_its_not_me_
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- Registriert
- 30. August 2004
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- 196
Hi Denkforum
@majanna (und alle anderen natürlich auch)
Wieso bin ich eigentlich ein besonders leuchtendes Exemplar eines Postmodernisten in deinen Augen? Und wie habe ich es geschafft, dich ‚wütend’ (wie Robin schreibt) zu machen? Nur, weil ich nicht so schnell geantwortet habe...?
@robin, @majanna (und alle anderen...)
Ich habe den Begriff ‚Postmoderne’ gar nicht thematisiert. Ich hab ihn ja noch nicht einmal verwendet außer im Eingangszitat. Ich persönlich weiß gar nicht, ob ich ihn ‚ablehne’ oder ‚befürworte’. Ich nutze ihn so selten es geht Vor allem, weil mir seine Bedeutung sicher nicht in allen Facetten klar ist. Ich vermute, er wird auch gar nicht einheitlich verwendet. Robin schreibt: „Ziel ist es, damit klarzukommen und darum geht es ja in diesem Thread.“ und mit ‚damit’ meintest du die Phänomene der Postmoderne, nicht den Begriff. Mir ging es ebenso wenig um das Wort ‚Postmoderne’, sondern ich hab im ersten Schritt versucht, das Phänomen Ausdifferenzierung in den Zusammenhang mit seinem ‚Vorgänger’ der ‚vertikalen Schichtung’ zu bringen. Ich wollte daran erinnern, dass das Eingebettetsein in sinnstiftende Strukturen seinen Preis hatte. Einen Preis, den ich nicht zahlen würde.
Im zweiten Schritt hab ich dann einen Vorschlag gemacht, indem ich den Begriff ‚Selbsterfindung’ ins Spielfeld warf.
@robin, @majanna, @Jérôme (und alle...)
Der Ball, der Begriff ‚Selbsterfindung’ wurde zwar aufgenommen, aber schnell wieder aus dem Spielfeld rausbugsiert Er wurde entweder abgelehnt oder umgedeutet:
„Von 'sich erfinden zu müssen' ist kaum die Rede.“ (Jérôme)
„Selbst(er)findung.“ (robin)
„Wir sind ständig auf der Suche nach uns.“ (majanna)
Zunächst zur Umdeutung: Natürlich gibt es hier eine bewusste rhetorische Anlehnung an den (älteren) Begriff Selbstfindung, wenn man von Selbsterfindung spricht. Das geschieht aber nicht, um die Grenzen zu verwischen, weil man denkt, eins sei wie das andere, sondern ganz im Gegenteil: die sprachliche Nähe soll den Kontrast unterstreichen. Die Begriffe schleißen sich gegenseitig eigentlich aus.
Warum Ablehnung? Von 'sich erfinden zu müssen' ist kaum die Rede, schreibt Jérôme Meinst du, es ist nicht der Rede wert, Jérôme? Mir ist nicht ganz klar, wieso Begriffe wie ‚geistigen Potenzen’, 'Universalität und der Freiheit’ mit Selbsterfindung unvereinbar sind. Wobei ich gleich hinzufügen will, dass ich den Begriff Universalität kaum einordnen kann – da bräuchte ich noch etwas Nachhilfe, bitte.
