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Sprache und Charakter

Wie wäre es denn, wenn wir anstelle der Aussage, dass eine Sprache den Charakter
(auch wenn Robin sich inzwischen von "Charakter" verabschiedet hat, so geht es doch
um die Art der Interaktion mit der Umwelt) determiniert,

postulieren würden,
dass eine bestimmte Sprache bestimmte Interaktionsformen erleichtert ?

Genauso wie eine bestimmte Landschaft und das landschaftstypische Klima einen bestimmten
Typus zu begünstigen scheint (ich denke da an das eher bedächtige Eskimovölkchen,
im Kontrast zum eher leichtfüssigen Mittelmeer-Anrainer)
könnte das doch auch für die Sprache gelten.

Nicht determinieren, sondern erleichtern oder begünstigen,
das wäre meine Ansatz in dieser Frage.


lg nase
 
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Neugier schrieb:
um die Art der Interaktion mit der Umwelt) determiniert,

postulieren würden,
dass eine bestimmte Sprache bestimmte Interaktionsformen erleichtert ?

Genauso wie eine bestimmte Landschaft und das landschaftstypische Klima einen bestimmten
Typus zu begünstigen scheint (ich denke da an das eher bedächtige Eskimovölkchen,
im Kontrast zum eher leichtfüssigen Mittelmeer-Anrainer)
könnte das doch auch für die Sprache gelten.

Nicht determinieren, sondern erleichtern oder begünstigen,
das wäre meine Ansatz in dieser Frage.


lg nase
Na ja, das meinst nicht nur Du, sondern viele Sprachwissenschaftler vor Dir und ich habe diesen Gedanken schon weiter oben in diesem Thread eingebracht.Einer der ersten war eben Herder und nach ihm Wilhelm von Humbold. Dieser sah das so:"Die Sprache, in welcher Gestalt man immer sie aufnehmen möge, ist i m m e r e i n g e i s t i g e r A u s h a u c h eines n a t i o n a l e n i n d i v i d u e l l e n L e b e n s , je verschieden und eigentlich unübersetzbar" ( aao S.324f).


freundliche Grüße

Marianne
 
Salut!

Die Formulierung der Frage liess den Schluss zu, Charakter als die Eigenart eines Einzelnen zu verstehen. Nach wie vor bin ich der Meinung, die Sprache verändert diese Eigenart nicht. Du, Robin, hast Dich auch von dieser Definition distanziert. Betrachten wir aber diese Eigenart auch als eine Zusammensetzung auch Tiefen- und Oberflächenstrukturen, könnten wir sogar dabei bleiben -grins und ich gehe mit Dir konform. Nehmen wir dazu das Deutsch als Beispiel. Eine Sprache - drei Varietäten (D, A, CH). Warum hört sich die schweiz. Standardsprache (Hochdeutsch ist streng genommen ein Dialekt, Cel ;)) anders an als die österreichische oder deutschländische? Schon ist man bei der soziolinguistischen Angemessenheit und dem dazu adäquaten Verhalten sowie bei den Dialekten. Die Sprachen und Dialekte stehen dann im direkten Zusammenhang mit der Geschichte und Kultur des Landes, mit verschiedenen Landschaftsabschnitten etc. Sich dem sprachlichen Code zu fügen, ist sicherlich notwendig, denn eine Integration wäre sonst viel schwieriger, in einzelnen Gesellschaftsverbänden gar gänzlich unmöglich. Dabei denke ich nicht mal an Japan -grins.
Sprache ist eben mehr als nur ein Kommunikationsmittel, sie ist Ausdruck und auch Symbol der verschiedenen Entwicklungen, Kulturen etc. In dieser Eigenschaft interagiert sie mit dem Menschen und umgekehrt. Es ist aber durchaus möglich, ein Einzelner fühlt sich seinem Wesen nach, zu einer anderen 'Oberfläche' hingezogen, wie das Beispiel Deiner Kollegin zeigt.

Deinen Einwand, 'bis die Wissenschaft eine These bewiesen hat, befindet sich das Individuum bereits weiter', teile ich ebenfalls. Beweisführungen sind ein langwieriger Prozess. (Um Einwänden aus anderen wissenschaftl. Bereichen vorzubeugen: gemeint ist hier lediglich die Linguistik.)

