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kätzchen leben spaßiger

cheshirecat

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13. November 2005
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Ein Sonntag voll von Unannehmlichkeiten

Es ist Sonntag. Morgens halb sechs in Deutschland. Noch keine Zeit für das tolle kleine Frühstückchen. Das gibt es schließlich erst um halb zehn in Deutschland. Ich jedenfalls brauche jetzt ein verdammt großes Frühstück. Ich sitze bereits seit drei Stunden an einem Rechner und versuche so einen dämlichen Virus zu fangen. Ja! Genau! FANGEN! Dieses Viech springt durch sämtliche Programme und streckt mir jedes Mal die Zunge raus, wenn ich es nur knapp verfehle. Der Programmierer von dem Ding ist wirklich ein Genie. Ich kenne viele Viren, aber so eins habe ich noch nie kennen gelernt. Und weil mich Herausforderungen immer magnetisieren, weiß ich, dass ich heute wohl nicht von diesem Rechner loskomme. Da kann selbst eine Jahrhundertflut kommen, oder ein Hurrican, selbst ein Erdbeben würde mich nur durch einen Riss mitten durch die Tastatur von ihm trennen. Allerdings würde ich sofort mitkriegen, wenn jemand versuchte mir meine Miniaturelfen–Sammlung zu klauen.
Ich weiß, das ist kindisch, aber ich liebe diese kleinen Figuren. Sie sind so niedlich! Aber ich kann mich auch zusammenreißen. Es ist ja nicht so, dass ich fanatisch nach ihnen bin.
Trotz der magnetischen Anziehungskraft ist mein Hunger einfach zu groß. Wenn ich mir vorstelle, dass im Kühlschrank leckerer Orangensaft und Croissants mit Schokoladenfüllung auf mich warten, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Auch mein Magen macht seinem Frust Luft. Er knurrt aggressiver denn je und schreckhaft, wie ich nun mal bin, denke ich zuerst hinter mir steht ein Hund. Bis ich feststelle, dass mein Magen so geknurrt hat, muss er es noch ein zweites Mal tun. Und dabei noch schmerzhaft seine Wände aneinander reiben. Nach dieser Warnung bin ich mit glasigem Blick so schnell am Kühlschrank, dass man mir wahrscheinlich olympisches Gold auf Kurzstrecken verleihen würde.
Ich bin noch nicht mal beim fünften Croissant angelangt, da klingelt mein Handy. Genervt überlege ich, ob ich abnehme. Ich will nicht mit meinem Erzeuger sprechen. Es kann nur er sein, denn kein anderer aus meinem Bekanntenkreis würde es wagen mich um diese Uhrzeit anzurufen, geschweige denn sich schon in der Verfassung befinden überhaupt meine Nummer zu wählen und dann auch noch durchzuhalten, bis ich abgenommen habe. (Puh! Langer Satz...)
Ich hebe aus Höflichkeit ab, sage jedoch nichts zur Begrüßung. Auch mein Vater ist schlecht gelaunt. Er ist wahrscheinlich noch nie sitzen gelassen worden. Nach einer kleinen Standpauke von Wegen wie ich mich benehme, kommt er endlich zum Thema: Wie ich mich gestern benommen habe....
Kaltblütig, wie es nur genervte Töchter und Ehefrauen können, lege ich das Handy beiseite und stecke mir den letzten Rest des sechsten Croissants in den Mund und genieße den Geschmack der zerschmelzenden Schokolade auf meiner Zunge.
Ich habe einmal in einem Buch gelesen, dass Schokolade – wenn man sie noch nie oder seit langem (ca. ein paar Jahren) nicht mehr gegessen hat – eine Explosion der Sinne entzündet. Sie soll die Geschmacksnerven so sehr anregen, dass diese sich buchstäblich überschlagen und dem Gehirn feuerwerksartige Daten übermitteln, die dieses dann fast zum Stillstand bringen. Ich glaube, in dem Buch stand auch, dass selbst beim alltäglichen Genuss die Schokolade etwas ganz besonderes bleibt.
Da kann ich nur nickend zustimmen.
Vielleicht liegt es an den Endorphinen?
Ist mir eigentlich egal. Sie schmeckt. Das ist alles, was ich wissen muss.
Mir fällt auf, dass es am Handy sehr still geworden ist und der Teil meines Selbst, der ein Schild mit ‚Sündenbock/ Schlechtes Gewissen/ Tut mir leid’ um den Hals trägt, meldet sich zu Wort. Sofort lege ich mir den Hörer ans Ohr und frage vorsichtig, ob mein Vater noch dran ist. Ein abschätziges Schnauben ist die Antwort, gefolgt von einem „Bin ich denn so ein schlechter Vater, Alexandra?“.
„Nein. Ich denke, du überschätzt dich nur selbst, Vater.“
Sehr diplomatische Antwort, wenn ich bedenke, dass ich vollkommen das Gegenteil denke.
Das war die Antwort, die er hören wollte. Nun gibt es noch ein bisschen smalltalk und er legt auf und mein Sonntag gehört wieder mir.
Nicht ganz.
Schon nach drei Stunden klingelt es an meiner Haustür. Zuerst höre ich es gar nicht. Dann überhöre ich es. Und als das auch nichts nützt, laufe ich so langsam wie irgend möglich zur Tür, in der Hoffnung, der Besucher gibt es auf.
Falsch gehofft.
Vor der Tür steht mit strahlendem Lächeln Stephan.
Ich muss wirklich hart mit mir kämpfen, um nicht die Tür wieder zu zumachen und zurück an meinen Computer zu gehen.
„Was willst du?“
„Noch schlechter gelaunt und du kriegst von mir ne Bescheinigung als Kinderschreck.“
„Clown zum Frühstück geknabbert, hmm? Was willst du?“
Er schaut mich etwas unsicher an. Dann mustert er mich verstohlen und zieht seine Augenbrauen zusammen.
Wie schafft er das nur? Ich bin sofort weich gekocht und schmelze dahin. Natürlich bemerkt er das an meinem Blick.
„Was ist denn mit dir los?“
„G’arbeitet“, nuschle ich in sein T-shirt, während ich versuche nicht ganz bedeppert zu handeln,
„Du arbeitest am Sonntag?“
„Türlich! Wann denn sonst?“
Sein Grinsen wird breiter.
„Dann bin ich ja gerade rechtzeitig gekommen.“
Dieses Wort höre ich gerne. Mein Grinsen und mein Blick müssen es ihm verraten haben, denn sein Blick verrät mir, dass er etwas verwirrt ist.
„Arbeitest du eigentlich immer in Panties und BH?“
Stimmt ja.
Ich bin heute früh vom Bett an den Schreibtisch gekrochen.
„Am besten du gibst mir zwanzig Minuten, dann fühle ich mich auch wieder wie ein Mensch und nicht wie ein Freak.“
Ich versuche auf nette Art und Weise zu lächeln, doch ich glaube das misslingt mir gründlich.
Ich will unter die Dusche!!!!!
Wenn ich mit ihm zusammen bin, will ich nicht so zerknittert aussehen!
Langsam bahnt sich eine Panikattacke an.
„Zwanzig Minuten? Und was mach ich in der Zeit? Nee, du bleibst schön bei mir.“
Wähäääääääääääääääääääääääää!
Er zieht mich an seine Brust und küsst mich.
„Du schmeckst nach Orangensaft und Schokolade.“, stellt er mit einem Grinsen fest.
„Und du schmeckst nach Tabak!“, stelle ich angeekelt fest und schiebe ihn von mir.
Toll. Und was jetzt?
Entweder ich überwinde meinen Ekel, oder wir können uns erst wieder sehen, wenn er sich das rauchen abgewöhnt hat.
Ich springe über meinen Schatten - wobei ich gewaltige Kraftreserven aufbrauche - und ziehe ihn mit mir in mein Bett.

