• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Der Geist des Terrorismus - JEAN BAUDRILLARD

instanton

Member
Registriert
4. Mai 2003
Beiträge
333
Jean BAudrillard ,ein französischer zeitgenössischer philosoph

vor 2 jahren hatte ich ein interview mit gelesen, es ging da um einen aufsatz von ihm "der Geist des Terrorismus".beschäftigt sich dabei mit den anschlägen des 11. septembers.

jetzt hab ich mir mal den originalaufsatz angesehen. würd gern ein wenig diskutieren.

wenn nicht zufällig ihn schon kennt, stell ich den aufsatz hier rein. kann im moment aber nicht,weil mein compski spinnt (dann morgn)-

lg insti :winken1:
 
Werbung:
Schützenhilfe

Liebe instanton,

hier eine kleine Schützenhilfe:

"In all den Reden und Kommentaren kommt eine gigantische Abreaktion auf das Ereignis selbst [11. September] und die Faszination, die es ausübt, zum Ausdruck. Die moralische Verurteilung, die heilige Allianz gegen den Terrorismus entspricht dem erstaunlichen Triumph, der Zerstörung dieser weltweiten Supermacht beizuwohnen, oder besser: zu sehen, wie sie sich selbst zerstört, wie sie in vollendeter Form Selbstmord begeht. Denn sie selbst hat durch ihre unerträgliche Macht nicht nur all diese Gewalt geschürt, von der die Welt erfüllt ist, sondern "ohne es zu wissen" auch jene terroristische Imagination, die in uns allen wohnt.
dass wir von diesem Ereignis geträumt haben, dass ausnahmslos alle Welt davon geträumt hat, weil niemand umhin kann, von der Zerstörung einer derart hegemonial gewordenen Macht zu träumen, das ist es, was für das westliche Gewissen unannehmbar ist, und dennoch ist es eine Tatsache und entspricht genau der pathetischen Gewalt all der Reden, die dies auslöschen wollen.
Im äußersten Falle kann man sagen, dass sie es sind, die es getan haben, aber wir es sind, die es gewollt haben. Wenn man dies außer acht lässt, verliert das Ereignis seine ganze symbolische Dimension, ist es ein reiner Unfall, ein rein willkürlicher Akt, die mörderische Phantasmagorie einiger Fanatiker, die man nur auszuschalten bräuchte. Nun wissen wir aber genau, dass dem nicht so ist. Daher der ganze kontraphobische Wahn des Exorzismus des Bösen: weil es da ist, überall, wie ein obskures Objekt der Begierde. Ohne diese tiefgreifende Komplizenschaft fände das Ereignis nicht jenen Widerhall, den es gehabt hat, und die Terroristen wissen in ihrer symbolischen Strategie ganz genau, dass sie auf diese Komplizenschaft, die nie eingestanden werden kann, zählen können."
Jean Baudrillard. Der Geist des Terrorismus - Herausforderung des Systems durch die symbolische Gabe des Todes.

Ich bin gespannt, was du und andere über diese Theorie der "geheimen Komplizenschaft" bzw. des "Terroristen in uns" denken!

manni :winken1:
 
Jean Baudrillard schrieb:
Das Spektakel des Terrorismus zwingt uns den Terrorismus des Spektakels auf. Und gegen dies unmoralische Faszination (auch wenn sie eine universelle moralische Reaktion auslöst) ist die politische Ordnung machtlos. Es ist unser Theater der Grausamkeit, das einzige, das uns noch bleibt.

Rückgang der Produktion, der Nachfrage, der Spekulation, des Wachstums (aber gewiss nicht der Korruption): Alles erweckt den Eindruck, als ob das Weltsystem einen strategischen Rückzug, eine schmerzhafte Überprüfung seiner Werte vollziehen würde. Scheinbar geschieht dies in Reaktion auf die Terrorattacken, im Grunde aber entspricht es durchaus geheimen, systeminternen Erfordernissen; als Folge der absoluten Unordnung kommt es zu Zwangsregulierungen, die das System sich selbst auferlegt, indem es seine eigene Niederlage gleichsam verinnerlicht.

Es gibt keine Lösung für diese extreme Situation, vor allem nicht der Krieg, der nur ein Szenario des Altbekannten, also wieder dieselbe Sintflut von Streitkräften, geisterhaften Nachrichten, sinnlosen Luftschlägen, hohlen und pathetischen Ansprachen, Sternstunden der Technik und der Propaganda anbieten kann. Das ist denn auch der eigentliche Zweck dieses Krieges, ein wirkliches, furchtbares Ereignis, das einzigartig und unvorhersehbar ist, durch ein Pseudo-Ereignis der Wiederholung und des Altbekannten zu ersetzen.

Der Krieg als die Fortsetzung der Abwesenheit von Politik mit anderen Mitteln.