Die Mehrsprachigkeit eines Individuum ist sicher ein Gewinn. Für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Wie aber verhält sich das mit der Mehrsprachigkeit eines Landes? Die wurde bis in die 2. Hälfte des 20. Jh. von der Regierungen als eine Störung der nat. Harmonie betrachtet und brachte einen Ethnonationalismus in Europa mit sich (Weissrussland, Ukraine, Ungarn, aber auch Elsass, Lothringen, Korsika, Bretagne). Die Schweiz ist hier ein Ausnahmefall, die Mehrsprachigkeit zwar auch nicht immer unproblematisch, aber doch seit dem 19. Jh. verfassungsmässig verankert. Dies und die Neutralität (während sich die anderen europ. Länder noch kriegerisch auseinandersetzten, führten die Schweizer keine Kriege mehr und waren schon eine Republik) mag vielleicht auch zu ihrer Gelassenheit -auch in der Sprache- geführt haben.
Den heutigen Zerfall der Sprachverbände lasse ich aus, den kennt Ihr natürlich alle und es gehört auch gar nicht zu der gestellten Frage.

Der Mensch kann ohne Vorbild seine Sprache nicht entwickeln. Sperrt man ein Baby mit einem Hund zusammen ein, wird es nicht sprechen lernen und nach Jahren dann nur noch fähig, ganz einfache Sätze zu erlernen, zu bilden. Die 'gegebene' Fähigkeit unterliegt einer zeitlichen Beschränkung - auch dazu gibt es Ensprechendes bei Chomsky und natürlich Beispiele aus der Praxis. Wie also schaffte es der darwinische Mensch? Womit ich wieder bei Liebi bin.
Liebi befasst sich eingehend nur mit der Morphologie, eben aus dem Grund, weil sie vom Menschen nicht verändert wurde - verändert werden kann, da unkreativ. Den Sprachwandel, den du anführst, kann er gar nicht bestreiten, tut er auch nicht.
Betrachte aber die Theorie etwas anders. Es ist einfacher, wenn man 'gottgegeben' für sich mit 'naturgegeben' ersetzt. Dann unterscheidet er sich gar nicht so sehr vom Chomsky, obwohl seine Definition eine ganz andere ist und er u.a. den Behavioristen angehört. Er widersetzt sich dann nur noch der nicht bewiesenen Theorie, dass sich die Sprache z.B. aus Tierlauten, Gesang, Gesumm ... entwickelte.
Seinen Ansatz der übernatürlichen Gabe Gottes 'uns' Fremdsprachen zu vermitteln, damit 'wir' zu allen Menschen der Erde das Gottes Wort bringen, kannst Du ruhig vergessen - auch er ist der Auffassung, diese Gabe sei mit der Zeit schwächer und schwächer geworden -grins.
Interessant ist einzig 'seine' Komplexitätsabnahme der Sprache im Wandel der Zeit. (Wenn er damit auch noch den Weltuntergang/die Verfallslehre aus der Bibel vergleicht, beachte ich es gar nicht und kommentiere es auch nicht!)
Er belegt aber, dass nicht nur z.B. das Ägyptisch morphologisch gesehen, komplexer was als unsere Sprache. Auch die Indianersprache z.B. sieht er ähnlich. Die Anzahl der Phoneme spielt dabei keine Rolle. Hast Du ja bereits auch erwähnt! Es gibt eben Sprachen mit einfachen und komplizierten Silbenstrukturen.

Die Sprache wirft noch so manche Frage auf. Aber es ist nicht nur einfacher, sondern auch plausibler zu glauben, dass es eine Sprache gab (die Tiefenstruktur), die sich in tausende spaltete - je nach Landschaft und Menschen, die sie besiedelten; je nach Bedingugen, die sie vorfanden; Kulturen, die sie bildeten etc. - also tausende von Oberflächenstrukturen bildeten, als zu glauben, dass die Affen uns das Sprechen lehrten. Das Liebi-Buch hiess ursprünglich 'Der Mensch - ein sprechender Affe' -grins. Beides, das darwinische wie auch das gottgegebene sind Glauben und nicht Wissen ;). Wobei für mich das 'naturgegeben' eben plausibler ist, weil es mehr Beweise gibt.

Die 100 verschiedenen Ausdrücke für 'Schnee' bei den Eskimos, bzw. den Glauben daran, haben wir dem amerikanischen Sprachforscher B.L.Whorf zu verdanken. Sie stimmen aber ganz und gar nicht! Davon vielleicht ein anderes Mal. Es war wieder zu viel, Marianne wird mich tadeln ;).

