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"Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

QUIRL

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28. August 2012
Beiträge
325
Bevor ich einem der klügsten Köpfe der westlichen Hemisphäre (östliche kenne ich nicht so, weil die sich viel besser verstecken) öffenlich sein Hirn schrubbe, um andere von meinen überragenden Denkfähigkeiten zu überzeugen, lasse ich mir gerne mein Hirn von Euch schrubben ... - Es geht um Rolf Dobelli und sein Wissen, das er mit viel Medieninteresse gerade erfolgreich vermarktet.

Der in Luzern denkende und handelnde Schweizer (für mich nur geografisch ein Nebenösterreicher) behauptet in seinem neuen Buch "Die Kunst des klugen Handelns", in dem er 52 Irrwege aufzeigt, die wir besser anderen überlassen, Partnerbüchlein zum 2011 erschienen "Die Kunst des klaren Denkens", in dem er 52 Denkfehler aufzeigt, die wir besser anderen überlassen, meint, Denkfehler würden sich eigentlich gar nicht von Handlungsfehlern unterscheiden.

Mein Hirn sagt mir was anderes. Schon vom wichtigsten her, der Wirkung, unterscheidet sich Denken enorm von Handeln. Wikipedia liefert zum "Denken" annähernd doppelt so viele Worte wie zum "Handeln" und beide Artikel unterscheiden sich im Detail und insgesamt auch sehr. In der Zielsetzung und Wunschrealisierung wäre es mitunter von Vorteil, wenn sich Denken nur wenig vom Handeln unterscheiden würde. Doch ist das so eine Sache. Es gibt ja Leute, denen spucken die unmöglichsten Sachen im Kopf herum ...

Weiter meint er, und stützt damit das Wirkungsprinzip seiner Weisheiten, Grundlage seiner Bemühungen, Denkfehler und Irrwege anderen zu überlassen, damit nur in Denkfallen tappen, die seine Bücher nicht gekauft haben, wir wüßten nicht genau, was uns erfolgreich und glücklich macht. Weil wir nur wüßten, was uns am Erreichen des Optimalen hindere ...

Er erklärt das mit einer Anekdote: Michelangelo soll mal vom Papst gefragt worden sein, was das Geheimnis seines Genies sei. Und der habe darauf nur gemeint, er entferne einfach alles (vom Marmorblock), was nicht David sei. Dobelli schlußfolgert daraus, alle, die Vollkommenes erreichen möchten, wüßten nicht, wie es aussehe ... Doch wie kann man, um ein Meisterwerk zu schaffen, entfernen, was es letztlich ausmacht, wenn man keine genaue Vorstellung vom zu schaffenden Ergebnis hat ...? Offensichtlich wußte Michelangelo nicht nur sehr genau, wie der Goliathschreck werden muß. Er wußte auch, wie er mit Hammer und Meißel umgehen muß, damit aus einem Marmorblock eine Vorlage für vermutlich mehr als eine Million Nachbildungen wird, die in der ganzen Welt herumstehen.

Würden Hunz und Kunz, Otto Normalverbraucher und Lisa Mittelklasse nur Meisterwerke schaffen wollen, und bräuchten sie dazu niemanden, der ihnen reinschwätzt und auf irgendeine Weise am Ergebnis mithämmert, am Schluß auch die Hand aufhält, könnte man ja noch Verständnis entwickeln für so viel "Schwerdaneben".

Was meint Ihr, werte Denker?
 
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AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

Welcher Weg? Was ist gefährlich?
 
AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

Ich denke, Du stimmst mir zu, daß wir eigentlich nichts alleine zustande bringen. Selbst der Einsamste auf einer Insel braucht Sonne, Schatten und ab und zu das Bild eines schönen Mädchens im Kopf und sollte nicht ständig an seine kleine Palme pinkeln, von der er mal Kokosnüsse erwartet.

Also können auch gewöhnliche Werke nur mit anderen gelingen. Weiß man nun nicht, wie das Werk werden soll, wird der jeweils Mächtigere dem Davidle unter Umständen eine Riesengosche hinmeißeln und einen Minipimmel (damit seiner immernoch der Größte ist). Der Schwächere, der dem Hauer vielleicht nur den Hammer lieh (als Beteiligung, Teilhabe), kann dann vielleicht gerade noch für eine lange Nase sorgen im Gesicht von David, falls er Paul Watzlawik einen Hammer ausleihen muß ...

Wir stehen ja alle unter Termindruck, weil wir nicht nur Davids hauen und verkaufen. Überdies tun wir viele so oberflächlich, daß der Kommunikationspsychologe PW möglicherweise auch für einen gehalten wird, der ein großes Hammersortiment zuhause hat ... - Folglich ist es ein Unding, wenn zwei oder mehrere durch Konzentration auf den Abraum einer Skulpturherstellung ihr Gelingen garantieren sollen!

