so dolle, diese komprimierte Kurzfassung.
Aber weder der Hirschberger noch der DTV-Atlas haben eine kürzere und allgemein verständlichere Fassung.
Ich gestehe an diese Stelle, dass ich zwar Kant als Person recht interessant und von hoher Bedeutung sehe, aber ich mich mit seinen philosophischen Texten nur spärlich anfreunden kann.
Seine Sprache ist verständlich und auch mit Sinn und Bedeutung behaftet, jedoch habe ich immer das Besondere beim Lesen vermisst. Dieses Aha-Erlebnis, wenn der Groschen quasi fällt und sich ein Durchbruch des Denkens offenbart.
Nichtsdestotrotz werde ich noch das eine oder andere in seinen Texten nachlesen, um einen Kontrast zu den anderen Philosophien zu erzeugen, die dann wiederum den Bereich des gemeinsamen Möglichen, vom eigenen Möglichen und dem Unmöglichen in Gewissheit zu trennen vermag.



Diese Aussage halte ich persönlich für falsch.
Er hatte es sehr nötig, denn bis zum Alter von 40 Jahren hatte er nichts vorzuweisen, was auf einen beruflichen Erfolg hinweisen würde.
Er hat mit 31 Jahren seine Dissertation begonnen und erst mit fast 40 wurde er habilitiert. Für die damalige Zeit ein sehr ungewöhnlich verspäteter Zeitpunkt. Ich wage mal die Behauptung, dass es sich bei Kant, „nur“ um eine abgemilderte Sichtweise, von zuvor bereits durchdachten Philosophien handelt. Ich erkenne nichts, was es zuvor nicht auch schon gegeben hat - teils sogar brillanter und in sich schlüssiger, wie z.B. David Hume. Die Aussage über Kant stammt m.E. nach von Gottfried Herder, der mit „öde Wüsten voll leerer Hirngeburten“ oder mit „anmaßende Wortnebel“ usw. die Bemühungen Kants in seiner transzendentalen Analytik kommentiert und damit sein Schaffen in den Nonsens stellt.
Auch ein interessanter Denkanstoß gibt uns R. D. Precht in seinen aktuellen Bestseller „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“, indem er die Person Kant in den Vordergrund seiner Darlegungen stellt und die Begeisterung für die Mathematik und Physik, insbesondere für die Astronomie, offenbart. Precht beschreibt weiter die Vermutungen des Kants, als ersten Versuch, die Entstehung des Planetensystems ohne mithilfe Gottes erklären zu wollen und hält seine Ansichten für forsch und fortschrittlich, zu seiner Zeit, jedoch ist kant außer Stande, so fährt Precht weiter fort, seine Kariere zu planen oder seine bescheidenen Einkommensverhältnisse zu verbessern.
Weiterhin, so finde ich es recht interessant, kommt ein Heinrich Heine Kommentar mit besonderer Präsenz zum Tragen. Heine meint, dass niemand über Kant eine Lebensgeschichte schreiben kann, weil er weder ein Leben, noch eine Geschichte gehabt hat.

Also das Buch „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“von Precht ist gerade für Laien und Anfänger ideal und auf der Höhe der Zeit.
Danke für den Beitrag!

Dieser Gedanke
Nur Gott kann das höchste Gut (Tugend mit Glückseligkeit gepaart) bewerkstelligen - und daher fordert die Vernunft seine Existenz.
ist mir schon klar. Er ergibt sich zB daraus, dass der Mensch alleine nicht in der Lage ist, seine Glückseligkeit zu bewerkstelligen.

Ich frage mich nur, ob man diesen Gedanken mit Recht als ein Postulat der (praktischen) Vernunft bezeichnen kann. Fordert mich die Vernunft wirklich dazu auf, daran zu glauben? Geht Kant hier nicht zu weit? Irgendwie fehlt mir noch eine plausiblere Begründung. Vielleicht bin ich auch zu anspruchsvoll :).
 
AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Hallo mwirthgen!

