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Determinismus und Dominologie.

Neugier

Well-Known Member
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29. März 2004
Beiträge
3.687

Determinismus und Dominologie.


Was unter "Determinismus" zu verstehen ist, das kann ja bei Wikipedia nachgeschlagen werden.

Einen Eintrag über die Disziplin "Dominologie" wird man bei Wiki vermutlich vergebens suchen,
weil ich mir diesen Begriff eben erst ausgedacht habe.

Der "Domino-Effekt" wird zwar schon sehr lange zur Illustration von Kausalketten benutzt,
aber eine "Dominologie" wurde bisher noch nicht formuliert.

Wollen wir darunter eine Disziplin verstehen, die sich dem Studium der Begleit-Erscheinungen
von umfallenden Dominosteinen widmet, insbesonders den Effekten, die auftreten,
wenn Zigtausende Dominosteine hintereinander aufgestellt wurden.

Diese Begleiterscheinungen können einmal im Jahr am sogenannten "Domino-Day" bewundert werden.
Da entstehen faszinierende Bewegungseindrücke, bis hin zu kunstvollen Tanzfiguren.

Nennen wir diese faszinierenden Bewegungseindrücke deshalb kurz Domino-Tanzfiguren.


Nun starten wir ein Gedanken-Experiment.

Was wäre wohl geschehen, wenn seit 2500 Jahren die Dominologen immer nur diese faszinierenden
Domino-Tanzfiguren beobachten können hätten, also nur die Begleiterscheinungen des Umfallens
von Dominosteinen, aber nie den dahinterliegenden einfachen physikalischen Vorgang selbst?

Zweifellos hätten die Dominologen im Laufe der Jahre eine Fülle von Beziehungen zwischen
den einzelnen Domino-Tanzfiguren beobachtet.
Im antiken Griechenland hätten sie womöglich eine eigene Gottheit für die Abfolge
von Domino-Tanzfiguren verantwortlich gemacht, später hätten findige Köpfe bemerkt,
wenn Figur-A am Ort X auftaucht, dann tritt nach Ablauf der Zeitspanne t die Figur-B
am Ort Y auf, und sie hätten mit großer Wahrscheinlichkeit aus den beobachteten
Beziehungen zwischen den Domino-Tanzfiguren allerlei Gesetzmäßigkeiten abgeleitet.


Würde man die jahrhundertelang so konditionierten Dominologen heute mit der "gewagten Theorie"
konfrontieren, dass hinter diesen faszinierenden Erscheinungen ganz simple physikalische Vorgänge
stecken, nämlich nichts weiter als das fortgesetzte Umfallen von Dominosteinen,
dann würden gewiss viele Dominologen diese Theorie entschieden ablehnen.


Und jetzt vergleichen wir diese vermutete Reaktion der jahrhundertelang so konditionierten
fiktiven Dominologen mit der Reaktion der real existierenden Philosophen, Theologen und
Psychologen auf die "gewagte Theorie", derzufolge hinter dem psychischen Geschehen
nichts weiter als fortgesetzte elektrische Stimulierungen und Potentialverschiebungen
in Neuronen stecken ....


Klingelt's ????


Das musste auch einmal in aller Klarheit gefragt werden.

 
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Von der Neugier-Dominologie zum Höhlengleichnis 2.0


Okay, niemand hat eine Frage zur Neugier-Dominologie, und niemand protestiert dagegen.

Das kann ein gutes Zeichen sein, kann aber auch bedeuten, dass der Sprung vom Domino-Day
zum Höhlengleichnis 2.0 für die meisten Leser vielleicht doch nicht nachvollziehbar war.

Das klassische Höhlengleichnis hat zum Gegenstand, dass sich Menschen falsche Theorien
über die Verursachung von Erscheinungen (ein)bilden,
wenn sie längere Zeit von einem Geschehen nur Begleiterscheinungen beobachten können,
und ihnen der wahre dahinterliegende Ursache-Wirkungs-Zusammenhang verborgen bleibt.


Wenn man nun die neuronalen Prozesse im Menschenhirn, bei dem sehr viele miteinander eng vernetzte
Nervenzellen nacheinander in einer Kettenreaktion durch elektrische Stimulation zu impulsförmigen
Potentialverschiebungen (Aktionspotentialen) angeregt werden,
mit dem Umfallen vieler hintereinander aufgestellter Dominosteine vergleicht,
dann lässt sich der Grundgedanke des Höhlengleichnisses auch auf die Interpretation
der Begleiterscheinungen von neuronalen Prozessen durch die Philosophen und Theologen anwenden,
denen mehr als 2500 Jahre lang die wahren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verborgen geblieben sind.

Dass durch ganz simple physikalische Prozesse verblüffende und faszinierende Begleiterscheinungen
hervorgerufen werden können, das wird am Domino-Day recht deutlich vorgeführt.

