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Maschinenherz?

Marjul

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Registriert
21. Februar 2009
Beiträge
107
Hallo!

Hier noch mal etwas aus der chinesischen Philosophie:
Zhuang Zi (Dschuang Dsi): Das wahre Buch vom südlichen Blütenland
Lizenz:Gemeinfrei
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Zh...+(Dschuang+Dsi)

Der Ziehbrunnen

Gung war im Staate Tschu gewandert und nach dem Staate Dsin zurückgekehrt. Als er durch die Gegend nördlich des Han-Flusses kam, sah er einen alten Mann, der in seinem Gemüsegarten beschäftigt war. Er hatte Gräben gezogen zur Bewässerung. Er stieg selbst in den Brunnen hinunter und brachte in seinen Armen ein Gefäß voll Wasser herauf, das er ausgoß. Er mühte sich aufs äußerste ab und brachte doch wenig zustande.

Dsï Gung sprach: »Da gibt es eine Einrichtung, mit der man an einem Tag hundert Gräben bewässern kann. Mit wenig Mühe wird viel erreicht. Möchtet Ihr die nicht anwenden?«

Der Gärtner richtete sich auf, sah ihn an und sprach: »Und was wäre das?« Dsï Gung sprach: »Man nimmt einen hölzernen Hebelarm, der hinten beschwert und vorn leicht ist. Auf diese Weise kann man das Wasser schöpfen, daß es nur so sprudelt. Man nennt das einen Ziehbrunnen.«

Da stieg dem Alten der Ärger ins Gesicht, und er sagte lachend: »Ich habe meinen Lehrer sagen hören: Wenn einer [136] Maschinen benützt, so betreibt er all seine Geschäfte maschinenmäßig; wer seine Geschäfte maschinenmäßig betreibt, der bekommt ein Maschinenherz. Wenn einer aber ein Maschinenherz in der Brust hat, dem geht die reine Einfalt verloren. Bei wem die reine Einfalt hin ist, der wird ungewiß in den Regungen seines Geistes. Ungewißheit in den Regungen des Geistes ist etwas, das sich mit dem wahren SINNE nicht verträgt. Nicht daß ich solche Dinge nicht kennte: ich schäme mich, sie anzuwenden.«
...

Der Kommentar dazu von Gung an seine Schüler:

Jener lebt mitten unter dem Volk, und niemand weiß, wohin er geht. Wie übermächtig und echt ist seine Vollkommenheit! Erfolg, Gewinn, Kunst und Geschicklichkeit sind Dinge, die keinen Platz haben im Herzen dieses Mannes. Was er sich nicht zum Ziel gesetzt, das tut er nicht. Was nicht seiner Gesinnung entspricht, das führt er nicht aus. Und könnte er die Anerkennung der ganzen Welt finden, er würde sie für etwas halten, über das man stolz hinwegsehen muß. Und würde ihm der Tadel der ganzen Welt drohen, er würde ihn für etwas halten, das zufällig ist und nicht beachtet zu werden braucht. Wer so erhaben ist über Lob und Tadel der Welt, der ist ein Mensch, der völliges LEBEN besitzt. Dem gegenüber komme ich mir vor wie einer aus der Masse des Volkes, der von Wind und Wellen umhergetrieben wird.«


Die Hervorhebung ist von mir. Ich habe den Eindruck, dass es in dem Text nur vordergründig um die Frage geht: Maschine oder nicht.

Herzliche Grüße
Marjul
 
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AW: Maschinenherz?

Da der Mensch (also auch all jene welche dieses jetzt lesen) sich nun ganz für die Maschine entschieden hat, wird dieses "Mensch-sein" selber konsequenterweise immer maschinenhafter werden. Schon jetzt steht fest: Der Spielkamerad zukünftiger Kinder heisst 'humanoider Roboter' und dies wird vermutlich nicht zu mehr 'Menschlichkeit' führen!

Aber wir, ihr oder der Mensch hat sich tatsächlich für die Maschine entschieden, da er hofft dass die Maschine ihm alle Arbeit und alles Elend abnehmen wird. Wer weiss, vielleicht wird es sogar so sein. Der verlorene Kampf mit den menschlichen Emotionen gebiert nun das Emotionslose in Perfektion! Eventuell ist solch eine perfekte Maschine tatsächlich die Lösung aller Probleme!

In manchen Science Fiction Filmen ist der perfekte Roboter oft als Erlöser oder aber als Vernichter der Menschheit dargestellt, und diese neuen Figuren der Weltgeschichte haben wir uns selber erschaffen. Diese Tatsache ist interessant und amüsant zugleich!

 
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AW: Maschinenherz?

