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Das war´s!

L

lilith51

Guest
Diese Geschichte hat meine Einstellung zum Leben grundlegend verändert.
18.10.98

Entschluss

Ich will nicht länger in dem Dunkeln tasten,
Das meinen Fragen keine Antwort hat;
Ich will mich endlich still von dieser Statt
Des Grauens trennen und auch einmal rasten.

Wie viele Tage ging ich ein und aus
Und suchte heim und fand nur wirre Gänge,
Und suchte Licht und fand nur finstre Enge,
Ein eingesperrtes Kind im dunklen Haus.

Mir ist, ich sähe einen fernen Schein
Des Lichtes durch die Finsternis mir tagen.
Das Grauen weicht, der Boden will mich tragen
Dem fernen Licht entgegen und hinein.
(Hermann Hesse)

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Die Sonne wärmt noch. Im Tal unten legt sich schon ein leichter Schleier über die Landschaft, aber hier oben ist die Luft klar und trocken, Schneeberg und Schneealpe stehen zum Greifen nah. Die letzte Zahnradbahn verschwindet eben über dem Grat, der graue Qualm wird noch länger ihre Fahrtroute nachzeichnen.

Massen von sonnenhungrigen Menschen waren am Vormittag mit der Gondelbahn auf die Rax gefahren. Es soll der letzte schöne Herbsttag sein, für die nächsten zwei Wochen ist Schlechtwetter vorausgesagt worden.

SONNE TANKEN, IN DER WUNDERBAREN NATUR IN FRISCHER KLARER BERGLUFT DIE ENERGIEN AUFLADEN, DAS SIND DIE HEILMITTEL GEGEN DEPRESSIONEN. WERDEN SIE AKTIV, LASSEN SIE SICH NICHT GEHEN, TUN SIE ETWAS FÜR SICH, DENKEN SIE POSITIV!

Sie sitzt auf einem Felsblock, schaut in die Felswand, die sie vor 30 Jahren, gemeinsam mit ihren Brüdern und deren Freunden durchstiegen hat. Wahnsinn, das kann sie sich kaum mehr vorstellen. Senkrechte 200 Meter, heute kann sie nicht einmal mehr hinuntersehen ohne schwindlig zu werden.

Friedl war bald darauf tödlich verunglückt. Auf diesem Berg, in einer anderen Felswand, an der sie heute schon vorbeigegangen war. Eigentlich wollte sie ja zum Einstieg hinschauen, ob die Gedenktafel noch lesbar war, die an seinen und seines Freundes Tod erinnern soll. Aber es war gerade mittag und so heiß, daß sie den Gedanken daran verworfen hatte und lieber langsam bis zu ihrem Ziel weitergegangen war.

Sie denkt an ihre Brüder. Friedl war ihr am ähnlichsten gewesen. Er war ein lustiger junger Mann, der aus heiterem Himmel in ernsthaftes Grübeln verfallen konnte. Sie konnte ihn damals schon sehr gut verstehen. Die Gedanken von der Last des Daseins und von der Suche nach dem Sinn des Lebens sind immer noch da.

Franz, der „kleine“ Bruder, ein Jahr älter als sie, aber der jüngste der vier Brüder – deshalb der Kleine, war letztes Jahr im Sommer plötzlich für zwei Wochen verschwunden. Als er wieder auftauchte, mussten sie ihn in ein Krankenhaus bringen, wo er 5 Wochen lang psychiatrisch behandelt wurde wegen schwere Depressionen, die er, wie sich herausstellte, schon seit 25 Jahren hatte. Keiner hatte etwas davon gewußt, nur in den letzten Wochen vor seinem Verschwinden war er ein bißchen eigenartig und leicht aggressiv gewesen, aber daß er knapp vor dem Selbstmord stand, hatte niemand erkannt. Und nicht lang nach seiner Entlassung war er in die Donau gesprungen. In Gabcikovo hatten sie ihn gefunden, im Fangrechen des Kraftwerks.

Jetzt sitzt sie da, schaut in die senkrechte Wand, die Nebelschleier ziehen aus dem Tal herauf, werden dichter und höher. Die Sonne steht schon am Horizont. Sie fröstelt ein wenig, zieht die Jacke an. Ein bißchen Zeit hat sie noch. Wenn es im Tal unten auch dunkel ist, hier heroben ist es viel länger hell. Obwohl, hell braucht es für ihr Vorhaben nicht zu sein.

Werde ich meinen Kindern fehlen?

