• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Sprache und Charakter

R

Robin

Guest
Hallo, Salut, Hi, Buenos dias, Donald Duck, Salvete, bon giorno, miauuu-tschek!

Angeregt durch ein Intermetzel in einem anderen Thread, möchte ich eine dringende kulturhistorische Frage stellen:
Wie ist det mit die Charakter und die Sprache?

Ist Holländisch und Dänisch per se irgendwie lustig?
Sind im Französischen Eleganz aber auch Arroganz schon angelegt?
Ist Italienisch vor allem für Witzfiguren wie Begnini und Trappatoni geeignet?
Ist das Deutsche wirklich so hart und herrisch wie es Charles Chaplin in "Der große Diktator" so genial persifliert?
Versteifen sich tatsächlich die Rezeptoren aller Männer, wen eine Frau spanisch "Hooombre!" stöhnt?
Hängt der Schmäh im Österreichischen schon linguistisch drin, so wie es die Biederkeit im Schweizerischen tut?
Ist die Phonetik des Russischen schon von der Genese her traurig und schwermütig?
Ist das Vietnamesische enervierend wie die STimme einer Imbissverkäuferin, das Japanische pulsierend wie die Bewegungen eines Judoka, das Chinesische weise wie Konfuzius?
Kurz gesagt: Prägen sich Charakter und SPrache eines Volkes gegenseitig oder sind das alles nur Vorurteile, während sich in Wirklichkeit mit jeder Sprache alles ausdrücken lässt?
 
Werbung:
Salut Robin!

Einen Zusammenhang zwischen Sprache und Charakter zu suchen, ist m.E. sinnlos. Charaktereigenschaften oder auch nur gewisse nationale Eigenheiten werden nicht durch die Sprache geprägt, wohl aber vermittelt. Die Art der Vermittlung -u.A.- hilft Vorurteile prägen. Positive und negative. Wobei natürlich viele dieser Vorurteile in uns bereits durch Erziehung, Umgang, Geschichte, Bildung, etc. keimen, lange, bevor wir mit der jeweiligen Sprache in Berührung kommen/kamen.

Verstehen wir die Sprache, konzentrieren wir uns, unter Berücksichtigung des Vermittlers, eher auf den Inhalt der Kommunikation, was Vorurteile erst gar nicht aufkommen lässt, oder aber sie zementiert.
Verstehen wir die Sprache nicht, werden wir uns je nach Interesse, Faszination für das Fremde, Experimentierfreude und -bereitschaft auf den Klang der Sprache konzentrieren, die Melodie, den Rhythmus etc. konzentrieren, was ebenfalls für Sympathie oder Antipathie für die Sprache sorgen kann. Im besten Fall bleibt sie wertneutral. Konzentrieren wir uns in diesem Fall stärker auf den Sprechenden als auf die Sprache, wird das Resultat Sympathie/Antipathie vermutlich noch stärker, aber auch unfairer.

Es liesse sich wahrscheinlich sogar nachweisen. Hören wir uns verschiedene Nachrichtensprecher an, ohne sie zu betrachten und ohne auf den Inhalt der Nachricht zu achten. Sie alle vermitteln ihre Sprache sachlich, neutral, emotionslos. Es wird uns kaum einfallen, den einen als arrogant und den anderen als charmant zu nennen. Wir werden höchstens die eine Sprache -und auch Stimme- als angenehmer, melodischer empfinden. Die grosse russische Seele, die französische Arroganz oder die deutsche Rechthaberei... werden wir darin kaum entdecken.

Aus Erfahrung weiss ich, dass mir leider eine Sprache, die ich verstehe, wesentlich sympathischer ist, und somit auch bereit bin, dem Sprecher einen ersten Sympathiekredit einzuräumen -meist. Eine Ladung, egal wie sprechenden Touristen zählt nicht dazu, gebe ich zu. Wobei, wenn ich es mir besser überlege, gilt der erste Satz trotzdem. Eine Ladung kichernder Spanierinnen ist mir dann doch sympathischer und nervt mich wesentlich weniger schnell als eine Horde kichernder Asiatinnen, auch wenn diese anmutiger kichern und dabei die schönere Zähne zeigen. Ich empfinde sie trotzdem schneller als albern und anstrengend. Sie mögen mir verzeihen -grins. Vorurteilslosigkeit gibt es m.E. nicht und gehört aus dem Vokabular gestrichen ;).
 
