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Mein letzter Schultag oder wie ich die Welt verändern wollte

R

Rhona

Guest
Stellt euch beim Lesen einfach vor, es wäre schon Montagabend, oder vielleicht es ja auch schon Dienstag, oder Mittwoch, oder........

Montagmorgen, 6.30 Uhr, der Wecker scheppert unbarmherzig los.
Wie jeden Morgen ergreife ich ihn mit tastenden Fingern und geschlossenen Augen, um ihn in die andere Ecke des Zimmers zu werfen, wo mein riesiges Sitzkissen liegt, das das penetrante Gebimmel im Keim ersticken soll. Doch anstatt des satten Geräusches, das die Weckerlandung normalerweise begleitet, höre ich diesmal nur ein Klirren und Scheppern, das mich an den gestrigen Besuch einer Freundin erinnert, und an die Tatsache, dass das Kissen nicht in der Ecke, sondern noch vor dem Fernseher liegt.
Egal, die Einzelteile des Weckers kann ich auch nach der Schule noch wegräumen.
Ich torkele, noch halbschlafend, Richtung Dusche, als es mir siedendheiß wieder einfällt!!!
Heute ist mein persönlicher D-Day!!! Heute setze ich neue Maßstäbe!! Heute verändere ich die Welt!!

Welt, fang du schon mal mit dem Planen und Bauen von Kindergärten und Schulen an. Vergrößere die Unis, öffne die Standesämter auch am Wochenende. Und, Welt, treib die Entwicklung, die Leben auf dem Meeresboden und dem Mond möglich machen soll, schnellstens voran, denn die Zahl der Menschen wird binnen kürzester Zeit geradezu explodieren und deshalb brauchst du jede Menge zusätzlichen Platz!!!
Ich fühle mich dazu auserkoren und berufen, die Visionen Schillas ( jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist ungewollt und wäre rein zufällig) zu verwirklichen.

Als überaus praktisch und zeitsparend erweist sich die Tatsache, dass ich mir nach dem Duschen nur meinen Rucksack und die Sporttasche schnappen muss und mich auf den Schulweg machen kann. Sport? Ausgerechnet heute, an diesem so wichtigen Tag!!?? Eines weiß ich, ich geh heute nicht auf den Schwebebalken, turne nicht am Stufenbarren, mache weder Kopf- noch Handstand, biete mich aber zum Wegräumen der Matten, oder dem Vorturnen asiatischer Atemübungen an. Ein Saunabesuch hinterher wäre nicht schlecht, aber welche Schule hat schon ne Sauna? Es wird auch ohne Saune gehen.
Gut..., an der Küche, in der Oma werkelt, da muss ich natürlich ungesehen vorbei, und auf mein Pausenbrot werde ich auch verzichten müssen, weil es dummerweise auf dem Küchentisch liegt; aber solche Kleinigkeiten sollen mich doch nicht stören!!!! Hätten sich Columbus, Neill Armstrong, Richard Löwenherz, Kennedy oder Dschingis Khan durch ein fehlendes Pausenbrot von ihrer Mission abhalten lassen???? Na also!!!
Das Glück ist auf meiner Seite, denn Oma wendet mir den Rücken zu. Bevor ich die Haustüre hinter mir zuschlage rufe ich noch: "Morgen, Oma, hab keinen Hunger, bin spät dran und muss los."
Jetzt hab ich ein Problem!!! Nehm ich das Fahrrad oder den Bus? So ganz unpraktisch sollen sich Hosen beim Radfahren ja nicht erweisen, und wie sinnvoll ist es, wenn ich die Menschen im Bus mit meiner Mission allzu direkt konfrontiere?
Also wieder zurück ins Haus, unbemerkt an der Küche vorbeikommen, auf der obersten Stufe "Hab was vergessen, Oma " rufen, rein in mein Zimmer, mir das lange Schlabberkleid überziehen, wieder runter, in die Küche rein, ein Glas Milch auf ex kippen, Pausenbrot schnappen, Omas irritierten Blick ignorieren, "bis heute Nachmittag" rufen und nichts wie hin zur Schule. Ich nehme den Bus.