Das ist eine der blödesten Fragen, die man sich in dieser Situation stellen kann, aber sie stellt sie trotzdem.
Natürlich, ihre Große kommt doch immer wieder zu ihr, wenn sie sich in ihrem Liebesleben wieder einmal total verfranzt hat. Aber sonst lebt sie ihr eigenes Leben.

Ich werde ihr fehlen, so wie mir meine Mutter fehlt, seit sie tot ist.

Ihre zweite Tochter ist verheiratet, die hat immer nur getan, was sie wollte. Sie wird verzweifelt sein, ein paar Tage oder Wochen vielleicht. Man gewöhnt sich schließlich an die meisten Dinge, die man nicht ändern kann.

Ihr Sohn ist auch bald erwachsen.
Na gut, den Kindern wird sie eine Weile fehlen. Roland fehlte ihnen damals sicher noch mehr, da waren sie klein und hätten ihren Vater gebraucht. Aber der fuhr an einen Baum und war tot.

Er hat mich im Stich gelassen, mit drei Kindern!

Sie hat lange darüber gegrübelt, warum er an diesen Baum gefahren ist. Es war schönes trockenes Frühlingswetter, kein Auto sonst auf der Straße. In einer Rechtskurve war der Wagen nach links ausgebrochen und gegen einen Baum geknallt, der 15 Meter vom Straßenrand entfernt in der Wiese stand. Es gab keine Bremsspuren.

Ich habe ihn einmal geliebt, ich habe bei ihm Sicherheit gefunden und Fürsorge. Er hat sich um uns gekümmert, hat hart gearbeitet, um uns zu versorgen. Ich habe ihn wirklich gern gehabt.

Sie hat ihn gern gehabt, aber sie hatte sich in einen anderen verliebt. Einen, der es nicht „verdient“ hatte. Einen, der ein leichtes Spiel wollte, der ihr das Gefühl gab, schön und begehrenswert zu sein. Einen, der verheiratet war und das auch bleiben wollte.

Es hat sie schwer getroffen, als er Schluss machte. Er war ihre große Liebe, die alles andere unwichtig und nebensächlich erscheinen ließ, doch sie war es anscheinend nicht für ihn.

Roland war da und wartete geduldig, dass sie mit ihrer Enttäuschung leben lernte. Sie redeten damals sehr viel und offen über ihre Beziehung, eigentlich das erste Mal in ihrer 11-jährigen Ehe. Sie trafen eine vernünftige Vereinbarung, wie sie ihr gemeinsames Leben gestalten konnten, vor allem wegen der Kinder. Das Thema Scheidung stand nicht zu Debatte.

War ich in meinem Innersten nicht immer kompromißlos? Die äußeren Kompromisse, die ich einging, waren Notmaßnahmen zum Überleben. Aber ich verachtete mich insgeheim dafür, daß ich Vorschlägen aus „vernünftigen“ Gründen zustimmte, die mit meinen Gefühlen nicht übereinstimmten.
Sie weiß und spürt es noch, daß sie auch Roland deswegen verachtete, weil er nicht die Konsequenzen zog und sie einfach verließ.

Sie hat nie versucht, die Fassade einzureißen, die sie für „die Anderen“ aufgebaut hat: für Rolands Kollegen, für seine Mutter, für die Kinder, für die Nachbarn, auch für ihre Eltern.

Die haben mir ja das beigebracht!

ES IST IMMER WICHTIG, DEN SCHEIN ZU WAHREN. WAS WÜRDEN DIE LEUTE SAGEN, OMA WÜRDE SICH AUFREGEN, DER PFARRER WÜRDE UNS VERDAMMEN, ALLE WÜRDEN UNS SCHIEF ANSEHEN!

Für sie war es ein Spaß, damals, als sie 18-jährig, aus streng katholisch-bürgerlicher Kaufmannsfamilie, schwanger und ohne Mann dazu, stolz durch das Dorf ging und alle freundlich grüßte. Da konnte sie so schön gegen die verlogen Biederkeit des Bürgertums auftrumpfen. Damals nahm sie keine Rücksicht auf die Wahrung eines schönen Scheins.

Ich war jung und stark und glaubte, die Welt nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten zu können, und niemand dürfte es wagen, mich daran zu hindern.
Doch sie mußte wohnen und essen, auch ihr Baby mußte versorgt werden. Sie wohnte daheim und mußte bezahlen: Mit Geld und mit Wohlverhalten. Es gab Streit und Vorschriften, denen sie sich widersetzte, bis sie zu müde wurde und nachgab.

