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in memoriam Harry Mulisch

oktoberwind

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20. November 2007
Beiträge
1.025
Im Alter von 83 Jahren ist ein ganz großer der europäischen Literatur, der Niederländer Harry Mulisch gestorben. Er erlag seinem Krebsleiden im Kreise seiner Familie.

Obwohl die Aussagen der Protagonisten in Romanen nicht die eigene Meinung des Autoren wiedergeben, können sie doch ein Licht auf den Verfasser werfen, denn er hat sie hat gedacht. In diesem Sinne ein paar Zitate:


“...ich glaube, jeder Mensch hat eigentlich das Gefühl, dass er nicht dazugehört, zum Leben der anderen Menschen. Daß er irgendwie etwas anderes ist, ein Gast, und er gibt sich alle nur erdenkliche Mühe, um dafür zu sorgen, daß die anderen es nicht merken. Das ist das Gefühl, das alle Menschen gemein haben, und gerade deshalb gehören sie zueinander.”

(aus dem Roman “Zwei Frauen“)

“Die Wirklichkeit war nie etwas anderes als ein Kommentar zur Kunst.”

“Schriftsteller waren verrückt: das bewies schon die Tatsache, dass sie Schriftsteller geworden waren.”


(aus dem Roman “Höchste Zeit”)

“Das unterscheidet dich von einem Schriftsteller, denn der hat diesen Beruf nie ergreifen wollen: Er entpuppte sich als solcher. Derjenige, der es werden möchte, ist es offenbar nicht, auch wenn er ein noch so fleißiger Verbalisierer ist. Man muss nicht nur erzählen können, sondern auch etwas zu erzählen haben, und das hast du offensichtlich nicht. ... Schreiben ist eigentlich unmöglich: Es ist etwa so, als wolle man von einem Fotografen verlangen, mit Blitzlicht ein Bild von seinem eigenen Schatten zu machen.”

“Vielleicht, denkst du, ist eigentlich nichts mehr von Bedeutung, vielleicht hat der Mensch die Schwelle zur Ära des großen Schulterzuckens überschritten, in der nur noch lustlos herumgelungert wird, bevor jemand die Glocke läutet, das große Licht anmacht und die Rechnung präsentiert.”

(aus dem Roman “Die Elemente”)
 
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AW: in memoriam Harry Mulisch

Im Alter von 83 Jahren ist ein ganz großer der europäischen Literatur, der Niederländer Harry Mulisch gestorben. ...
....

Wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß das Motto des Physik-Forums
http://www.quanten.de
eine Frage von Harry MULISCH ist:

"Müsste, um die Welt zusammenzuhalten, nicht eigentlich immer jemand ununterbrochen auf sie schauen ?"

Der blaue moebius
 
AW: in memoriam Harry Mulisch

Wer das schöne Zitat im Zusammenhang nachlesen möchte, es steht auf Seite 703 der gebundenen Ausgabe von "Die Entdeckung des Himmels" (mir liegt die erste deutsche Auflage von 1993 vor) ((für andere Ausgaben: Im 59. Kapitel "Antichambrieren")).

***
Sehr erwägenswert auch die folgende Passage aus dem darauf folgenden, 60. Kapitel "Das Kommando":
Wenn man siebzehn war, glaubte man, die Welt bestehe aus derselben Substanz wie die eigenen Theorien, so dass man jederzeit Zugriff auf sie hatte und sie den eigenen Vorstellungen entsprechend formen konnte. Aber jeder bekam eines Tages die bittere Wahrheit zu spüren, dass es nicht funktionierte; die Welt war die Suppe und das Denken meistens eine Gabel: zu einer sättigenden Mahlzeit führte das selten." (S. 721)
 
AW: in memoriam Harry Mulisch

1. Wer das schöne Zitat im Zusammenhang nachlesen möchte, es steht auf Seite 703 der gebundenen Ausgabe von "Die Entdeckung des Himmels" (mir liegt die erste deutsche Auflage von 1993 vor) ((für andere Ausgaben: Im 59. Kapitel "Antichambrieren")).

***
2. Sehr erwägenswert auch die folgende Passage aus dem darauf folgenden, 60. Kapitel "Das Kommando":
Wenn man siebzehn war, glaubte man, die Welt bestehe aus derselben Substanz wie die eigenen Theorien, so dass man jederzeit Zugriff auf sie hatte und sie den eigenen Vorstellungen entsprechend formen konnte. Aber jeder bekam eines Tages die bittere Wahrheit zu spüren, dass es nicht funktionierte; die Welt war die Suppe und das Denken meistens eine Gabel: zu einer sättigenden Mahlzeit führte das selten." (S. 721)

Zu 1.:
Und was die Entdeckung des Himmels angeht: Die Farbe des Himmels ist blau, wenn die Sonne scheint...:blume2:
Zu 2.:
Na, hoffentlich wir die "Suppe" bald ausgelöffelt sein ...not-falls vom
Suppen-Kasper ...:clown3:
Der blaue moebius
 

Mama- und Muttermilch-Metamorphosen.


Habe wieder einmal kurz im Turmfalkenförmchen geschnuppert und dort für moebius entdeckt:

powerjulchen schrieb:

Wenn man im Wort "Mama" 4 Buchstaben ändert, dann hat man auf einmal "Bier" !!!

Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.

