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Katastrophale Zustände in Altenpflegeheimen

Thema wird für ein paar Tage geschlossen bis sich die Diskutanten alle beruhigt haben.
 
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Der Thread ist wieder offen

von Daggi
ich habe auch solche Informationen wie Georg ... habe beruflich sehr viel mit Altenheimen, Personal und auch Insassen zu tun... und schüttele so das ein oder andere mal ziemlich entsetzt meinen Kopf, was einem da alles so zu Ohren kommt ...
Hi Daggi :), da Du ja beruflich mit Altenheimen zu tun hast, würde ich mich wirklich sehr freuen, wenn Du hier noch ein paar Beispiele "aus der Praxis" bringen könntest.

Gruß
Georg
 
Anstelle von Beispielen, die ja eigentlich genug genannt wurden, fände ich es besser darüber zu diskutieren, was Daggi auch abgesprochen hat: ob wir zu faul, herzlos oder was auch immer sind, daß wir unsere Eltern nicht mehr selbst pflegen, sondern im Altenheim unterbringen.

Ich glaube, daß die Einführung der Pflegeversicherung bei unserer Mentalität, eingezahlte Beiträge "herauszubekommen", völlig falsch war.
 
Das Problem derKinder-, Alten- und sonstwie Behindertenpflege liegt für mich darin, dass Familienarbeit gesellschaftlich nicht der Erwerbsarbeit gleichgestellt wird.
Siehe dazu
http://www.abfallgut.de/tafel0.html

Ich gebe zu, dass nicht jeder zum Pfleger geboren ist, aber es kann nicht angehen, dass jemand Geeignetes seine Angehörigen in dubiose und meist unpersönliche Einrichtungen "weggibt", weil er "arbeiten gehen" muss. Professionelle Betreuung ist dann allemal die zweitbeste Lösung.
johko:mad:
 
Original geschrieben von johko
Das Problem derKinder-, Alten- und sonstwie Behindertenpflege liegt für mich darin, dass Familienarbeit gesellschaftlich nicht der Erwerbsarbeit gleichgestellt wird.

Ja, genauso wie Sozialarbeit, Kindergärten oder ähnliches, in vielen dieser Bereiche wird für Hungerlöhne aber trotzdem mit viel Engagement gearbeitet.

Ich gebe zu, dass nicht jeder zum Pfleger geboren ist, aber es kann nicht angehen, dass jemand Geeignetes seine Angehörigen in dubiose und meist unpersönliche Einrichtungen "weggibt"

Aber wer entscheidet denn dann ob jemand "geeignet" ist?
 
Mir geht es nicht um eine amtliche Entscheidung: Jeder, der in der Lage ist, rund um die Uhr bedürftige Angehörige zu betreuen, dürfte dann nicht deswegen z.B. als "Arbeitsloser" oder "Sozialschmarotzer" diskriminiert werden.

Wer NICHT dazu in der Lage ist, wird sich vermutlich in Erwerbsarbeit flüchten wollen - leider auch allzu gern in pädagogische und pflegende Berufe.
johko:mad:
 
P r e s s e e r k l ä r u n g

Vereinte Nationen kritisieren Mißstände in Pflegeheimen in der Bundesrepublik Deutschland


Vor dem Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen wurde in einer Anhörung am 13.8.01 in Genf von dem Münchener "Forum zur Verbesserung der Situation pflegbedürftiger alter Menschen in Deutschland" auf die katastrophale Situation der 400.000 pflegebedürftigen Bewohner in den 8.900 Heimen in Deutschland hingewiesen.

Am 24.8.01 mußten Vertreter der Bundesregierung vor dem Ausschuss in Genf einräumen, dass die Situation der Menschen in Pflegeheimen ein Anlass zur Sorge sei und viele Einrichtungen nicht den staatlichen vorgeschrieben Standards entsprechen.

Mit tiefer Besorgnis hat der Ausschuss der Vereinten Nationen, der die Ein-haltung des Internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (u.a. das Recht auf Nahrung und körperliche und geistige Gesundheit) durch die 145 Mitglieder überwacht, die unmenschlichen Bedingungen in den Pflegeheimen in Deutschland zur Kenntnis genommen. Der Ausschuss fordert die Regierung auf, dringende Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu ergreifen.

Der Ausschuss der Vereinten Nationen bestätigt damit die Tatsache,dass unter der Verantwortung der Bundesregierung Menschen in Heimen verhungern und verdursten, mit Psychopharmaka ruhiggestellt werden und auf Grund der Pflegemängel offene Wunden erleiden.

Es ist beschämend und blamabel, dass die Bundesregierung die Einhaltung der Menschenrechte in anderen Staaten fordert und gleichzeitig tatenlos zusieht, wie die Menschenrechte und die Menschenwürde alter Menschen in Deutschland mit Füßen getreten werden.