Die leichtere Lösung war, Roland zu heiraten. Sie hätten sonst keine Wohnung gefunden, die sie sich leisten konnten. Als sie dann wieder schwanger wurde, blieb sie zu Hause bei den Kindern, fraß die Frustrationen des Hausfrauen-Alltags in sich hinein und nahm innerhalb eines Jahres 10 Kilo zu. Sie legte sich einen Schutzmantel aus Fett und Sarkasmus zu, spielte daheim die humorvolle Ulknudel, die nichts erschüttern konnte und wurde dabei immer unglücklicher.
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Sie sieht sich um. Es ist schon ziemlich dunkel, die Sonne ist längst weg. Es wird kühl. Sie steht auf, geht ein paar Schritte. Der Abgrund ist kaum erkennbar, hat viel von seiner Bedrohlichkeit verloren. Ein paar Felsen, kaum mehr sichtbar, sonst nur Dunkelheit. Sie kann sich nicht erinnern, wann sie die letzten Wanderer vorbeigehen gehört hat. So sehr war sie in ihren Gedanken versunken.

Will ich mich wirklich da hinunterstürzen? Ist es die einzige Möglichkeit für mich, endlich kompromißlos das zu tun, was für mich richtig ist? Warum gerade jetzt?
Vor zwei Tagen hat sie einen Brief vom Finanzamt erhalten. Sie soll 4.000,-- Euro Steuer nachzahlen. Lohnsteuer für die Witwenpension, die sie seit Roland Tod erhält. So viel verdient sie in ihrem Job auch wieder nicht, dass sie diese Summe leicht zur Seite legen hätte können.

Die Erkenntnis, nicht genug Geld für ihre Ablenkungsmöglichkeiten mehr zu haben, hatte sie getroffen wie ein Keulenschlag.

Wie soll ich weiterleben, allein, wenn ich es mir nicht mehr leisten kann, das zu tun, was mich vor Verzweiflung und Einsamkeit bewahrt? Wie soll ich all die guten Ratschläge in die Wirklichkeit umsetzen?

SUCH DIR FREUNDE, BETREIBE SPORT, BESUCHE KONZERTE, THEATER, SEI FRÖHLICH!

Um mich in Gesellschaft allein zu fühlen?

LASS DICH NICHT SO GEHEN! DU MUSST DIR SELBST HELFEN! SCHAU, DIR GEHT’S DOCH GUT! ES GIBT ANDERE, DENEN GEHT’S SCHLECHTER ALS DIR, DIE JAMMERN AUCH NICHT!

Aber das habe ich ja die ganze Zeit getan!

Sie hat sich aufgerafft, ein Jahr nach Rolands Tod. Sie hatte schwere Depressionen, vernachlässigte den Haushalt und ihre Mutterpflichten. Eine Freundin gab ihr die Adresse eines Therapeuten. Das war ein Ausweg aus dem Teufelskreis. Damals.

Paul. Lieber lieber Paul! Wird es dich treffen, wenn ich mich die Preiner Wand hinunterstürze?

Er hat ihre Lebensgeister wieder geweckt. Sie hat ihm nie gesagt, daß er genau im richtigen Moment aufgetaucht ist. Er ist verheiratet, aber er hat sie sehr gern. Er hat hinter ihre Fassade geschaut und die zaghaften Äußerungen ihrer Zuneigung richtig gedeutet. Er hat ihr nie etwas vorgegaukelt von großer Liebe und romantischen Wolken. Er hat ihr gezeigt, daß Liebe so wertvoll ist, daß man sie nicht einfach zurückweist. Sie hat zum ersten Mal erfahren, daß es verschiedene Ausdrucksformen der Liebe gibt. Paul liebt seine Frau und seine Familie, aber er liebt auch sie. In aller Freundschaft.

Toll! Wieder so ein Kompromiss. Die vielen Tränen, die sie aus Sehnsucht nach Pauls Umarmung geweint hat, die Flüche, die sie aufgeschrieben und verbrannt hat, die Verzweiflung, daß er nicht bei ihr sein konnte, wenn sie traurig war und sich einsam fühlte, das alles hat er nie erfahren, sie hat ihm nie gesagt, wie sie mit diesen Spielregeln zurechtkommt. Die Angst, auch das Wenige, das er ihr freiwillig geben konnte, zu verlieren, war größer als die Einsamkeit.

Ich kann einfach nicht mehr! Ich will nicht mehr so tun als ob! Ich bin nicht die verständnisvolle, liebenswürdige Frau, die dankbar für die Brosamen des Lebens ist! Ich kann es nicht mehr ertragen! Wenn ich schon allein leben muß, möchte ich auch ein Recht auf meine Verzweiflung und meine Einsamkeit haben!