Hallo, Robin!


Ich gebe zu bedenken, dass der individuelle Sprachgebrauch sehr wohl in Zusammenhang mit dem, was wir gemeinhin Charakter nennen - = Verhaltensprofil eines Menschen, geformt aus genetischem Erbe und kultureller Beeinflussung - zu sehen ist. Der/die, der/ die in der eigenen Sprache auch die Metaebene beherrscht, wird mehr in der Lage sein, anzugeben, was ihm/ihr "seine/ ihre" Sprache " bringt" und so möglicherweise nach dem Prinzip Input- Output auch Einstellungen und damit Charakter ändern können.Das gilt auch für Menschen, die perfekt mehrere Sprachen sprechen.

Von der bloßen Sprachstruktur auf nationale Besonderheiten zu schließen, ist, gelinde gesagt, kühn.Sprachwissenschaftler stellen allerdings Unterschiede der nationalen Grammatiken fest, z.B. im Russischen die Frage der Aspekte, die allerdings nur belegt, dass der russisch sprechende Mensch eine wesentlich höhere sprachliche Möglichkeit beim Sprechen hat, den Vorgang, den er berichtet, als abgeschlossen, beginnend oder verlaufend darzustellen als z.B ein deutsch Sprechender.


Aber da hast Du ja in Celine eine Auskunftsperson, die kompetent ist. Frage sie doch einfach, ob sie jeweils eine andere ist, wenn sie deutsch oder französisch spricht :) .


freundliche Grüße - preußisch bellend :winken1:

Marianne
 
War es nicht der höchst umstrittene Philosoph Martin Heidegger, der der deutschen Sprache per se eine Überlegenheit in punkto Wahrheitsfindung unterstellte?
In diese verdächtige Kerbe will ich natürlich nicht hauen, aber: Schon die Unterschiede der Schriftsprache generieren unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten. So kann man bei den asiatischen Symbolsprachen zum Beispiel Wörte/Ausdrücke kaum erweitern, zusammensetzen, umstellen. So liegt es dann nahe, dass diese Sprache zum Ausgleich eine blumige Metaphorik entwickelten, die - da kaum übersetzbar - in europäischer Rezeption gerne missgedeutet wird als besonders poetisch usw. Vielleicht ist diese Ausdrucksweise aber nur eine Notwendigkeit der Sprachkonzeption? Sprachwissenschaftler leiten von den Besonderheiten der asiatischen Sprachstruktur gar EInflüsse auf die Gesellschaftsstruktur ab...
Und was ist mit den Dialekten? Sollen wir wirklich verneinen, dass das Bayrische nicht nur gemütlicher klingt, sondern der Bayer auch gemütlicher ist? Liegt nicht schon in der Tatsache, dass es solche Vorurteile gibt ein Beweis für zumindest einen Kern ihrer Richtigkeit? Man soll nicht allzu vorurteilsbehaftet an einen Menschen herangehen, aber amputieren wir uns nicht eines kleinen Stücks Kultur, wenn wir zwischen VOlksgruppen und ihrer SPrache nicht zumindest schwache Zusammenhänge eingestehen?

Was wir an anderen SPrachen komisch finden, ist sicher das Verhältnis von Ähnlichkeit/Unähnlichkeit. So kommt uns Holländisch wg. der Ähnlichkeit zum Deutschen wie ein besonders bizarrer Dialekt vor - ständig hören wir etwas, was wir fast erkennen und das wirkt komisch. Das Vietnamesische hingegen wirkt komisch, weil es (im Gegensatz zum Japanisch, glaube ich) extrem auf Tonhöhenmodulation angewiesen ist: Die Silbe "Ma" kann je nach Melodie vier verschiedenen Bedeutungen haben! DIeser Singsang wirkt in der Tat bei uns aus völligem Unverständnis komisch und weil die Unterschiede betont werden müssen, bekommt die Sprache in unseren Ohren vielleicht auch etwas Angestrengetes...

