Hallo, Insti!
Ich nehme mal an, dass es Dir nicht gedient ist, wenn ich Dir sage, dass ich den „Steppenwolf“ als junger Mensch verschlungen habe. Zu dicht waren mir noch Fragen der Lebensbewältigung.Zu gewaltig beantwortete mir Hesse diese Fragen nicht. (Bedenke,dieses Werk war zu meiner Jungendzeit Zeitliteratur und der 2. WK war gerade vorbei.
Heute kann ich mit dem Pathos Hesses nicht mehr viel anfangen; am bsten gefällt mir noch der formale Aufbau: Fremdbeschreibung – Selbstbeschreibung, Wechsel der Sprachebenen.
Aber da Du doch „Material“ erhalten sollst von einem alten Deutschlehrerkrüppel, will ich Dir zwei zeitgenössische Beurteilungen abtippen: eine Pro, eine Contra.
„Ich lese den „Steppenwolf“, dies unbarmherzigste und seelenzerwühlendste aller Bekenntnisbücher, düsterer und wilder als Rosseaus „Confessions“.
........ Einsam, feindlich und ungerecht steht Hesse gegen unsre Zeit: aber nicht Hassvoll anklagend, sondern leidend als zerrissener Sonderling, die Fetzen seines Wesens in ihrem lärmenden Sturm flattern lassend. Ein echt deutsches Buch, großartig und tiefsinnig, seelenkundig und aufrichtig; analytischer Entwicklungsroman mit romantischer Technik, romantischen Wirrnissen wie die meisten großen deutschen Romane und wie die meisten Bücher Hermann Hesses. Jetzt sehe ich, dass alle seine Bücher im Grunde waren wie dieser „Steppenwolf“, nur nicht so grausam. Alle sind sie Selbstschau, Selbstbiographie, Zersplitterung des eigenen Ich: nicht aus Lust an der Analyse, sondern aus Sehnsucht, ein Einheitliches zu werden; sich selbst, das Wesentliche zu finden. “Kurt Pinthus
„So habe ich den mir so viel gerühmten „Steppenwolf“ gelesen ..... und habe davon ein gefühl zurückbehalten wie von einem schlechten, zu süßem geflavorten Pudding, wackelig,mit Knötchen drin „blanc mager. Dieser Steppenwolf, was für ein sentimentaler, selbstrührsamer Brei,ohne Struktur, ohne Figur, ohne Kontur, ohne die geringste Prägnanz, ohne wirkliche gründliche Ehrlichkeit, vor allem! Und diese Symbolik, dieser romantische Unfug, wie platt, wie dünn aufgelegt, wie töricht dabei. .....“ Erich kahler in einem Brief an Thomas Mann 6.12. 1947
Siehst Du, Insti, zwischen beiden Meinungen bewegt sich auch meine: heute kann ich es nicht mehr so „orientierungsgierig“ wie als junger Mensch lesen.
Liebe Grüße
Majanna