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Menschen und Gebäude

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.643
Liebes Forum,

Menschen versklaven sich voller Stolz Jahrzehnte lang für ihre Einfamilienhäuschen.
Sie spenden ihr Erbe für neue Kirchendächer.

Sie stecken Steuergelder (die angeblich nicht da sind) in Bauwerke, die nur dem Gedenken oder dem Geraderücken der Geschichte dienen.
Menschen errichten Kirchen, Moscheen und Tempel vor denen sie wie Ameisen aussehen sollen, wollen.

Sie brennen fremde Gebäude aus Triumph an und reißen Wahrzeichen der Feinde (Reichstag, WTC, Buschhütten) und der Verlierer (Palast der Republik, Berlin) ab.

Schulen werden renoviert und erneuert, anstatt menschliche Schieflagen zu erkennen.
Arbeitsämter und Kliniken wachsen in den Himmel und Arbeitslose und Kranke werden zu Opfern dieser Verwahranstalten.
Ein Mann in einem spanischen Dorf baut seit 40 Jahren allein an einer Kathedrale, er weiß, dass er nie fertig wird.

Menschen pilgern zu Gebäuden und besichtigen Monumente, ja sogar Gräber (Pyramiden, KZ´s), ja sie bekommen sogar einen seltenen Glanz in ihre Augen, wenn sie „einmal“ in einer dieser modernen Riesenarenen sein dürfen (um Teil der Maschine zu sein), sodass sie einen Augenblick das Gefühl haben, ein Teil des ganzen (Betons) zu sein.

Menschen stecken sich gegenseitig in Betonkästen, als Strafe, zum Broterwerb, in Gefängnisse und Büros... ja sogar zur Freizeitgestaltung. Man kann den Unterschied zwischen Strafe und Gnade nicht mehr erkennen, nur die Deklaration beruhigt unsere lächerliche Wahrheitssuche.

Menschen haben ein seltsames Verhältnis zu Gebäuden. Ist euch das schon mal aufgefallen? Sind Gebäude ein Mittel oder Sinnbild der Macht, deren Dynamik sie nicht erkennen, genauso wenig, wie sie den Drang nach Macht und deren Spiel in ihrer eigenen Persönlichkeit erkennen?

Leise Grüße
Bernd
 
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hallo bernd,
ich verstehe deine frage als "warum ausgerechnet gebäude ?"

ich denke, gebäude sind die größte sichtbaren dinge (in metern gemessen), die ein mensch erschaffen kann
ebenfalls die langlebigsten

vielleicht kann man sie so ähnlich sehen wie der hund den urin, der die botschaft hat "das ist mein revier"
bei gebäuden ist die aussage eher "hier habe ich gewirkt"
ich kann mir keine sichtbarere und langlebigere "markierung" für den einzelnen vorstellen
nicht jeder hat das zeug, eine geschichtsträchtige persönlichkeit zu sein, derer man sich in großem maßstab generationen nach seinem tod erinnert

lg,
Muzmuz
 
Die letzten Worte von Dir, muzmuz, erregen meine Seele.
Ich weiß nur, dass Architekturdenkmäler anschauen eines meiner Lieblingsbeschäftigungen ist.

Wo meine Famile und meine Freunde nur olle Ruinen und Steine sehen ( z.B. in Troja/ Hissarlik) sehe ich in den Schichten der Ausgrabungen Leben - Menschen - Schicksale. Und Burgruinen erst: so manches Minnelied schwingt da in mir - und so manches Wehegeschrei der hinterbliebenen Witwen - und so mancher Seufzer der Leibeigenen...

Ich denke, dass der Mensch sich in seine Bauten manifestiert. Und irgendwie macht es mich traurig, dass heutzutage die Banken die modernsten und - für mich - in der Regel architektonisch schönsten Bauten sind.
Aber was solls? Im Mittelalter waren es die Dome - die Kirche hatte damals halt die Macht....
Was ich mit meinen überspannten Worten sagen will: Bauten sind Quellen, die uns vom Leben der Menschen erzählen - auch ( Bernd haue mich nicht ) das unnette kleine Einfamilienhaus im Tirolerstil oder im Ostfriesenklinker ----


Marianne
 
My home is my castle

Bernd schrieb:
Menschen haben ein seltsames Verhältnis zu Gebäuden. Ist euch das schon mal aufgefallen? Sind Gebäude ein Mittel oder Sinnbild der Macht, deren Dynamik sie nicht erkennen, genauso wenig, wie sie den Drang nach Macht und deren Spiel in ihrer eigenen Persönlichkeit erkennen?

