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Nietzsches Angelhaken

Mongi

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22. Januar 2010
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2.176
Nietzsche fasste Ende des Jahres 1888 den Plan, über das Grundgerüst seiner Seele, seines Lebens und seiner Werke in Zusammenhang vor sich und der Welt Rechenschaft abzulegen.Die Autobiographie Ecce homo ist die Frucht dieses Entschlusses.


Ich zitiere aus Ecce homo: Er schreibt zu Jenseits von GUT UND BÖSE:


>>> JENSEITS VON GUT UND BÖSE.
Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. Die Aufgabe für die nun mehr folgenden Jahre war so streng als möglich vorgezeichnet. Nachdem der jasagende Teil meiner Aufgabe gelöst war, kam die neinsagende, neintuende Hälfte derselben an die Reihe: Die Umwertung der bisherigen Werte selbst, der große Krieg, - die Heraufbeschwörung eines Tages der Entscheidung. Hier ist eingerechnet der langsame Umblick nach Verwandten, nach solchen, die aus der Stärke heraus zum Vernichten mir die Hand bieten würden.- Von da an sind alle meine Schriften Angelhaken: vielleicht verstehe ich mich so gut als jemand auf Angeln?...
Wenn nichts sich fing,so liegt die Schuld nicht an mir.
Die Fische fehlten....<<<

Nun so frage ich gut 120 Jahre später. Wer hat inzwischen angebissen und wie definiert der Mensch des 21. Jahrhundert den Begriff: GUT?
 
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AW: Nietzsches Angelhaken

Mit diesem Nietzsche hab´ ich es nicht so ... wirkt irgendwie biestig und unbescheiden auf mich.

Für mich ist das GUTE das Wohlbefinden. Aus meiner Sicht ist Wohlbefinden ein freudvoller Mix aus Anspannung und Entspannung, Problemen und Lösungen, erfüllten und unerfüllten Bedürfnissen usw.
Das GUTE zeigt sich in Gesundheit, Zufriedenheit (auch Friedlichkeit) durch die weitgehende Abwesenheit von Schmerz und Leid und die häufige Anwesenheit von herzlichem Humor und Lächeln. :)
 
AW: Nietzsches Angelhaken

Mit diesem Nietzsche hab´ ich es nicht so ... wirkt irgendwie biestig und unbescheiden auf mich.

Für mich ist das GUTE das Wohlbefinden. Aus meiner Sicht ist Wohlbefinden ein freudvoller Mix aus Anspannung und Entspannung, Problemen und Lösungen, erfüllten und unerfüllten Bedürfnissen usw.
Das GUTE zeigt sich in Gesundheit, Zufriedenheit (auch Friedlichkeit) durch die weitgehende Abwesenheit von Schmerz und Leid und die häufige Anwesenheit von herzlichem Humor und Lächeln. :)
Und das ist nun wirklich eine Definierung JENSEITS von gut und böse!
:blume2:
Gruß Mongi
 
AW: Nietzsches Angelhaken

einer der bei nietzsche anbeissenden fische wäre für mich rudolf steiner, leiter der theosophischen sektion deutschland , begründer der anthroposophie und der waldorfschulen.........

hier von ihm eine abhandlung über nietzsche..: Nietzsche ein kämpfer gegen seine zeit ..
http://anthroposophie.byu.edu/schriften/005.pdf
 
AW: Nietzsches Angelhaken

1. Nietzsches Philosophie ist der Versuch, über diese Dichotomie Gut - Böse hinwegzukommen; folglich ist die Frage, was "gut" sei ein Rückfall hinter Nietzsche (und wenn man sich die diversen ethischen Theorien anguckt, ist sie immer noch - je nach Standpunkt - sehr unterschiedlich definiert).

2. Wenn man mit den anbeißenden Fischen diejenigen meint, die immer wieder auf Nietzsche fußten, auf seine Gedanken zurückgriffen, so sind neben Rudolf Steiner eine Menge Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts zu nennen, von Thomas Mann über Hermann Hesse bis Martin Walser. Ich glaube aber, genau das meinte Nietzsche nicht, er wollte keine "Anhänger" haben.

3. Nietzsches Philosophie ist keineswegs überheblich oder gar verbiestert. Man lese nur die "Fröhliche Wissenschaft" oder die "Morgenröte", von "Menschliches - Allzumenschliches" oder dem Zarathustra ganz zu schweigen...
 