Vielleicht noch eine erhellende Anekdote: Eine Schweizerin lebte lange in Berlin und arbeitete fürs Radio. Für die Züricher Heimat musste sie nun aber die Beiträge weiterhin in Züri sprechen - was ihr zunehmend schwerfiel - Und das nur nach ein paar Jahren! Sie sagte zu mir: Deutsch ist viel einfacher als Schyzerdeutsch! Wenn sie als Schweizerin das zu mir sagt, ist es dann ausgeschlossen, dass der halsbrecherische Dialekt der Schweizer z.B. langsames Reden forciert, woraus dann langsames Handeln und behäbiges Wesen zumindest mitresultieren?

Weiterhin auf dünnem wissenschaftlichen Eis wandelnd:
Robin
 
Hallo, Robin!

Du hast mich wieder „ ins Rumkramen“ gebracht.
Deine Worte über die Möglichkeit der Sprache, Charaktere, Volkscharaktere zu formen, erinnerten mich an J.G. Herder. – Du weißt schon; der mit „Stimmen der Völker in Liedern“
Und da erinnerte ich mich an einen Basisartikel über Sprachphilosophie – und den habe ich vor meiner Nase und den Äuglein: schön klein gedruckt.
Jetzt werde ich Dich mit seiner These „ beglücken“ – ÄTSCH: Du kannst Dich nicht wehren– außer Du liest nicht weiter – und das kann ich nicht kontrollieren und was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.


Schon Epikur ist der Ansicht, dass die Sprache nicht willkürlich, sondern schon von Natur aus ist. Er zieht somit den Kantschen Gedanken von der Sprache als a priori Leistung des Menschen schon irgednwie vor.. Epikur glaubt, dass die gemeinsam erfahrene Welt eines Volkes diese zu jeweils anderen Sprachen bringt .Ich lasse jetzt mal die anderen Ausdrucksmittel der Kommunikation weg – Affekte, Gestik , Mimik, Lautmalerei usw und komme zum Hauptgedanken der vergleichenden Sprachwissenschaft ( soweit ich weiß, ist ihr noch nicht wesentlich widersprochen worden).Jede Sprache beruht auf der inneren Vorstellungskraft der Sprecher – diese wird ihrerseits wieder transportiert und ändert sich allmählich – nicht zuletzt durch fremde. Einflüsse
Und jetzt komme ich zu Herder.
Er fragt, wenn wir meist mit ,in und oft nach der Sprache denken, was dann die Sprache ihre Grenzen gibt. Ähnlich wie ich es Dir schon sagte, sieht er sowohl Chance und Grenze im Humanen. In der Fähigkeit des Menschen, zu reflektieren.
Diese Reflexion „ ist ihm so natürlich als er ein Mensch ist“. Er beweist Reflexion, „ wenn die Kraft seiner Seele so würket, dass sie in dem ganzen Ocean von Empfindungen, der sie durch alle Sinne durchrauschet,, Eine Welle ... absondern , sie anhalten, die Aufmerksamkeit auf sie richten, und sich bewusst seyn kann, dass sie aufmerke... Der erste Aktus dieser Anerkenntniß gibt deutlichen Begriff; es ist das erste Urtheil der Seele – und – die Erste Merkmal der Besinnung war Wort der Seele. Mit ihm ist die meschliche Sprache erfunden.“ Herder (zitiert nach Sprachphilosophie in: Philosophie, Fischer Lexikon 11, S. 321 von Dr. Hermann Schweppenhäuser)
So erklärt Herder den Ursprung des Sprechens als einer der ersten auch als psychologischen Akt.
Herders Diktion ist ziemlich schwierig für uns heute. Aber ich „ übersetze“. Der Mensch lebte nun seit Beginn in jeweils andern Umgebungen und der Mensch als Gemeinschaftswesen „ besitzt ein „ sensorium commune, das ihn befähigt, das Wörterbuch der Natur zu lesen. Und die ist eben verschieden.