A bientôt!
 
majanna schrieb:
.... ich habe diesen Gedanken schon weiter oben in diesem Thread eingebracht ...

Ich wollte ja ohnehin nicht insinuieren, dass der Gedanke neu ist, sondern ganz einfach
diese Denkrichtung stärker in den Vordergrund rücken.

Die Annahme eines bestimmten Einflusses lässt sich ja viel leichter akzeptieren,
wenn dieser nicht zwingend gefordert, sondern als eine Möglichkeit verstanden wird,
die mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit auch zum Tragen kommt.

Das lässt dann auch noch genügend Freiraum für individuell abweichende Entwicklungen.

lg nase
 
Hallo, Jerome! Ihr anderen!
Warum soll ich den die Stirne runzeln anbetracht solch schöner Schreibfähigkeit GRINS?
Ich greife mal Jeromes Stichwort; Whorfthese – veraltet auf.

Na ja, ich gestehe, dass es schon etliche Jährchen her ist, dass ich das, worüber wir jetzt sprechen, mal wissen“ musste“ – Und frau wird vergesslich und Wissenschaft ändert ihre Meinungen auch. Also: ich denke bloß laut, Belehrung liegt mir fern!


Also, soweit ich weiß, sagt die Sapir-Whorfthese nicht viel anders aus, als dass im Übersetzerproblem auffällig wird, dass Sprecher verschiedener Sprachen „Welt“ anders benennen und empfinden. Das sagte eben auch schon Herder und W.v.Humboldt. Diese beiden waren – so weit ich weiß – die letzten, die sich von einem universalen Verständnis dessen was Sprache ist und woher sie kommt leiten ließen. Nach ihnen hat sich die Sprachwissenschaft in eine Unzahl von Teilbetrachtungsweisen aufgelöst.
Chomsky, der diese Erkenntnisse Humboldts und Herders erst nicht so recht wahr haben wollte, entwickelte mit seinen Theorien über Oberflächenstruktur ( der semantische Apparat aller Sprachen) und Tiefenstruktur ( die grammatische Umsetzung von Benennungen und Bezügen), die er Generative Grammatik ( Phasengrammatik) nannte ein zunächst sehr schlüssiges Modell zur Spracherklärung.
Im Laufe seiner Forschungen erkannte er aber auch die Mängel seines Systems, dass eben die generative Kraft der Transformationsregeln doch eingeschränkt ist. Ich sagte bereits, dass er später viel allgemeiner zwischen einem inneren und einem äußeren Aspekt der Sprache unterscheidet.
Und ich glaube, diesen inneren Aspekt sieht er in dem, was er auch Universalgrammatik nennt. „ Er ist der Ansicht, dass es in allen Sprachen gemeinsame Elemente gibt, die als linguistische Universalien bezeichnet werden können“/ Metzler, Philosophenlexikon 2003 S.. 137)

Er ist selber nicht mehr dazu gekommen, die Spannungen theoretisch aufzulösen, die sich aus der unbezweifelbaren Richtigkeit der Übersetzerprobleme, die eben auf verschiedener Weltsicht beruhen, was bereits in frühen Benennungsphasen der Sprachwerdungen begann und – muttersprachig transportiert – sich bis heute fortsetzt.

Um mal vom hohen Ross meiner Argumentation runter zu steigen.

Meine Elter waren aus Oberschlesien( heut Slask in Polen), einem Gebiet, in dem stets polnisch und deutsch sprachige Menschen nebeneinander existierten und beide Sprachgruppen sich in ihrem „ Mischmach“ gut verständigten.
Nun sagte meine Mutter – ausgewiesen deutschsprachig, mit Gut in Deutsch maturiert habend - , wenn sie uns Kinder mal von der Pelle haben wollte. „ Geht Euch in den Park, dort habt ihr es schön!“
Uns erschien das immer lustig, im Studium sollte ich erfahren, dass die slawischen Sprachen einen von uns germanischen unterschiedlichen Bezug im Erleben von Aktiv – und Passivbezügen haben.

Also ich finde, Robin hat – wie schon so oft – auf eine sehr interessante Frage hingewiesen.

Nun – so glaube ich – habe ich „ mein Pulver“ zu dieser speziellen Frage verschossen.
Auf dem Rückzugsgefecht:
Marianne
@Nase, ich habe Deinen Diskussionsansatz auch so verstanden, wie Du es gemeint hast.
Ich gehe völlig mit Dir konform - wenn ich Dich nicht missverstehe - , dass die gesellschaftlich/ psychologische Seite der Sprachwerdung viel stärker in Betrachtungen einbezogen werden müssten. Aber da bleibt eben so vieles hypothetisch , muss es bleiben- und da lassen die modernen Sprachforscher aus wissenschaftlicher Redlichkeit? die Finger von.

