Fragmente aus Annette von Droste-Hülshoffs Gedicht "Carpe Diem"
Annette von Droste-Hülshoff
(1797 - 1848)
Carpe Diem!
Pflücke die Stunde, wär' sie noch so blaß,
Ein falbes Moos, vom Dunst des Moores naß,
Ein farblos Blümchen, flatternd auf der Heide;
Ach, einst von allem träumt die Seele süß,
Von allem, was, ihr eigen, sie verließ,
Und mancher Seufzer gilt entflohnem Leide.
......................................................
.....................................................
Wer, der an seine Kinderzeit gedenkt,
Als die Vokabeln ihn in Not versenkt,
Wer möchte nicht ein Kind sein und sich grauen?
Ja, der Gefangene, der die Wand beschrieb,
Fühlt er nach Jahren Glückes nicht den Trieb,
Die alten Sprüche einmal noch zu schauen?
........................................................
........................................................
........................................................
O, wer nur ernst und fest die Stunde greift,
Den Kranz ihr auch von bleicher Locke streift,
Dem spendet willig sie die reichste Beute.
Doch wir, wir Toren, drängen sie zurück,
Vor uns die Hoffnung, hinter uns das Glück,
Und unsre Morgen morden unsre Heute.
"Und unsre Morgen morden unsre Heute...."
Dies ist oft auch mein Gefühl. Carpe Diem - nutze den Tag, dem steht eben das Planen des nächsten Tages im Wege. Davon sich frei zu machen erscheint mir manchmal sehr schwierig.
Dabei sind die Momente und die Tage die glücklichsten, an denen es mir gelingt, nicht an morgen zu denken.