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Lebt die DDR weiter?

Hallo Hartmut, danke für die Antwort.

Meine Gedanken zum "Ziesemann-Zitat" (Es war nicht alles schlecht in der DDR, aber die große Richtung hat nicht gestimmt. Und es war nicht (erst recht ist nicht) alles gut in der BRD; aber die große Richtung stimmte. - Doch stimmt sie noch?)

sind noch bissl unsortiert. Mir ging nur willkürlich durch den Sinn, daß ein System wie die DDR - oder übergeordneter betrachtet - eine kommunistisch aufgebaute Gesellschaftsform - nie und nimmer funktionieren kann. Bin mir nicht schlüssig, ob wegen der genannten großen Richtung oder wegen des (von mir so genannten) "menschlichen Faktors". Menschen mögen gerne Ideale, sie werden aber trotzdem immer Wege suchen und finden, dem Streben nach Idealen in unbeobachteten Momenten auszuweichen.

Naja, unsortiert, ich denk nochmal drüber nach.
 
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Fichen-Affäre

Miriam schrieb:
Nach meiner Erfahrung, ich habe ca 6 1/2 Jahre in der Schweiz gelebt, war das Sicherheitssystem da viel rigoroser als in Deutschland.

Da kann ich nur zustimmen, Miriam. Und dieses Sicherheitssystem führte zu Auswüchsen, die an einen Schnüffelstaat erinnern.

Als ich das Beispiel meines "fichierten" Schweizer Arbeitskollegen erwähnte, hatte ich eine ganz besondere Affäre im Auge, die sog. "Fichen-Affäre" ("fiche" als französisches Wort bedeutet Akte, Datei, Dossier).

Was hatte sich dabei abgespielt?

Während des Kalten Krieges liessen Bundespolizei und Bundesanwaltschaft nicht nur Handlungen mutmasslicher Staatsschutzkriminalität, sondern bis 1989 auch rund 900'000 Personen und Organisationen aus dem linken Umfeld präventiv beobachten, obwohl für diese Massnahmen keine rechtlichen Grundlagen bestanden. Es war vorgesehen, dass etwa 10'000 als politisch gefährlich eingestufte Bürgerinnen und Bürger im Krisen- oder Kriegsfall hätten interniert werden sollen. Zudem wurden auch unter Mitwirkung des Roten Kreuzes Akten ausländischer Ferienkinder angelegt. Aufgedeckt wurde der Skandal durch Feststellungen der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) des Eidg. Justiz- und Polizei-Departements (EJPD).

Am 24. November 1989 wurde der PUK-Bericht der Presse präsentiert. Sie erfährt, dass die Bundespolizei 900'000 Personen, Organisationen und Ereignisse bespitzelt hat. Jeder zwanzigste Schweizer und jeder dritte Ausländer sei erfasst. Politiker sind schockiert, ebenso die Presse. Die Linken und Grünen fordern die sofortige Abschaffung der politischen Polizei, während die Bürgerlichen vor allem organisatorische Änderungen fordern.

Die "Fichen-Affäre" führte in den 1990er Jahren zu einer Neuorganisation von Bundesanwaltschaft und Bundespolizei.

@Ziesemann:

Mein Arbeitskollege ist gebürtiger Schweizer und Christkatholik, und er besuchte in der DDR Pfarrer, keinesfalls SED-Funktionäre.

Grüsse von
Hartmut
 
Hartmut schrieb:
Ja, die wichtigste Produktivkraft sind die Menschen mit ihren Produktionserfahrungen, Arbeitsfertigkeiten und ihrer Bildung.
Weiter gehören zu den Produktivkräften die Produktionsmittel (Maschinen, Computer, Rohstoffe, Energie etc.), die Leitung, Organisation und Technologie der Produktion und nicht zuletzt die (angewandte) Wissenschaft.