Du, ich weiß nicht, ob die Sprachwissenschafter das heute auch noch so sehen. Tatsache ist jedenfalls, dass Herder als erster auf den Zusammenhang zwischen der Natur, der Sprechfähigkeit des Menschen, die gleichzeitig auch Reflexionsfähigkeit ist, hingewiesen hat.
Zum Schluss noch ein wenig Herder pur: „ So wie nach aller Wahrscheinlichkeit das Menschliche Geschlecht ein Progressives Ganzes .... ausmacht : so auch alle Sprachen, und mit ihnen die ganze Kette der Bildung. In diesem gesichtspunkt wie groß wird die Sprache! Eine Schatzkammer Menschlicher Gedanken ... eine Summe der Würksamkeit aller Menschlicher Seelen.“ ( aaO. S.322)

Liebe Grüße

Marianne
Das Problem der Ähnlichkeit/ Unähnlichkeit zwischen Holländisch und Deutsch ist eher leicht zu klären. es sind beides sehr nahe germanische Sprachen. Die germanischen Sprachen sind außerdem im Wesentlichen Sprachen mit Stammbetonung - das macht sie auch ähnlich im Klang.
 
Sprache X Charakter und Sprachgebrauch X Charakter sind für mich zwei paar Stiefeln. Bei Sprachgebrauch X Charakter gehört dann auch noch unbedingt Intellekt dazu. Klar kann ich Einiges damit erreichen, wenn ich mich der Sprache zu bedienen weiss und vor allem kann. Aber werde ich damit zu einem anderen Menschen? Wohl kaum. Ich bleibe ich, gut oder schlecht oder je nach dem, egal, ob ich dabei gerade deutsch oder französisch, spanisch oder italienisch, einen der Schweizer Dialekte oder von mir aus Suaheli rede. Ich bleibe doch genau so stur oder aufbrausend oder schnell oder langsam denkend oder oder oder, vorausgesetzt, ich spreche alle diese Sprachen und Dialekte gleich gut.

Um es auch mal mit "grossen" Worten zu sagen ;): Spracherfahrungen eines Menschen erweitern sich in den kulturellen Kontexen, die er durchlebt. Alles interagiert miteinander und es bildet sich eine kommunikative Kompetenz. Mehrsprachigkeit bedeutet doch nur, dass man in verschiedenen Situationen flexibel auf die verschiede Teile dieser Kompetenz zurückgreifen kann. Vielleicht kommuniziert man dann effektiver. Vielleicht! (Der Intellekt...)

Kann man den Tieren einer höheren Stufe Charakterzüge absprechen? Sie haben ja keine Sprache, also dürften sie eigentlich auch keinen Charakter haben. Oder noch krasser: was ist mit den ersten Menschen? Waren sie charakterlos, nur weil sie noch keine Sprache hatten? (Warum gab es dann schon in den "Rudeln" Machtkämpfe?)

Robin, mit deinem Beispiel der Schweizerin in Berlin kann ich mich auch nicht anfreunden. Es gibt keinen halsbrecherischen Dialekt der Schweizer. Es sind derer viele. Jede Region hat einen eigenen. Das Schweizerdeutsch ist das, über was sich die Deutschen so gerne lustig machen. Vielleicht deswegen reden die Schweizer auch nicht gerne "Hochdeutsch". Und das Zürich-Deutsch ist meines Wissens, wenn nicht der schnellste, dann einer der schnellsten Dialekte in der Schweiz. Und echt schnell! Als langsam und behäbig werden in der Schweiz nur die Berner bezeichnet, ein Vorurteil, der aus der Sprache resultiert. War deine Kollegin anfangs langsamer und wurde mit dem Erlernen des Berliner-Dialekts schneller? Ich bezweifle es. Wie überall, gibt es auch in Zürich langsamere und schnellere Redner und Handler.