Marianne
 
Also gut, Robin. Wenn du den Buchtitel endlich richtig lernst :rolleyes: "Tokyo Tango"!, dann gebe ich zu, dass man nicht alles gleich gut übersetzen und umschreiben kann. Und auch, dass ich, obwohl mir das unheimlich gegen das Fell geht, mich dem jeweiligen Sprachgebrauch fügen muss oder sollte, will ich keine "schmerzhaften" Erfahrungen machen. Mein Charakter ändert sich nicht, manchmal aber mein Verhalten. So sage ich in Deutschland oder in der Schweiz nicht mehr, oder nur noch dort, wo ich mir sicher bin, dass es auch richtig verstanden wird: "ich liebe dich", weil ich damit seeeeehr schlechte Erfahrungen gemacht habe. Aber doof finde ich das trotzdem! Ich mag Vermicelles, ich habe Fisch gern, aber den Menschen, den liebe ich. Aber ich akzeptiere, dass nicht jeder dieses Empfinden hat und auch nicht "hört", wie ich es meine, also füge ich mich.
Es ist nämlich sehr unangenehm und peinlich, wenn jemand eine Anstellung in der Parfumbranche bekommt, weiss, dass ich Duft-süchtig bin und trotzdem, wenn ich sage: "Oh, ich liebe dich, heirate mich!" (in der Meinung, er weiss, dass ich schlecht bin und dabei nur alle Musterchen jetzt gratis in Hülle und Fülle zu bekommen versuche) mir tierisch ernst antwortet: "Meine Familie würde es aber schätzen, wir würden uns zuerst verloben." Wenn so was nur einmal passiert, tut man es vielleicht noch mit "Dummheit" ab, rettet sich irgendwie und hofft, nicht allzu grossen Schaden angerichtet zu haben. Geschieht das öfters, lernt man daraus, die Sprache auch landesüblich zu benutzen.

Klar ist auch, dass würde ich mich mit einem Eskimo über den Schnee unterhalten, würde ich sehr schnell an meine Grenzen stossen. Ein Meteorologe hätte eine etwas grössere Chance. Aehnlich aber würde es einem Eskimo ergehen, wollte er sich mit mir über Orchideen unterhalten. Die Sprache ist natürlich auch immer Milieu abhängig und das oft dermassen, dass sie "unübersetzbar" wird. Aber auch das ist relativ. Denn der Leser einer übersetzten Eskimo-Schrift hat das Wissen des Eskimo über den Schnee auch nicht, also genügt ihm eine möglichst gute Umschreibung, die den Sachverhalt nicht verändert. Wahrscheinlich würde er es sogar als lästig empfinden, man schwärme ihm über zwei Seiten lang von der Beschaffenheit des Schnees vor, die er gar nicht nachvollziehen kann. Liege ich da auch völlig falsch? Ich rede nicht von wissenschaflichen Schriften, sondern über Gespräche oder auch Belletristik, Filme usw. Uebersetzungen sind immer eine Frage der Verhältnismässigkeit. Je besser ich mich einfühlen kann, desto genauer kann ich übersetzen.

Es hat zwar nichts zur Sache, möchte aber doch bei den Tieren widersprechen, obwohl ich mich nur mit Mäusen, Schlangen und Pferden auskenne. Wenn man Charakter als Eigenart definiert, wie es Jérôme tat, kann man z.B. Pferden den Charakter nicht absprechen. Sie reagieren schon innerhalb einer Rasse sehr unterschiedlich, zeigen ihre Eigenart sehr früh. Möchte damit gewiss niemanden beleidigen, aber die Früherkennung ist ähnlich wie beim Kind *lool*. Durch den Einfluss der Erziehung (beim Menschen ist es natürlich wesentlich komplizierter) ändert sich das Verhalten, aber der Charakter bleibt.

:autsch:

PS: Marianne liest du noch mit? Will mich nur vergewissern, bevor ich mir da den Wolf schreibe :) .
 
Hallo again!

Ich will versuchen, einige der reichhaltigen Gedanken zu bündeln und noch einmal aufs Thema zu beziehen.