Grüsse von
Hartmut
Gratuliere! Das ist zwar marxistisch definiert, dennoch richtig. Nach Marx werden die Produktionsverhältnisse den Produktivkräften übergestülpt. Sobald diese sich verändern, sprengen sie die einengende Hülle und es bildet sich eine neue Gesellschaftsformation. So weit so gut und richtig, lasse ich mal Marginalbedenken beiseite.

Aber - und da hört der Analytiker Marx auf und wird zum Eschatologen - , warum soll denn mit dem Kommnunismus die Endform erreicht sein?! Warum können nicht auch in ihm die sich entwickelnden Produktivkräfte den "Überbau" sprengen?! Da wird - und nicht nur an dieser Stelle - der Wissenschaftler zum Prediger, der das Paradies schon auf Erden verheißt.

Aber ich denke, lieber Hartmut, wir können uns in der Kontroverse dialektisch verstehen.

Beste Grüße - Ziesemann
 
=wirrlicht]Ich sehe meine Schwiegereltern, die oft auf ihre 'Datsche' fahren und dort liebevoll ihre Wachsbohnen und Zucchinis heranziehen. Früher, in DDR-Zeiten, war das Saatgut besser, sagt die Mutti, da konnte man die Kerne vom selbstgezogenen Gemüse trocknen, im nächsten Jahr einbuddeln und es wuchs. Das Saatgut, das man heute kaufen kann, wächst nicht besonders.

Die Halorenkugeln schmecken noch genauso wie früher, sagen die Leute aus dem Bekanntenkreis.

In DDR-Zeiten hatte man noch Respekt vor der Arbeit anderer, niemandem wäre es eingefallen, mutwillig Laternenpfähle zu beschädigen oder das Auto des Nachbarn mit Graffiti zu besprühen, sagen unsere Nachbarn.

posistiv gegenüber jetzt
In der DDR gab es viele Sachen nicht, aber alle hatten Arbeit, Wohnung und ausreichend zu essen, der Grundbedarf war jedem sicher. Vor allem Kinderbetreuung war jederzeit sicher, neben Kinderkrippen und Hort gab es auch regelmäßige Arbeitsgruppen, in denen die Kinder ihren Interessensgebieten entsprechend gefördert und angeleitet wurden.

Das war ein sehr großer Vorteil.


"Ihr im Westen" konntet euch immer alles kaufen, bei euch gab es keine Reisebeschränkungen und wenn ihr umziehen wolltet, mußtet ihr niemanden um Erlaubnis fragen - sagen die Leute hier.

So oft zieht man ja auch nicht um.


"Ihr Wessis" habt unsere Betriebe abgewickelt, platt gemacht oder sie in eure Konzerne einverleibt, damit euer Profit steigt und wir als Kunden nur noch eure Produkte kaufen können. Selbst unser geliebter Bautzener Senf gehört mittlerweile Develey. Nach anfänglichem Durchprobieren - wir wollten wissen, wie eure bunten, schönen Produkte schmecken - waren fast alle unsere gewohnten Produkte vom Markt verschwunden und tauchten erst lange später und oft geschmacksverändert wieder auf.

Die Geschmacklosigkeit der Nahrungsmittel ist auch bei uns ein großes Übel.

"Unsere Arbeitsplätze habt ihr zerstört, hier ist kaum noch Infrastruktur und die nachwachsende Jugend kann ihre paar Hartz-Pfennige frustriert versaufen oder den Rechtsradikalen nachwerfen in der Hoffnung, daß irgendwann nicht mehr an jeder Ecke Fidschis Obst über und geschmuggelte Zigaretten unter der Theke verkaufen, während die nicht abgewanderten Deutschen zu teilweise erbärmlichen Bedingungen weit unter ihrer Qualifikation und auch weit unter der offiziellen Armutsgrenze sehen können, wie sie gegen polnische Scheinselbständige konkurrieren können."

Ok, das war der "Ossi-Teil".

