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Was ist der Sinn von Zuneigung? (Achtung Zynismus, Triggerwarnung)

Sternschnuppenstaub

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Registriert
27. August 2021
Beiträge
17
Dieser Beitrag beinhaltet das Thema Selbstverletzung. Nur als Info, falls jemand sich durch sowas getriggert fühlt, sollte derjenige sich das nicht weiter durchlesen.


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Nun ja... Ich frage mich, warum Zellteilung eigentlich nicht die Art der Fortpflanzung ist, die sich durchgesetzt hat. Diese Frage ist vielleicht genau so zynisch, wie die Situationen, in denen ich das gedacht habe...

1. Ich (16) saß mit frisch aufgekratzten Armen am Küchentisch. Meine Eltern sahen mich völlig verstört und verzweifelt an. Sie sahen in mir ein Monster und gleichzeitig einen Teenie, der "cool" sein wollte und irgendwo dann noch ein verzweifeltes Mädchen, was Hilfe brauchte. Es war für sie absolut unverständlich, warum ihr Kind so etwas tut.
Das Zynische an der Situation ist, dass mir das ganze mehr weh tat, als die Kratzer an meinem Arm. Ich tat es, weil ich hilflos und überfordert war und hätte mir wenigstens in dem Moment jemanden gewünscht, der mich auffängt oder wenigstens akzeptiert, dass ich das mache. Ferner natürlich generell, dann hätte ich das vielleicht gar nicht angefangen.

2. Ich (19) streite mich heftig mit meiner Mutter, sie sagt mir, dass sie "Keine Lust hat, mich zu erziehen".

Theoretisch ist es natürlich auch legitim, das zu einer 19 jährigen zu sagen, solange man es vorher getan hat. Und ja, ich weiß, dass man viele Sachen später noch selbst lernen kann. Ich kann auch Nudeln kochen, sogar Soße selber herstellen, abwaschen, eine Toilette putzen und Wäsche waschen.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass das reicht. Ich wünschte, ich könnte mich damit zufriedengeben.
Aber aus irgendwelchen Gründen, gibt es beim "Lernen" noch einen anderen Aspekt, den man später nicht mehr bekommen kann, der aber aus irgendwelchen Gründen wahnsinnig wichtig ist: Zu wissen, dass man die Mühe und Zeit von jemandem wert ist, sich mit einem zu beschäftigen.

Wenn alles so funktioniert, wie es funktionieren soll, profitieren Menschen (oder generell Säugetiere) sicherlich davon, dass sie in sozialer Umgebung aufwachsen. Aber dafür ist der Verlust oder der Verzicht um so gravierender.

Und so frage ich mich, wieso man nicht einfach autark leben könnte? Ich habe noch nie gehört, dass eine Amöbe irgendwelche Nachteile davon hat, dass die Amöbe, von der sie sich abgespalten hat, gesagt hat, sie habe keine Lust, ihr "Kind" zu erziehen.

Nun ja, ich hoffe, ihr könnt damit irgendwie was anfangen... o_O
 
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Danke! Ein sehr interessanter Einblick in Deine Welt. :)

Ich erinnere mich noch, dass es für mich ein Schock und eine Kränkung war festzustellen, dass die Situation, in die ich als Säugling hinein geboren wurde und in der ich permanent gehalten, aufgefangen, gefüttert und bespielt wurde, sich verändert hatte und Vater und Mutter nicht mehr so weitermachen wollten wie bisher. Ich nahm ihnen ein bisschen übel, dass sie mich offensichtlich gar nicht mehr lieb hatten. Wenn ich tot oder nicht mehr da wäre, dann würden sie schon sehen, was sie davon hätten, dachte ich, mit 6 oder 7.

Mit 16 hatte ich beide Eltern im Hinblick auf meine eigene psychische Bedürfnisbefriedigung weitgehend abgeschrieben, obwohl sie mich noch immer füttern und finanzierten. Mit Freundschaften, Sexualität und Hobbies hatte ich schon viel Neues entdeckt, dass mich über den Verlust der elterlichen Vollversorgung hinwegtröstete.

Mir 19 war ich sehr froh, dass meine Eltern nur wenig Lust und Energie aufbrachten, um mich zu erziehen und sich stattdessen mit den jüngeren Geschwistern beschäftigten. Aus Dankbarkeit bemühte ich mich, ihnen keine Sorgen zu machen sondern sie zu unterstützen.

Die Alternative zum Verlust der "Symbiose" mit der Mutter ist nicht allein eine Autarkie, im Sinne von Vereinzelung, sondern viele neue, gute, befriedigende Beziehungen zu anderen Menschen.
 