Und wenn viele so handeln und damit den Via Negativa gehen, den Weg der Konzentration auf's Reduzieren, Weglassen, die untereinander voneinander abhängig sind und vielfältige Beziehungen unterhalten, die ebenfalls nach diesem von Rolf Dobelli präferierten und forcierten Prinzip arbeiten, bekommt man genau das, was wir haben und beklagen, und kommt nicht weg davon.

Nachdem es schon seit vielen Jahren abwärts geht, beinahe ohne Verschnaufpausen, noch immer kein anhaltender Aufwärtstrend in Sicht ist, halte ich diesen Weg für gefährlich.
 
AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

die unmöglichsten Sachen im Kopf herum ...

Weiter meint er, und stützt damit das Wirkungsprinzip seiner Weisheiten, Grundlage seiner Bemühungen, Denkfehler und Irrwege anderen zu überlassen, damit nur in Denkfallen tappen, die seine Bücher nicht gekauft haben, wir wüßten nicht genau, was uns erfolgreich und glücklich macht. Weil wir nur wüßten, was uns am Erreichen des Optimalen hindere ...

Er erklärt das mit einer Anekdote: Michelangelo soll mal vom Papst gefragt worden sein, was das Geheimnis seines Genies sei. Und der habe darauf nur gemeint, er entferne einfach alles (vom Marmorblock), was nicht David sei.[/COLOR] [/COLOR]Dobelli schlußfolgert daraus, alle, die Vollkommenes erreichen möchten, wüßten nicht, wie es aussehe ... Doch wie kann man, um ein Meisterwerk zu schaffen, entfernen, was es letztlich ausmacht, wenn man keine genaue Vorstellung vom zu schaffenden Ergebnis hat ...? Offensichtlich wußte Michelangelo nicht nur sehr genau, wie der Goliathschreck werden muß. Er wußte auch, wie er mit Hammer und Meißel umgehen muß, damit aus einem Marmorblock eine Vorlage für vermutlich mehr als eine Million Nachbildungen wird, die in der ganzen Welt herumstehen.

Würden Hunz und Kunz, Otto Normalverbraucher und Lisa Mittelklasse nur Meisterwerke schaffen wollen, und bräuchten sie dazu niemanden, der ihnen reinschwätzt und auf irgendeine Weise am Ergebnis mithämmert, am Schluß auch die Hand aufhält, könnte man ja noch Verständnis entwickeln für so viel "Schwerdaneben".

Was meint Ihr, werte Denker?[/QUOTE]



heisst das nicht soviel wie er folgt seiner idee und lässt das hinter sich was er nicht braucht
 
AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

Ich denke, Du stimmst mir zu, daß wir eigentlich nichts alleine zustande bringen. Selbst der Einsamste auf einer Insel braucht Sonne, Schatten und ab und zu das Bild eines schönen Mädchens im Kopf und sollte nicht ständig an seine kleine Palme pinkeln, von der er mal Kokosnüsse erwartet.

Also können auch gewöhnliche Werke nur mit anderen gelingen. Weiß man nun nicht, wie das Werk werden soll, wird der jeweils Mächtigere dem Davidle unter Umständen eine Riesengosche hinmeißeln und einen Minipimmel (damit seiner immernoch der Größte ist). Der Schwächere, der dem Hauer vielleicht nur den Hammer lieh (als Beteiligung, Teilhabe), kann dann vielleicht gerade noch für eine lange Nase sorgen im Gesicht von David, falls er Paul Watzlawik einen Hammer ausleihen muß ...

Wir stehen ja alle unter Termindruck, weil wir nicht nur Davids hauen und verkaufen. Überdies tun wir viele so oberflächlich, daß der Kommunikationspsychologe PW möglicherweise auch für einen gehalten wird, der ein großes Hammersortiment zuhause hat ... - Folglich ist es ein Unding, wenn zwei oder mehrere durch Konzentration auf den Abraum einer Skulpturherstellung ihr Gelingen garantieren sollen!

Und wenn viele so handeln und damit den Via Negativa gehen, den Weg der Konzentration auf's Reduzieren, Weglassen, die untereinander voneinander abhängig sind und vielfältige Beziehungen unterhalten, die ebenfalls nach diesem von Rolf Dobelli präferierten und forcierten Prinzip arbeiten, bekommt man genau das, was wir haben und beklagen, und kommt nicht weg davon.

Nachdem es schon seit vielen Jahren abwärts geht, beinahe ohne Verschnaufpausen, noch immer kein anhaltender Aufwärtstrend in Sicht ist, halte ich diesen Weg für gefährlich.