Lieber Bernd,
mir ist nicht ganz klar,wohin deine Frage zielt...geht es dir um die statisch gewordene Machtausstrahlung eines Gebäudes oder meinst du den (notwendigen) Drang der Menschen,sich Häuser zu bauen?
:confused:
 
Marianne schrieb:
Was ich mit meinen überspannten Worten sagen will: Bauten sind Quellen, die uns vom Leben der Menschen erzählen - auch ( Bernd haue mich nicht ) das unnette kleine Einfamilienhaus im Tirolerstil oder im Ostfriesenklinker ----


Marianne

Marianne.

ich glaube, es sind nicht die Bauten alleine, sondern es gehört auch noch die "Inneneinrichtung" dazu, um uns etwas vom Leben der Menschen, die darin leben oder lebten, zu erzählen.

Nur selten sagt ein leeres Haus mehr als ein eingerichtetes. So war ich vom Jüdischen Museum in Berlin ohne die Ausstellungsobjekte mehr beeindruckt, aber das ist ja auch ein neu erbautes Museum und kein alter zum Museum umfunktionierter Lebensraum.
 
Lieber Baerliner !
Diese "Inneneinrichtung" und das dazu gehörige Leben ist in meinem Kopf.Und meine Phantasie leistet da ein übriges.

So wie Mathematiker ihre Zahlen im Koppe haben, Du Deine Informationstechnik habe ich vor allem im Verlaufe meines Lebens durch Lesen und Studium einiges an " Innenschau" erwerben können.


Das ist ein wesentliches Faszinosum an der Historie... Es macht mein Leben reich. ( nur für Dich: und A-S nicht arm *ggrr* )

Grüßchen
Marianne
 
Hmmm....ich mache mir langsam Sorgen um mich. Ihr versteht mich wieder nicht. Ich meine was ganz anderes. *grübel* :rolleyes:

Viele Grüße
Bernd
 
Lieber Bernd,
da ich zu diesen Menschen mit "dem gewissen Glanz" in den Augen gehöre, fällt es mir schwer, darüber nachzudenken, was Du " erfragen" willst.
Könnte es sein, dass Du Gebäude, Häuser, als Emanationen des menschlichen Bedürfnisses nach Sicherheit, Geborgenheit und Schutz ( da sind sie nämlich mMn nach immer auch ) im Augenblick abzulehnen meinst?

Das könnte ich verstehen, denn Sicherheit und Geborgenheit und Schutz schließen bis zu einem gewissen Grade immer andere menschliche Träume nach Neuem, Ungebundenheit und Wagnis aus.

Rilke drück das für mich sehr schön in dem Gedicht " Herbsttag aus. " Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, ... " Das wäre ein Gegenbild zu dem, was ich mir denken könnte,w as Du meinst.


Und im Leben eines jeden wachen Menschen gibt es diese Momente der Sehnsucht nach Ungebundenheit -- und da ist das Symbol des Hauses eher eine Schreckensvision.
Haus - Ungebundenheit : als Gegenpole?

Ich hoffe, dass ich in diesem Posting ein wenig Deine Motivation zum Erstellen dieses Threads traf.

frdlg
Marianne
 
Ein Gebäude = Schutz aber auch Angriffsfläche
Mein Körper = mein Gebäude bietet ebenfalls Schutz und Angriffsfläche

Beides bietet immer Raum für noch mehr Menschen, also Gebäude = Herberge
Herberge = Geborgenheit

Scheinwelt, besonders auf den Schutz bezogen fällt mir da noch ein.

