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Katastrophale Zustände in Altenpflegeheimen

Original geschrieben von OneEye
Sehe ich das richtig, dass Du Deine Argumentation mit diesem Beispiel aus dem Jahr 2001 stützt???

2 Jahre ist ne Menge Zeit, in der ne Menge passiert ist (nicht direkt auf das Thema bezogen) und falls ich nicht etwas hier im Thread überlesen habe, was eine aktuellere Quelle sein könnte, dann sehe ich dieses Beispiel als informatorisches Bonbon an.


In diesem Fall ist es schon mehr als das - habe den guten Frey mal kennengelernt, damals war er für den Paritätischen Wohlfahrtsverband tätig - er hat seinerzeit auch den ausgewiesenen jugendlichen Mehmet vertreten. Was er zur katastrophalen Pflegesituation in deutschen Alten- und Seniorenheimen schreibt ist nach wie vor aktuell, wenn nicht noch schlimmer.

LG, wirrlicht
 
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Original geschrieben von wirrlicht
Was er zur katastrophalen Pflegesituation in deutschen Alten- und Seniorenheimen schreibt ist nach wie vor aktuell, wenn nicht noch schlimmer.
Trotzdem nicht die neueste Quelle, aber das hat sich ja mit dem nächsten Posting von Georg geklört. Danke für die nächste Quelle.
 
Original geschrieben von baerliner
Anstelle von Beispielen, die ja eigentlich genug genannt wurden, fände ich es besser darüber zu diskutieren, was Daggi auch abgesprochen hat: ob wir zu faul, herzlos oder was auch immer sind, daß wir unsere Eltern nicht mehr selbst pflegen, sondern im Altenheim unterbringen.

Ich weiß nicht, ob man das so vereinfachend sagen kann. Erstens ist es ja tatsächlich so, daß es heute nicht mehr diese Großfamilienstruktur gibt, in der die Alten bzw. Kranken mitgetragen wurden. In Kleinfamilien mit sagen wir: Vater, Mutter, 2 Kindern ist es doch sehr oft so, daß die Einkommen eines Alleinverdienenden nicht ausreichen, d.h. daß beide arbeiten gehen. Wie soll da ordentliche Pflege stattfinden?

Weiters ist bekannt, daß zu oft zu Hause gepflegte Menschen ernsthaften Mißhandlungen ausgesetzt sind - ist schon 'ne Weile her daß ich in dem Bereich gearbeitet habe, aber an dieser Situation dürfte sich nicht allzu viel geändert haben. Häusliche Pflege heißt nicht gleich bessere Pflege - das schreibe ich nicht wertend. Ich habe in der Zeit, als ich in der häuslichen Pflege als Laie gearbeitet habe, als Nichtangehörige schon das teilweise extreme Aggressions- und Spannungsfeld zwischen Pflegekräften und Alten/Behinderten miterlebt, Angehörige kommen mit diesen Spannungen noch sehr viel weniger klar - das drückt sich auf vielfache Art aus: durch Vernachlässigung, Gewalt psychischer und physischer Natur einerseits, durch "Burn-Out-Syndrom" bis hin zu schweren Depressionen andererseits (die meisten pflegenden Angehörigen sind Frauen).

Und zum Schluß: bettlägerige alte Menschen lassen sich relativ "problemlos" pflegen, obwohl selbst hier Angehörige oft nicht ausreichend wissen, wie offenen Stellen durch Wundliegen z.B. vorgebeugt werden kann oder daß besonders alte Menschen nicht wirklich dement sind, wie sie glauben, sondern lediglich unter Austrocknung leiden, weil sie das Trinken vergessen. Wie viele aber werden tatsächlich dement, leiden unter Alzheimer oder anderen Erkrankungen, die die örtliche/räumliche/zeitliche Orientierung beeinträchtigen oder gänzlich aussetzen? Alzheimerpatienten im fortgeschrittenen Stadium sind ja nicht nur vergeßlich, sehr häufig wandern sie einfach drauflos, um ein längst vergangenes Zuhause zu suchen - man kann sie nicht festbinden. Ebenso sind die Emotionen von Alzheimerpatienten ziemlich unberechenbar, viele werden aggressiv und greifen an - hab's bei einigen Altenpflegerinnen erlebt, wie sie mit blauen Flecken, blutigen Lippen oder ausgerissenen Haaren ihre Pflegemaßnahmen unterbrechen mußten. Mal abgesehen davon, daß es dann schon Sinn macht, über die Hintergründe solcher Erkrankungen wenigstens ansatzweise Bescheid zu wissen: wie viele Angehörige - meist sind es ja die Kinder - kommen damit klar? Heutzutage verkraften sehr viele Menschen die Tatsache, daß ihre Eltern nur noch dahinvegetierende Schatten ihrer selbst sind, absolut nicht - eine der Ursachen dafür, daß so oft die alten Menschen in den Heimen nicht mehr besucht werden.