Ich dachte wirklich, sie würde mich wegschicken. Das Mädchen hat ein ausgeprägtes Talent andere wissen zu lassen, dass sie unerwünscht sind. Allerdings ist sie im Stimmungswechsel schneller und krasser als eine Schwangere.
Zur Zeit ist ihre Stimmung zum Glück gleichbleibend.
Sie liegt neben mir – teilweise auf mir – und träumt zufrieden vor sich hin.
Es ist zwar schon gegen zwölf, wie ich an ihrem Wecker erkennen kann, aber ich habe trotzdem keinen Bock aufzustehen. Alexas Bett ist total gemütlich und außerdem könnte ich mich nicht mal bewegen wenn ich wollte. Und noch dazu würde ich Alexa aufwecken...
In dem Moment, wo mein Magen gerade anfängt sich zu melden, wacht auch Alexa auf und rekelt sich wie eine kleine Katze. Dann stützt sie ihren Kopf auf die Hand und blickt mich halb grinsend, halb lächelnd an.
„Du bist wirklich zur richtigen Zeit gekommen...!“
Wenn ich nicht wüsste, dass sie mich ärgern will, würde ich wahrscheinlich jetzt bis über beide Ohren rot werden.
„Danke. Ich wusste schon immer, dass ich das perfekte Timing habe.“
Sie wendet ihre Augen etwas ab und ich habe das Gefühl, sie mustert mich, wobei sie etwas flüstert, das sich anhört wie: „Und nicht nur das...“
„Was hast du da gerade gemurmelt?“
Sie dreht sich schuldbewusst wieder zu meinem Gesicht und lächelt auf diese Kleinmädchenart.
„Wieso?“
„Wieso? Ich würde gerne wissen, was die Frau neben mir murmelt, nachdem wir miteinander geschlafen haben.“
„Leidest du an einem Minderwertigkeitskomplex?“
Dieses unschuldige Gesicht, während sie das sagt, könnte mich fast in Sicherheit wiegen. Aber zum Glück nur fast.
„Nein. Wieso?“
„Weil es mir so vorkommt.“
Sie zuckt mit den Schultern, als würde sie dieses Thema nur nebenbei anschneiden.
„Wieso?“
„Weil du einfach nicht den Mund hältst.“ Genervteres Murmeln habe ich nur von meiner Mutter vor der Geburt meiner Schwester gehört.
Sie dreht sich auf den Bauch, wobei sie vollends auf mir zu liegen kommt und presst ihr Gesicht ganz nah an meines. Mit ihrer Stirn an meiner und diesen eindringlichen blauen Augen gerade mal eine Nasenlänge von meinen eigenen rotbraunen entfernt und diesen wunderschönen Lippen, die gerade so viel Platz zwischen meinem und ihrem Mund lassen, dass ein Blatt Papier dazwischen passt, fühle ich mich irgendwie in die Enge getrieben.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du manchmal zu viel redest?“
Ich würde ja gerne antworten, aber während ihre Lippen meine Lippen nicht berührt haben, als sie gesprochen hat, liegen sie jetzt so fest auf meinem Mund, dass ich nicht reden kann. Ich meine, ich habe es versucht, aber in dem Moment als ich etwas sagen wollte, hatte ich ihre Zunge an meiner. Und bekanntlich kann man nichts sagen, wenn man gerade küsst. Das dürfte als Entschuldigung für die männliche Bevölkerung reichen
Nachdem sie so die Fronten geklärt hat, setzt sie sich breitbeinig auf meinen Schoß und schaut mich mit einem süffisanten Lächeln an. Die Decke rutscht von ihrem Körper auf mich herab und ich spüre die angenehme Kühle des Satins. Ich rutsche hoch, sodass ich sitze und halte sie auf mir.
„Wenn dir das so besser gefällt...“
Sie grinst als hätte ich ihr gerade eröffnet, dass sie mit mir alles machen darf was sie will.
Warum eigentlich nicht? Sie wird schon nicht ihr Dominakostüm aus dem Schrank holen und mir ein Halsband anlegen, um mich dann mit der Gerte auszupeitschen.
Kann mir mal jemand erklären, woher ich auf einmal diese Gedanken habe?
Sie beißt mich in den Hals. Nicht unbedingt ekelerregend fest, aber auch nicht wirklich sanft. Ist ganz schön gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie gefällt es mir auch.
So macht Sex Spaß. Immer wieder was neues lernen.