Die Bundesregierung ist nun eindringlich aufgefordert, Richtlinien aufzustellen und durchzusetzen, nach denen für jeden Bewohner der tatsächliche Bedarf festgestellt wird und die notwendige Pflege sichergestellt wird.

Alexander Frey 3. September 2001
(Mitglied der Forums zur Verbesserung der Situation pflegebedürftiger alter Menschen in Deutschland)


Gruß
Georg
 
Original geschrieben von Georg
Alexander Frey 3. September 2001
(Mitglied der Forums zur Verbesserung der Situation pflegebedürftiger alter Menschen in Deutschland)
Sehe ich das richtig, dass Du Deine Argumentation mit diesem Beispiel aus dem Jahr 2001 stützt???

2 Jahre ist ne Menge Zeit, in der ne Menge passiert ist (nicht direkt auf das Thema bezogen) und falls ich nicht etwas hier im Thread überlesen habe, was eine aktuellere Quelle sein könnte, dann sehe ich dieses Beispiel als informatorisches Bonbon an.
 
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Ein aktuelles Beispiel

Dokumentarbericht im Fernsehen

„Kontraste“ vom 14.08.2003

Die Pflegeversicherungen schlagen Alarm: Die Kosten explodieren. Aber die eigentliche Katastrophe: das ist die Versorgung unserer Alten in den Heimen! Die Hälfte, die Hälfte aller Pflegeheim-Patienten sind unterernährt! Nicht irgendwo in Afrika, sondern in Niedersachsen oder Bayern oder Nordrhein-Westfalen oder Berlin. Es könnten also Ihre Eltern sein, die dort für sehr viel Geld untergebracht sind. Das hat eine Studie herausgearbeitet. Sandra Hochleitner und Marcus Weller zeigen Ihnen, was sich hinter den kühlen Zahlen verbirgt: verwahrloste, schikanierte und völlig wehrlose alte Menschen.
Ein Seniorenstift in Berlin - einmal im Jahr kommt der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Die Prüfer sollen Missstände und Pflegefehler aufdecken. Besonders interessiert sie, ob die Bewohner gut gepflegt werden. Seit sechs Jahren, seit es die Pflegeversicherung gibt, schicken die Krankenkassen die Prüfer in die Heime der Republik. Die Bilanz ist eine Katastrophe: Knapp die Hälfte aller Heimbewohner ist unterernährt oder leidet an Austrocknung. Carola Raab kennt diese Zustände. Neun Jahre lang hat sie Pflegebedürftige in einem Heim versorgt, bis sie es nicht mehr ertragen konnte, wie die alten Menschen vernachlässigt wurden. Carola Raab: "Wir haben natürlich Bewohner, die sehr oft klingeln. Dann heißt es immer, der oder die sitzt auf der Klingel. Und wenn man dann hingegangen ist und die haben dann gefragt, ob sie vielleicht eine Flasche Wasser haben könnten oder einen Becher zu trinken, dann war halt die Pflegekraft, die gerade da war, so ärgerlich, dass sie wirklich gesagt hat: So, ich komm zu dir jetzt erst wieder, wenn ich heute Abend Abendbrot verteile, und erst dann kriegst du vielleicht was zu trinken oder zu essen. Ich laufe jetzt nicht extra wegen dir, oder ich mache jetzt nicht extra dir was." Das Bürgermeister-Jordan-Heim in Delmenhorst. Hier arbeitete Carola Raab jahrelang. Knapp 150 Menschen leben hier. Ein Platz kostet hier bis zu 3000€. Trotzdem musste Frau Raab erleben, dass die Bewohner schlecht behandelt wurden: Carola Raab: "Wir hatten zum Beispiel eine Kollegin bei uns, die war wirklich im höchsten Grade aggressiv, was auch jeder wusste. Angefangen von den Kollegen bis hin zur Stationsleitung bis hin zur Pflegedienstleitung. Und diese Kollegin hat ihre Aggressionen wirklich an den Bewohnern ausgelassen, indem sie wirklich geschlagen hat. Sie hat in den Nacken gegriffen, in die Haare gegriffen, gezwickt und gezwackt. Und all diese Sachen habe ich auch gemeldet, nur man hat mir nicht geglaubt. Und man hatte mir gesagt, ich sollte alles nicht aufbauschen. Und es ist nie was passiert." Im selben Heim in Delmenhorst arbeitete auch Michelle Görnig. Und auch sie erlebte, dass viele alte Menschen unterversorgt waren. Michelle Görnig: "Es sind mindestens über zwei Jahre vergangen, wo ich mehrere Pflegemissstände gesehen habe, auch weitergegeben habe, aber es kam leider keine Reaktion und keine Hilfe für die Bewohner. Und irgendwann kann man das alles als Pflegekraft nicht mehr verantworten." Auch dieses Heim ist vom medizinischen Dienst mehrfach geprüft worden. Doch schwer wiegende Mängel konnten die Prüfer nicht feststellen. In diesem Heim hat sich der