In der Karibik redet man je nach Insel z.B. englisch, französisch oder spanisch. Hat jemand vielleicht mehr Erfahrung, um zu sagen, wie sich die Menschen dort unterscheiden? Ich konnte höchstens wirtschaftliche Unterschiede feststellen, sonniges Gemüt und eine ausgesprochene Fröhlichkeit hatten sie alle, unabhängig davon, ob sie nun englisch oder französisch oder... sprachen. Die französisch Sprechenden waren nicht arroganter als die englisch Sprechenden und die englisch Sprechenden nicht steifer. Warum nicht, wenn die Sprache die Menschen so nachhaltig beeinflusst, wie es hier den Anschein macht?

Wir können nicht alles in jeder Sprache gleich einfach ausdrücken, aber sehr wohl beschreiben. Das vielleicht ist das Reizvolle an der Mehrsprachigkeit. Wenn mir ein Wort fehlt, müsste ich dafür einen Satz einsetzen, bediene ich mich aus einer anderen Sprache, vorausgesetzt mein vis-à-vis versteht die Sprache. Und natürlich auch: ich muss z.B. nicht in Deutsch fluchen, meine Oma kann ruhig "schlafen", ich nehme einfach "shit", das hätte sie nicht verstanden. Obwohl das deutsche Pendant viel reizvoller, viel saftiger wäre *loooool*.

:autsch:
 
Robin, die 'behäbigen' Schweizer sowie die 'gemütlichen' Bayern bringen mich im Zusammenhang mit Kindern auf eine Idee, die Dich vielleicht zufriedener stellt. Nach Naom Chomsky gibt es ein angeborenes grundlegendes Wissen über Sprache, welches in der ganzen Welt dasselbe ist = Tiefenstruktur der Sprache; die Oberflächenstruktur beziehe sich dann auf die Sprache einer spezifischen Region. Obwohl einige Theorien Chomsky' schon wieder veraltet sind, begründet diese die heutige Psycholinguistik = Sprache, als Ergebnis einer komplexen Interaktion zwischen der Stimulation der Umwelt und biologischen Grundlagen zu sehen. Diese Theorie ersetzte anno weiss ich nicht den Behaviorismus -Theorie, den Spracherwerb als einen Prozess der Verstärkung zu sehen, also wie z.B. das 'abgeschaute' Verhalten. Dagegen sprach vor allem, dass Kinder beim Sprechen oder Schreiben Fehler machen, die sie nie gehört oder gesehen haben sowie auch die Geschwindigkeit, mit der sie die Sprache erlernen.
Es gibt extrem grosse Unterschiede in der Anzahl Wörter, die Kinder z.B. im Alter von ca. 1,5 Jahren kennen. Diese variiert von 8 bis 160 Wörtern, ø liegt bei 50. Es besteht aber absolut kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Wörter und einer Sprache oder einem Dialekt, einem Land oder einer Region, der Intelligenz der Kinder oder dem Status der Eltern. Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass die Kinder eine ev. spätere Gemütlichkeit oder Behäbigkeit bereits mit den ersten Worten übernehmen.

Cel hat auf die Evolution hingewiesen. Da kann ich es mir nicht verkneifen, auf ein Buch aufmerksam zu machen. 'Linguistik contra Evolution' von R. Liebi.
Befasst sich eingehend mit den Sprachen, ihrer Herkunft und Entwicklung. Die Hauptthese: 'Die empirisch feststellbaren Fakten der modernen Linguistik widersprechen den evolutionistischen Theorien über den Ursprung der menschlichen Sprachen, harmonieren aber mit den biblischen Aussagen bez. Herkunft des Phänomens Sprache'.
Natürlich ist es nicht erquickend, Argumente gegen die Evolutionstheorie zu lesen, rein linguistisch aber höchst interessant. Der Autor leistet sich zwar einige Ungenauigkeiten und auch Fehler, die Lektorin arbeitete auch nicht ganz seriös, aber für jeden Interessierten doch ein Buch mit hohem wissenschaftlichen Anspruch.
 
