AW: Babywahnsinn?
Die Durchschnittsfrau erwirbt einen wesentlichen Teil ihres Gefühls als Erwachsene und ihren Rang in der Gesellschaft rein durch den deklaratorischen Vorgang der Eheschließung und Geburt. Es vollzieht sich etwa wie bei der GmbH, die rein durch die Eintragung ins Handelsregister „entsteht“. Sie wird blitzartig erwachsen.
Über das Dilemma der Menschen (Lebendigkeit) innerhalb der Ehe und die Bedeutung, die die Mutterschaft für die Frau und den Mann hat, wird m.E. eher in zweiter Linie gesprochen, man kann ihnen dann ja Ratgeber und Therapien verkaufen. Primär sind m.E. die gedanklichen Vorstellungen, die Erreichung des Wunschbildes. Zum natürlichen Kinderwunsch fügt unsere Gesellschaft und die Religion ausgeklügelte Gleichsetzungen. Es bläht sich also ein Phantasiegebilde um den Wunsch nicht mehr allein zu sein und sich als ICH in die Außenwelt hinein auszudehnen. Die Phantasien sind störanfällig, gegenüber der Realität (Ehescheidungsrate, Kindesentzug, Verwahrlosung, Misshandlung, Pädagogik...).
Den Kinderwunsch den du beschreibst, sieht die Kinderpsychiatrie etwa ab den 90er Jahren immer stärker mit narzisstischen Interessen der Eltern behaftet. Bedeutet, dass die Kinder immer mehr als Schmuck, als Freudespender der Eltern gesehen werden. (Man will vom Kind geliebt werden und behandelt es entsprechend, möglichst ratgeberkonform „richtig“. Später sitzt man dann im Wartezimmer.) Damit wird das Kind neben den ohnehin wachsenden gesell.Anforderungen nun auch verstärkt damit konfrontiert „für das Glücksgefühl“ der Eltern verantwortlich zu sein. Das ist erst ein neuerer Trend. Und diese Last scheint in der genannten Verbindung immer schwerer für das Kind zu werden.
Ich beobachte das selber etwas abgemildert, aber würde durchaus zustimmen, dass eine Tendenz besteht, Kinder aus rein egoistischen Zwecken zu „haben“, einfach, um den Lebensplan zu füllen.
Ein Kind zu designen, ebenso wie man es mit der eigenen Persönlichkeit bereits tut. (Siehe Fruchtwasseruntersuchungen, Förderkurse, Abendkurse, chinesisch lernen, Musikschule...)
Ich seh das ebenso skeptisch. Weil mir oft die Galle hoch, wenn ich sehe wie aufgelöst alle sind, wenn „eine kleine Sophie“ das Licht der Welt erblickt, man aber für dieses Kind im Grunde dann eine Welt bereithält, in der die Eltern keine Zeit haben, überfordert sind, Gewalt nach wie vor von der kleinsten zur größten gesell. Ebene vorhanden ist, in der sich das Kind mit kaum noch erreichbaren Anforderungen und Umwelteinflüssen konfrontiert sieht. Kinder machen ist also wichtig und schick, wie es ihnen innerhalb dieses Lebens geht, ist scheiß egal.
Manchmal platzt die Phantasieblase, wenn man sich mal die unterarme seiner 15-jährigen Tochter anschaut.
Wenn du also keine Durchschnittsfrau bist und sein willst, Mooni, und mit den Folgen dessen, dass du nicht mitziehst, zurecht kommen willst (Herabwürdigungen, Ausgrenzung, „weniger Wert sein“...) und wenn du nunmal einfach noch kein Kind hast, dann lass dir doch entweder soviel Zeit, bis „es da ist“ oder soviel Zeit, bis du ganz sicher eins möchtest. Den Druck, den du beschreibst, sehe ich ganz genauso.
Meinetwegen könnte es ruhig ein paar weniger Kinder geben (die man als Rentenzahler, Handy-Kunden und Arbeitstier benutzt), es würde der Bevölkerungsexplosion nicht schaden, wenn man diese denn endlich mal so schätzt, wie sie sind. Und Eltern sind aus meiner Sicht auch Kinder. Vielleicht gibt’s dann sogar irgendwann mal eine Generation, die sich erwünscht fühlt...ohne Bedingungen.
Alles Gute
Bernd