Ich habe mich wohl sehr missverständlich ausgedrückt. Ich habe nicht gemeint, dass Kants Philosophie auf Grund der Bedrängnis durch Behörden zustande gekommen ist. Sondern mir geht es dabei um den Kontext seines Philosophierens. Für mich ist die behördliche Zensur u.a. ein Indiz dafür - was du ja auch so zu sehen scheinst - dass wenn er Gott aus seiner Philosophie hätte weglassen wollen, dies u.a. auch auf konkreten Widerstand gestoßen wäre, mit sehr negativen Folgen für seine persönliche Existenz. Und derartiger Druck könnte immerhin Kants Unbehagen an ganz bestimmten philosophischen Lösungen unterdrückt haben. Ich räume gern ein, eine wilde Behauptung. Die Tatsachen dazu müsste ich durch eine fundierte wissenschaftliche Untersuchung erst herausfinden. Ich beschreibe hier nur meinen Eindruck, der sich mir an Kants Denken und seinem Leben nahelegte.

Im wesentlichen ist meine Einschätzung Kants folgende: Ich gehe davon aus, dass sein Glaube für seine Art des Philosophieren ein wesentliches Kriterium war. Er war sich darüber im Klaren - dies kann man der 'Kritik der reinen Vernunft' entnehmen, dass Gott nicht bewiesen werden könne, wie bis dahin die traditionelle metaphysische Philosophie immer wieder versucht hatte. Ungeschminkt notiert er sinngemäß am Ende seiner 'Kritik der reinen Vernunft', dass Philosophen nicht mehr über Gott wissen, als jeder andere Mensch. Gott verweist er philosophisch in die praktische Vernunft und ich behaupte, damit beschreibt er auch sein ganz persönliches Arrangement mit Glauben und Philosophieren. Im praktischen Gebrauch der Vernunft (Dieser Teil seiner Philosophie ist in den englisch-sprachigen, pragmatisch denkenderen Ländern - im Unterschied zur 'Kritik der reinen Vernunft' - sehr bekannt worden.) ist der Glaube an Gott - da er nun einmal da ist - eine die Moralität stützende und fördernde Funktion, auf die der 'Mensch' nicht verzichten kann. Dies entspricht vermutlich seiner persönlichen Gläubigkeit und seinem wissenschaftlichen Selbstverständnis.

Andererseits hat der ganz andere Humesche Ansatz ihn sehr nachdenklich gemacht und er hat nicht zuletzt in Antwort darauf, in seiner 'Kritik der reinen Vernunft' der Empirie einen unverzichtbaren Platz eingeräumt. Urteile sind ohne Empirie nicht möglich. Das ist eine klare Absage an die scholastische Metaphysik, wie sie noch Kants Philosophielehrer Wolff lehrte. Andererseits behauptet er, dass es in der Vernunft und im Verstand so etwas wie angeborene Prinzipien (Aprioris, Kategorien) gäbe, die zeitlos sind. Damit greift er die alte metaphysische Überzeugung auf, dass Vernunft bzw. Verstand eine Art Verbindung zwischen der absoltuen Wahrheit Gott und dem Menschen darstellten, weil ihnen zeitlos gültige Prinzipien innewohnten. Dies hat eine lange philosophische Tradition, die auf Augustinus zurückgeht. In diesem Falle hat er - aus meiner Sicht - u.a. den naturwissenschaftlichen Standard seiner Zeit absolut gesetzt. Dieser Irrtum hätte ihm vielleicht auffallen können, wenn er religiös nicht gebunden gewesen wäre und Empirie ihm persönlich mehr als Theorie bedeutet hätte. Wieder nichts als Spekulation!

Ich möchte darum noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam machen. Kant war als junger Philosoph nicht an erkenntnistheoretischen Fragen interessiert, sondern an Naturwissenschaften. [Er hat sich auch nicht um einen philosophischen Lehrstuhl bemüht, sondern um den für Mathematik. Der wurde abgeschafft - vielleicht weil man um die Frömmigkeit der Studenten fürchtete? - sehr zum Kummer Kants und in einen für Metaphysik umgewandelt.] In seinen Schriften zu naturwissenschaftlichen Themen (Anlass im folgenden das Erdbeben von Lissabon), zeigt sich Kant als durch und durch religiöser Mensch seiner Zeit, der seine Studien zur Natur als "Lobpreisungen Gottes" verstanden wissen möchte. " Der Mensch, welchem die Haushaltung des Erdbodens anvertraut ist, besitzt Fähigkeit, er besitzt auch Lust sie kennen zu lernen und preiset den Schöpfer durch seine Einsichten." [(Kant, 'Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat' in Kant's gesammelte Schriften. Bd. 1.1910b) S. 431] Den Charakter dieser Schrift beschreibt der Geophysiker Florian Dombois in seiner Disseration "Über Erdbeben", Berlin 1966, S. 125 so: "Nicht selten wechseln wissenschaftliche Erklärung sowie philosophische und theologische Betrachtung unvermutet ineinander über."