Wo ist der Gewinn der ehemaligen DDR?
Ich Wessi sehe hier aber auch: Jammerlappen, die ihre tragische DDR-Vergangenheit beklagend und die heute über großzügige Datschen am Müggelsee inkl. eigenem Boot verfügen. Auf die Füße gefallene Stasi-Kader in Behörden und Ämtern. Resigniert-rebellische Jugendliche, deren ganzer Stolz im Besitz großer Hunden und möglichst vieler Kinder zu bestehen scheint.

Westliches kulturelles Gehabe hat sie hinuntergezogen. Das ist noch ärger in den unabhängigen Kolonien zu beobachten gewesen. Auch kommen diese Völker nicht zur Ruhe. Diese ehemaligen unterdrückten Menschen Fallen auf den Schein leichter herein. Die Folgen der Unterdrückung.

Ich Wessi, der ich immer überall hinreisen durfte, konnte mir Urlaubsreisen in ferne Länder kaum leisten, weil ich zwar gut verdiente, weit mehr als die Hälfte meines Einkommens allerdings für eine erschwingliche Wohnung 80 km entfernt von meinem Arbeitsplatz plus der Fahrtkosten für den täglichen Arbeitsweg weggeben konnte.

Täuschungen

Ich Wessi hatte auch die Freiheit, mir alles zu kaufen, was ich wollte - vorausgesetzt, ich hätte nicht neben dem Schulbesuch auf dem zweiten Bildungsweg nicht noch nächtelang für wenig Geld jobben müssen, um die "gleichen Bildungschancen für alle" auch in der Praxis finanzierbar zu machen. So blieb's oft genug bei der plattgedrückten Nase an Schaufensterscheiben.

Mehr Stress im Westen

Wir im Westen durften immer wählen und mußten keine Repressalien befürchten, weil wir die DDR-übliche Wahlfarce nicht mitmachen mußten. Daß ein ehemals grüner Schily zum reaktionär-radikalen Freiheitsbeschneider werden konnte - jo mei, Pech halt, muß man halt nächstens was anderes "frei wählen".

Vom Regen in die Traufe?



All das könnte man endlos weiterschwadronieren, im Westen, im Osten, alle fühlen sich belogen und benachteiligt und überhaupt war früher alles besser. Nur: wem nützt das?

Das frage ich mich auch.

Ist die DDR tot?


Nä. Ist sie nicht. Sie hat sich von der BRD auflecken lassen und verursacht ihr jetzt gelegentliches Bauchgrummeln und noch gelegentlicher ein unsanftes Ruhekissen. Meistens aber sitzen die beiden Schwestern gemeinsam am Stammtisch und beklagen ihr Schicksal - denn waschechte Deutsche sind'se halt beide, ne

Hallo wirrlicht,

möchte mich nur für die Aufklärung bedanken, da ich von der DDR bis jetzt wenig gehört habe.

Was mir an diesem Beitrag besonders gefällt, ist, dass beide Seiten, also DDR und BRD beleuchtet werden.

Wie ich erfahren konnte, hatte dieses Bespitzelungssystem auch seine guten Seiten und bei den Wessis ist eben auch nicht alles Gold, was glänzt.

Das Problem mit der schlechten Qualität der Nahrungsmittel haben wir auch in Wien. Unreifes, geschmackloses Obst und Gemüse, verdorbenes Fleisch in den Supermärkten, etc.

Trotzdem würde es mich interessieren, ob trotz allem die Mehrheit der Ossis ernsthaft wieder in ihr altes System zurückwollten.

Dankesgrüße

suche
 
Hallo wirrlicht,

meine Erläuterungen zu den Produktivkräften mögen stimmen, trotzdem sind sie ziemlich lehrbuchhaft und trocken.

Zur Produktivkraft "Mensch" würde ich auch noch dessen Motivation ergänzen wollen. Denn ob der Mensch seine Fähigkeiten ausschöpft, das hängt wesentlich davon ab, wie er motiviert ist.