Hallo, Jerome-
abgesehen davon, dass es Rob mit seiner interessanten Frage fertig gebracht hat, dass ich mich in einem uralten ( 60ziger Jahre) im Heideggerschen Stile verfassten Sprachphilosophieüberblick " rumtreibe" - bin schon! bei den Scholastikern, möchte ich doch auf etwas hinweisen.
N. Chomsky hat in seinen späteren Jahren durchaus auf Ähnlichkeiten seiner Generativen Grammatik ( Tiefenstruktur ermöglicht eine Unzahl von Sprechakten der Oberflächenstruktur) mit Gedanken von u.a. Herder hingewiesen.
Beide fassen die Sprache auf eine spezifisch menschliche Fähigkeit auf, die angeboren ist.Die wichtigste Eigenschaft der Sprache ist ihre Kreativität ( Vielfalt der Oberflächenstruktur).Ich habe z.B. im Unterricht der Unterstufe mitunter Element der generativen Grammatik verwendet, um dies den Schülern im eigenen Tun offenbar zu machen.Ich schrieb ein Grammatikdiktat auf die Tafel. z.B. Su - Pr - modale Angabe.( in Wirklichkeit viel schwerer) Die Kinder mussten dann diese Struktur mit " Sinn", also kreativ füllen.Von" Meine Katze miaut laut. "bis zu , " Ich esse gern" war alles drin.Ihr werdet es nicht glauben, aber die lieben Kleinen bettelten oft um solch eine lustige Grammatikstunde.
Aber zu Chomsky und Herder:Bestimmte Strukturen sind allen Sprachen gemeinsam, sagen beide.
Was Chomsky Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur nennt, nennt Herder und andere Cartesianer den inneren und äußeren Aspekt der Sprache.

Und, liebe Celine: ich bin ganz bei Dir, wenn ich nichts davon halte, dass es Nationalcharakter gibt, die durch Sprache entstanden sein sollen, bin aber sehr wohl der Ansicht, dass die bewusste Anwendung von Sprache z.B. die Intelligenz des Sprechers erweitern. Ich habe das im Unterricht beobachtet. Je mehr meine Schüler wussten, was sie schrieben ( die Struktur beherrschten), desto schärfer wurde ihre Denkfähigkeit. Denke da mal z.B. an die vielen Möglichkeiten, kausale Beziehungen auszudrücken. Wenn ich weiß, dass es einen konsekutiven Gliedsatz gibt, kann ich Wenn -Dannbeziehungen auch leichter im allgemeinen Denkprozess erkennen und anwenden.

Und Herder wies eben auch auf diese "Würksamkeit" - Interdependenz zwischen Wirklichkeit, Sprecher und Sprache hin.


Aber jetzt Schluss: Meine Zeit ist um......
Marianne
 
Ich lass nicht locker, bin aber nicht foot loose...