Original geschrieben von baerliner
Ich glaube, daß die Einführung der Pflegeversicherung bei unserer Mentalität, eingezahlte Beiträge "herauszubekommen", völlig falsch war.

Was wäre die Alternative?

LG, wirrlicht
 
Georg & Co., ich schalte mich jetzt auch mal ein. Insgesamt habe ich 17 Monate Ersatzdienst geleistet auf einer Altenpflegestation, das war vor 15 Jahren. Personalmangel und leere Kassen gab es damals auch schon. Ich merke, um sinnvoll zu diskutieren, muß man mehr Hintergrundwissen besitzen. Vielleicht sogar eine Station mal selbst kennenlernen! Was Du in der Presse liest, ist mit Sicherheit ein verzerrtes Bild. Altenheime sind keine Gefängnisse. Zwar kann ein Patient vom Arzt einen Katheter, Beruhigungsmittel oder sogar „Fixierung“ (Festbinden) in der Nacht verordnet bekommen. Dagegen gibt es aber die Möglichkeit, den Arzt zu wechseln! In den meisten Fällen (ich habe sehr viel nachts gearbeitet) hatten die alten Menschen ihr Zeitgefühl verloren, weil sie tagsüber viel geschlafen haben. Da sehe ich die größten Probleme: sinnvolle Beschäftigungstherapie, damit die Menschen nicht „verblöden“. Und selbst die „hilfslosen“ Schwerstpflegefälle hatten Angehörige, die sofort zur Stationsleitung gegangen sind, wenn sie das Gefühl hatten, es stimme etwas nicht. Ob alte Menschen in Altenheimen verwahrlosen oder verdursten? Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Pfleger ein großes Verantwortungsgefühl besitzen, trotz Pflegenotstand.

Aggressive Pflegekräfte müssen konsequent entfernt werden, falls es sie gibt. Übrigens waren 2-Bett-Zimmer sogar gut, da der Bettnachbar klingen konnte, falls der Patient mal nicht in der Lage war. Verdurstet? Auf jedem Nachttisch stand eine Schnabeltasse, die auch vom Nachtdienst regelmäßig nachgefüllt wurde. Windeln und Kathether bekommen die meisten schwierigen Pflegefälle. Aber das entscheiden der Hausarzt, Patient und Angehörige!

Ich finde die Diskussion insgesamt hier nicht allzu konstruktiv, da zahlreiche m.E. utopische Forderungen an der Realität vorbeigehen. Ich wollte aber aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen zu dem Thema wenigstens ein paar Vorurteile relativieren. Vielleicht müssen wir alle umdenken und vorsorgen! Der Staat wird eine menschenwürdige Grundversorgung versuchen, aber wünschenswerte Noch-Nicht-Standards wie Einbettzimmer und Tagesbetreuung müssen erst einmal finanziert werden! Wollt Ihr mehr Steuern zahlen wie sollten wir das finanzieren? Rudhi
 
Danke Rudhi, Dein Post hat mir gut gefallen, da auch ich nur bedingt eine direkte Erfahrung gemacht habe und keineswegs 17 Monate lang miterlebt habe, wie es denn tatsächlich in einem Alten- oder Pflegeheim zugeht.
Original geschrieben von Rudhi
Der Staat wird eine menschenwürdige Grundversorgung versuchen, aber wünschenswerte Noch-Nicht-Standards wie Einbettzimmer und Tagesbetreuung müssen erst einmal finanziert werden! Wollt Ihr mehr Steuern zahlen wie sollten wir das finanzieren?
Ohne meinen folgenden Spruch auf dieses Forum zu beziehen (noch nicht zumindest), sind es doch immer dieselben, die einerseits eine Senkung der Steuern fordern und andererseits nicht verstehen können, warum es in manchen Kassen an Geld fehlt/fehlen könnte.

