@Shichun + Majanna
Ich würde mich nicht sehr freuen, 1/2 meines Monatsgehalts abzugeben.
Noch einmal: Ich halte die Perspektive "Denen geht es schlecht, WEIL es uns gut geht" für völlig verkürzt. Es mag etwas Wahres an der Sache sein, aber für den grösseren Teil scheint mir das einfach nicht zu stimmen. Sämtliche Dritt- und Zweitweltländern haben eine Riesenmenge an Problemen, für die sie völlig selbstverantwortlich sind - das ist zum ersten Mal das Standardargument, das immer wieder genannt wird. Aber dieses Argument interessiert mich noch nicht allzu sehr. Und dann wird heiss diskutiert was zu tun oder zu lassen wäre.
Dabei geht vergessen, dass überhaupt nicht klar ist, was denn eigentlich das Ziel wäre. Was für eine Art Gleichheit/Gleichstellung wird denn verlangt? Dass alle Menschen auf der Welt so viel Energie verbrauchen dürfen, wie die Kalifornier? Oder bloss, dass jeder Mensch potentiell gleiche Chancen hat? Alleine diese beiden Positionen sind grundverschieden und himmelweit voneinander entfernt. Vertreten wir die zweite Position, dann brauchen wir uns eigentlich überhaupt nicht mehr wirklich darum zu kümmern, ob irgendwo jemand am Verhungern ist oder nicht, so lange er nur eine echte Chance erhält, auszuwandern und bei uns einen Job zu finden. Ich hoffe nur, jene Länder, in welchen die Menschen sehnsüchtig auf unsern sogenannten Luxus schielen, machen nie dieselben Fehler, wie wir sie dabei sind zu machen.
Unsere ganze Lebensweise hat uns eine Unmenge an Gütern und Besitztum geschenkt, gleichzeitig ist uns aber der tatsächliche Lebenssinn praktisch völlig abhanden gekommen. Um es in ein Beispiel zu kleiden: Unsere Gesellschaft ist wie ein Elternpaar, welches unfähig ist, sein Kind zu lieben. Statt der dringend benötigten Liebe geben sie dem Kind dafür Unmengen von Süssigkeiten und Schleckwaren (= materielle Güter), wovon das Kind letztlich nur krank und kränker wird. Dann gibt es aber noch die Nachbarskinder (= Zweit-/Drittweltländer), welche neidisch auf die Süsswaren blicken und sich nichts so sehr wünschen, als ebensolche Eltern zu haben. Sie sind sich gar nicht bewusst, dass die Süsswaren überhaupt nicht befriedigend sind. Was das Kind eigentlich dringend bräuchte, wäre die Liebe der Eltern, aber das ist den Nachbarskindern völlig egal.
Das Traurige ist obendrein, kommt endlich mal ein weiser Onkel daher und sieht die Behandlung des Kindes und sagt dem Nachbarskind: "Warum willst du nur so dringend die gleichen Süssigkeiten? Siehst du nicht wie jenes Kind darob krank und kränker wird? Es wäre besser für jenes Kind, wenn es die Liebe der Eltern erhalten würde." Aber das beide Kinder sind vollkommen blind, und während das Nachbarskind nur gebannt auf die Süssigkeiten starrt und fieberhaft überlegt, wie es an diese rankommt, bemerkt das Kind mit den Süssigkeiten gar nicht, was sein eigentliches Bedürfnis wäre.
Etwa so stellt sich mir die Situation dar. Nun gibt es viele Menschen die fordern: Hey, es ist überhaupt nicht fair, wenn nur wir im Westen so viele Süssigkeiten haben. Und dann wird diskutiert, wie man es am besten anstellt, wie die Zweit-/Drittweltländer auch an den Süssigkeiten beteiligt werden können. Entweder können wir auf unsere teilweise verzichten und an die andern abgeben oder wir können die andern auf ein Niveau heben, dass sie sich diese selbst beschaffen können, das sind so ungefähr die beiden Möglichkeiten.
Bloss: Darum geht's doch gar nicht! Wozu braucht irgendjemand auf der Welt so unglaublich viele Süssigkeiten, wenn es ihm doch eigentlich an der Liebe der Eltern mangelt? Eigentlich müssten wir doch fieberhaft überlegen, wie wir jedem auf der Welt die Liebe der Eltern sicherstellen könnten, das würde doch erst richtig Sinn machen.
In einem andern Thread steht der Satz von Nietzsche: "'Wir haben das Glück erfunden', sagten die letzen Menschen und blinzelten". Jaja, richtig, freier Zugang zu einer unbegrenzten Menge Süssigkeiten ist das allerhöchste Glück des Menschen. Immerhin strebt die ganze Welt danach.
Und @Gisbert: Du hast schon recht mit den Untergangsszenarien, die alle paar Jahre wieder schwärzest an die Wand gemalt werden. Und trotzdem. Irgendwann, vielleicht in 1000 Jahren wird es den Menschen einfach mal unweigerlich den Kopf kosten, wenn er nicht lernt, dass er an den Süssigkeiten nie satt werden kann. Ich sehe übrigens auch sehr grosse - aber lösbare - soziale Probleme auf uns zurollen.
(Aber eben, um das nochmal klarzustellen. Wenn in Äthiopien wieder paar Tausend oder Hunderttausend Menschen verhungern, dann sind jegliche Überlegungen wie oben eigentlich fehl am Platz. Was die Leute dann brauchen ist vorerst mal was zu Essen. Und so lange nicht mal das garantiert ist, ist einfach nur zynisch untätig zu bleiben. Es geht dann nur in zweiter Linie um die Frage, ob und wie man die Menschen an der Verteilung der Güter beteiligen soll, sondern schlicht darum, erstmal eine annehmbare Situation zu schaffen.)