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Stasi

Claus schrieb:
Also, kurzer Sinn meiner langen postings:
Der „Rechtsstaat“ hat nicht eigentlich die Schuldigen bestraft, sondern sich an den Unschuldigen oder den kleinen Fischen abreagiert.

meint Claus
Du hast in fast allem, was Du schreibst recht und doch zugleich auch nicht. Ich verstehe Deine aus Gerechtigkeitsempfinden gespeiste Empörung, teile sie sogar; aber:
Der Rechtsstaat kennt rechtlich nur die individuelle Schuld, nur den Tatbestand, den ein einzelner oder eine bestimmte, zahlenmäßig umgrenzte Gruppe erfüllt hat. Ein Mörder - kein Problem damit; aber ein Schreibtischtäter, der unter Beachtung des in seinem Land geltenden positiven Rechts Tausenden die Freiheit genommen hat, ein Unrechtssystem wie es die DDR war, fundamental gestützt hat, bleibt straffrei. Es gibt im StGB einfach keinen Tatbestand dafür. Den kleinen Mauerschützen kann man - vielleicht vielleicht - noch unter Berufung auf überpositives Recht belangen (sie erhielten alle nur Bewährungsstrafen), aber die Kommunisten, die ihn aufhetzten zu schießen, gehen frei aus, weil die Tatsache des schweren politischern Irrtums - worauf er auch immer fußen mag - eben keine strafbare Handlung darstellt. Die Herrschaftsclique der kommunistischen Systeme glaubte ja - das wollen wir mal wohlwollend unterstellen - , dass Schießbefehle usw. nötig sind, weil der Sozialismus geschützt werden müsse, notfalls mit Waffengewalt. Ihr kam eben nicht zu Bewusstsein, dass dies Unrecht ist - schlimmer ist, dass sie selbst heute es nicht einsehen, aus Gründen, die ich pauschalierend im vorigen Thread bereits sagte und demnächst ausführen werde.
Und wie gesagt: Selbst die schlimmste - Ausnahme: Auschwitzlüge - Meinung ist durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt, in D und ich denke auch in A. Nach Zensur rufen nur die Feinde der Demokratie - linke wie rechte.
Zeigt sich nicht - noch einmal ihn verteidigend - darin Größe und Würde des freiheitlichen Rechtsstaates, dass er auch STASI-Offizieren das Recht gewährt, sich zu artikulieren?!
Grüß Dich - Ziesemann
 
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Zeigt sich nicht - noch einmal ihn verteidigend - darin Größe und Würde des freiheitlichen Rechtsstaates, dass er auch STASI-Offizieren das Recht gewährt, sich zu artikulieren?!
nun ja, Ziesemann, das kann ich (mit einem mulmigen Gefühl allerdings) noch akzeptieren.
Aber wieso sich der „freiheitliche Rechtsstaat“ an den (hier zufällig angeführten, weil sie mir eben mal zur Kenntnis gelangt sind) kleinen Fischen abreagiert, die oft ohne jede Schuld und eigentlich selbst Opfer waren, das kann ich nicht gut heißen.
Kannst Du?

fragt Claus
 
Claus schrieb:
nun ja, Ziesemann, das kann ich (mit einem mulmigen Gefühl allerdings) noch akzeptieren.
Aber wieso sich der „freiheitliche Rechtsstaat“ an den (hier zufällig angeführten, weil sie mir eben mal zur Kenntnis gelangt sind) kleinen Fischen abreagiert, die oft ohne jede Schuld und eigentlich selbst Opfer waren, das kann ich nicht gut heißen.
Kannst Du?

