AW: TV: Information – Desinformation – Manipulation?
Jan Amos, als gebürtiger und teilweise überzeugter Österreicher fühle ich mich bemüßigt, auch zu diesem Thema zu schreiben, zumal die Hauptbetroffenen, das Opfer Natascha Kampusch und die Mutter des Täters Österreicherinnen sind und der ORF jetzt als Drehpunkt für die Aufarbeitung des Dramas eine österreichische Institution ist. Meiner Meinung nach gehörte das Thema - so wie Du es betitelt hast - eher in den Kreis Medien, das soll aber walter entscheiden. Ich spielte schon selbst mit dem Gedanken, das (bisherige) Leben der Natascha Kampusch zu thematisieren, befürchtete aber, ihr damit zu schaden.
Nun, ich finde, das Thema "TV: Information - Desinformation - Manipulation" ist so komplex, dass es förmlich nach Echos schreit und wahrscheinlich nur so aufgearbeitet werden kann, indem man es zerpflückt. Ich will meinen Beitrag auf Natascha beschränken.
Ich will darauf hinweisen, dass es mir fernliegt, den ORF irgendwie zu beschuldigen, ich aber mein Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit voll ausschöpfen will.
Zum TV-Auftritt von Natascha Kampusch:
Mein Gefühl sagte mir im (zeitlichen) Vorfeld des Interviews, es ist noch zu früh, dass sich Natascha bereits der Weltöffentlichkeit zeigt; ich wurde dann jedoch von Psychologen und Medienexperten überzeugt, dass die tausenden Reporter vorher keine Ruhe geben werden und dass (der Vergleich ist jetzt von mir) man den Heißhungrigen wohl zur Sicherheit zuerst einmal ein paar Körbe Brot hinstellen soll, bevor sie - schlecht und unwahr - zu fantasieren beginnen.
Was mich auch, wie Euch, Jan Amos und Miriam, überrascht hat, war die Selbstsicherheit und Gelassenheit, mit der Natascha die Fragen beantwortet hat; es hat mich aber angenehm überrascht und ich gönne ich die schnelle Erholung nach ihrem Trauma vollends, auch dann, wenn Ihre Eltern und die Psychologen dabei mitgeholfen haben. An eine Desinformation glaube ich nicht, wenn ich auch für wahrscheinlich halte, dass man ihr die Fragen vorher mitteilte und ihr bei der
Formulierung der Antwort hin und wieder hilfreich zur Seite stand; auf den
Inhalt wurde mMn
kein Einfluss genommen.
Am
komplexesten ist m.E. das Thema der
Manipulation. Da geht es ins Moralisch-Ethische hinein. Ich glaube, man kann es den Medien nicht verübeln, hin und wieder auch manipulieren zu wollen. Unbedingte Voraussetzung ist aber, dass da eine
feste Moral dahintersteht (keine doppelbödige). Die Moral muss außerdem erklärt werden und
dann - und keine Sekunde früher - darf man versuchen zu manipulieren, um das Gute zu fördern bzw. das Schlechte zu bekämpfen.
Ich habe den Fall der Natascha Kampusch von Anfang an mitverfolgt,
wünsche ihr, dass sie alle ihre daraus sich eventuell ergebenden Traumata aufarbeiten kann,
dass sie so gut wie möglich für den erlittenen Schmerz entschädigt wird und
dass ihr alles gelingt, was sie sich vorgenommen hat und auch noch vornimmt.
Liebe Grüße
Zeili