Nicht daß ich solche Dinge nicht kennte: ich schäme mich, sie anzuwenden.«

Im Kontext der Geschichte bezieht 'sie' sich auf Lösungen, die wenig Einsatz verlangen, aber eine große Wirkung erzielen. Ich denke, dass sind Lösungen, die man auch als mechanisch, als durch Gewohnheit entstanden auffassen kann. Z.B. Autofahren: Hat man sich die Hand- und Fußgriffe angeeignet, die dafür notwendig sind, kann man nicht nur dieses, sondern auch andere Autos fahren. Vorteil ist ein hohes Maß an Mobilität, ohne dass die eigene Mobilität sich verändern muss, d.h. ich mich auf anderes einlassen muss, als wenn ich z.B. zu Fuß oder mit einem Rad unterwegs wäre. Im Auto erlebe ich vieles nicht, was ich während einer anderen Fortbewegungsart erleben könnte. Wenn jemand seine Felder von Hand bewässert, anstatt mit einer Maschine, bleibt er körperlich fitter, in Kontakt mit jedem einzelnen Wassergraben, mit seinen Gemüsebeeten, mit seinen Pflanzen. Während er also tätig ist, hat er Erlebnisse, die sich ergeben. Lässt er seine Beete durch die Maschine bewässern, fehlt diese 'einfältige' (simple) Verbindung. Anders gesagt, das, was sich bisher organisch ergeben hat, ereignet sich nicht mehr und einzelne miteinander unverbundene Handlungen müssen isoliert ausgeführt werden (Kontrolle der Wassergräben, Zustand der Beete, Verfassung der Pflanzen ...): So entsteht Spezialistentum. .

Hier werden also zwei unterschiedliche Sichten auf Handeln entwickelt, die sogar moralische Auswirkungen haben, denn der alte Mann sagt, er schäme sich, Maschinelles einzusetzen. Vermutlich, weil mechanisches ihm nicht so wertvoll zu sein scheint, als 'einfältiges'. Mechanische Lösungen wären solche, die der immer gleichen Sicht auf die Dinge entsprechen. Es gibt 'stereotype Sichten und Verhaltensweisen', die sich als Folge von Erklärungen, Weltanschauungen unterschiedlichster Art entwickeln können. Im Fall der Geschichte ist es ein Grundsatz, der von dem alten Mann, wegen seiner Wirkungen abgelehnt wird. Offensichtlich ein hochreflektierter alter Mann, der sich über den für ihn sich ergebenden Wert dessen, was er tut im klaren ist und so sehr schnell feststellt, welche Mogelpackung ihm Dsi Gung da anbietet.

Der alte Mann kennt seine Kreise, die er täglich zieht und schätzt sie. Mich regt die Erzählung dazu an, den Wert meiner eigenen Kreise zu finden bzw. sie nicht aus den Augen zu verlieren. Aber auch dazu neue Kreise zu gehen, anstatt mit 'wenig Aufwand viel zu bewirken' den eventuellen Mangel an Werten eingeschlossen.

Asiatische Philosophie ist eine Philosophie des Werdens, sie lehnt Statisches ab, weil das dem Dao bzw. Tao, dem Weg des Lebens nicht entspricht

manni :)

PS: Die Geschichte gefällt mir sehr gut, Marjul.
 
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AW: Maschinenherz?

PS: Die Geschichte gefällt mir sehr gut, Marjul.

Nun wollen wir noch hoffen dass Du nicht übersehen hast wodurch Du Deinen Gefallen an der Geschichte mitgeteilt hast: Durch eine Maschine! :)

Am amüsantesten finde ich die Technikgegner und Esoteriker, welchen ihren Missfallen und Unglauben an Technik und Wissenschaft durch ständige Nutzung der Technik und Wissenschaft mitteilen. Mittlerweile habe ich den Eindruck das manch angeblich esoterischer, philosophischer oder spiritueller Technik- und Wissenschaftsgegner diese unbewusst mehr nutzt als manch anderer!

Sich zu Maschinendasein und reinem Menschsein heutzutage zu äußern ist ein zweischneidiges Schwert. Entweder man kann Maschinenwelt und reines Menschsein miteinander verweben oder man muss in die berühmte, einsame Höhle. Nur von dort aus kann man dann nicht mehr ins maschinell generierte Forum posten oder über das Telefon mitteilen wie sehr man doch dagegen war. Das wird schwer!
 
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AW: Maschinenherz?

die gefahr, dass jemand, der maschinen benützt, irgendwann ein maschinenherz bekommt, ist schon gegeben.....doch es muss nicht sein.

glücklich der/diejenige, welche/r seinen geist hoch in die luft schweifen lässt und dennoch am boden der tatsachen bleiben kann dabei.
glücklich der/diejenige, welche/r sich täglich maschinen bedient und dennoch den wert dieser als auch der eigenen hände arbeit schätzen kann.
glücklich der/diejenige, welche/r aus weiter distanz die dinge anschauen und dennoch kontakt im herzen zu ihnen bewahren kann.
 
AW: Maschinenherz?