Tja, liebe Leute, jetzt wollte ich auch mit Chomsky kommen, aber ihr ward zuerst ;) Der kam mir nämlich auch in den Sinn, als Marianne Herder zitierte...
Aber gut, ich werde die Sache von einer anderen Seite aufzäumen. Zunächst werde ich den Begriff "Charakter" streichen. Ihr habt Recht, von einem National- oder Sprach-Charakter zu sprechen ist unseriös. Ich ersetze den Begriff also durch "Gesellschaftsstruktur".
Dahinter steckt der Gedanke, dass die Semantik einer Sprache die Gesellschaftsstrukur prägt. WIe geht das? Nun, die Sprache stellt Codes zur Verfügung, die dann durch Kommunikation zu Leben erweckt werden und wieder zurückwirken, auf die Individuen, die die Codes verwenden und weiterentwickeln. Ein kurzes Beispiel, dass ich schon bei Diskussionen über die Liebe verwendet habe: "Der Code [der Liebe] ermutigt, entsprechende Gefühle zu bilden. Ohne ihn würden die meisten, meint La Rochefoucauld, gar nicht zu solchen Gefühlen finden." Zitat der Rückseite von "Liebe als Passion", N. Luhmann
Da Liebe aber in verschiedenen Sprachen unterschiedlich codiert wird, werden sich auch die Ausdrucksformen der Liebe unterscheiden, vielleicht sehr gering in Ländern innert Europas, vielleicht aber erheblich in Ländern, die räumlich und sprachlich weiter entfernt sind.
Ein kleines weiteres Beispiel habe ich, glaube ich, auch schon angeführt: Im Englischen wird zwischen Elternliebe und geschlechtlicher Liebe - von der Spache her!- weniger scharf unterschieden als im Deutschen. Man sagt also auch zu seinen Kindern: "ich love you", auch zu Freunden, was man im Deutschen m.E. nur in emotionalen Extremsituationen tut. Dadurch ist Love etwas anderes als Liebe. Und diese leichte Verscheibung MUSS, wenn man von der Wechselwirkung zwischen Gesellschaftsstruktur und Semantik ausgeht, eine Auswirkung auf die Kommunikation und damit auf die Individuen des englischsprachigen Raumes haben. Dies als unterschiedlichen Charakter zu definieren, ja überhaupt diese geringfügige Differenz vernünftig beschreiben zu können, ist sicher unseriös, aber sie existiert.

Jérôme, ich habe nicht behauptet, dass sich diese Unterschiede im Frühkindlichen zeigen. Ich glaube sogar ganz im Gegenteil, dass sie sich erst beim gereiften Menschen zeigen, denn erst der untersteht ja massiv dem Zwang und hat die Kompetenz, sich den sprachlichen Codes "zu fügen"!
Ich will das japanische Beispiel wieder aufgreifen: Wir wissen aus Beschreibungen, dass es den Japanern quasi unmöglich ist, Missbehagen, Kritik direkt auszusprechen. Daher verstecken sie diese in wolkenreichen Andeutungen. Wie auch immer sich diese Konvention entwickelt haben mag: Es ist klar, dass sie sprachlich ihren Ausdruck gefunden hat, durch ein Übermaß an "absurden" Höflichkeitsformeln. Und es ist doch glasklar, dass dieses Repertoire an Höflichkeitsfloskeln zurückgewirkt hat und die Konvention, die ja einmal nur schwach ausgeprägt gewesen sein mag, rekursiv verstärkt hat! Das hat dann nichts damit zu tun, ob "die" Japaner unehrlich sind, das sage ich nicht, aber der sprachliche Code im Verbund mit der Konvention lässt ihnen wenig Spielraum.
Und denkbar ist doch auch: Die Tatsache, dass die asiatischen Sprachen Symbolschriften benutzen, hat ihren Metaphernreichtum erhöht und dieser hat dann schnell ein Repertoire bereitstellen können, für das blumige "Drumherumreden". Und vielleicht ist es gar der speziellen Struktur der SPrache zu verdanken, dass sich die extreme Flut an Höflichkeitsfloskeln, die es ja auch früher in Europa gab, länger halten konnte, weil diese Strukturen wegen der "Blockhaftigkeit" der Sprache weniger "geschliffen" werden.

Wie man dem von mir gelobten Buch "Tokyo Blues" entnehmen kann, erscheint diese Konfliktvermeidungsstrategie dem Europäer nicht sehr sympathisch, weil damit eine fast gänzlich fehlende Aufarbeitung der japanischen "dunklen Flecken" in ihrer Geschichte einhergeht. WIe gesagt, den Japanern dann einen bestimmten Charakter zusprechen zu wollen, ist gefährlich, denn diesen formulieren wir ja mit unserer Sprache. Die Japaner verstehen nicht, was für ein Problem wir damit haben könnten - denn genau dieses Problem, die Differenz in der Gesellschaftsstruktur ist unübersetzbar