medizinische Dienst vor allem für die schriftlichen Unterlagen interessiert. Weil die Kassen nur zahlen, was sie schwarz auf weiß haben. Deswegen muss die Arbeit der Pflegekräfte genauestens dokumentiert sein. Carola Raab: "Die Pflegedokumentation wurde eigentlich regelmäßig gefälscht. Wir wurden dazu ja auch angewiesen. Wir haben mehrere Male darauf hingewiesen, dass wir alleine schon Urkundenfälschung machen würden. Aber man hat uns dann gesagt in dem Fall, das ist unser Geld und wir kriegen nur das bezahlt, was wir dann auch eintragen. Und es hat keine Rolle gespielt, ob wir darauf hingewiesen haben oder nicht. Wir haben Urkundenfälschung begangen, wir haben falsche Aussagen eingetragen. Alles mit Zustimmung der Stationsleitung bzw. der Geschäftsführung." Das Heim selbst will zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen und verweigert uns den Zutritt zum Haus. Auch der zuständige Medizinische Dienst der Krankenversicherungen in Niedersachsen gibt uns keine Auskunft:: Zitat: "...der MDK ist gegenüber Dritten zur Verschwiegenheit verpflichtet, so dass wir Ihnen keine näheren Auskünfte über Art und Inhalt der Prüfung geben können." Ende 2002 werden die Zustände im Heim so schlimm, dass Frau Raab und Frau Görnig Anzeige erstatten. Sie werfen dem Heim vor, den Tod mehrerer Bewohner verschuldet zu haben. Carola Raab: "Wir hatten ja einen erneuten Todesfall. Das war die Frau Weimann, der die Lunge ja voller Wasser gelaufen ist, wo man einfach nur gesagt hat: ja, nach der Frau schau ich nicht, die stirbt seit Tagen. Das war ein Punkt, wo wir wirklich gesagt haben, jetzt geht es irgendwo nicht mehr. Wir haben den Fall angesprochen, es ist erneut nichts passiert, wie auch in all den anderen Fällen, wo alles unter den Tisch gekehrt wurde. Und für mich persönlich war jetzt der Punkt da, wo ich gesagt habe, ich konnte nicht mehr. Ich habe mich jahrelang eigentlich mitschuldig gemacht…." Michelle Görnig: "Ich hatte Angst. Ich hatte ganz einfach Angst. So wie viele andere Pflegekräfte um meinen Arbeitsplatz. Meine Kinder waren noch viel kleiner und ich wusste, wenn ich den Schritt gehe, verliere ich die Arbeit. Auch wenn ich recht habe. Und das ist alles bei mir einfach gereift, bis ich nicht mehr es psychisch aushalten konnte. Und eines Tages habe ich wirklich alles ausgesprochen und das tat mir gut." Doch trotz Strafanzeige ändert sich nichts. Also wenden sie sich an die Öffentlichkeit. Das Heim reagiert mit einer fristlosen Kündigung. Carola Raab: "Bei uns im Heim, die Verantwortlichen arbeiten weiter, es wird keiner vom Dienst suspendiert. Wir, die diese Sachen aufdecken und absolut nichts davon haben - wir haben unsere Arbeit verloren - so, wir haben, unsere Zukunftsaussichten, in diesem Beruf weiterzuarbeiten, sind doch gleich null." Es dauerte Jahre, bis sie den Mut aufbrachten Anzeige zu erstatten. Das Ergebnis: Der Job ist weg, die Strafanzeige bisher wirkungslos, beide gelten als Nestbeschmutzer. Jürgen Brüggemann hat die Prüfberichte aller medizinischen Dienste zu einer Studie zusammengefasst. Sie zeichnet ein katastrophales Bild der Pflegesituation in Deutschland. Hunderttausende Heimbewohner bekommen viel zu wenig zu Essen und zu Trinken. Jürgen Brüggemann: "Ich würde sagen, dass bei Pflegesätzen von 3000€ und mehr heute zumindest mal die Ernährung und Flüssigkeitsversorgung oder schlicht und ergreifend das Essen und Trinken in den Pflegeinrichtungen sichergestellt sein muss. Es kann nicht sein, dass bei solchen Pflegesätzen nicht einmal die Satt-, Sauber- und Trockenpflege gewährleistet werden kann." Carola Raab: "Es geht doch wirklich nur um die Menschen. Und sollte sich in diesem Fall doch gar nichts tun, dann ist das wirklich ein Freibrief für all meine Kollegen, ich spreche jetzt nur von unsere Heim, da so weiterzumachen wie bisher. Ich meine, die freuen sich jetzt mittlerweile schon, dass noch nichts passiert ist, die fühlen sich sicher. Und das ist wirklich ein Freibrief. Sie Können so weitermachen wie bisher. Und der alte Mensch, der ist jetzt noch weniger wert."
Ja, die Kollegen machen weiter. Die beiden mutigen Pflegerinnen sind ohne Job, nur weil sie die Zustände aufgedeckt haben!



Gruß
Georg
 
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