fragt Claus
Fällt mir auch schwer; aber
1. Ein Rechtsstaat "abreagiert" sich nicht sondern spricht Recht.
2. Es kann etwas gesetzlich (legal) sein, dennoch politisch-moralisch illegitim.
3. Der Schuldnachweis ist bei "kleinen Fischen" juristisch viel leichter zu führen als bei den großen Schreibtischtätern, so wie kleine Steuersünder leicht ertappt werden, während andere Millionen hinterziehend ins Ausland verlagern.
In jedem Fall sehr unbefriedigend, aber seit wann geht es auf der Welt gerecht zu?
Übrigens noch ein Nachtrag aus der Totalitarismusforschung, das Ergebnis gilt interessanterweise gleichermaßen für den Nazismus wie für den Kommunismus. - Es lohnt nicht Widerstand zu leisten, am besten ist es, in diktatorischen System nicht allzu aktiv mitzumachen, jedenfalls aber mitzulaufen. Kippt es, sind diese Mitmacher fein raus. Die Widerständler aber ist höchst unwillkommen, weil er ein Art lebender Vorwurf gegen die Opportinisten und die Dummen ist.
Gruß Ziesemann
 
Claus schrieb:
schlimmes Kapitel, aber schlecht bewältigt, die kleinen wurden gehenkt, die großen ließ man laufen, das ist immer noch so, auch im „Rechtsstaat“.

meint claus

Volle Zustimmung!
Die Stasileute mit ihren guten Kontakten und Verbindungen wurden von der westdeutschen Wirtschaft aufgesaugt, wie die Nässe von einem Schwamm, um gute Geschäfte zu tätigen.

Aber auch die politisch Geschulten fanden ihre neue Heimat, so auch unsere erfolgreichste Politikerin, die es sogar schaffte, dank ihrer Vorbildung, ihren Ziehvater rechtzeitig aus dem Rennen zu werfen.

So war z.B. vor einigen Jahren zu lesen: „Ich war gerne in der FDJ"
- als Gegnerin des DDR-Regimes war sie gegen das verbrecherische System - und trotzdem war sie Kreisfunktionärin der FDJ und Sekretärin für Agitation und Propaganda ("Gehirnwäscher") der FDJ ,
- als Kirchenmaus durfte sie nicht ihr Abitur machen - und trotzdem hat sie es gemacht,
- als Regimegegnerin durfte sie nicht studieren - und trotzdem hat sie studiert,
- als friedliche Revolutionärin durfte sie nicht ihren Doktor machen - und trotzdem hat sie promoviert,
- als Widerstandskämpferin hatte sie Berufsverbot - und trotzdem hat sie in der Akademie der Wissenschaften der DDR nicht als Putzfrau gearbeitet.

Da ich durch verwandtschaftliche Bindungen regelmäßig in das sozialistische Arbeiter- und Bauernparadies kam, konnte ich über mehr als 30 Jahre die Entwicklung dort beobachten, zumal meine Verwandten in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten zu Hause waren.
Auch hatte ich zweimal die Ehre einem Werber für die Stasi zu begegnen, das eine Mal war ich noch recht unerfahren und wurde rechtzeitig gewarnt.
Das zweite Mal war ich schon gewitzter und habe dem geschulten Mitarbeiter der Uni-Leipzig klar gemacht worüber ich mich nicht auf Diskussionen mit mir fremden einlassen werde, nämlich:
Religion! Verständliche Zustimmung!
Politik! Bedingte Akzeptanz!
Weiber! Entrüstung: Mit der Begründung, ich sei kein ernstzunehmender Gesprächspartner für ihn und sofortige fluchtartige Verabschiedung!

Man zeigte mir Dresden, als der Slogan lautete: Ruinen schaffen, ohne Waffen!
Man zeigte mir in Eisenach und Nordhausen die Sexshops: Geschäfte mit nackten Regalen.
Und man zeigte mir wie die Ernte auf den Feldern verdarb, weil den ehemals freien Bauern von den Parteifunktionären aus Unkenntnis vorgeschrieben wurde, wie Landwirtschaft zu betreiben sei.
Deshalb war ich sehr verwundert, dass der Geheimdienst den amtierenden Bundeskanzler nicht darüber informiert hatte, wie marode das Ganze war und angeblich nur der Bonner Portokasse bedurfte, um saniert werden zu können.