„Kannst du mir was zu trinken holen?“
Lieber Gott, ich gebe es zu! Ich bin glücklich eine Todsünderin zu sein. Aber um ehrlich zu sein, ich kann mich nicht mehr bewegen. Nicht beim besten Willen. Nicht mal, wenn man mir das tollste Abendessen vorsetzt.
Stephan lacht leise und streichelt meinen Rücken.
„Was ist denn los? Kannst du dich etwa nicht bewegen?“
Ich kann sein Grinsen in der Stimme hören.
„Ja. Du hast gewonnen. Mach mit mir was du willst, aber lass mich zuerst hier liegen, bis ich meine Muskeln wieder unter Kontrolle habe.“
Er rutscht unter mir weg und beugt sich über mich.
„Ich darf mit dir machen was ich will?“
„Ja.“
Nur bitte, bitte, bring mir was zu trinken!
„Alles?“
„Ja!“
Bitte!
„Okay.“
Er streichelt mich lächelnd und küsst mich dabei. Wie er das schafft zu lächeln und dabei zu küssen, ist mir zwar äußerst suspekt, aber er schafft es.
Trinken!
Sein Mund gleitet über meine Kehle und verweilt dort.
Wasser!
Langsam kreist seine Zunge über die Stelle meiner Haut unter der sich mein Kehlkopf versteckt.
Ich verdurste!
Mein Stöhnen muss ihn nun doch darauf aufmerksam gemacht haben, dass ich hier hilflos daliege und ihn gebeten habe, mir etwas zu trinken zu bringen. Er steht auf. Ich sehe dieses gemeine Grinsen auf seinem Mund und koche. Er hat das mit Absicht gemacht! Hätte ich genug Kraft, ich würde fauchen.

Es klingelt an der Tür. Mal wieder bekomme ich das nicht sofort mit, aber dann hört es zum Glück auch wieder auf. Jetzt höre ich allerdings Stimmen... Nein. Zu mir sprechen die leisen Stimmen normalerweise nicht. Sie meiden mich, weil mein Gehirn sie mit Daten zutextet, bis sie verschwinden. Aber es hört sich verdammt danach an, als würde Stephan mit jemandem reden. Eine Frau. Eine ziemlich empörte Frau. