• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Lieblingsgedichtssammlung

AW: Lieblingsgedichtssammlung

NICHTS

"Gott hat die Welt aus N i c h t s gemacht",
so steht es im Brevier,
nun kommt mir macnhmal der Verdacht.
er macht sich n i c h t s aus ihr ...


(Heinz ERHARDT)​
 
Werbung:
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Sonett Nr. 19

Nur eines möcht ich nicht: daß du mich fliehst.
Ich will dich hören, selbst wenn du nur klagst.
Denn wenn du taub wärst, braucht ich, was du sagst
Und wenn du stumm wärst, braucht ich, was du siehst

Und wenn du blind wärst, möcht ich dich doch sehn.
Du bist mir beigesellt als meine Wacht:
Der lange Weg ist noch nicht halb verbracht
Bedenk das Dunkel, in dem wir noch stehn!

So gilt kein "Laß mich, denn ich bin verwundet!"
So gilt kein "Irgendwo" und nur ein "Hier"
Der Dienst wird nicht gestrichen, nur gestundet.

Du weißt es: wer gebraucht wird, ist nicht frei.
Ich aber brauche dich, wie's immer sei
Ich sage ich und könnt auch sagen wir.

Bertolt Brecht
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Gegen das "Wir" von Meister B. BRECHT habe ich ausnahmsweise ;) mal nichts einzuwenden...
LG, moebius
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Die Frage: Was kommt danach? (siehe https://www.denkforum.at/threads/10210&page=2 )
führte mich zu Theodor Storm.
Hier eine mögliche Antwort:
[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Von Katzen[/FONT]

Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber, Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche -
Die wollte von den sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! - Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Heerd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig drein sah,
Sie wuchsen auf, und Nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
ich preis mich selbst und meine Menschlichkeit. -
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! - Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar - nein, es ist unaussprechlich,
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzem Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neun und vierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon -
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechs und fünfzig Katzen!


Wer es hören möchte:

http://www.sprueche.tv/der-eine-fra...-unterscheidet-sich-der-freie-von-dem-knecht/



 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Lieblingsgedichtssammlung

http://www.abyssal.de/lyrik/glueck.html

Ein GrundSatz

Die Sonne schien:
ein Lächeln ohne Schatten.
Keine Worte mehr.
Meine Buchstaben hatten frei
lagen faul in der Sonne und
als die Tränenpfützen trockneten
stand da im Sand geschrieben:
Wer das liest ist glücklich.
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Immer [hin und wider]1
strebt der Blütenzweig im Winde,
immer auf und nieder
strebt mein Herz gleich einem Kinde
zwischen hellen und dunklen Tagen,
zwischen Wollen und Entsagen.
Bis die Blüten sind verweht
und der Zweig in Früchten steht,
bis das Herz, der Kindheit satt,
seine Ruhe hat
und bekennt:
voll Lust und nicht vergebens
war das unruhvolle Spiel des Lebens.

(Hermann Hesse)
 
Werbung:
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Und immer wieder Rilke...

TODES-ERFAHRUNG

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund

tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann

uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.

Aus: RAINER MARIA RILKE
WERKE
INSEL VERLAG​
 
Zurück
Oben