Aber zunächst mal: Tokyo Blues, Tokyo Tango - ich bin echt bescheuert! Aber interessant dennoch diese freud'sche Fehlleistung, denn sowohl Blues als auch Tango stehen für eine musikalische Codierung der Melancholie - und wie unterschiedlich sind sie doch! Und auffällig ist dann doch auch, dass es sowohl im Japanischen als auch im Deutschen keine (Volks-)Musikform gibt, die man in diesen Buchtitel hätte einsetzen können. Aber das spricht ja auch dafür, dass man es auf einer höherern Ebene schon längst mit einer "Weltgesellschaft" oder Ansätzen einer "Weltsprache" zu tun hat.

ALso um jetzt noch einmal aufs Thema zu kommen: Wir scheinen uns einig zu sein, dass bestimmte Sprachen bestimmte Ausdrucksformen erleichtern. Nun kann es ja darin liegen, dass wir als Deutschsprachler dann gewissen Sprachen Charaktere zuordnen; weil nämlich die Protagonisten eines bestimmten Ausdrucks in der jeweiligen Sprache besonders erfolgreich sind.
Natürlich gibt es in England Hools und Leute ohne Manieren - aber ein Sir Alec Guiness hat Signifikanz, weil bei ihm AUsdruck und Sprache zusammenzupassen scheinen.
Aus Holland kommen vor allem leutselige, fröhliche Quizgrößen - weil für uns das zum Holländischen passt!
Almodóvar spricht uns als Künstler an, aber auch weil er die spanische Melancholie so beispielhaft mit Erotik mischt.
Begnini erwähnte ich schon. Ich weiß nicht, ob Ivan Rebroff überhaupt Russe ist, aber über sein Kischee kommt er zum Erfolg. Usw.
Also haben wir es hier auch mit einer Wechselwirkung von Klischee und Klischeeerwartung zu tun, die dann in heutiger Zeit noch verstärkt medial verstärkt und oft dabei vereinfacht wird.
WIr haben also eine Entwicklung in zwei Richtungen: Zunächst die globale Anpassung durch Anglizismen oder andere Lehnwörter, eine Vereinfachung auch der SPrachen.
Auf der anderen Seite aber auch eine Regionalsierung (plötzlich muss sorbisch und katalanisch usw. gerettet werden) und ein Eigenleben der nationalen Klischees in den Medien.
Vielleicht werden sich daraus in Zukunft zwei Sprachebenen , grob gesagt, herausbilden, die aber nicht nebeneinanderstehen, sondern eher horizontal geschichtet sind - als je globaler und gesellschaftlich höherstehend das Thema, desto mehr in Richtung vereinfachter "Weltsprache"

Vielleicht entwickelt sich das Ganze auf ganz lange Sicht auch zu zwei SPrachblöcken: nämlich das Asiatische und das Englische.

Ich gebe zu, dass das alles Thesen sind, die die Grundlagen der Wissenschaft verlassen, aber hier darf man ja mal rumspinnen.

Aber das soll jetzt nicht der ABschluss der Diskussion sein. Ich muss sagen, dass mich dieses Thema fasziniert wie kaum ein zweites, also Sprache allgemein, und bin froh, dass hier so viel interessanter Input kommt, aus dem man noch ganz andere Diskussionslinien ableiten kann.

Ach zu Chomsky noch: Warum ist er eigentlich nicht mehr dazu gekommen, seine Thesen zu Ende zu spinnen? Weil er Anarchist wurde und die letzten Jahrzehnte damit beschäftigt, Amerikas kritischster Amerikaner zu sein (bis Moore ihm diesen Titel streitg machte ;)). Auch eine interessante Geschichte eigentlich...

Bis dann!
 
Hallo, Ihr Zwei!

Natürlich, Celine, lese ich noch mit und freue mich an Robins und Deinem Assoziationseifer. Ohne Ironie!!!!
Aber ich bin ein wenig schwerfällig im intellektuellen Beiseitereden - und bewundere Euch beide aufrichtig, denn es vermittel doch " eine unerhörte leichtigkeit des Seins".
Also: bis auf bald

Marianne

PS: Ich weiß es auch nicht, warum Chomsky nicht " bei seiner Sache" blieb. Wahrscheinlich war es ihm, wie jedem modernen Sprachwissenschaftler zu blöd, auf Empfindungen und Kreativität beim Sprachbegriff, Spracherwerb und Sprachgebrauch zu setzen. VERMUTUNG von Marianne :winken1:
 
majanna schrieb:
Ich greife mal Jeromes Stichwort; Whorfthese – veraltet auf.

