Corsario
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Unter dem Titel "Philosophie ohne Ballast?" warnt die heutige Wochernend-Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vor der Lektüre des UTB-Bandes "Basiswissen Philosophie":
>Die Philosophie ist grosszügig, langmütig und unverwüstlich. Sie hat schon manche Geistesschwäche ihrer Adepten verkraftet. Deswegen braucht sich eigentlich niemand um ihren guten Ruf zu sorgen - auch nicht in Anbetracht eines Taschenbuches mit dem Titel «Basiswissen Philosophie in 1000 Fragen und Antworten». Die Stirn runzeln darf man gleichwohl, wenn in der roten «UTB»-Reihe, die ja doch der höheren, der universitären Bildung dienen soll, ein Dokument lapidarer Geistlosigkeit erscheint. Elmar Waibl und Franz Josef Rainer haben die nicht etwa 999 oder 1002, sondern exakt 1000 Fragen und 1000 Antworten auf knapp 200 Seiten zusammengestellt.
Einige Kostproben in voller Länge: «Was sind <Sprachen>? Sprachen sind Zeichensysteme.» - «Worin besteht Carnaps metaphysikkritisches Programm? In der <Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache>.» - «Was sagt Ludwig Feuerbach (1804-1872) über den Dialektiker? <Der Denker ist nur darin Dialektiker, dass er sein eigener Gegner ist.>» - «Worin besteht für Arthur Schopenhauer (1788-1860) die Erlösung vom Leiden? In der Aufhebung des Wollens.» - Befinden wir uns in einer Quizsendung? Nicht auszuschliessen.
Die Verfasser preisen das Erzeugnis ihrer buchhalterischen Leistung, das an voraufklärerische Gepflogenheiten des Einbimsens und Nachsprechens von Lehrsätzen erinnert, munter als «innovativen Lernbehelf für die Studieneingangsphase» an, «der es den Studierenden ermöglicht, sich mit den grundlegenden philosophischen Sachverhalten auf eine neuartige Weise bekanntzumachen». Lehrreich ist dieses «Basiswissen»-Werk zumindest insofern, als es kurz und bündig vor Augen führt, wie die Informationsgesellschaft Wissensaneignung mit Datentransfer verwechselt und Begreifen mit Contain-Management. Konsequenterweise sprechen Waibl und Rainer an einer Stelle auch von «Basisinformationen» statt von «Basiswissen».
Immerhin könnte mit Ernst Bloch eingewandt werden (der Philosoph der Hoffnung hat es allerdings zu keinem Eintrag gebracht): Auch aus nichts wird etwas. Auch dieses Buch könnte ein Anfang sein. Die es benutzen, könnten von dem einen oder anderen Zitat dazu angeregt werden, tatsächlich das zu tun, was in der Studieneingangsphase am dringendsten zu empfehlen ist: die Werke der philosophischen Klassiker in die Hand zu nehmen, sie aufzuschlagen und sich in sie hineinzuversenken. Doch leider wird keines der Zitate nachgewiesen und keines der zitierten Werke in einer Bibliografie aufgeführt. - Das entspricht nicht einmal Wikipedia-Standards. Nachlässigkeit ist dafür freilich nicht die Ursache. Die Autoren halten Quellenangaben schlicht nicht für Basiswissen, ja nicht einmal für Basisinformationen - und sie halten sich den Verzicht darauf zugute; es gelte, liest man, «jeglichen Ballast» zu vermeiden.
Einen kurzen Moment zögern die Basisinformationsvermittler in dieser ihrer Schwerelosigkeit. Zumindest greifen sie in ihrem zweiseitigen Vorwort die Frage auf, «ob Philosophie <erlernbar>» sei. Die Zweifel, die diesbezüglich gehegt worden seien, scheinen sie zu teilen. Für «sicherlich möglich» erachten sie es indes, «sich die Voraussetzungen dafür anzueignen». Die Voraussetzungen dafür, Philosophie zu erlernen, soll dieses Kompendium schaffen. Bloss wie? Durch das Auswendiglernen von 1000 Fragen und Antworten? Konträr! - So könnte man, noch einmal mit Ernst Bloch, ausrufen. Diese 1000 Fragen und Antworten sind selbst der Ballast, den abzuwerfen, besser noch: erst gar nicht an Bord zu nehmen sich empfiehlt.
Eine Frage sei davon ausgenommen, Frage Nummer 13; Leser des Vorworts (s. o.) kennen sie schon: «Kann man Philosophie lernen?» Die - diesmal richtige - Antwort kommt von Immanuel Kant (1724-1804): «Es gibt keine Philosophie, die man lernen kann, man kann nur lernen zu philosophieren.» - Hätten die Autoren in ihrer eigenen Studieneingangsphase sich eingehender mit Kant befasst, hätten sie womöglich mitbekommen, warum man mit einem solchen Kompendium von Definitionen und Informationen nicht zu philosophieren lernen kann - und sie hätten das Diktum aus der «Kritik der reinen Vernunft» (B 865 f.) dann vielleicht nicht nur sinngemäss und ungefähr, sondern auch noch korrekt zitiert.
Bliebe nur noch die 1001. Frage, auf die die richtige Antwort nicht allzu schwer zu geben sein dürfte: «Sollen Studierende dieses Buch kaufen?»
Uwe Justus Wenzel<
Elmar Waibl, Franz Josef Rainer: Basiswissen Philosophie in 1000 Fragen und Antworten. Facultas/UTB, Wien 2007. 224 S., Fr. 23.-.
