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Kapitalistische Verbrechen

Will man die Diskussion auf eine höhere Ebene bringen und weg von dem "Im Kapitalismus ist es aber so - im Kommunismus ist es aber so", kommtman um den Begriff Evolution nicht herum. Denn die strukturellen Unterschiede sind viel bedeutsamer als moraltriefende Ergüsse.

Evolution liegt da vor, wo sich etwas reproduziert, wobei es unter der Bedingung von Variation zu Selektion kommt. Wenn ich vom evolutionären Gesellschaftssystem oder Wirtschaftssystem spreche, muss natürlich klar sein, dass es nicht um die Reproduktion von Menschen geht, sondern um Ideenevolution, Reproduktion von Kommunikation, technische Innovation, Design, Mode etc.
All das entwickelt sich evolutionär und es ist dann auch nicht von Belang, dass als Selektor der so genannte "freie Wille" auf den Plan tritt.
Aus Sicht des sich evolutionär entiwckelnden Systems ist der "freie Wille" nichts als ein Produzent von Variation, ein Mutationsproduzent in der sozialen Welt, von dessen Ergebnissen nur ein Bruchteil selektiert wird, d.h. für weitere Reproduktion freigegeben.
Diese Prozesse lassen sich auch auf wirtschaftlichem Sektor nicht mehr auf die Formel "Angebot und Nachfrage" reduzieren, denn diese suggeriert den Mechanismus als ein scheinbar quantitatives Problem. Diese Schiene gibt es natürlich auch (Fressen/Moral, Geiz ist geil), kann aber nicht kompliziertere Effekte erklären (wenn etwa das Design des Apple-Computers wegweisend ist, obwohl er sich lange Zeit nicht gut verkauft usw.)

Die Techniker und Designschmiede versuchen den freien Willen nicht zu kontrollieren - denn sie brauchen ihn (zum Glück). Sie versuchen ihn aber zunehmend zu antizipieren, indem sie Trends voraussagen oder gar anstoßen. Dennoch ist nie voraussagbar, welches Automodell jetzt wirklich Erfolg hat, was und warum zur Mode wird usw. Selbst die Distrubutionswege unterliegen der Evolution, wenn etwa sich das Internet plötzlich als Verkaufsplattform etabliert. Viele dieser Ideen sind eingegangen, andere kommen in neuer Form (sozusagen: mutiert) zurück.
Im Gegensatz dazu versuchte der Sozialismus die Variation einzuengen. Es gab dann eben nur zwei Autos, zwei Sorten Joghurt im Regal usw. Und im Sozialismus wurde die Rückkopplung des Systems auf sich selbst unterdrückt. Wenn also ein Joghurt bevorzugt wurde, hieß das noch lange nicht, dass die Produktion nachzog usw.
Viel schwerer als die Unterdrückung der Variation auf dem Gebiet des Marktes wog natürlich die Unterdrückung der Variation auf geistigem Gebiet. Kommunikation wurde unterdrückt durch Publikationsverbot. Das Angebot von Meinungen durch Propaganda verdrängt usw.
Natürlich lässt sich Kommunikation nicht total kontrollieren. Daher gab es natürlich Freiheitsspielräume im privaten Bereich, im so genannten Untergrund usw. Und damit konnten sogar einige gut leben!
Das öfter kolportierte "Wir-Gefühl" in der DDR war meinem Eindruck nach ein solches, das gegen das System entstand. So zumindest Zeitzeugenberichte in meinem Umfeld. Der Druck des System solidarisierte auf einer ganz privaten Ebene. Man half sich selbst, weil der Staat eben nicht half. Man hielt zusammen, weil der Staat eben dies verhindern wollte. Man baute Netzwerke auf, weil der Staat die Kommuniaktion über die Massenmedien steuerte.
So war vieles, was als positives Gefühl aus dem sozialistischen Staat mitgenommen wurde, dem (meist passiven) Widerstand gegen den Staat geschuldet. Paradox!