Ich meine, es war kein Zufall, daß Michelangelo seinen David allein gemacht hat. Deiner Prämisse, daß Werke nicht allein getan werden könnten, stimme ich nicht zu. Wesentliches passiert durchaus (von) all-ein.

Aber, tatsächlich, im Falle einer Kooperation mehrerer Menschen kann das Weglassen von Überflüssigem natürlich nur dann zu einem befriedigenden Ergebnis führen, wenn die Vorstellungen über das, was stehenbleiben soll, tatsächlich deckungsgleich sind. Aus diesem Grund benutzen Architekten für die Durchführung eines Bauvorhabens, dessen handwerkliche Umsetzung sie anderen überlassen, einen Plan.
 
AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

heisst das nicht soviel wie er folgt seiner idee und lässt das hinter sich was er nicht braucht
Eben nicht.

Es sei denn, die Idee wäre, einen großen Marmorblock zu zertrümmern. Aber selbst, wenn dann zufällig, wie in Trance gesteuert, eine nackte Aphrodite dabei herauskommt, kann man davon ausgehen, daß dies kein Zufall war ...
 
AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

Ich meine, es war kein Zufall, daß Michelangelo seinen David allein gemacht hat. Deiner Prämisse, daß Werke nicht allein getan werden könnten, stimme ich nicht zu. Wesentliches passiert durchaus (von) all-ein.

Aber, tatsächlich, im Falle einer Kooperation mehrerer Menschen kann das Weglassen von Überflüssigem natürlich nur dann zu einem befriedigenden Ergebnis führen, wenn die Vorstellungen über das, was stehenbleiben soll, tatsächlich deckungsgleich sind. Aus diesem Grund benutzen Architekten für die Durchführung eines Bauvorhabens, dessen handwerkliche Umsetzung sie anderen überlassen, einen Plan.

Es gibt nicht das Geringste, was ohne Beteiligung anderer entsteht. Es geht ja nicht darum, die Welt zu beglücken, indem man alle dazu bringt, Meisterwerke der Bildhauerkunst zu schaffen, wofür wohl die meisten auch andere bräuchten, damit sie, während sie das tun, was zu essen und zu trinken haben. Auch die Leute, die dafür gesorgt haben, daß Michelangelo nicht aus dem Hemd fiel bei seinem Schaffen, hätten nach Rolf Dobellis Konzept in die Küche gehen müssen, und Pasta, Risotto rausschmeißen müssen, wenn der in seinem Atelier wild herumklopfende Schöpfer Davids Lust auf eine Pizza gehabt hätte.

OK, bohrst Du völlig allein, entstanden aus dem Nichts und ernährt vom Licht, das ja in gewisser Weise auch allein leuchtet, auch wenn bei näherem Hinsehen sehr wohl viele andere beteiligt sind, kann es natürlich sein bei der Konzentration auf den Abraum, daß dir irgendwann die Nase abfällt ...
 
AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

Schon das Äußern des Wunsches "Pizza" bedarf der Kenntnis vom Aussehen, der Beschaffenheit und dem Geschmack dieses Allerleikuchens. Der Pizzabäcker, dem es nur darauf ankäme, wegzulassen, zu reduzieren, müßte erst noch geschaffen werden. Doch wie ...?
 
AW: "Via Negativa" - Ein IRRWEG, gar gefährlich in unserer Zeit?

Schon das Äußern des Wunsches "Pizza" bedarf der Kenntnis vom Aussehen, der Beschaffenheit und dem Geschmack dieses Allerleikuchens.


Widerspruch!
Man kann sich auch wünschen, etwas zu probieren, das man noch nicht kennt!
Ich hab mir schon oft in anderen Ländern etwas von der Speisekarte ausgesucht, das mir nichts sagte, eben WEIL es mir nichts sagte! :schnl:
 
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120 Draufklicks inzwischen.

Denken ist wirklich so eine Sache. Mein Vater meinte gelegentlich, denken sei Glücksache. Und mit dem öffentlichen Präsentieren seiner Denke, ist das dann nochmal eine ganz andere Sache, obwohl es in der Anonymität hier ja nicht so sachlich werden muß ...

Nichts sagen ist nur für jene einfach, denen was sagen schwer fällt. Ich sage gerne was zu was. Und zieht man hier im Denkform all jene ab, die denken, um Denkfehler anderen zu überlassen uns sie auf Irrwege zu schicken, damit sie in Denkfallen tappen, müßten doch auch noch ein paar übrig bleiben, die was sagen könnten zu diesem Thema ...

Und wenn es nur -ich bin auch mit sehr wenig zufrieden- nur das wäre: Mensch Quirl, Du bist auf dem besten Weg, ein Quirl zu werden, der es schafft, daß sich alles um ihn dreht ...
:weihnacht
 
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