Am meisten regen mich ja noch die Leute auf, die den Aufkleber "STEUERN RUNTER, MACHT DEUTSCHLAND MUNTER!" auf dem Auto haben. So ein Schwachsinn habe ich ja noch nie gehört. Da muss ich es mir doch immer verkneifen mal kräftig auf's Gas zu treten und GENAU den Aufkleber auf dem Heck meines Vordermanns zu treffen. ;)
 
Das ist schon richtig, Rudhi, es ist gerade bei solchen Themen nützlich über Erfahrung (oder wenigstens glaubwürdige Quellen) zu verfügen.

Dennoch ist das was Georg gepostet hat und immer wieder als Schreckensmeldungen in Medien auftaucht ziemlich realistisch.

Zu meinen eigenen Erfahrungen: ich war 8 Jahre als Laienhelferin in der häuslichen Behindertenbetreuung tätig (was im Klartext heißt: man fährt zu den zu Betreuenden nach Hause, füttert, wäscht, lagert usw. - im Grunde genommen ein Job, bei dem man mit einem Bein immer im Knast steht, weil man immer mehr tun muß als eigentlich als Nicht-Fachkraft erlaubt ist) und ich war 1 1/2 Jahre in einer Altenheim-Verwaltung (das erste halbe Jahr davon halbtags) und dort mit der Pflegedienstleiterin sehr eng - öhm, nennen wir's Freundschaft (habe ihre Abschlußarbeit zum Thema Qualitätssicherung geschrieben :D )

Aus dem Bereich ausgestiegen bin ich 1996 (Altenheim) bzw. vor 1 Jahr (Laienhilfe). Kontakte/Freunde vor allem im Altenpflegebereich habe ich noch sporadisch, die Resignation, die unter den Pflegekräften vielerorts herrscht ist erschreckend.

Wir werden kaum gangbare Lösungswege finden - ich meine: es ist jetzt schon nicht mehr vertretbar, Pflegeschlüssel zu senken (das heißt, wieviel Personal : zu pflegende Personen), seit der Umwandlung der staatlichen bzw. kommunalen Alten- und Pflegeheime in GmbH's ist der Anteil der nicht-qualifizierten Pflegekräfte (trotz gesetzlicher Vorgaben) noch mehr angestiegen, die Stellen der Heimleiter werden keineswegs immer mit qualifiziertem Personal besetzt (meine frühere Chefin war Sozialpädagogin, einer meiner Freunde - Heimleiter in einem DRK-Heim in München - ist Ex-Priester ohne weiterführende Ausbildung). Es wird immer mehr alte und pflegebedürftige Menschen geben und die Situation wird sich verschlimmern - schließlich sind Pflegedienste kein Bereich, den man automatisieren kann.

Es gibt jedoch schon seit Jahren neue Modelle, die m.E. mehr gefördert und bekannt gemacht werden müssen. Es gibt Wohnprojekte - beispielsweise mit überschaubaren Wohngemeinschaften einerseits mit älteren Menschen, die von mobilen Pflegediensten unterstützt werden (relativ preiswert im Verhältnis zur Heimunterbringung) und auch alternative Projekte, in dem größere Wohngemeinschaften zwischen Alten und jüngeren Menschen erfolgreich gelebt werden. Im Frauenbereich kenne ich (allerdings schon eine Weile her) "Ergo - Frauen leben im Alter zusammen".

Das Heim-Modell ist auf lange Sicht nicht mehr finanzierbar, wenn man dabei menschenwürdige Unterbringung nicht außer Acht lassen will. Also sollten wir uns überlegen, welche Möglichkeiten dann ausgeschöpft werden können.

LG, wirrlicht
 
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AW: Katastrophale Zustände in Altenpflegeheimen

Finde das hier ist auch so ein Thema, welches trotz der Versenkung hier immernoch/wieder aktuell ist. Vielleicht kann man den Faden hier noch mal aufnehmen oder neu spinnen?
Schreibe später bestimmt auch noch was dazu, wühle erstmal weiter im Allgemeine-Diskussionen-Keller.
 
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