Also, soweit ich weiß, sagt die Sapir-Whorfthese nicht viel anders aus, als dass im Übersetzerproblem auffällig wird, dass Sprecher verschiedener Sprachen „Welt“ anders benennen und empfinden...

Liebe Marianne

Da haben wir uns wieder missverstanden und ich bin nicht unschuldig daran.
Ich nannte zwar Whorf'sche These nicht veraltet, sagte aber, ihm haben wir 'den Schnee' bei den Eskimos zu verdanken. In Tat und Wahrheit ist er aber auch nicht schuldig -grins. Er war nur der erste Sprachforscher, der sich zu dem Thema in einem Artikel dahingehend äusserte, dass jeder Aggregatzustand des Niederschlags bei den Grönländern eine eigene Bezeichnung hat. Da die Lebensumstände und das Ueberleben in der Arktis mit der präzisen Wahrnehmung der Naturphänomene gekoppelt sind, Whorfs Begründung plausibel war, legten die Linguisten und Anthropologen richtig los und brachten eine ganze Schneelawine von Deutungen des Begriffs 'Schnee'. Die New York Times kreierte daraus gegen Ende der 80-er Jahre die Schlagzeile 'Eskimo haben 100 Wörter für Schnee'. Sie korrigierten sich in der Folge zwar mehrmals, das aber interessierte niemanden mehr.

Wenn es um unterschiedliche Begriffe geht -ohne gemeinsame Wurzel- so haben die Eskimos vier solche: aput = Schnee am Boden, gannerpoq = Schneefall, perserpoq = Schneetreiben und qimuqsuq = Schneeverwehung (vgl. Franz Boas, deutsch-amerikanischer Anthropologe). Alle anderen Beschreibungen werden durch Wortkupplungen und Suffixe gebildet - nicht anders als im Deutschen, Schneetreiben oder Schneeflocke etc. Differenzierter als bei uns wird der Schnee natürlich schon qualifiziert, aber keinesfalls mit hundert Wörtern.
Solcher Missverständnisse gibt es viele. 'Iglu' heisst auch nur 'Haus' und nicht wie fälschlich und unausrottbar 'Haus aus Schnee'. 'Igluksaq' wurde mit "Schnee für Iglu-Bau" übersetzt statt 'Material für Haus-Bau'. Das Schnee-Haus diente den nomadisierenden Jägern, je nach Standort lebten die Eskimos aber in Iglus (Behausungen) aus Treibholz oder in Erdhäusern aus Torf etc.

Whorfs Thesen wollte ich wirklich nicht angreifen -grins.

Übrigens, Eskimo küssen sich auch nicht mit der Nase ;).


Robin, so viel ich weiss, hat Chomsky seit 1993 keine linguistische Arbeit mehr geschrieben, soll aber weiterhin an seiner Transformationsgrammatik arbeiten. Anzahl politischen Publikationen und haufenweise Interviews zu allen Krisenherden und -situationen der Welt (The Attack, Unterstanding Power, Power and Terror und sicher noch mehr) gibt es von ihm. 'Geschadet' hat ihm vor allem sein Engagement im Fall Faurisson. Da wurde er für viele unglaubwürdig, weil ihn seine Vernunftsgläubigkeit in Unvernunft führte. Soll man bei der Verteidigung der Meinungsfreiheit wirklich so weit gehen, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob die Meinung ein Verbrechen sei?

Interessant, dass Du jetzt die zwei Sprachebenen oder zwei Sprachblöcke erwähnst. Ich überlegte schon ähnlich und auch: Zentralismus oder Regionalismus, EU-Lösung eher helvetisch oder balkanisch. Chomsky befürwortet generell Regionalismus, weil Zentralismus mit Demokratieverlust einhergeht.
 
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majanna schrieb:
Ich weiß es auch nicht, warum Chomsky nicht "bei seiner Sache" blieb.

Wahrscheinlich ...

... hat er kapiert, dass er als "Revoluzzer" in Amerika sehr viel mehr an Aufmerksamkeit
( und Geld ? ) ernten kann.

Chomsky hat zwar von einem deutlich höheren intellektuellen Niveau als Michael Moore
gestartet, dürfte aber zuschlechterletzt auf einem sehr ähnlichen Niveau gelandet sein.

Populismus und Public Relations haben halt so ihre eigenen Gesetzmässigkeiten,
egal, welche Ideologie damit unters Volk gebracht werden soll.


lg nase
 
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