In der DDR waren die Grundbedürfnisse befriedigt. Jeder hatte einen Arbeitsplatz, eine (mehr oder weniger angemessene) Wohnung, konnte sich fortbilden, und die Ernährung war ohnehin kein Thema. Andererseits war es nicht einfach, hochwertige Konsumgüter zu bekommen. Ich denke da z.B. an die nicht einmal hochwertige "Rennpappe", d.h. das Auto "Trabant", auf das man sehr lange warten musste (Ich wartete 12 Jahre). Da erhebt sich schon die Frage, ob das insgesamt motivierend wirkt.

Eine Gesellschaft kann man nicht auf idealen Menschen aufbauen, die mit ganzer Kraft arbeiten, weil sie Eigentümer der Produktionsmittel sind. Die Motivation der Menschen erfolgt vor allem über die Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Diese Bedürfnisbefriedigung war m.E. die Achillessehne aller sozialistischen Länder.

wirrlicht schrieb:
Mir ging nur ... durch den Sinn, daß ein System wie die DDR - oder übergeordneter betrachtet - eine kommunistisch aufgebaute Gesellschaftsform - nie und nimmer funktionieren kann.

Die Frage ist, ob man das von vornherein erwarten musste oder ob es eines Experiments bedurfte. Ich habe (unfreiwillig) an einem solchen historischen Experiment teilgenommen. Nun wissen wir, wie es nicht geht. Aber ob es dereinst nicht doch gehen könnte, das ist nicht erwiesen.

Gruss
Hartmut
 
Es wird kaum möglich sein, auf dem level von Muttis schlechtem Gemüsesamen und der Bekannten Geschmack qualitativ gleichwertiger Produkte von H-Kugeln DDR/BRD und zerbrochenen Laternenpfählen u.ä. ernsthaft zu diskutieren (Wirrlicht # 47).
Und suche (# 54) ist von den Irrungen und Wirrungen dieses Beitrages so verwirrt, daß sie zu der wahrhaft originalen Behauptung sich versteigt, das Bespitzelungssystem habe auch seine guten Seiten gehabt. (Meine Bitten an sie sind leider vergeblich gesprochen.)

Wenn wir über die DDR ernsthaft diskutieren wollen, dann geht das nicht an Hand von Einzelerscheinungen, sondern es bedarf schon eines gewissen Hintergrundwissens, um zu fundierten Urteilen zu kommen.
1. Seit 1974 lebte die DDR nachweislich auf Pump im Ausland - , d.h. über ihre Verhältnisse. Sie leistete sich einen Sozialstandard, den sie sich gar nicht leisten konnte, weil sie dafür die volkswirtschaftliche Leistung nicht erbrachte.
2. Das Schalck-Schürer-Papier an das Politbüro (1987), legte dar, daß die DDR, um auch nur die Zinsen(!) auf die Auslandsschulden zu bezahlen, was nur mit Exporten möglich ist, der Lebensstandard in der DDR um weitere 30% gesenkt werden müsse. Der SED-Generalsekretär schrieb an den Rand des Dokuments: „Unmöglich! Weiterverschulden! E.H.“
3. Spitze in Europa war die DDR im Pro-Kopf-Energieverbrauch und in der Umweltbelastung. So erreichten z.B. die Bodenimmissionen im Raum Bitterfeld das 8fache (!) des Grenzwertes der BRD. Ein einziger Trabbi vergiftete die Luft so stark wie 90 BMW-Dreierreihe.
4. Wenn man den Reallohn (= Nominallohn/Preisniveau) auf DDR-Niveau senken würde, dann ließe sich auch im kapitalistischen Westen mühelos Vollbeschäftigung herstellen. Nur unterhalb des Sozialhilfesatzes will niemand arbeiten. Zusätzlich müßte man natürlich eine Verpflichtung zum Arbeiten schaffen.
5. E.H. sah den Sozialismus in der DDR erfüllt, weil die Grundbedürfnisse gedeckt seien: Wohnung, wenn auch einfach. Satt essen, wenn auch wenig vielseitig und qualitativ minderwertig. Arbeit, und sei es als Gardrobiere in einem Café. – Aber der Arbeiter wollte ein wenig mehr, z.B. Reisen. Selbst wenn die DDR Westreisen rechtlich erlaubt hätte, ökonomisch konnte sie es nicht, weil dafür die Devisen fehlten. – Heute kann sich selbst ein Sozialhilfeempfänger einen einwöchigen Billigflug nach Mallorca im Einfachhotel leisten; selbst das zu zahlen wäre der DDR unmöglich gewesen.
6. Daß man im System der Marktwirtschaft sich nicht alles leisten kann ,was angeboten wird, ist das ein Problem? – Als ich junge Ostberliner in der Nacht vom 9./10. November 1989 beobachtete, wie sie sich vor dem Berliner Ausstellungssalon der BMW-Niederlassung die Nase platt drückten, sagte ich zu ihnen: Bitte glauben Sie nicht, daß sich jeder im Westen einen Z4 leisten kann. Die Antwort: „Das wissen wir, wir wollen nur mal ein solches Auto sehen.“ Kluge Jungs, diese Ostberliner, nicht wahr Wirrlicht? Sie hatten längst verinnerlicht, daß nicht jedermann sich alles leisten kann.
7. Kitas, gewiß, mit jenen ständig schniefenden, kränkelnden Kinder, weil sie permanent den Giftemissionen der Braunkohlewerke ausgesetzt waren. Die mittlere Lebenserwartung lag in der DDR um sieben Jahre niedriger als in der BRD.