Um noch einmal auf die moralhaltigen Beiträge zuvor einzugehen: Man nennt es eben Demokratie. Es setzt sich eben die Mehrheitsmeinung durch. Ich persönlich habe keine Probleme, meinen Individualismus auszuleben, bin auch noch zu keinem Krieg hingegangen und fühlte mich auch noch nicht schuldig, einem Krieg ferngeblieben zu sein. Muss man denn sein Individualität so eitel betonen? Na, dann hättet ihr euch ja im Sozialsimus toll ausleben können... Ich frage mich: Geht es euch wirklich so schlecht?
 
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Die Beiträge von Louiz und mir wurden parallel geschrieben, es passt aber trotzdem ganz gut...

Mal ehrlich Leute: Haltet ihr eure Beiträge hier im Forum für sooo individuell? Für originell und nie dagewesen? Oder etwa meine?
Oder sind das nicht zufällig Gedanken, die schon es schon bei Kant gab und sei dem ständig wiedergekäut werden. Oder bei Luhmann geklaut und leicht abgewandelt? Bei Adorno und Marx abgeschrieben und in banaler Form reproduziert?
Sind wir wirklich sooooo individuell?

Wir sind es. Aber selten in unsere philsophischen/weltanschaulichen Beiträgen. Sondern dort, wo wir hier im Forum von uns selbst sprechen, Eigenes produzieren...
 
Robin, ich glaube du verwechselst “individuell” mit “originell” - zumindest bringst du es etwas durcheinander.
 
Wie sagt schon Michel de Montaigne: ;)

Ich kann wohl eine Meinung behaupten, aber keine wählen, weil bei allen menschlichen Angelegenheiten, auf welche Seite man sich auch neigt, sich immer ein großer Anschein findet, der uns in dieser Richtung bestärkt...
Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Originalität und Individualität. Wenn man aber glaubt, sich eine "eigene" Identität schaffen zu können, überschätzt man sich eventuell darin, originärer Schöpfer von sich selbst zu sein.
Und wenn man es "versucht" aber doch nicht findet, weil man eben etwas Eigenes nicht finden kann, weil man selbst dann, wenn man sich einbildet besonders "individuell" zu sein, auf schon Vorgelebtes zurüchgreifen muss...
...dann befindet man sich auf dem Feld der schon oft zitierten Paradoxie, das sich die Menschen vor allem darin gleichen, indem sie individuell scheinen wollen...

Nebenbei: Natürlich entwickelt man dann doch Eigenes: Aber leider sind das genau oft die Dinge, über die man nicht identifiziert werden will :D
 
Robin, ich halte deinen Ansatz für schlicht falsch gewählt. Individualisierung des Menschen ist nicht gleichbedeutend mit einmalig sein und auch nicht damit, dass man alles anders macht als die Generationen vor uns.

Es bedeutet, dass der Mensch damit beginnt zu hinterfragen, sich selbst Gedanken macht und letztlich zu einer Mischung aus eigenen und fremden Gedanken kommt, die wiederum in ihrer individuellen Mischung eine gewisse Einmaligkeit ergeben. Auf diese Einmaligkeit kommt es jedoch nicht an, sondern auf das Denken und die damit verbundene Verantwortung und das bewusste Leben des Einzelnen.

Es macht für mich zumindest einen Unterschied, ob jemand ein gelbes T-Shirt kauft, weil es gerade Mode ist und jeder so ein gelbes Shirt trägt oder ob er dieses Shirt eben schön findet. Es macht für mich auch einen Unterschied, ob jemand den Krieg im Irak gut findet, weil er dafür Gründe hat oder weil er eben der allgemeinen herrschenden Meinung folgt und er sich dann anders entscheidet, wenn diese herrschende Meinung später denselben Krieg ablehnt.

Der denkende Mensch und Individualist hat hier einen Prozess eingebaut, den man Reflexion oder einfach Denken nennen kann. Die Masse denkt nicht und folgt. Darin liegt der Unterschied.

Wer will als Schüler oder Student oder Mitarbeiter denn schon gerne als Exot abgestempelt werden? Man fügt sich der „corporate identity“, dem Kleiderzwang, dem Jargon, dem Verhalten und wird nach einiger Zeit nur eine Nummer im Spiel der Gruppe.

Kreativität bedeutet anders denken, es bedeutet etwas in Frage stellen und nicht dem Satz zu folgen: „ Das haben wir hier immer schon so gemacht“. Es bedeutet auch eine Portion Selbstbewusstsein und Kraft, sich eine eigene Meinung zu bilden und unter bilden versteht man einerseits das Sammeln von brauchbarem Material und das eigene Zusammenfügen bis es eben das wird, was man selbst will.