 
AW: in memoriam Harry Mulisch

“...ich glaube, jeder Mensch hat eigentlich das Gefühl, dass er nicht dazugehört, zum Leben der anderen Menschen. Daß er irgendwie etwas anderes ist, ein Gast, und er gibt sich alle nur erdenkliche Mühe, um dafür zu sorgen, daß die anderen es nicht merken. Das ist das Gefühl, das alle Menschen gemein haben, und gerade deshalb gehören sie zueinander.”

"Wenn man siebzehn war, glaubte man, die Welt bestehe aus derselben Substanz wie die eigenen Theorien, so dass man jederzeit Zugriff auf sie hatte und sie den eigenen Vorstellungen entsprechend formen konnte. Aber jeder bekam eines Tages die bittere Wahrheit zu spüren, dass es nicht funktionierte; die Welt war die Suppe und das Denken meistens eine Gabel: zu einer sättigenden Mahlzeit führte das selten."

Der Mann war gut! Den werd ich mir für künftige Lektüren vormerken!
 
AW: in memoriam Harry Mulisch

Da mir zeitgenössische Literatur sowieso immer wenig zusagt, habe ich nach dem Tode Mulischs eine erneute Lektüre seines Magnum Opus “Die Entdeckung des Himmels” begonnen. Aus dem ersten Teil sind mir folgende, vielleicht auch für andere erwägenswerte Zitate, in Erinnerung geblieben:

S. 87
“... dass in der modernen Physik das Wahrgenommene nicht mehr losgelöst vom Wahrnehmenden betrachtet werden könne, da der Wahrnehmende das Wahrgenommene verändere, indem er es wahrnehme.”

S. 89
Ada, die weibliche Hauptperson, ist Cellistin, eine Frau also, “die wusste, dass es beim Musizieren nicht um das Ausdrücken von Emotionen ging, sondern um das Erzeugen von solchen”...

M. lässt einen seiner Protagonisten Auschwitz besuchen; dabei fällt dieser Gedanke auf:
S. 130
Gab es irgendwo auf Erden einen Ort, an dem im selben Maße das Gute getan worden war wie hier das Böse? ... Einen solchen Ort gab es nicht, es gab nur die Hölle.

S. 157
“Ich weiß nicht, wie die Welt funktioniert ... Wenn du mich fragst, funktioniert sie gar nicht ... Ich glaube, dass die Welt ein riesiges, improvisiertes Chaos ist, das noch immer aus unerklärlichen Gründen mehr oder weniger weiterexistiert. Der Mensch gehört eigentlich nicht ins All; aber jetzt, da er nun einmal da ist, ist in verschiedener Hinsicht alles möglich.”
 
AW: in memoriam Harry Mulisch

Da mir zeitgenössische Literatur sowieso immer wenig zusagt, habe ich nach dem Tode Mulischs eine erneute Lektüre seines Magnum Opus “Die Entdeckung des Himmels” begonnen. Aus dem ersten Teil sind mir folgende, vielleicht auch für andere erwägenswerte Zitate, in Erinnerung geblieben:
...
S. 89
Ada, die weibliche Hauptperson, ist Cellistin, eine Frau also, “die wusste, dass es beim Musizieren nicht um das Ausdrücken von Emotionen ging, sondern um das Erzeugen von solchen”...
...


 
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AW: in memoriam Harry Mulisch

Da mir zeitgenössische Literatur sowieso immer wenig zusagt, habe ich nach dem Tode Mulischs eine erneute Lektüre seines Magnum Opus “Die Entdeckung des Himmels” begonnen. Aus dem ersten Teil sind mir folgende, vielleicht auch für andere erwägenswerte Zitate, in Erinnerung geblieben:

S. 87
1. “... dass in der modernen Physik das Wahrgenommene nicht mehr losgelöst vom Wahrnehmenden betrachtet werden könne, da der Wahrnehmende das Wahrgenommene verändere, indem er es wahrnehme.”

S. 89
2. Ada, die weibliche Hauptperson, ist Cellistin, eine Frau also, “die wusste, dass es beim Musizieren nicht um das Ausdrücken von Emotionen ging, sondern um das Erzeugen von solchen”...
......
S. 157
3. “Ich weiß nicht, wie die Welt funktioniert ... Wenn du mich fragst, funktioniert sie gar nicht ... Ich glaube, dass die Welt ein riesiges, improvisiertes Chaos ist, das noch immer aus unerklärlichen Gründen mehr oder weniger weiterexistiert. Der Mensch gehört eigentlich nicht ins All; aber jetzt, da er nun einmal da ist, ist in verschiedener Hinsicht alles möglich.”

Zu 1.:
Das ist zumindest die erkenntnistheoretische Erfahrung der Quantentheoretiker...:jump3::jump1: (= 2 Quantensprünge)...:lachen::lachen:
Zu 2.:
Eine sehr intelligente Frau ...
Zu 3.:
Da die Welt kein Uhrwerk/keine Maschine ist, ist das Verb "funktionieren" an dieser Stelle ein Kategorienfehler, da nur Maschinen funktionieren (oder auch nicht, wenn sie defekt sind).
Und woher weiß MULISCH, ob der Mensch in's ALL gehört - oder nicht :confused::dontknow:
Wahrscheinlich hatte er sie nicht mehr all - oder er hatte noch nie was vom anthropischen Prinzip der Kosmologie gehört...:lachen::lachen:
Und was verstand dieser kluge Schriftsteller unter "Chaos"...:confused::dontknow:
Der blaue moebius
 
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