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Lieblingsgedichtssammlung

AW: Lieblingsgedichtssammlung

:blume2:
Und immer wieder Rilke...

TODES-ERFAHRUNG

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund

tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann

uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.

Aus: RAINER MARIA RILKE
WERKE
INSEL VERLAG​

:blume2:
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

R.M. Rilke

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
aber wie klein auch, noch ein letztes
Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
unter den Händen. Hier blüht wohl einiges auf; aus stummem Absturz
blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.

Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann
und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.
Da geht wohl, heilen Bewußtseins,
manches umher, manches gesicherte Bergtier,
wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel
kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens....

Aus: Nachlass
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Speak to me, my love! Tell me in words...


Speak to me, my love!
Tell me in words what you sang.
The night is dark.
The stars are lost in clouds.
The wind is sighing through the leaves.
I will let loose my hair.
My blue cloak will cling round me like [night]1.
I will clasp your head to my bosom;
And there in the sweet loneliness
murmur on your heart.
I will shut my eyes and listen.
I will not look in your face.
When your words are ended,
we will sit still and silent.
Only the trees will whisper in the dark.
[The night will pale.]2
The day will dawn.
We shall look at each other's eyes
and go on our different paths.
Speak to me, my love!
Tell me in words what you sang.

Tagore
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Im Frühling

Leise sank von dunklen Schritten der Schnee,
im Schatten des Baums
heben die rosigen Lider Liebende.

Immer folgt den dunklen Rufen der Schiffer
Stern und Nacht;
Und die Ruder schlagen leise im Takt.

Bald an verfallener Mauer blühen
die Veilchen,
ergrünt so stille die Schläfe des Einsamen.

Georg Trakl (1887-1914)



:buch:


Der Kirchhof im Frühling

Stiller Garten, eile nur,
dich mit jungem Grün zu decken,
und des Bodens letzte Spur
Birg mit dichten Rosenhecken!

Schließe fest den schwarzen Grund!
Denn sein Anblick macht mir bange,
ob er keines aus dem Bund
meiner Liebsten abverlange.

Will mich selbst die dumpfe Gruft,
nun wohlan, sie mag mich raffen!
Dünkt mir gleich, in frischer Luft
Hätt ich manches noch zu schaffen.

Ludwig Uhland (1787-1862)
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Leben und Tod sprechen

So spricht das Leben:
Die Welt ist mein,
mich preisen die Blumen und Vögelein,
ich bin der Tag und der Sonnenschein.
So spricht das Leben:
Die Welt ist mein.

So spricht der Tod:
Die Welt ist mein.
Dein Leuchten ist nur eitel Pracht,
sinkt Stern und Mond in ewige Nacht.
So spricht der Tod:
Die Welt ist mein.

So spricht das Leben:
Die Welt ist mein,
Und machst du Särge aus Marmelstein,
kannst doch nicht sargen die Liebe ein.
So spricht das Leben:
Die Welt ist mein.

So spricht der Tod:
Die Welt ist mein.
Ich habe ein großes Grab gemacht,
Ich habe die Pest und den Krieg erdacht.
So spricht der Tod:
Die Welt ist mein.

So spricht das Leben:
Die Welt ist mein,
ein jedes Grab muß ein Acker sein.
Mein ewiger Samen fällt hinein.
So spricht das Leben:
Die Welt ist mein.

Dichter unbekannt
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung




Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.
Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...

Rilke

 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Joseph von Eichendorff

Was weckst du, Frühling, mich von neuem wieder?
Dass all' die alten Wünsche auferstehen,
Geht über's Land ein wunderbares Wehen;
Dass schauert mir so lieblich durch die Glieder.

Die schöne Mutter grüßen tausend Lieder,
Die, wieder jung, im Brautkranz süß zu sehen.
Der Wald will sprechen, rauschend Ströme gehen,
Najaden tauchen singend auf und nieder.

Die Rose seh' ich geh'n aus grüner Klause
Und, wie so buhlerisch die Lüfte fächeln,
Errötend in die laue Flut sich dehnen.

So mich auch ruft ihr aus dem stillen Hause -
Und schmerzlich nun muss ich im Frühling lächeln,
Versinkend zwischen Duft und Klang vor Sehnen.

:blume1:

Übern Garten durch die Lüfte
Hört ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt's schon an zu blühn.

Jauchzen möcht ich, möchte weinen,
Ist mir's doch, als könnt's nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.

Und der Mond, die Sterne sagen's,
Und in Träumen rauscht der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen:
Sie ist deine, sie ist dein!
 
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Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.
Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...

Rilke


 
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Justinus Kerner (Wald Gedichte)

Sehnsucht nach der Waldgegend


Wär' ich nie aus euch gegangen,
Wälder, hehr und wunderbar!
Hieltet liebend mich umfangen
Doch so lange, lange Jahr'.

Wo in euren Dämmerungen
Vogelsang und Silberquell,
Ist auch manches Lied entsprungen
Meinem Busen, frisch und hell.

Euer Wogen, euer Hallen,
Euer Säuseln nimmer müd',
Eure Melodien alle
Weckten in der Brust das Lied.

Hier in diesen weiten Triften
Ist mir alles öd' und stumm,
Und ich schau' in blauen Lüften
Mich nach Wolkenbildern um

Wenn ihr's in den Busen zwinget,
Regt sich selten nur das Lied:
Wie der Vogel halb nur singet,
Den von Baum und Blatt man schied.

(der Wald ist tot) :(
:jump3:
 
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:blume1:
Die Tulpe

Dunkel
war alles und Nacht.
In der Erde tief
die Zwiebel schlief,
die braune.

Was ist das für ein Gemunkel,
was ist das für ein Geraune,
dachte die Zwiebel,
plötzlich erwacht.

Was singen die Vögel da droben
und jauchzen und toben?

Von Neugier gepackt,
hat die Zwiebel einen langen Hals gemacht
und um sich geblickt
mit einem hübschen Tulpengesicht.

Da hat ihr der Frühling entgegengelacht.

:blume2:

http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Guggenmos
 
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