Es ist schon trostlos zu erleben, wie eine Nostalgie die DDR zu einer Verklärung führt, die in keiner Weise dem politischen, wirtschaftlichen, moralischen und menschlichen Bankrott dieses Unrechtssystems gerecht wird.

Ziesemann, der nicht mehr antworten wird, wenn auf dem eingangs zitierten Niveau weiter geschwätzt wird.
 
Ziesemann schrieb:
Ziesemann, der nicht mehr antworten wird, wenn auf dem eingangs zitierten Niveau weiter geschwätzt wird.


Jo - dann mußt du's halt bleiben lassen, Herr Ziesemann - ich schwatze lieber als mich wie ein Thermometer anzuhören, das nichts von "gefühlten Temperaturen" wissen will.


Wenn die Frage lautet, ob die "DDR tot sei", dann kann sich das auf viele Bereiche ziehen. Sicher auch auf die von dir dankenswerterweise aufgezählten Fakten - ich sehe sie größtenteils genauso wie der verschnupfte Herr Ziesemann.

Aber als eine im Osten Berlins lebende Wessi mit angeheirateter Ossi-Verwandtschaft und Ossi-Angestellten sehe ich mich immer wieder mit der erwähnten (N)Ostalgie, Frustration bis hin zu massiver Ablehnung (alles Schlechte kommt vom Westen, und wenn etwas schlecht ist, KANN ja nur ein Wessi bzw. eine Wessi-Firma dahinter stecken) konfrontiert und versuche, mir ein Bild zu machen, das zumindest versteht, was die jeweils "andere Seite" so verbittert.

Ich behaupte: die DDR ist nicht "tot" und wird es auf absehbare Zeit auch nicht sein - KANN auch nicht sein, denn sie bildet in den Köpfen der Leute hier den verklärten Gegenpol zum Frust und zum Katzenjammer, der seit der Wende von den meisten hier Besitz ergriffen hat.

Unrechtsstaat hin oder her (sehe ich übrigens auch so - nur mein Blick auf die "Rechtmäßigkeit" unserer guten alten BRD hat sich mittlerweile gründlich verändert): darüber denken diejenigen Leute, die in der DDR gelebt haben, heute nicht mehr allzu intensiv nach - nicht mal meine Schwiegermutter, die seinerzeit auf jeder Leipziger Demo mitmarschiert ist, weil sie mehr Gestaltungsfreiheit IM BESTEHENDEN STAAT DDR wollte, wie so viele andere auch. Es geht um verinnerlichte Werte.