Solche Geschichten wie von Sternschnuppenstaub lese ich in der Beratung öfter als Vorgeschichte für spätere psychische Symptome.
Sich Schmerzen zufügen als Erpressung für liebevolle Zuwendung funktioniert eben nicht, zumindest nicht bei denselben Menschen die den Druck hervorrufen.
Mit 19 auf die Zuwendung bestehen kann auch nicht funktionieren, denn mit 18 ist schon die Selbstständigkeit definiert.
Da sieht es 5Zeichen ganz richtig, die Symbiose der Kindheit in der Familie wandelt sich dann zu neuen und vielfältigen Kontakten.
Das ist beim Menschen der Unterschied zur Zellteilung, da vervielfältigt sich einfach etwas, beim Menschen entsteht ein neues und unabhängiges Wesen.
Auch in der partnerschaftlichen Beziehung ist das immer wieder ein Problem. Symbiose heißt nicht völlige Abhängigkeit, sondern nur, dass man Nutzen voneinander hat, aber das Leben ginge auch ohne.
Man kann ohne Mutter leben, wenn es eine Amme gibt, man kann ohne Partner leben, wenn man selbstständig ist usw. wichtig ist am Ende die Selbstliebe und weniger das Erpressen können.
 
Okay, so war das nicht gemeint. Also es ging mir nicht darum, irgendwen zu "erpressen". Meine Eltern haben es durch Zufall gesehen. Ich wusste einfach nicht, wohin mit meinen Gefühlen und habe mich nach jemandem gesehnt, der das auffangen kann.
Was ich eigentlich meinte war, dass Wesen, die durch Zellteilung entstehen, niemanden brauchen, der sie "auffängt" und ich frage mich, warum sich das nicht durchgesetzt hat. Wir sind nunmal Wesen, die extrem viel Zuneigung brauchen. Solange das funktioniert, profitiert man da auch von, nur wenn es nicht funktioniert, sind die Probleme um so größer und ich denke, dass Wesen, die "autark" leben können, eigentlich doch viel "praktischer" wären.
 
Okay, so war das nicht gemeint. Also es ging mir nicht darum, irgendwen zu "erpressen". Meine Eltern haben es durch Zufall gesehen.

Schon klar, denen sind zufällig deine blutenden Arme am Küchentisch aufgefallen. Komm schon, sowas kann man sich mit 16 noch einreden, mit 19 sollte man sich einfach eingestehen: Es war ein Schrei nach Aufmerksamkeit. So wie bei allen Ritzern. Ich nehme denen dieses "Ich wollte verstanden werden" nicht ab, es ist die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit. Kann man das nicht zugeben?
 
Schon klar, denen sind zufällig deine blutenden Arme am Küchentisch aufgefallen. Komm schon, sowas kann man sich mit 16 noch einreden, mit 19 sollte man sich einfach eingestehen: Es war ein Schrei nach Aufmerksamkeit. So wie bei allen Ritzern. Ich nehme denen dieses "Ich wollte verstanden werden" nicht ab, es ist die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit. Kann man das nicht zugeben?
Das Ding ist, ich wusste, dass meine Eltern so reagieren würden.
 
Ich (16) saß mit frisch aufgekratzten Armen am Küchentisch. Meine Eltern sahen mich völlig verstört und verzweifelt an. Sie sahen in mir ein Monster und gleichzeitig einen Teenie, der "cool" sein wollte und irgendwo dann noch ein verzweifeltes Mädchen, was Hilfe brauchte. Es war für sie absolut unverständlich, warum ihr Kind so etwas tut.

Das Ding ist, ich wusste, dass meine Eltern so reagieren würden.

Natürlich wusstest du es, denn: Wie hätten sie denn sonst reagieren sollen? Stell dir dafür einfach vor, du würdest deine Tochter so sehen. Du wärst verstört und verzweifelt und es wäre für dich unverständlich. Das ist eine völlig normale Reaktion. Sofortiges Verständnis wäre nicht authentisch.

Ich meine das übrigens nicht böse, aber meiner Erfahrung nach ist selbstverletztendes Verhalten immer kontraproduktiv. Für alle Beteiligten, vor allem aber für den Teenie, der je nach Heftigkeit des Ritzens dann sein restliches Leben lang zum psychischen Schmerz noch einen völlig vernarbten Körper hat.
 
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Das Kind bekommt Zuneigung für die Entwicklung, weil es alleine noch nicht lebensfähig ist, aber das ändert sich mit der Volljährigkeit nach so und so vielen Jahren Lebenserfahrung.
Ein erwachsener Mensch kann die Energien so gut verarbeiten, dass er mehr Zuneigung geben kann als bekommen. Sollte in der Kindheit ein Defizit entstanden sein, kann das der junge Erwachsene
aufgrund seiner Eigenverantwortung selbstständig organisieren und auffüllen. Tut er das nicht, ist er ein abhängiger Betreuungsfall und bekommt soziale Zuwendung von denen, die es können.
Der gesunde erwachsene Mensch ist nicht auf Zuwendung von außen angewiesen, er kann es selber, nur Menschen, die das nicht können bleiben, ein Leben lang auf besondere Aufmerksamkeit angewiesen.
Sich selber Schmerzen antun um Mitleid zu bekommen ist eine sehr häufige Methode als Ersatz für die als Mangel empfundene Zuwendung. Es ist leichter sich mit Mitleid zufriedenzugeben als eine
Schwierigkeit selbstständig zu überwinden und so die Eigenverantwortung zu stärken und dabei selbst das Gefühl positiv zu befriedigen.
Mit 16 gibt es diese Fähigkeit weniger, aber mit 19 sollte sie ausgeprägt sein und die elterliche Zuwendung hat keine so große Bedeutung mehr.
 
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