Die Parallelen zwischen der Kettenreaktion von umfallenden Dominosteinen
und der Kettenreaktion von weitergeleiteten elektrischen Impulsen der Neuronen
liegen auf der Hand.

Da ist dann die Vermutung naheliegend, dass auch die faszinierenden Phänomene
wie Geist, Psyche, Seele, Bewusstsein, Ich, Wille, etc.,
als Begleiterscheinungen von simplen neuronalen Prozessen verstanden werden können.

Das was sich Philosophen und Theologen über Geist, Psyche, Seele, Bewusstsein, Ich, Wille, etc.,
in den letzten 2500 Jahren so zusammengereimt haben, kann als falsche Theorien über die
Verursachung eines Geschehens verstanden werden, wie sie gemäß Höhlengleichnis zu erwarten sind.
Die wahren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sind ihnen verborgen geblieben, beobachtet werden
konnten jeweils nur die faszinierenden Begleiterscheinungen des neuronalen Geschehens.

Diese Vermutung wird noch deutlich plausibler, wenn auch einige Unterschiede zwischen
umfallenden Dominosteinen und vernetzten Neuronen im Menschenhirn berücksichtigt werden:
  • Die Anzahl der für eine Kettenreaktion verfügbaren Elemente ist beim Menschenhirn
    um mehrere Zehnerpotenzen größer als bei den vorgeführten Domino-Effekten
    (Hundert-Tausend Dominosteine versus Hundert Milliarden Neuronen).
    Schon allein daraus ergibt sich, dass die Begleiterscheinungen der
    neuronalen Prozesse noch wesentlich komplexer und verblüffender sein können.

  • Dominosteine bleiben liegen, nachdem sie umgefallen sind;
    im Gegensatz dazu sind Neuronen nach einer kurzen Erholungszeit
    wieder bereit für ein nächstes Aktionspotential.
    Daraus ergibt sich zusätzlich zur Möglichkeit von mehrfach verzweigten Ketten
    (die schon mit Dominosteinen gebildet werden) auch noch die Möglichkeit von
    kreisförmigen Kettenreaktionen (Endlos-Schleifen), was noch einmal
    die Komplexität der möglichen Begleiterscheinungen deutlich erhöht.

  • Neuronen können durch Änderung des inneren Milieus ihre Reaktion auf
    einen Stimulus ändern, sie können "lernen", ob sie umfallen sollen oder nicht.
    Auch dieses Merkmal erhöht die Komplexität der möglichen Begleiterscheinungen
    dramatisch.

  • ...


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.

 
AW: Determinismus und Dominologie.

:danke: für Dein Bemühen um Aufklärung.

Das klassische Höhlengleichnis hat zum Gegenstand, dass sich Menschen falsche Theorien über die Verursachung von Erscheinungen (ein)bilden, wenn sie längere Zeit von einem Geschehen nur Begleiterscheinungen beobachten können, und ihnen der wahre dahinterliegende Ursache-Wirkungs-Zusammenhang verborgen bleibt.

Ich sehe das eher so:

Das klassische Höhlengleichnis hat zum Gegenstand, dass sich Menschen falsche Theorien über die Verursachung von Erscheinungen (ein)bilden und zwar ohne Wenn und Aber.

Die Begleiterscheinungen und die wahre dahinterliegende Ursache-Wirkungs-Zusammenhang können von Menschen nicht beobachtet werden und bleiben verborgen, denn sie spielen sich draussen, vor der Höhle ab. Auch Theorien über neuronalen Prozesse im Menschenhirn ändern nichts daran.
 
AW: Determinismus und Dominologie.

:danke: für Dein Bemühen um Aufklärung.



Ich sehe das eher so:

Das klassische Höhlengleichnis hat zum Gegenstand, dass sich Menschen falsche Theorien über die Verursachung von Erscheinungen (ein)bilden und zwar ohne Wenn und Aber.

Die Begleiterscheinungen und die wahre dahinterliegende Ursache-Wirkungs-Zusammenhang können von Menschen nicht beobachtet werden und bleiben verborgen, denn sie spielen sich draussen, vor der Höhle ab.

Auch Theorien über neuronalen Prozesse im Menschenhirn ändern nichts daran.

Jawoll! :waesche1:
 

Kettenreaktionen, hier wie dort.

5Zeichen schrieb:
... Die Begleiterscheinungen und die wahre dahinterliegende Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
können von Menschen nicht beobachtet werden und bleiben verborgen,
denn sie spielen sich draussen, vor der Höhle ab.
Auch Theorien über neuronalen Prozesse im Menschenhirn ändern nichts daran.

Bei den Begleiterscheinungen von umfallenden Dominosteinen sind aber
den eingeweihten Beobachtern die dahinterliegenden wahren Kausalitäten nicht verborgen;
es sind vielmehr gut bekannte, ganz simple physikalische Vorgänge.