MfG Jan Amos
 
Hey jan Almos,
in diese Ecke lass ich mich aber nicht ziehen.
Und auf Merkel lasse ich nichts kommen!

Wenn sie sich nicht angepaßt hätte, wäre sie nicht das geworden, was sie heute ist.
Als Putzfrau hätte sie nämlich gar nichts ausrichten können in der wende.
Und fast alle, die in der wende in der DDR an führender Stelle waren, von den Pastoren bis zu den Wissenschaftlern, hatten dem Regime bis dahin nicht unnötig ihre breitseite geboten.
Respekt auch vor den Putzfrauen, die auf die Barrikaden gegangen sind, aber nur mit Putzfrauen hätte die wende nicht geklappt!

Mein Unmut über die Stasibewältigung richtet sich vor allem gegen die damit betrauten Ossis.
Es waren die Leute vom „Neuen Forum“, später bei bündnis90-Grüne gelandet, denen ich die Hauptschuld anlaste. Sie waren zwar die Avantgardisten der Wende.
Aber man hat es ihnen dann überlassen Rache zu nehmen. Und weil sie an die dicken fische (wie Schalck) nicht rangekommen sind, haben sie es die kleinen spüren lassen.

Aus der Ecke kommt Merkel nicht, nmK war sie in der „Allianz für Deutschland“, aus dem dann die CDU geworden ist.

Claus
 
Claus schrieb:
Hey jan Almos,
in diese Ecke lass ich mich aber nicht ziehen.
Und auf Merkel lasse ich nichts kommen!

Nein Claus, ich will Dich in keine Ecke drängen, sondern lediglich eine weitere Facette aufzeigen.
Wir alle sind vielschichtige Wesen, die je nach den erforderlichen Umständen oder sagen wir Gegebenheiten reagieren.


[/QUOTE]Wenn sie sich nicht angepaßt hätte, wäre sie nicht das geworden, was sie heute ist.
Als Putzfrau hätte sie nämlich gar nichts ausrichten können in der wende.[/QUOTE]

Volle Zustimmung!

[/QUOTE]Und fast alle, die in der wende in der DDR an führender Stelle waren, von den Pastoren bis zu den Wissenschaftlern, hatten dem Regime bis dahin nicht unnötig ihre breitseite geboten.[/QUOTE]

Wer nicht als Märtyrer in die Geschichte eingehen will, wird sich nicht freiwillig opfern wollen.

[/QUOTE]Respekt auch vor den Putzfrauen, die auf die Barrikaden gegangen sind, aber nur mit Putzfrauen hätte die wende nicht geklappt![/QUOTE]

Richtig, es waren zu viele die in der Menge stark waren. Auch ich war an einem Montag im September 1989 in Leipzig dabei, als die Demonstranten, von den sogenannten Sicherheitskräften, Schulter an Schulter, eingeschlossen wurden.

[/QUOTE]Mein Unmut über die Stasibewältigung richtet sich vor allem gegen die damit betrauten Ossis.
Es waren die Leute vom „Neuen Forum“, später bei bündnis90-Grüne gelandet, denen ich die Hauptschuld anlaste. Sie waren zwar die Avantgardisten der Wende.
Aber man hat es ihnen dann überlassen Rache zu nehmen.[/QUOTE]

Sollte es so sein, sehe ich das ähnlich.

[/QUOTE]Und weil sie an die dicken fische (wie Schalck) nicht rangekommen sind, haben sie es die kleinen spüren lassen.
[/QUOTE]

Schalk hatte sich gut abgesichert und, wenn eines Tages die Archive geöffnet werden und die Rolle von FJS für dessen Sicherheit bekannt wird, werden die Kommentatoren, manches Politikerbild neu zeichnen müssen.

Direkt nach der Wende, (DDR ist also inzwischen BRD) war ich in Leipzig zu einer Familienfeier. Dort brüstete sich ein Verwandter damit, er sei ein echter Wendehals, und dass nun seine politische Farbe schwarz sei, nachdem er zuvor rot als das Allheilmittel angesehen hatte, und davor braun das Richtige war.