Jetzt widerspreche ich auch noch Céline: Wenn du behauptest, man könne in verschiedenen Sprachen Sachverhalte gleich gut beschreiben. Ich sage: Kann man nicht. So wie es eben in der Sprache der Eskimos Worte für Schnee gibt, die wir auch mit ellenlangen Umschreibungen nicht ersetzen können, so gibt es auch zwischend dem Deutschen und Französischen Differenzen, die nicht durch Austausch zu verdecken sind. Sie fallen nur nicht groß auf. Und diese Unterschiede mögen nicht für den Charakter prägend sein - aber für die Ausdrucksweise und die Komplexität, wie Marianne sagt.
Jetzt mögt ihr einwenden, es sei prägender, mehrere Sprachen zu lernen, als die Tatsache, welche Sprachen man lernt. Ich behaupte, beides hat einen Einfluss. Es hat Rückwirkung auf das Individuum, ob es nun isländisch oder französisch zusätzlich lernt, davon bin ich überzeugt.

Zum Schluss möchte ich noch auf das Beispiel der Deutschen hinweisen, die nach Amerika gehen und dann nur noch englisch sprechen, sich sogar weigern, mit einem deutsch zu sprechen. Natürlich nicht alle, aber ein paar habe ich kennengelernt. Meine Theorie ist, dass dies Exemplare sind, denen die Tatsache, Deutsche zu sein, Minderwertigkeit oder gar Selbsthass eingibt, während ihnen das amerikanische Englisch Coolheit und neues Selbstbewusstsein einimpft. Sie flüchten in eine andere Sprache, streifen das Deutsche ab, versuchen einen "Reset" ihres Charakters über die Sprache und hassen es, darauf hingewiesen zu werden, wo sie herkommen. Dies deutet m.E. darauf hin, wie stark die Wechselwirkung zwischen Sprache und Ausdruck der Persönlichkeit empfunden werden kann...

P.S. EInen eigenen Thread wäre es wert, ob Tiere einen Charakter haben können. Ich behaupte, sie können keinen haben - dies zeigt aber auch, dass das ganze Problem eng mit der Definiton von "Charakter" zu tun hat.
P.P.S. Ihr habt mich bei dem Beispiel der Schweizerin widerlegen können, obwohlich nicht ganz überzeugt bin - ich fand alle Schweizer langsamer als die Deutschen, oder sagen wir: gelassener; Ob in Solothurn, Luzern, Bern oder Zürich. Nun gut. Aber wenn diese Schweizerin meinte, dass ihr das Hochdeutsch besser liege, also sozusagen mehr zu ihrem Charakter passe, dann muss diese Eigenschaft ja auch in der Sprache angelegt sein, die ja letztendlich menschengemacht ist, oder?
 
Werbung:
Guten Morgen und P.P.P.S:
Selbst wenn man den Theorien von Herrn Liebi folgte und sagt, sie Sprache sei gottgegeben, so könnte man doch niemals abstreiten, dass Sprache seit ihrer Schöpfung einer permanenten Evolution unterliegt. Im Gegensatz zur biologischen Evolution ist sie sogar direkt beobachtbar, weil sie so rasend schnell vonstatten geht! Man schaue sich nur einen Film aus den 80ern oder 50ern an: Wer will denn bestreiten, dass Diktion, Wortwahl, Semantik sich verändert haben und zwar so stark, dass man fast sagen könnte, die Sprache habe damals einen anderen Charakter gehabt...besonders stark bei Milieu-Filmen: Habe neulich einen Film gesehen, der im Kreuzberg der 90er spielt und habe gedacht, ich bin auf dem Mars...dabei war ich dabei!
Ich behaupte sogar: Die Wandlung der Sprache geht ZU schnell einher, um sie wissenschaftlich zu fassen; für Charakter- und Sprachwandel hat ein normal beobachtendes Individuum ein feineres Sensorium, die Wissenschaft kommt mit ihrem trägen Mess- und Statistikapparat nicht hinterher.
 
Zurück
Oben