Dass es dann auch noch 10.000 andere gibt, die manches ähnlich sehen, ändert nichts an dem Denkprozess und dem Versuch Entscheidungen selbst zu treffen und nicht ein bloßer Mitläufer zu sein.

Das macht letztlich den Individualisten aus und du wirst diese Menschen in vielen Fällen rein äußerlich kaum von der Masse unterscheiden können. Doch in einem persönlichen Gespräch wird dir auffallen, dass diese Menschen einfach fundierter sind und in der Tat Individuen.

Ansonsten halte ich es da mit Hannes Wader:

„Einer der, obwohl er wollte, nie wie du gewesen ist, soll nicht sagen dürfen, dass du so wie er geworden bist“.
 
Wir kommen aus dem Nichts...

...und gehen ins Nichts.

In der kurzen Zeit dazwischen sind wir für viele Dummheiten zu haben.

Aber die machen immer NUR die Anderen. ;0)
 
eve13 schrieb:
...und gehen ins Nichts.

In der kurzen Zeit dazwischen sind wir für viele Dummheiten zu haben.

Aber die machen immer NUR die Anderen. ;0)


Beim besten Willen - eve13 - ich weiß garnicht wie man darüber diskutieren kann. Was in aller Welt hat das noch mit dem Thema zu tun?
Bitte verarge mir nicht, wenn ich auf solcher Basis nicht mehr antworten möchte.

Gr. Ziesemann
 
Kein Problem...

...entscheide dich wie du möchtest.

Lass alles so lang genug einwirken wie es nötig ist.
 
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louiz30 schrieb:
Es bedeutet, dass der Mensch damit beginnt zu hinterfragen, sich selbst Gedanken macht und letztlich zu einer Mischung aus eigenen und fremden Gedanken kommt, die wiederum in ihrer individuellen Mischung eine gewisse Einmaligkeit ergeben.

Du rennst bei mir offene Türen ein. Oder mache ich den Eindruck, ich stünde auf angepasste Langweiler?
Allerdings kommt dein Individualist als ein ziemlich unscharfes Wesen daher. Erst ist er "eine sehr unbequeme Spezies". Dann wieder kaum von der Masse zu unterscheiden :confused:
Nicht besonders individuell ist jedenfalls der Gedanke, ein Individualist sei einer, der sich seine eigene Gedanken macht. Das ist ja im Prinzip der Gedanke der Aufklärung. Seit dem wird an das selbstständige Denken des Menschen immer und immer wieder appelliert. Was aber hat sich seit dem geändert? Zeitweise wurde die "Individualisierung" auch als etwas Negatives gesehen: Der Mensch, der sich seine eigenen Gedanken macht, macht sich eben naturgemäß vor allem Gedanken um sich selbst...
Aber selbst wenn: Sollte das wirklich eine Verbesserung darstellen, wenn jedem einzelnen Menschen zugemutet wird, die Welt auf eine eigene Weise zu verstehen? Was soll dabei rauskommen? Schaue man sich hier im Forum um: Jede Menge Individualisten (vielleicht nicht auf Louiz'schen Qualitätsstandard), aber kommen wir denn je zusammen auf den Punkt? Wenn wir Häuflein hier beauftragt würden, die Welt zu verbessern, kämen wir dann sehr weit? Könnten wir uns auf Maßnahmen einigen, ohne uns nach 10 Minuten zu zerstreiten? Ich glaube nicht.
Und diejenigen, die sich "eigene" Gedanken machen, sind ja auch in der Regel die, die sagen, es gibt nun mal nicht nur eine Wahrheit. Und dann sind wir bei Diskussion und Kompromissen, mithin da, wo wir jetzt glücklicherweise schon sind: In der Demokratie.
Es sind Überlegungen wie diese, die mich ein Thema wie das dieses Threads eher auf einer abstrakten Ebene angehen lassen, als auf ein: Wir müssten doch nur alle vernünftig sein, Verantwortung zeigen, zusammenhalten und irgendwohin gehen, wo wir was bewirken können, dann wird alles besser...
 
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