Auch die neurophysiologischen Vorgänge in einem einzelnen Neuron und an den Synapsen
werden inzwischen recht gut verstanden.


Die aufgezeigten Parallelen zwischen Domino-Effekt und neuronalem Geschehen
können natürlich nicht als ein Beweis für die Richtigkeit der Hypothese dienen,
dass bestimmte mentale Phänomene lediglich Begleiterscheinungen von neuronalen Prozessen sind,
aber sie lassen diese Hypothese zumindest recht plausibel erscheinen.

Mit Popper könnte man an dieser Stelle sagen: "Jetzt falsifiziert mal schön!"


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.

 

Unterscheidung zwischen prozessualer Ebene und Ebene der Erscheinungsweisen.

Windreiter schrieb:
Nichtdeterministisches Experiment
...

Windreiter,
du wirst doch wohl mit dem Verweis auf diesen Wiki-Eintrag über nichtdeterministische Experimente nicht andeuten wollen,
dass sich einige Philosophen wie abergläubische Tauben und Ratten verhalten ???? ;)

Ein solches abergläubisches Verhalten wäre in der Tat sehr enttäuschend, weil ja gerade Philosophen
schon seit Jahrhunderten die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen der Ebene der Erscheinungsweisen
und der prozessualen Ebene betonen.

Schon mit dem Höhlengleichnis wurde recht deutlich ins Bewusstsein gerufen,
dass unserer Wahrnehmung sehr oft nur die Ebene der Erscheinungsweisen zugänglich ist,
und uns die Vorgänge auf der prozessualen Ebene verborgen bleiben;
und das Höhlengleichnis wird schließlich schon sehr lange strapaziert.


Da ist es wirklich ein großer Glücksfall,
dass mit den frappierenden und faszinierenden Domino-Tanzfiguren ein Geschehen vorliegt,
bei dem auch die Vorgänge auf der prozessualen Ebene gut verstanden werden.

Die Parallelen mit dem mentalen Geschehen könnten selbst den abergläubischen Tauben und Ratten
auf die Sprünge helfen, wenn schon die Tatsache nicht ausreicht,
dass sich das mentale Geschehen durch Psychopharmaka gezielt beeinflussen lässt.


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.

 
AW: Determinismus und Dominologie.

Ich sehe das eher so:

Das klassische Höhlengleichnis hat zum Gegenstand, dass sich Menschen falsche Theorien über die Verursachung von Erscheinungen (ein)bilden und zwar ohne Wenn und Aber.

Die Begleiterscheinungen und die wahre dahinterliegende Ursache-Wirkungs-Zusammenhang können von Menschen nicht beobachtet werden und bleiben verborgen, denn sie spielen sich draussen, vor der Höhle ab. Auch Theorien über neuronalen Prozesse im Menschenhirn ändern nichts daran.


Die Naturwissenschaftlichen Theorien können,wenn auch nicht die Wirklichkeit, so doch die für uns wahrnehmbaren Phänomene allgemeingültig und relativ simpel beschreiben. (Also bildlich, es lassen sich gute Vorraussagen treffen, welche Figuren, als nächstes durch die Höhle kommen werden.)
Sie stellen somit immernoch die beste, uns zu Verfügung stehende Methode dar, die "wirklichen" Vorgänge einigermassen zu erfassen.
Freier Wille ist meiner Überzeugung nach, allerdings durchaus als blosses menschliches Konstrukt zu sehen, das im sozialen Umgang seine Berechtigung hat, allerdings kein wirkliches Phänomen darstellt, da man annehmen muss, dass jegliche Gedanken und Entscheidungen den Naturgesetzen folgend determiniert sind ( bzw. auf Quantenebene vielleicht auch zufällig, was allerdings "willenlosen" Münzwürfen gleichkommt).
So sieht es glaube ich Neugir auch, das Beispiel mit den Dominosteinen finde ich recht gelungen. Ich würde allerdings gerne einige gute Argumente für den freien Willen zu lesen bekommen, sollte sich nämlich schwierig gestalten welche zu finden. :p
 
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What's in a name?


Windreiter,
wenn wir schon über trickreiches Echo grübeln, kannst du mir vielleicht auch in bezug auf
den Wiki-Eintrag über "Nichtdeterministisches Experiment" auf die Sprünge helfen,
warum diese Experimente mit der Punze "Nichtdeterministisch" versehen wurden, obwohl sie doch
gerade das Lernen durch Konditionierung, und somit deterministische Effekte zutage fördern?

Diese Experimente liefern doch gerade deterministische Erklärungen für die Bildung
bestimmter Überzeugungen und Theorien.

Beruht diese Bezeichnung der Experimente darauf,
dass damit vermeintlich ein Determinismus widerlegt werden sollte?


Das musste auch einmal in aller Unklarheit gefragt werden.

 
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