Zu dem Buch "Die Tugend der Orientierungslosigkeit" kann ich leider nichts sagen, weil ich es nicht kenne. Robin sagt aber, dass der Vorschlag jeder solle sich ‚seine Identität basteln’ wohl nur für Yuppies interessant ist... Aber warum? Zu beidem könnte ich erst mehr sagen, wenn ich mehr wüsste Aber eins ist trotzdem wichtig, glaube ich: Implizit scheinst du eine ‚Lösung’ für alle zu wünschen. Auch hier frag ich: „Warum?“
@majanna (und die anderen ebenso)
Du stellst mir eine (ziemlich böse) Frage: Wie soll denn Selbsterfindung aussehen ...? Die Frage ist nicht böse - wieso sollte sie das sein? Ich habe zwei Antworten darauf. Die erste ist ziemlich einfach. Die zweite braucht ein paar Zeilen mehr. Wobei ich hoffe, eure Geduld nicht überzustrapazieren
Antwort 1: ich weiß es nicht. :-(
Antwort 2 ist ein Vorschlag. Angeregt dazu bin ich durch das Buch ‚Hinter den Spiegeln, Beiträge zur Philosophie Richard Rortys’ Die folgende ‚Herleitung’ ist allerdings ‚nicht autorisiert’
Das Leben in der Senkrechten (der vertikal stratifizierten Gesellschaft, wie Luhmann es nennt) hatte eine gewisse ‚Notwendigkeit’: Jeder hatte seinen festen, vorherbestimmten Platz innerhalb dieser Ordnung. Die göttliche Fügung garantierte das, Gottes Pläne mögen undurchschaubar gewesen sein. Aber es gab sie! Die Fiktion war Realität. Diese ‚Notwendigkeit’ fehlt heute. Alles ist, wie es ist, aber alles könnte auch anders sein. Kein Gott, keine Philosophie, kein Wertsystem mit tragender Säulenarchitektur zwingt mich heute an einen bestimmten Ort. Aber wie wurde diese Notwendigkeit in der Schichtengesellschaft produziert? Durch Sprache. Welt ist aus Sprache gebaut. (Ich fasse den Begriff recht weit dafür: Architektur, Kleiderordnungen, Kunst etc. rechne ich dazu.) Natürlich hat sich diese symbolische Ordnung auch zu realer Gewalt verdichtet und sich selbst vor sich selbst geschützt. Aber das ‚Fundament’ war aus Sprache. Das beruhte natürlich nicht auf Freiwilligkeit, das System war ja längst am Laufen, wenn man hinzustieß sprich geboren wurde. Der Sinn, den die Menschen ‚rausgeholt’ haben, hatten sie selbst hineingelegt! (Natürlich waren sie für diesen Zusammenhang blind.) Trotzdem könnte das ein Modell auch für heute sein. Sinn wird man nirgends finden. Man muss ihn immer erfinden. (Heute aber eben nicht blind...)
Damit habe ich die beiden Begriffe, die ich für die Selbsterfindung brauche: Notwendigkeit und Sprache. Notwendigkeit muss ich allerdings verneinen, damit erhalte ich den Begriff Kontigenz (der vage mit Zufälligkeit übersetzbar ist).
Mein Vorschlag lautet also: Achte, liebe, schätze die Kontigenz, stelle dich ihr. Schaffe dein eigene Sprache. Erfinde dich selbst.
@majanna (und alle anderen natürlich auch)
Wieso bin ich eigentlich ein besonders leuchtendes Exemplar eines Postmodernisten in deinen Augen? Und wie habe ich es geschafft, dich ‚wütend’ (wie Robin schreibt) zu machen? Nur, weil ich nicht so schnell geantwortet habe...?
@robin, @majanna (und alle anderen...)
Ich habe den Begriff ‚Postmoderne’ gar nicht thematisiert. Ich hab ihn ja noch nicht einmal verwendet außer im Eingangszitat. Ich persönlich weiß gar nicht, ob ich ihn ‚ablehne’ oder ‚befürworte’. Ich nutze ihn so selten es geht Vor allem, weil mir seine Bedeutung sicher nicht in allen Facetten klar ist. Ich vermute, er wird auch gar nicht einheitlich verwendet. Robin schreibt: „Ziel ist es, damit klarzukommen und darum geht es ja in diesem Thread.“ und mit ‚damit’ meintest du die Phänomene der Postmoderne, nicht den Begriff. Mir ging es ebenso wenig um das Wort ‚Postmoderne’, sondern ich hab im ersten Schritt versucht, das Phänomen Ausdifferenzierung in den Zusammenhang mit seinem ‚Vorgänger’ der ‚vertikalen Schichtung’ zu bringen. Ich wollte daran erinnern, dass das Eingebettetsein in sinnstiftende Strukturen seinen Preis hatte. Einen Preis, den ich nicht zahlen würde.
Im zweiten Schritt hab ich dann einen Vorschlag gemacht, indem ich den Begriff ‚Selbsterfindung’ ins Spielfeld warf.
@robin, @majanna, @Jérôme (und alle...)