Hartmut schreibt:
Die Frage ist, ob man das von vornherein erwarten musste oder ob es eines Experiments bedurfte. Ich habe (unfreiwillig) an einem solchen historischen Experiment teilgenommen. Nun wissen wir, wie es nicht geht. Aber ob es dereinst nicht doch gehen könnte, das ist nicht erwiesen.

Ich glaube, daß es in der Tat solcher "historischer Experimente" bedurfte - die Entwicklung hätte wirtschaftlich vielleicht absehbar sein können, das kann ich nicht beurteilen. Wie es sich auf die Menschen auswirkt, war vermutlich nicht absehbar.

Mal sehen, ob ich's schlüssig erklären kann. Ich sehe zum einen das Bedürfnis nach Konkurrenz und das Bedürfnis, sich vom Mitmenschen in irgendeiner Form abzuheben - durch schönere Kleider, ein größeres Haus, ein schnelleres Auto, all so'n Kram eben. Ich halte das für eine ziemlich starke Triebfeder, die den Menschen auch dazu bringt, sich zu bemühen - um besonders gute Arbeitsergebnisse zum Beispiel. Wenn ich in einem System lebe, in dem ich von vornherein bereits weiß, daß ich niemals ein eigenständiges, unabhängiges, eigenes Unternehmen leiten werde, weil das nicht vorgesehen ist - dann wird es wenig Motivation geben. "Jeder gilt gleich" kann meiner Ansicht nach einfach nicht funktionieren, weil das voraussetzen würde, daß alle zumindest in der groben Richtung das Gleiche wollen.

Das ist das eine. Das andere, schwerwiegendere, empfinde ich verstärkt auch angeregt durch diese Diskussion hier. Nämlich:

wir alle sind in unsere "Systeme" hineingewachsen und damit auch mit bestimmten Wertvorstellungen erzogen worden. Da mag der Herr Ziesemann ruhig selbstgerecht gegen nostalgische Verklärung des Unrechtsstaates DDR wettern, wie er will - es ändert nichts am Empfinden der Menschen hier. Sie sind durchaus mit sehr vielen Idealen erzogen worden und haben diese verinnerlicht. Daß man zusammenhalten muß zum Beispiel. Daß die Arbeit jedes Einzelnen - und damit auch jeder hergestellte Gegenstand - Respekt verdient, weil er aus der Arbeit eines Menschen resultiert (hat mich ziemlich überrascht, als ich das erste Mal davon gehört habe). Daß man einander hilft. Daß man nicht oberschlau daherreden muß, um sich als Akademiker erkennbar zu machen. Sehr viele Tugenden, tatsächlich - Tugenden, die "im Westen" schon lange irgendwo verstaubt in den Kellern gelandet sind.

Das alles soll auf einmal nichts mehr wert sein? Weil "die aus dem Westen" daherkommen und URTEILEN über 40 Jahre Leben, an denen sie selbst nicht teilgenommen haben?

Wie anmaßend! Und wie überaus dumm! Damit hat man den Menschen, die man gönnerhaft-rührselig mit der Rechten ans deutsche Herz drücken wollte, zugleich mit der Linken dermaßen die Fresse poliert, daß ein Zueinanderfinden auf Jahre hinweg kaum noch möglich scheint.
 
suche schrieb:
Trotzdem würde es mich interessieren, ob trotz allem die Mehrheit der Ossis ernsthaft wieder in ihr altes System zurückwollten.


Entschuldigung, hab ich fast übersehen. Nein, ich denke, die wenigsten Ostdeutschen wünschen sich die DDR zurück.