Entweder man kann Maschinenwelt und reines Menschsein miteinander verweben oder man muss in die berühmte, einsame Höhle. Nur von dort aus kann man dann nicht mehr ins maschinell generierte Forum posten oder über das Telefon mitteilen wie sehr man doch dagegen war.

Aus meiner Sicht ist das das Ergebnis eines 'mechanischen' Denkens.

manni :)
 
AW: Maschinenherz?

Hallo!

Danke für eure Antworten.

Den Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach einem einfachen Leben und der Verwendung hochtechisierter Mittel wie dem PC sehe ich auch. Die erste Frage, die mir nach dem Lesen des Textes kam, war die: Habe ich ein Computer-Herz? In mancher Hinsicht ist das sicher schon der Fall. Ich brauche beim Schreiben nicht mehr sorgfältig zu sein - kann ja einfach korrigieren. Ich brauche mir kaum mehr etwas zu merken - kann ja speichern. Ein gewisses Sucht-Verhalten kann ich auch nicht leugnen... Und ich kann mir eine virtuelle Persönlichkeit zulegen, die nicht der Überprüfung im direkten Kontakt standhalten muss.
Der PC trägt aber auch zur Vereinfachung der Lebensweise bei: er erspart Zeit, Fahrten, Material. Und die Möglichkeiten des Lesens und des Kontakts möchte ich nicht missen.

Ich sehe es wie kathi: ich muss nicht zwangsläufig ein Computerherz bekommen. Die Einflussmöglichkeit äußerer Dinge ist sehr groß, vor allem wenn sie nicht bewusst ist, aber nicht zwingend. Wie Jesus bezogen auf Speise-Verbote sagt: Nicht was von außen in den Menschen herein kommt, macht ihn unrein, sondern was von innen aus ihm herauskommt - seine Gedanken, Wünsche, Gefühle.

Und noch einmal: der Schwerpunkt des Textes scheint mir nicht bei der Frage zu liegen: "Maschine oder nicht?". Vielmehr sehe ich ihn in der Frage: Aus welchen Beweggründen handle ich: aus Furcht vor Kritik, aus Gefallsucht oder einfach aus mir selbst heraus?

Herzliche Grüße
Marjul
 
AW: Maschinenherz?

Hallo!

Hier noch mal etwas aus der chinesischen Philosophie:
Zhuang Zi (Dschuang Dsi): Das wahre Buch vom südlichen Blütenland
Lizenz:Gemeinfrei
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Zh...+(Dschuang+Dsi)

Für mich klingt das nach dem guten alten Baurenmotto:

Wo mein Vater gemiggt hat, migge ich auch; und wenn es den Berg aufwärts geht.

Die Tradition und das Herkommen zählt mehr, als die eigene Einschätzung oder Ansicht.

Gruß Fritz
 
AW: Maschinenherz?

Der Eingangstext beschreibt ohnehin andere Themen, doch darauf möchte ich nun nicht eingehen da diese Themen umfangreich sind und zudem schon von Lao Tse geklärt wurden. Dieses Diskussions hin und her macht dem einen oder anderen vielleicht Spass oder nicht, doch die Ergebnisse sind bekanntlich eher dürftig.

Maschinenherz bedeutet für mich nichts anders als unmenschlicher zu werden in Punkto echte menschliche Nähe und angemessene Gefühle. Und so sind wir mehr oder minder alle dabei ein funktionierendes Maschinenherz zu entwickeln. Inwieweit sich der/die Einzelne dessen bewusst ist muss offen bleiben!

Gefühle, deren Verleugnung und eine dicke Fassade aufzurichten ist heute eine der Hauptbeschäftigungen der Alltagsmenschen. Auch Frauen sind da jetzt ganz gross mit im rennen, ja heute sogar Anführer. Da wir nun bald zusätzlich tagtäglich von "intelligenten, menschenähnlichen Maschinen" umgeben sein werden wird dies sicher nicht wieder rückgängig machen. Malt man sich aus dass eventuell schon die nächste oder übernächste Generation als Kind nicht mehr weiss ob da ein Mensch oder eine Maschine mitspielt wird einem manches was die Zukunft angehen könnte plausibel!

Wer demnächst von einer Maschine aufgezogen wird, entwickelt ganz, ganz sicher kein warmes Menschenherz. Und wie brutal wir die Kindererziehung nötigenfalls einfach ändern sahen wir daran dass fast "alle" ohne Reaktion zuließen viele Kinder nur mit einem Elternteil (meist Frau/Mutter) zu "erziehen", obwohl wir ganz genau wussten dass dies schädlich sein wird. Genauso wird es mit den humanoiden Robotern sein: Die Maschineherz-Eltern der Zukunft werden ihre Blagen einfach dem Robot an die Hand geben!

Die Alltags-Gesellschaft sabbelt und labbert viel, aber die realen Handlungen sehen zumeist ganz anders aus. Nämlich egoistisch und optimiert im subjektiven Sinne!
 
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