WIE GEHT ES DIR DENN? ACH, NICHT SO GUT! NA, DAS WIRD SCHON WIEDER.

Ich hasse diese betulichen Beschwichtiger! Sie sollen ihren Mund halten! Es interessiert doch keinen, wie´s mir wirklich geht.

ES WIRD SCHON WERDEN.

Ja! Irgendwie wird’s immer. Schwarz oder weiß. Himmel oder Hölle. Lebendig oder tot.

NIEMAND IST UNERSETZBAR!

Ein Satz, den ihr Chef im Büro gesagt hat.

Das beruhigt mich aber. In der Firma werde ich niemandem abgehen.

Gestern hat sie ihm eine E-mail geschickt. Sie will von ihm hören, wie er mit ihrer Arbeit zufrieden ist.
Er hat ihr einen Gesprächstermin angeboten. Morgen abend. Sie wird diesen Termin nicht wahrnehmen können.

Ich weiß ja, was er davon hält, wenn ich etwas von ihm wissen will.

ACH, HAT SIE WIEDER DIESE PHASE! VIELLEICHT IST SIE IN DER MIDLIFE-CRISIS! ICH MUSS MIR ETWAS EINFALLEN LASSEN, UM SIE ZU BERUHIGEN !

Verdammt noch mal! Ich bin kein Roboter, den man zum Service schickt, zerlegt und begutachtet und wieder zusammensetzt!

NIMM DIR EIN PAAR TAGE FREI. TU ETWAS ANGENHMES, RUH DICH AUS! DANN IST DIE WELT GLEICH WIEDER SCHÖN!

Ja, sie muß funktionieren, solange sie Geld zum Leben braucht.

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Es ist jetzt wirklich dunkel. Von der Seehütte scheint ein kleines Licht herüber, ein winziges Pünktchen im dunklen Bergmassiv. Der Himmel ist nur leicht bewölkt, der Abendstern ist deutlich zu sehen.

Sie kann nicht zurück, auch nicht zurückgehen. Sie hat keine Taschenlampe mit, sie würde sich auf dem steinigen Weg die Beine brechen und dann elend erfrieren. Sie sitzt auf dem Stein, so allein wie sie sich ihr ganzes Leben gefühlt hat und weint.

Sie weint um ihren mangelnden Mut, sie weint um ihre versäumten Chancen, sie weint um die Träume, die ihr Hoffnung gegeben haben und die dann doch nie in Erfüllung gingen.
Sie spürt, wie durch die Trauer die Wut auf die Überheblichkeit derer hochsteigt, die vorgeben zu wissen, wie das „richtige“ Leben funktioniert.

MACH DOCH EINE THERAPIE! SAG DOCH, WENN DU ETWAS BRAUCHST. WIR SIND FÜR DICH DA, WENN ES DIR NICHT GUT GEHT.

Ja, es ist schön, das zu hören, vordergründig. Was soll sie sagen, wem soll sie anvertrauen, daß sie schon einmal daran gedacht hat, ihre Kinder umzubringen, weil sie die Last der Verantwortung nicht mehr ertragen konnte? In der Zeitung las sie einmal von einer „entmenschten“ Frau, die das getan hatte, da fühlte sie sich nicht ganz so allein. Sie hatte versucht, Verständnis für ihre Einsamkeit zu finden. Die Reaktion darauf ermutigte sie nicht, es noch einmal zu versuchen.

SEI FROH DASS DU ALLEIN BIST! MÄNNER SIND KEINE GARANTIE FÜR EIN GLÜCKLICHES LEBEN!

Niemals hat sie sich vorgestellt, daß das ewige Glück hereinbricht, wenn sie einen Partner hat. Sie braucht einfach ein Gegenüber, jemanden, der sich dafür interessiert, daß es sie gibt. Jemanden, der sich anhört, wie ihr Tag so gelaufen ist. Es genügte ihr schon, wenn es einen gegeben hätte, der sie ab und zu angerufen hätte um sie zu fragen, ob es ihr auch gut geht oder ob er etwas zu ihrem Gutgehen beitragen könnte.

Joe, Georg, Hans. War ja ganz nett, wenigstens ab und zu Sex zu haben. Ich habe ja gewußt, daß da sonst nichts mitspielt.

Denen war sie egal. Wenn sie keine Zeit oder Lust hatte, mit ihnen ins Bett zu gehen, fragten sie nicht einmal nach, warum.

Es ging ihnen nie um mich!