In der Halle der Schule treffe ich auf meine Freunde. Ihr infantiles Geschnattere geht mir auf den Geist, denn ich bin zu Höherem berufen und kann mich aus diesem Grund nicht mit diesen Kindern abgeben. Als die Schulglocke läutet, lasse ich die Anderen Richtung Klasse gehen, verschwinde selbst aber auf dem Klo, um mich für meinen Auftrag vorzubereiten.
Als ich endlich die Klasse betrete, macht sich zunächst ungläubiges Schweigen breit. Offene Münder begleiten mich auf dem Weg zu meinem Platz. Da kichert der Erste los, die Anderen fallen mit ein. Aus dem Kichern wird ein Grölen, und sogar Pfeifen kann ich heraushören. Stört mich überhaupt nicht, und den roten Kopf hab ich sicher nur heute, denn morgen werde ich nicht mehr allein sein. Morgen werden viele meiner Mitschüler es mir nachtun, sich mit meiner Mission identifizieren. Übermorgen sind wir wiederum mehr, bis wir am Ende........War mein Stuhl am Freitag auch schon so kalt und unangenehm glatt???
Die Mathelehrerin steht nach Luft schnappend vor mir. Außer einem "komm sofort mit", das sie, weil sie hyperventiliert, nur stoßweise über die Lippen bringt, sagt sie nichts. Sie marschiert zur Türe, reisst diese auf und ich folge ihr stolz erhobenen Hauptes und unter dem Gejohle meiner Mitschüler.
Während die Lehrerin vor mir her Richtung Direktorat rennt, ignoriere ich den grinsenden und lüsternd blickenden Hausmeister.
Als wir endlich zum Büro des Direx kommen, stürmt sie ohne anzuklopfen rein und zerrt mich hinter sich her. "Herr Direktor, ich bin sprachlos, geradezu außer mir. Sehen sie doch......!!!".
Der Direx schaut mich an, den Mund weit offen, die Augen zu kleinen Schlitzen zusammengekniffen. " Mädchen, spinnst du??? Was soll das denn werden?? Willst du irgendwas beweisen? Wird das eine Aktion? Soll das eine Performance sein? Bist du nun total übergeschnappt??" In seiner Aufregung vergisst er, dass er Oberstufenschüler eigentlich siezen muss. Gleich wird er platzen.
Shit, ich hab nicht mit dieser Reaktion und solcher Aggression gerechnet. "Ich wollte doch nur........also, das ist so......da gibts so ein Forum....". Der Typ macht mich total irre. "Also......., da hat einer geschrieben, dass es nur so wenig Nachwuchs gibt, und die Leute nicht mehr heiraten, weil.........weil.......ja, ich habs wieder,... weil die Schüler alle angezogen sind und....äh, ja, äh.......die Lehrer auch,.... so!" Beifallheischend schau ich zur Lehrerin, aber die hyperventiliert immer noch. Plastiktüte, fällt mir da ein, Plastiktüte über den Kopf ziehen. Bevor ich ihr meinen lebensrettenden Vorschlag unterbreiten kann, schreit der Direx " Nun reichts mir, ich hab die Schnauze voll von diesem Irrenhaus. Ich lass mich frühpensionieren!! Aber du, mein liebes Kind, du gehst sofort nach Hause. Für dich ist die Schulzeit beendet, jedenfalls an DIESER Schule! Zieh dir was über, oder geh so nackt wie du bist, aber verlasse diese Schule auf der Stelle!!!" Jetzt braucht er auch ne Plastiktüte.
"Plastiktüte.......Plastiktüte.....das hilft". Mit diesen markigen Worten verlasse ich das Büro, renne Richtung Ausgang, wobei ich mir im Laufen wieder das Schlabberkleid überziehe, nehme den nächsten Bus und überlege mir während der Fahrt, wie ich meinen Großeltern überzeugend erkläre, dass ich gerne Friseuse oder Damen-Oberbekleidungs-Fachverkäuferin werden möchte.

Aber ich habs versucht, ich habs echt versucht! Schilla kann mir nicht vorwerfen, dass ich es nicht versucht hätte!!!!


Rhona
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Auch wenn es beim ersten Versuch nicht geklappt hat.
Für mich bist du eine Heldin.:kuss1:
Versuche es doch mal in öffentlichen Gebäuden, die Schule war vielleicht nicht der richtige Startpunkt. :)
 
Ich bin dafür, dass wir alle im Forum nackig rumlaufen :lachen:

Ich bin na-ackt! Hallo! Seht ihr mich?
Ich bin na-ackt...!
:lachen:
 
Rhona, du bist wirklich toll! :umarm: Die Geschichte ist köstlich.
Viel Glück bei der weiteren Jobsuche, ich drück dir die Daumen.:weihnacht

Manche Themen können wirklich inspirierend sein.
Danke scilla! :zunge 5:

herzlich
lilith
 
lobeshymnen hat sie ja offensichtlich schon genug in diesem thread, daher ein konstruktiv gemeinter vorschlag von mir:
geh sparsamer mit ausrufezeichen um :)
 
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Die Welt lässt sich auch anders verändern.

Nichts tun ist eine beliebte und häufig praktizierte Variante.
 
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