Man fühlt sich sicher, ist es aber nicht.
Das körperliche Gebäude kann verletzt werden, das materielle ebenfalls.
Sitze ich in einem Haus, kann mir trotzdem was passieren, allerdings fällt Vogel-Strauss-Taktik dort leichter.

Mein Heim = meine Stätte der Liebe, des Vertrauens, der Geborgenheit, aber auch des Leides.
Nunja, dafür lohnt es sich allein, sich zu versklaven bzw. sich die Mühen zu machen, dafür zu arbeiten.
Unser Heim trägt unsere Seelen mit, aber nur die unseren, in Mietswohnungen habe ich mich nie so zuhause, so angekommen gefühlt.

Ein fremdes altertümliches Gebäude bekommt in meiner Phantasie Leben eingehaucht. Zumindest, wenn ich einige Eckpfeiler darüber benannt bekomme, mich in die Gründerzeit einphantasieren kann. Ähnlich wie glaub ich bei Marianne.
Dies sind mal nur meine spontanen Gedanken.
Wo wollen wir hin mit der Diskussion? *malwiederaufmschlauchsteh*

Hilfeee
Grüssle
Sal
 
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vom Bernd: Sind Gebäude ein Mittel oder Sinnbild der Macht, deren Dynamik die Menschen nicht erkennen, genauso wenig, wie sie den Drang nach Macht und deren Spiel in ihrer eigenen Persönlichkeit erkennen?
Warum setzt der Mensch Gebäude höher als sich selbst?
Warum spielt er das Spiel des Schuldners (als Alibi für Leben)?

Warum zerstört man das Gebäude des Feindes, reisst Häuser von „Angehörigenfamilien“ der Attentäter ab?
Warum glänzen die Augen der Führer und Fürsten, wenn sie ihre Paläste planen, genauso wie die des Bausparers?
Warum sind die Menschen so dämlich, dass sie lieber den Armen nichts zu essen geben oder ihren Kindern keine Lehrstelle verschaffen, bauen aber ein Museum, ein Schlösschen und vom 2. WK zerstörte Kirche oder was auch immer für Anna-Amalien-Unsinn „wieder“ auf?

Warum ist Geld für Kirchen, Verwaltungsgebäude und Denkmäler im Überfluss da, ja das ist im Überfluss da...aber warum ist nichtmal für das nötigste der Menschen gesorgt? Warum ist Geld für die Zerstörung von Gebäuden im Überfluss da (Krieg), aber nicht für Kindertagesstätten oder Therapieplätze von Gewaltopfern, Gewalttätern oder Suchtkranken?

Warum glänzen die Augen, wenn ein Mensch im Urlaub in einer noblen Herberge weilen darf?

Warum ist eine Studentin angenehm berührt in einer „modernen pompösen Architektur“ zu studieren, anstatt im ollen Einheitsbau?
Warum sind Menschen so stolz, in einer „großen Firma“ arbeiten zu dürfen und schreiten erhobenen Hauptes, wenn sie von ihrem Freigang, dem Bett und dem Fernseher kommen, in ihre Finanztempel (der ihnen nicht einmal gehört)?

Wenn der Gedanke „ein Heim“ wirklich der entscheidende wäre, warum bauen die Menschen sich dann nicht ganz einfache Häuschen für 25.000 Euro (die trotzdem keine Wellblechhütten sind). Ich rechne zur Not vor, dass das geht. Aber auf so eine Idee käme ein moderner Mensch gar nicht. Er würde sich schämen. „Wenn schon, dann richtig.“ Richtig dumm?

Steht dem Gebäude das Wasser bis zum Halse, werden Menschen zu kumpelhaften Sandsackschleppern und kleinkarierte Egoisten zu Kunst-rettern. Familienväter zu Jammerlappen. Steht deinem Nachbarn das Wasser seelisch oder finanziell bis zum Hals, würdest du dann einen einzigen seelischen oder finanziellen Sandsack für ihn schleppen?

Gebäude haben eine seltsam große Wirkung auf Menschen.
Oder ist dieses seltsame Verhältnis, um zu meinem Ausgangssatz zurück zu kommen, nur eine Aus-Wirkung?

Viele ratlose Grüße
Bernd
 
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