Ich glaube (kann's aber nicht belegen), daß sie sich nicht so betrogen fühlen würden, wenn man ihnen wenigstens so viel Wertschätzung entgegenbringen würde, daß ein Teil ihrer Erfahrungen und Errungenschaften gewürdigt und beibehalten würden.
 
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no headline

oh danke, danke danke!!
ich war lange nich hier (urlaub) und da komm ich zurück und da entsteht doch tatsächlich ne diskussion (hier war nix los vorher...)
naja, auf jeden fall bekommt man doch das gefühl dass das ne ziemlich hitzige sache is, wenn man sich das alles mal auf einmal durchliest.
tja was soll ich sagen, meine "erfahrungen" basieren nur auf erzählungen und unwissen meiner "klassenkameraden": ich selbst bin zwar im "osten" geb. aba nach der wende, also kann man sich ja denken, dass meine ganze familie aus der ddr kommt, und jetz wohn wir in hamburg...ich hab mich nie als ossie oder so gesehen, weil ich ja im prinzip nichts weis (woher auch) aber hier wurde ich sofort (SOFORT) in dieses image gesteckt, dass war ziemlich krass und neu für mich, aber nach 2 jahren gewöhnt man sich dran und übernimmt das irgendwie, tja, deshalb muss ich mich auch bei dir (wirrlicht) bedanken, weil ich mich von einigen aussagen der letzten zwei seiten (achtung anspielung) irgendwie angegriffen gefühlt hab. mh, is doch komisch, warum gerade ich sowas fühle, wo ich doch eigentlich nix dazu sagen kann.
aber du hast das in worte gefasst, was ich nich ausdrücken könnte.

@ ziesemann
tja, ich kann sie nur bitten, wenn sie sich dann doch noch beteiligen möchten, ein bisschen darauf aufzupassen, wortgruppen wie erbärmliche druckmäuser und
Ziesemann schrieb:
7.Kitas, gewiß, mit jenen ständig schniefenden, kränkelnden Kinder, weil sie permanent den Giftemissionen der Braunkohlewerke ausgesetzt waren.

zu vermeiden, denn es ist wirklich ein heikles thema, bei dem man gefühle nicht einfach ausschalten kann.
die menschen müssen mit dem gedanken leben, dass es das land in dem sie aufgewachsen sind und mit dem sie ihre vergangenheit teilen, nicht mehr gibt. (natürlich ist die landschaft da, aber dieses gefühl eben auch)

tja, ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich mich so schlecht ausdrücken kann, ich hoffe aber, dass vielleicht ein bisschen was von dem rüberkommt, was ich gerne sagen wollte. vielleicht brauche ich aber wirrlicht wieder als übersetzter :p

bye
 
Zuletzt bearbeitet:
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katja schrieb:
@ ziesemann
tja, ich kann sie nur bitten, wenn sie sich dann doch noch beteiligen möchten, ein bisschen darauf aufzupassen, wortgruppen wie erbärmliche druckmäuser und



bye
Katja, ich verstehe Dich sehr gut, glaube ich wenigstes; aber ich bitte Dich, zwei Phänomene zu unterscheiden: Die Gefühle, die bei Verwendung von Begriffen entstehen und die Fakten, die nur durch diese zu beschreiben sind. In der DDR wurden die Menschen zu Duckmäusern (nicht: Druck...) erzogen und die Kinder in den Kitas waren wirklich überproportional krank durch die Giftemissionen. Es geht doch nicht an, dies zu leugnen, nur weil es schmerzt?! Das ist doch diese Art der Verdrängung, die nach 1945 gemacht wurde, als viele einfach nicht wahrhaben wollten, daß sie im "3. Reich" einem verbecherischen Regime gedient haben! Bevor Mißverständnisse entstehen: Ich setze das Hitlerreich nicht der DDR gleich!

Gruß Ziesemann, der einige Menschen seit DDR-Zeiten zu seinen besten Freunden zählen darf.
 
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