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Prinzip und Neigung

funny-gianni

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5. November 2022
Beiträge
225
Hallo allerseits,

eine Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit: die Frage, ob menschliches Handeln auf Prinzipien oder eher auf Neigungen beruht. Ersteres wird vor allem in philosophischen Kreisen gerne behauptet oder als Forderung vorgebracht: zumindest sollte das Handeln von moralischen Prinzipien bestimmt sein, sagte schon Kant.

Im folgenden möchte ich meinen persönlichen Standpunkt darlegen.

Zuerst ein Beispiel aus einer Talkshow: eine bisexuelle Frau berichtete über die Trennung von ihrem Mann und die Hinwendung zu einer Frau. Dabei betonte sie, dass es für sie "egal ist, ob das 'ne Frau oder ein Mann ist, sondern dass es der Mensch ist, mit dem ich mich da auseinandersetzten möchte und der mir fehlt, wenn er nicht da ist." Das kam so rüber, als ob ihr das Prinzip wichtiger wäre als das Geschlecht, bzw. dass sie aus ihrer Neigung eine Tugend machen wollte.

Da stellten sich mir ein paar Fragen: Sollte es tatsächlich so sein, dass Bisexuelle bei der Partnerwahl von einem rationalen oder moralischen Prinzip ausgehen, z. B. vom Prinzip der Gleichbehandlung der Geschlechter? Sollten Bisexuelle, da sie kein Geschlecht bevorzugen, auf einer höheren Stufe der Tugend und der Vernunft stehen als Hetero- oder Homosexuelle? Anders gefragt: sind Bisexuelle die besseren Menschen?

Jedenfalls schien die Dame schien stolz zu sein, dass sie Vernunft und Gerechtigkeit den Vorrang vor dem Geschlecht gibt. Ich vermute jedoch, dass sie nicht vom Prinzip der Gleichbehandlung auf die Bisexualität gekommen ist, sondern eher umgekehrt: dass sie dieses Prinzip als Rechtfertigung oder Aufwertung ihrer Neigung einsetzt. Das ist ganz so, als wenn sich ein Hetero auf das Yin-Yang-Prinzip berufen würde um seine Neigung zum anderen Geschlecht zu rechtfertigen oder zu (v)erklären - ich finde das in jedem Fall unnötig bis dünkelhaft.

Aus meiner Sicht wird das Handeln von unseren Neigungen und nicht von Prinzipien bestimmt, was Schiller (in Anspielung auf Kant) mit ironischem Bedauern zugab:

„Gerne dien ich den Freunden, doch tu ich es leider mit Neigung,
Und so wurmt es mir oft, dass ich nicht tugendhaft bin."

(Xenien)
 
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Mal ganz kurz meine Antwort: Ich habe gelernt, dass die Neigung aus dem Unbewussten kommt und das Prinzip aus dem Bewussten. Egal, ob Bi, Hetero oder Homo, die Neigung sucht Ausgleich und das Prinzip Verstärkung. Selten findet man Beides in Einem.
 
Jedenfalls schien die Dame schien stolz zu sein, dass sie Vernunft und Gerechtigkeit den Vorrang vor dem Geschlecht gibt. Ich vermute jedoch, dass sie nicht vom Prinzip der Gleichbehandlung auf die Bisexualität gekommen ist, sondern eher umgekehrt: dass sie dieses Prinzip als Rechtfertigung oder Aufwertung ihrer Neigung einsetzt.
Dazu müsste ich erst verstehen können, warum man für seine sexuelle Neigung eine Rechtfertigung bräuchte. Wäre ich bisexuell, könnte ich vielleicht beurteilen, ob bei ihr Vernunft und Gerechtigkeit den Vorrang hatten, aber nachdem ich Hetero bin, stellt sich für mich diese Frage nicht und noch viel weniger, ob Bisexuelle bessere Menschen sind, denn das ist Unsinn. Die sexuelle Neigung hat nichts mit besser oder schlechter zu tun. Sie ist, wie sie ist, ob es anderen passt oder nicht und das ist gut so.
Falls es sich also hier um eine philosophische Frage handelt, dann ist der Bezug untauglich.
 