>Die Philosophie ist grosszügig, langmütig und unverwüstlich. Sie hat schon manche Geistesschwäche ihrer Adepten verkraftet. Deswegen braucht sich eigentlich niemand um ihren guten Ruf zu sorgen - auch nicht in Anbetracht eines Taschenbuches mit dem Titel «Basiswissen Philosophie in 1000 Fragen und Antworten». Die Stirn runzeln darf man gleichwohl, wenn in der roten «UTB»-Reihe, die ja doch der höheren, der universitären Bildung dienen soll, ein Dokument lapidarer Geistlosigkeit erscheint. Elmar Waibl und Franz Josef Rainer haben die nicht etwa 999 oder 1002, sondern exakt 1000 Fragen und 1000 Antworten auf knapp 200 Seiten zusammengestellt.
Einige Kostproben in voller Länge: «Was sind <Sprachen>? Sprachen sind Zeichensysteme.» - «Worin besteht Carnaps metaphysikkritisches Programm? In der <Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache>.» - «Was sagt Ludwig Feuerbach (1804-1872) über den Dialektiker? <Der Denker ist nur darin Dialektiker, dass er sein eigener Gegner ist.>» - «Worin besteht für Arthur Schopenhauer (1788-1860) die Erlösung vom Leiden? In der Aufhebung des Wollens.» - Befinden wir uns in einer Quizsendung? Nicht auszuschliessen.
Die Verfasser preisen das Erzeugnis ihrer buchhalterischen Leistung, das an voraufklärerische Gepflogenheiten des Einbimsens und Nachsprechens von Lehrsätzen erinnert, munter als «innovativen Lernbehelf für die Studieneingangsphase» an, «der es den Studierenden ermöglicht, sich mit den grundlegenden philosophischen Sachverhalten auf eine neuartige Weise bekanntzumachen». Lehrreich ist dieses «Basiswissen»-Werk zumindest insofern, als es kurz und bündig vor Augen führt, wie die Informationsgesellschaft Wissensaneignung mit Datentransfer verwechselt und Begreifen mit Contain-Management. Konsequenterweise sprechen Waibl und Rainer an einer Stelle auch von «Basisinformationen» statt von «Basiswissen».
Immerhin könnte mit Ernst Bloch eingewandt werden (der Philosoph der Hoffnung hat es allerdings zu keinem Eintrag gebracht): Auch aus nichts wird etwas. Auch dieses Buch könnte ein Anfang sein. Die es benutzen, könnten von dem einen oder anderen Zitat dazu angeregt werden, tatsächlich das zu tun, was in der Studieneingangsphase am dringendsten zu empfehlen ist: die Werke der philosophischen Klassiker in die Hand zu nehmen, sie aufzuschlagen und sich in sie hineinzuversenken. Doch leider wird keines der Zitate nachgewiesen und keines der zitierten Werke in einer Bibliografie aufgeführt. - Das entspricht nicht einmal Wikipedia-Standards. Nachlässigkeit ist dafür freilich nicht die Ursache. Die Autoren halten Quellenangaben schlicht nicht für Basiswissen, ja nicht einmal für Basisinformationen - und sie halten sich den Verzicht darauf zugute; es gelte, liest man, «jeglichen Ballast» zu vermeiden.
Einen kurzen Moment zögern die Basisinformationsvermittler in dieser ihrer Schwerelosigkeit. Zumindest greifen sie in ihrem zweiseitigen Vorwort die Frage auf, «ob Philosophie <erlernbar>» sei. Die Zweifel, die diesbezüglich gehegt worden seien, scheinen sie zu teilen. Für «sicherlich möglich» erachten sie es indes, «sich die Voraussetzungen dafür anzueignen». Die Voraussetzungen dafür, Philosophie zu erlernen, soll dieses Kompendium schaffen. Bloss wie? Durch das Auswendiglernen von 1000 Fragen und Antworten? Konträr! - So könnte man, noch einmal mit Ernst Bloch, ausrufen. Diese 1000 Fragen und Antworten sind selbst der Ballast, den abzuwerfen, besser noch: erst gar nicht an Bord zu nehmen sich empfiehlt.
Eine Frage sei davon ausgenommen, Frage Nummer 13; Leser des Vorworts (s. o.) kennen sie schon: «Kann man Philosophie lernen?» Die - diesmal richtige - Antwort kommt von Immanuel Kant (1724-1804): «Es gibt keine Philosophie, die man lernen kann, man kann nur lernen zu philosophieren.» - Hätten die Autoren in ihrer eigenen Studieneingangsphase sich eingehender mit Kant befasst, hätten sie womöglich mitbekommen, warum man mit einem solchen Kompendium von Definitionen und Informationen nicht zu philosophieren lernen kann - und sie hätten das Diktum aus der «Kritik der reinen Vernunft» (B 865 f.) dann vielleicht nicht nur sinngemäss und ungefähr, sondern auch noch korrekt zitiert.
Bliebe nur noch die 1001. Frage, auf die die richtige Antwort nicht allzu schwer zu geben sein dürfte: «Sollen Studierende dieses Buch kaufen?»
Uwe Justus Wenzel<
Elmar Waibl, Franz Josef Rainer: Basiswissen Philosophie in 1000 Fragen und Antworten. Facultas/UTB, Wien 2007. 224 S., Fr. 23.-.