AW: Nietzsches Angelhaken

http://www.textlog.de/21557.html

Der Wille zum Leiden und die Mitleidigen


338.
Der Wille zum Leiden und die Mitleidigen. — Ist es euch selber zuträglich, vor Allem mitleidige Menschen zu sein? Und ist es den Leidenden zuträglich, wenn ihr es seid? Doch lassen wir die erste Frage für einen Augenblick ohne Antwort. — Das, woran wir am tiefsten und persönlichsten leiden, ist fast allen Anderen unverständlich und unzugänglich: darin sind wir dem Nächsten verborgen, und wenn er mit uns aus Einem Topfe isst. Überall aber, wo wir als Leidende bemerkt werden, wird unser Leiden flach ausgelegt; es gehört zum Wesen der mitleidigen Affektion, dass sie das fremde Leid des eigentlich Persönlichen entkleidet: — unsre "Wohltäter" sind mehr als unsre Feinde die Verkleinerer unsres Wertes und Willens. Bei den meisten Wohltaten, die Unglücklichen erwiesen werden, liegt etwas Empörendes in der intellektuellen Leichtfertigkeit, mit der da der Mitleidige das Schicksal spielt: er weiß Nichts von der ganzen inneren Folge und Verflechtung, welche Unglück für mich oder für dich heißt! Die gesamte Ökonomie meiner Seele und deren Ausgleichung durch das "Unglück", das Aufbrechen neuer Quellen und Bedürfnisse, das Zuwachsen alter Wunden, das Abstoßen ganzer Vergangenheiten — das Alles, was mit dem Unglück verbunden sein kann, kümmert den lieben Mitleidigen nicht: er will helfen und denkt nicht daran, dass es eine persönliche Notwendigkeit des Unglücks gibt, dass mir und dir Schrecken, Entbehrungen, Verarmungen, Mitternächte, Abenteuer, Wagnisse, Fehlgriffe so nötig sind, wie ihr Gegenteil, ja dass, um mich mystisch auszudrücken, der Pfad zum eigenen Himmel immer durch die Wollust der eigenen Hölle geht. Nein, davon weiß er Nichts: die "Religion des Mitleidens" (oder "das Herz") gebietet, zu helfen, und man glaubt am besten geholfen zu haben, wenn man am schnellsten geholfen hat! Wenn ihr Anhänger dieser Religion die selbe Gesinnung, die ihr gegen die Mitmenschen habt, auch wirklich gegen euch selber habt, wenn ihr euer eigenes Leiden nicht eine Stunde auf euch liegen lassen wollt und immerfort allem möglichen Unglücke von ferne her schon vorbeugt, wenn ihr Leid und Unlust überhaupt als böse, hassenswert, vernichtungswürdig, als Makel am Dasein empfindet: nun, dann habt ihr, außer eurer Religion des Mitleidens, auch noch eine andere Religion im Herzen, und diese ist vielleicht die Mutter von jener: — die Religion der Behaglichkeit. Ach, wie wenig wisst ihr vom Glücke des Menschen, ihr Behaglichen und Gutmütigen! — denn das Glück und das Unglück sind zwei Geschwister und Zwillinge, die mit einander groß wachsen oder, wie bei euch, mit einander — klein bleiben! Aber nun zur ersten Frage zurück. — Wie ist es nur möglich, auf seinem Wege zu bleiben! Fortwährend ruft uns irgend ein Geschrei seitwärts; unser Auge sieht da selten Etwas, wobei es nicht nötig wird, augenblicklich unsre eigne Sache zu lassen und zuzuspringen. Ich weiß es. es gibt hundert anständige und rühmliche Arten, um mich von meinem Wege zu verlieren, und wahrlich höchst "moralische" Arten! Ja, die Ansicht der jetzigen Mitleid-Moralprediger geht sogar dahin, dass eben Dies und nur Dies allein moralisch sei: — sich dergestalt von seinem Wege zu verlieren und dem Nächsten beizuspringen. Ich weiß es ebenso gewiss: ich brauche mich nur dem Anblicke einer wirklichen Not auszuliefern, so bin ich auch verloren! Und wenn ein leidender Freund zu mir sagte: "Siehe, ich werde bald sterben; versprich mir doch, mit mir zu sterben" — ich verspräche es, ebenso wie mich der Anblick jenes für seine Freiheit kämpfenden Bergvölkchens dazu bringen würde, ihm meine Hand und mein Leben anzubieten: — um einmal aus guten Gründen schlechte Beispiele zu wählen. Ja, es gibt eine heimliche Verführung sogar in alle diesem Mitleid-Erweckenden und Hilfe-Rufenden: eben unser "eigener Weg" ist eine zu harte und anspruchsvolle Sache und zu ferne von der Liebe und Dankbarkeit der Anderen, — wir entlaufen ihm gar nicht ungerne, ihm und unserm eigensten Gewissen, und flüchten uns unter das Gewissen der Anderen und hinein in den lieblichen Tempel der, "Religion des Mitleidens". Sobald jetzt irgend ein Krieg ausbricht, so bricht damit immer auch gerade in den Edelsten eines Volkes eine freilich geheim gehaltene Lust aus: sie werfen sich mit Entzücken der neuen Gefahr des Todes entgegen, weil sie in der Aufopferung für das Vaterland endlich jene lange gesuchte Erlaubnis zu haben glauben — die Erlaubnis, ihrem Ziele auszuweichen: — der Krieg ist für sie ein Umweg zum Selbstmord, aber ein Umweg mit gutem Gewissen. Und, um hier Einiges zu verschweigen: so will ich doch meine Moral nicht verschweigen, welche zu mir sagt: Lebe im Verborgenen, damit du dir leben kannst! Lebe unwissend über Das, was deinem Zeitalter das Wichtigste dünkt! Lege zwischen dich und heute wenigstens die Haut von drei Jahrhunderten! Und das Geschrei von heute, der Lärm der Kriege und Revolutionen, soll dir ein Gemurmel sein! Du wirst auch helfen wollen: aber nur Denen, deren Not du ganz verstehst, weil sie mit dir Ein Leid und Eine Hoffnung haben — deinen Freunden: und nur auf die Weise, wie du dir selber hilfst: — ich will sie mutiger, aushaltender, einfacher, fröhlicher machen! Ich will sie Das lehren, was jetzt so Wenige verstehen und jene Prediger des Mitleidens am wenigsten: — die Mitfreude!