Der Ball, der Begriff ‚Selbsterfindung’ wurde zwar aufgenommen, aber schnell wieder aus dem Spielfeld rausbugsiert Er wurde entweder abgelehnt oder umgedeutet:
„Von 'sich erfinden zu müssen' ist kaum die Rede.“ (Jérôme)
„Selbst(er)findung.“ (robin)
„Wir sind ständig auf der Suche nach uns.“ (majanna)
Zunächst zur Umdeutung: Natürlich gibt es hier eine bewusste rhetorische Anlehnung an den (älteren) Begriff Selbstfindung, wenn man von Selbsterfindung spricht. Das geschieht aber nicht, um die Grenzen zu verwischen, weil man denkt, eins sei wie das andere, sondern ganz im Gegenteil: die sprachliche Nähe soll den Kontrast unterstreichen. Die Begriffe schleißen sich gegenseitig eigentlich aus.
Warum Ablehnung? Von 'sich erfinden zu müssen' ist kaum die Rede, schreibt Jérôme Meinst du, es ist nicht der Rede wert, Jérôme? Mir ist nicht ganz klar, wieso Begriffe wie ‚geistigen Potenzen’, 'Universalität und der Freiheit’ mit Selbsterfindung unvereinbar sind. Wobei ich gleich hinzufügen will, dass ich den Begriff Universalität kaum einordnen kann – da bräuchte ich noch etwas Nachhilfe, bitte.
Zu dem Buch "Die Tugend der Orientierungslosigkeit" kann ich leider nichts sagen, weil ich es nicht kenne. Robin sagt aber, dass der Vorschlag jeder solle sich ‚seine Identität basteln’ wohl nur für Yuppies interessant ist... Aber warum? Zu beidem könnte ich erst mehr sagen, wenn ich mehr wüsste Aber eins ist trotzdem wichtig, glaube ich: Implizit scheinst du eine ‚Lösung’ für alle zu wünschen. Auch hier frag ich: „Warum?“
@majanna (und die anderen ebenso)
Du stellst mir eine (ziemlich böse) Frage: Wie soll denn Selbsterfindung aussehen ...? Die Frage ist nicht böse - wieso sollte sie das sein? Ich habe zwei Antworten darauf. Die erste ist ziemlich einfach. Die zweite braucht ein paar Zeilen mehr. Wobei ich hoffe, eure Geduld nicht überzustrapazieren
Antwort 1: ich weiß es nicht. :-(
Antwort 2 ist ein Vorschlag. Angeregt dazu bin ich durch das Buch ‚Hinter den Spiegeln, Beiträge zur Philosophie Richard Rortys’ Die folgende ‚Herleitung’ ist allerdings ‚nicht autorisiert’
Das Leben in der Senkrechten (der vertikal stratifizierten Gesellschaft, wie Luhmann es nennt) hatte eine gewisse ‚Notwendigkeit’: Jeder hatte seinen festen, vorherbestimmten Platz innerhalb dieser Ordnung. Die göttliche Fügung garantierte das, Gottes Pläne mögen undurchschaubar gewesen sein. Aber es gab sie! Die Fiktion war Realität. Diese ‚Notwendigkeit’ fehlt heute. Alles ist, wie es ist, aber alles könnte auch anders sein. Kein Gott, keine Philosophie, kein Wertsystem mit tragender Säulenarchitektur zwingt mich heute an einen bestimmten Ort. Aber wie wurde diese Notwendigkeit in der Schichtengesellschaft produziert? Durch Sprache. Welt ist aus Sprache gebaut. (Ich fasse den Begriff recht weit dafür: Architektur, Kleiderordnungen, Kunst etc. rechne ich dazu.) Natürlich hat sich diese symbolische Ordnung auch zu realer Gewalt verdichtet und sich selbst vor sich selbst geschützt. Aber das ‚Fundament’ war aus Sprache. Das beruhte natürlich nicht auf Freiwilligkeit, das System war ja längst am Laufen, wenn man hinzustieß sprich geboren wurde. Der Sinn, den die Menschen ‚rausgeholt’ haben, hatten sie selbst hineingelegt! (Natürlich waren sie für diesen Zusammenhang blind.) Trotzdem könnte das ein Modell auch für heute sein. Sinn wird man nirgends finden. Man muss ihn immer erfinden. (Heute aber eben nicht blind...)
Damit habe ich die beiden Begriffe, die ich für die Selbsterfindung brauche: Notwendigkeit und Sprache. Notwendigkeit muss ich allerdings verneinen, damit erhalte ich den Begriff Kontigenz (der vage mit Zufälligkeit übersetzbar ist).
Mein Vorschlag lautet also: Achte, liebe, schätze die Kontigenz, stelle dich ihr. Schaffe dein eigene Sprache. Erfinde dich selbst.