MfG Jan Amos
 
Claus, ein Säuberungsprozess macht nur Sinn, wenn er konsequent durchgezogen wird. Alles andere führt nur wieder zu Begünstigungen und setzt keinerlei Zeichen für die Zukunft, was in einer Gesellschaft akzeptiert ist und was nicht. Und Rückfälle durch verbleibende Erreger erweisen sich oft als noch schlimmer.

Hätten die Franzosen damals nicht die Hälse aller Aristokraten abgeschnitten, dann wäre Frankreich noch heute unter dem Joch dieser menschenverachtenden Blutsauger.

Zum Glück schneiden wir in Deutschland heute jedoch keine Hälse mehr ab. Das Prinzip bleibt jedoch das gleiche.
 
Claus, ein Säuberungsprozess macht nur Sinn, wenn er konsequent durchgezogen wird. Alles andere führt nur wieder zu Begünstigungen und setzt keinerlei Zeichen für die Zukunft, was in einer Gesellschaft akzeptiert ist und was nicht. Und Rückfälle durch verbleibende Erreger erweisen sich oft als noch schlimmer.

Nein Louiz, kein ehemaliger Stasimann kann (auch nicht im deutschen Osten) politisch etwas bewirken.
Ich weiß zu wenig, um behaupten zu können, daß jetzt alle diejenigen „ihre Ehre wieder haben wollen“, die damals ehrlos gehandelt haben (in den augen der breiten Öffentlichkeit, sie selber sehen das natürlich anders)

Und mein Plädoyer weiter oben galt denen, die man in einer beschämenden gleichmacherei mit den wirklich Ehrlosen nivelliert hat.
Keinesfalls solchen Leuten, die wie „Sudel-Ede“ vom Schwarzen Kanal, die durch die Lande ziehen, von dem demokratischen System des Rechts auf Meinungsfreiheit geschützt , und sich rechtfertigen dafür, daß sie damals dieses System verleumdet und mit menschenverachtenden Mitteln bekämpft haben.

claus

btw.
Hätten die Franzosen damals nicht die Hälse aller Aristokraten abgeschnitten, dann wäre Frankreich noch heute unter dem Joch dieser menschenverachtenden Blutsauger.
nunja, die meisten sind ja rechtzeitig „abgehauen“, wurden dann durch Napoleon rehabilitiert und haben auch nach ihm weiter Blut gesaugt....
 
Claus, verstehe. Ich neige dennoch der Ansicht von Jan Amos zu. Auch wenn man nicht alle zur rechten Zeit erkennt und ausmacht, so muss es doch Ziel sein, alle zu finden und entsprechend zu behandeln.

Und zu deiner These, dass ein ehemaliger Stasimann nichts mehr bewirken kann, will ich dir von Herzen widersprechen. Genau so, wie die noch übrig gebliebenen Nationalsozialisten, die im Herzen braunen, gefährlich sind, genau so sind die ehemaligen Stasi-Leute gefährlich. Konstantin Wecker hatte es in seinem „Willy“ Lied schon richtig gesagt: „Alle sind sie schlimm, die Jungen und die Alten!“
 
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louiz30 schrieb:
..., ein Säuberungsprozess macht nur Sinn, wenn er konsequent durchgezogen wird.

Da hast Du wohl recht, louiz.

Aber es ist doch irgendwie verwunderlich, dass der 1990 eingeleitete Säuberungsprozess nach 16 Jahren immer noch anhält (und auch kein Ende abzusehen ist), wohingegen der Entnazifizierungsprozess im westlichen Teil Deutschlands faktisch 5 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges abgeschlossen war.

Entsteht da nicht der Eindruck, dass die deutsche Justiz auf dem rechten Auge schlecht, aber auf dem linken sehr scharf sieht?

Gruss
Hartmut
 
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