Jedenfalls schien die Dame schien stolz zu sein, dass sie Vernunft und Gerechtigkeit den Vorrang vor dem Geschlecht gibt. Ich vermute jedoch, dass sie nicht vom Prinzip der Gleichbehandlung auf die Bisexualität gekommen ist, sondern eher umgekehrt: dass sie dieses Prinzip als Rechtfertigung oder Aufwertung ihrer Neigung einsetzt.
Mir scheint das eine Frage der Gewichtung der Prämissen zu sein.
Die meisten Menschen folgen einem verinnerlichten Wertesystem, dazu zählen auch ethische Prinzipien.
Zugleich haben wir aber auch Wünsche und Begierden, die normal sind.

Das Ich kann nun prinzipiell die Wünsche über das Wertesystem stellen, das wäre eine rein egozentrische Haltung.
Es kann prinzipiell das Wertesystem über die Es-Wünsche stellen, das kann sklavischer Gehorsam sein.
In den meisten Fällen wird man beides variabel handhaben, das heißt, sich nicht sklavisch unterwerfen und in guten Fällen ist das Über-Ich/das verinnerlichte Wertesystem unser Freund und das Ich sorgt dafür das eigene Triebwünsche oder Bedürfnisse und soziale Normen beide zu ihrem Recht kommen.

Dass man einen gewissen Stolz empfindet, wenn man den Werten, die man vertritt, auch entspricht, kann ich verstehen, wann und warum welche Werte besser als andere sind, müsste geprüft werden, aufgrund der Argumente die jemand dazu vorlegt.
Eine Abweichen von der heterosexuellen Norm wurde ja bis neulich noch als falsch bis krank angesehen, dass das Pendel auch in andere Richtung ausschlagen kann, ist wohl so, ich würde immer die Argumente im Einzelfall prüfen.
Generell sehe ich es nicht so, dass ein Kriterium darüber entscheidet, ob jemand ein guter oder besserer Mensch ist, falls man das überhaupt so sehen möchte. Auch das wäre ein Gewichtung der Prämissen.
 
Dabei betonte sie, dass es für sie "egal ist, ob das 'ne Frau oder ein Mann ist, sondern dass es der Mensch ist, mit dem ich mich da auseinandersetzten möchte und der mir fehlt, wenn er nicht da ist."
Männer und Frauen sind doch Menschen.
Wenn ich mich mit einem Mann oder einer Frau auseinandersetze , setze ich mich doch mit einem Menschen auseinander. Verstehe die Argumentation gar nicht.
 
Männer und Frauen sind doch Menschen.
Wenn ich mich mit einem Mann oder einer Frau auseinandersetze , setze ich mich doch mit einem Menschen auseinander. Verstehe die Argumentation gar nicht.
Ich glaube, die Dame wollte damit sagen, dass sie keinen Menschen aufgrund seines Geschlechts ausschließt. Mit anderen Worten, dass sie toleranter ist als die meisten Mitmenschen. Damit mag sie recht haben, da schätzungsweise nur 3,5 % der Bevölkerung bisexuell sind, ich glaube jedoch nicht, dass sie wegen ihrer Toleranz bisexuell geworden ist sondern eher, dass sie wegen ihrer Bisexualität so tolerant ist. Damit kommen wir zum philosophischen Aspekt: was ist primär, das Prinzip (die Toleranz) oder die Neigung? Ich meine, primär ist die Neigung oder das Gefühl, die Prinzipien dagegen sind sekundär, bzw. von den jeweiligen Neigungen abgeleitet. Ich denke, dass jeder intelligente Mensch in der Lage ist, ein passendes Prinzip für seine Neigungen zu finden.

Übrigens hat sich Woody Allen bei seinem Spruch etwas verkalkuliert:

“Bisexuality immediately doubles your chances for a date on Saturday night.”

Man muss kein Mathe-Genie sein um zu merken, dass diese Aussage nicht stimmt. :D


 
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