Ja, die Analyse hat schon was für sich. Foucault hat einmal gesagt, dass die Politik die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln sei. Der Krieg als schlechte Wiederholung, die in einer erschütterten politischen Ordnung Identität stiften und beruhigen soll, ist ziemlich provokativ. Ich würde jedoch nicht behaupten, dass das System so auf ein einzigartiges Ereignis reagiert. Ich teile eher die Einschätzung, dass das Ereignis zu den systeminternen Erfordernissen gehört, was dem 'Ereignis' natürlich den Charakter des Ereignisses nimmt. Es ist ein durch und durch virtuelles Ereignis - selbstredend real und sich auswirkend auf die aktuellen Phänomene und Massnahmen des Systems. Aber es ist problematisch, ein System zu behaupten, das wie von selbst funktioniert. Man kann dem 'Ereignis' und den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, tatsächlich nicht die grausame Theatralität (Artaud lässt grüssen) absprechen (v.a. auch hinsichtlich der behaupteten Systemhaftigkeit). Ich weiss jedoch nicht, auf was Baudrillard anspielt, wenn er den "Rückgang der Produktion, der Nachfrage, der Spekulation, des Wachstums" behauptet. Ich würde eher sagen, dass die Produktion sich verlagert und teilweise intensiviert hat - auch die Nachfrage (nach terroristischen Akten etwa?), die Spekulation (wann findet der nächste Krieg statt?, wann fängt man BinLaden?; habe ich im nächsten Jahr meinen Arbeitsplatz noch? Werde ich überwacht?) oder das Wachstum (der Menschheit?, des Hungers?, der Profite globaler Grosskonzerne?). Alles "Zwangsregulationen"? Eine sehr pessimistische Sicht der Dinge, die ich leider nicht teilen kann, auch dass es keine "Lösung" geben soll. Dieses Wissen muss notwendigerweise auch den Horizont Baudrillards übersteigen.
 
fortsetzung nach langem

Der geist des terrorismus _ herausforderung des systems durch die symbolische gabe des todes.


Jean baudrillard

Er spricht davon, dass der terror den konflikt auf der ebene der symbolischen herausforderung und des todes austrägt. Die westliche welt besitzt vom Tod keine vorstellung mehr, seit sie ihn in ihrer eigenen kultur für null und nichtig erklärt hat.
„Es ist den terroristen gelungen, aus ihrem tod eine absolute waffe gegen jenes system zu schmieden, das sch einer absoluten todesvermeidung, als dem prinzip null tote verpflichtet hat. Jedes system mit null toten ist ein nullsummenspiel. Und alle mittel der abschreckung und zerstörung sind machtlos gegen einen feind, der aus seinem tod eine waffe für den gegenangriff geschmiedet hat.“

Wie meint er das- „die westliche welt hat keine vorstellung mehr vom tod“? - sie hat den tod verdrängt, glaubt ihn ausgeschaltet zu haben. Sie glaubt der fortschritt ist etwas lineares, der fortschritt bedeute das voran-schreiten des „Guten“,was der auslöschung des „bösen“gleichkomme, nicht bedenkend, dass beide Prinzipien in ein und derselben bewegung begriffen sind.

Der tod ist das hinderliche, das was man nicht wahrhaben will, oder was besser nicht da wäre. Der tod ist der blinde fleck in der wahrnehmung des westens. er hat keine bedeutung und muss aber dennoch hingenommen werden.

Oder wie versteht ihr das?
 
Macht der eigene Tod als Waffe Sinn in einem Krieg, bei dem es um Vergängliches geht?

Gibt es den Tod?

Sind die Suizidalen die besseren Soldaten?

Lohnt es sich im Krieg zu sterben?

Wofür lohnt es sich zu leben?

Muss der, der keinen Krieg will und der nicht töten möchte, aus Liebe sterben?
 
Werbung:
Ich denke nicht, dass der Tod des Attentäters nur als Waffe zu sehen ist, sondern er folgt in seiner Grundidee der selbst erfahrenen Machtlosigkeit und verschafft sich Macht, durch seine Machtlosigkeit.

Jedes Druckmittel wird sinnlos, stumpf und ohne Wirkung sobald das Ziel die Folgen des Drucks akzeptiert und letztlich ignoriert. Man kann keinen Menschen hochheben, der keinen Gegendruck entfaltet und man kann Menschen nicht bedrohen, die bereit sind zu sterben.

Doch dieser Fatalismus versetzt diejenigen in Angst und Schrecken, die nicht sterben wollen, die etwas nicht verlieren wollen, die an etwas hängen, denn sie haben keine Abwehr, keine Waffe und keine Abschreckung gegen diese vermeintliche Machtlosigkeit mehr.
 
Zurück
Oben