Ein Aufruf zur Mitfreude!





 
AW: Nietzsches Angelhaken

ein anderer "fisch" bei nietzsche war lou andreas-salome
nietzsche und freud schülerin, bedeutende psychoanalytikerin..

wie steiner schrieb sie auch ein abhandlung über nietzsche welche von steiner in seiner oben genannten schrift ziemlich hart kritisiert wurde.

insbesondere ging es um nietzsche seine "ewigen wiederkehr des gleichen"
nach salomes auslegung war es eine gegenstellung zu schoppenhauers buddhistisch geprägten pessimismus.

während schoppenhauer und ähnliche das leben eher als feindlich betrachten und die höchste erlösung im "verlassen" der welt und ihrer dialektik sehen (inklusive ihrer seelenwanderung)

steht bei nietzsche die lebens und weltbejahung im vordergrund
man kehrt ewig wieder und der sinn des lebens ist dieses zu gestalten und sich daran zu erfreuen. jeder tag an welchen man nicht tanzt oder lacht ist ein verlorener tag...... wollust ist das höchste...
(besonders für die interessant welche nietzsche und sein werk als griesgrämig und menschenfeindlich empfinden..)
 
AW: Nietzsches Angelhaken

Was MICH "anbeißen" lässt ist seine SPRACHE und seine Art zu DENKEN: Das Denken als Ekstase, als Musik, als Akt des GANZEN MENSCHEN.

Hierzu Rüdiger Safranski:
"Ihr sollt Dichter Eures Lebens sein!"
http://wn.com/Projekt_Gutenberg-DE

4, 5, 6,7, 8
 
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AW: Nietzsches Angelhaken

Was MICH "anbeißen" lässt ist seine SPRACHE und seine Art zu DENKEN: Das Denken als Ekstase, als Musik, als Akt des GANZEN MENSCHEN[/


dabei fällt mir grad der fil " Alexis Sorbas" ein
http://www.youtube.com/watch?v=EUGlSfV3xJs&feature=related
den vermutlich die meisten hier kennen.
Wenn jemand behaupten würde das drehbuch hätte nietzsche geschrieben: Ich würde dem sofort glauben schenken.... besser könnte man seine sicht kaum darstellen.

einmal nietzsches aufteilung in dionysisch und apollinisch :
der apollinisch vernunftbetonte engländer und dagegen die dionysische sinnlich rauschhafte griechische urgestalt des zorbas.
beide treffen sich auf der griechischen insel wo die welt des engländers mit dem ursprünglichen griechischen göttergeschaffene volksseele kollidiert.
in seinen wohltuenden aber auch tragödienhaften konsequenzen.....
(hinrichtung seiner geliebten)
zum ende - als das letzte kapital in form der holzseilbahn zusammenbricht .. weist zorbas drauf hin das der braten anbrennt..........
der engländer bittet den griechen ihm das tanzen zu lernen ...... !

apollon mit dionysos ausgesöhnt arm in arm tanzen sie einer ungewissen zukunft entgegen
 
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