Dazu gehört auch seine Bewertung von Naturkatastrophen im Kapitel "Vom Nutzen der Erdbeben", wo Kant das Erdbeben von Lissabon als 'fürchterliche Strafruthe' Gottes bezeichnet. Er versucht durch Hinweise auf 'warme Bäder, Erzbildung und Reinigung' angesichts des grauenvollen Leides der Erdbebenopfer - das von ihm nicht geschildert wird - einen Nutzen zu skizzieren, der den Menschen trotz aller Not, die Naturkatastrophen für ihn bringen, zur 'Dankbegierde gegen das höchste Wesen' bewegen soll, "das selbst alsdann, wenn es züchtigt, verehrungs- und liebenswürdig ist". (Dombois S.128f)

Vielleicht kann dies dazu beitragen, den Kontext meines knappen Postings erahnen zu lassen.

manni :)
Danke für Deinen neuen Beitrag. Er wirkt auf mich etwas milder als Deiner erster Beitrag.

Ich zweifle nicht daran, dass Kant ein religiöser Mensch war. Ich nehme an, dass er seine Postulatenlehre erfahrungsunabhängig entwickelt hat. Es muss also eine Möglichkeit geben, a priori an Gott zu glauben. Wer Vernunft hat, besitzt auch die Fähgkeit, an Gott zu glauben. Nur: fordert das wirklich die Vernunft? Ist es nicht auch möglich, dass Gott keine Forderung (Postulat) der Vernunft ist?

Wer sich wie ich oft mit Atheisten unterhält, braucht vielleicht etwas handfesteres als Argumentationsgrundlage. Biographische Überlegungen zu Kant helfen mir nicht weiter, da ich seine Lehre als unabhängig von jeglicher zufälliger Historie (zB seinem eigenen Lebenslauf) betrachte.
 
Zuletzt bearbeitet:
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AW: Kant, wie Postulat Gott erklären?

Nach meiner Kenntnis Kantscher Schriften und der darin angewendeten Prinzipien kann ich deine Auffassung nicht bestätigen und dir auch keine ähnliche in Aussicht stellen.

Erkenntnis ist ohne Bezug zur Sinnlichkeit undenkbar.
"Alles Denken aber muß sich, es sei geradezu (directe), oder im Umschweife (indirecte), vermittelst gewisser Merkmale, zuletzt auf Anschauungen, mithin, bei uns, auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann." (Kant: Kritik der reinen Vernunft: Der transzendentalen Elementarlehre erster Teil. Die transzendentale Ästhetik. § 1. ) Gemäß dieses Prinzipes, das für die Vernunft gilt, ist 'Gott' ein "Glaubensartikel". Glauben heißt für Kant von der Objektivität des Geglaubten überzeugt sein. [vgl. Kritik der reinen Vernunft: Vom Meinen, Glauben und Wissen]


In der Vorrede zur Kritik der praktischen Vernunft ist sinngemäß festgehalten:
  • Die reine Vernunft kann 'Gott' und die 'Unsterblichkeit' weder erkennen noch einsehen noch behaupten.
  • Der dem moralischen Gesetz verbundene Wille - die praktische Ausprägung der 'reinen Vernunft' - findet 'Gott' und die 'Unsterblichkeit' als apriori gegebene, subjektive Objekte im Rahmen des moralischen Gesetzes vor. Sie sind sein höchstes Gut.
  • Die reine Vernunft hat das Bedürfnis subjektive Notwendigkeiten, sofern sie 'gesetzt', d.h. apriori gegeben sind (wie z.B. auch Raum und Zeit, Ursache-Wirkung, ...) zu bestätigen und gibt so der praktischen Vernunft Sicherheit in ihrem Fürwahrhalten und Handeln.
Vorrede zur 'Kritik der praktischen Vernunft"

manni :)
 
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