Sie ist so müde. Sie will nicht mehr nachdenken, sie will sich nicht mehr erinnern. Sie will einfach nur ihre Ruhe haben.
Morgen ist immer der Tag, an dem ihre Ruhe wieder gestört wird. Morgen, wenn sie ins Büro kommt, sieht sie ihre Kolleginnen gemütlich beim Kaffee und keiner weiß, was in ihr vorgeht.

Morgen ist immer der Tag, der sie heute schon müde macht. Morgen ist immer der Tag, der schon vorbei sein sollte, bevor er noch angefangen hat.
Morgen - Eine Bedrohung! Eine Last, kaum zu ertragen.

Sie hat sich verschlossen, spielt ihr Fassadenspiel mit den Spielregeln der anderen so gut, daß sie selbst nicht mehr weiß, was von ihrer Wirklichkeit für die anderen noch sichtbar ist.

Gibt’s mich noch und wenn ja, spielt es jetzt noch eine Rolle?

Gibt es Spuren, die sie hinterläßt? Außer ihren Kindern natürlich. Sie hat ein paar Gedichte verfaßt, die in einer Schublade liegen.

Ich sitze hier, friere und warte. Warte ich auf ein Wunder, das mich von meinem letzten Entschluß abbringt?

Welches Wunder könnte sie noch retten? Ideen, wie sie aus dieser Stimmung herausfindet?
Die Möglichkeit, sich gegen Depressionen behandeln zu lassen, die sie auch Franz ans Herz gelegt hatte? Medikamente dafür, dieses grausame, einsame Leben ertragen zu können? Nein, danke! Das wäre wieder ein Kompromiß, den sie nicht mehr einzugehen bereit ist.

Vielleicht kommt noch ein verspäteter Wanderer vorbei, der ihr anbietet, ihr Leben zu begleiten. Oder der heilige Gral schwebt vom Himmel herab, eine Stimme voll Güte ruft ihr zu: DEINE SORGEN SIND ZU ENDE! DIE EWIGE QUELLE WIRD DIR KRAFT UND ENERGIE SPENDEN WANN IMMER DU SIE BRAUCHST!

Aber keine Stimme ertönt. Kein Wanderer kommt vorbei. Sie hört nur das Gepolter von losen Steinen, die wahrscheinlich von Gemsen auf ihrer nächtlichen Nahrungssuche losgetreten wurden.

Langsam bewegt sie ihre steifen Beine, es ist schon ziemlich kalt. Sie steht auf und streckt sich. Sie gibt sich einen Ruck. Jetzt!

Sie läuft ein Stück und - springt!
 
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Aus irgendeinem schwachsinnigen Grund habe ich diese alte Geschichte hier reingestellt. Ich habe sie zufällig gestern aus meinem Archiv ausgegraben und durchgelesen und habe dabei festgestellt, dass ich aus heutiger Sicht meine damalige Situation ganz anders betrachte.

No na!

Es ist aber MEINE Geschichte, so wie ich sie damals empfunden habe. Langweilig erzählt, dramatisierend und anklagend (obwohl, das ärgste hab ich ja noch rausgelöscht :autsch: ). Mein Leben schien mir ein einziges Jammertal, ich fühlte mich ihm ausgeliefert.

Das kann ich mir heute kaum noch vorstellen, aber ich kann mich noch daran erinnern, wie ich mich fühlte.

Und deswegen finde ich es nun gar nicht schlecht, dass diese Geschichte jetzt da steht und wahrscheinlich selten bis nie gelesen wird (zurecht). Aber für mich stellt sie eine Art Mahnmal dar, wie ich es nie wieder machen will. :nein: Weder so zu leben, noch mich so zu fühlen, noch so zu schreiben. Der Sprung in den Abgrund, wie ich ihn am Ende beschrieben habe, war gleichzeitig der Entschluss, auf diese Art nicht mehr weiterzumachen.

Das war´s!

lilith
 
lilith51 schrieb:
Es ist aber MEINE Geschichte, .....Das war´s!
lilith

Guten Morgen Lilith,

ich glaube, Du bist damals gesprungen und die Engel haben Dich wieder aufgefangen!


wort-schatz
der sonst nur blödeln kann.
 
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Deine Geschichte

Hallo Lilith,
deine Geschichte hat mich sehr berührt. Man spürt die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit die Menschen befällt, wenn das Leben scheinbar nur noch
aus Herausforderungen besteht, wenn man nur noch versucht Pflichten zu erfüllen, ohne wirklich zu leben.
....und wenn dann, bereits am Abgrund, doch noch ein Wunder geschieht,
dass ist wirklich Hoffnung.

Alles Liebe für dich.

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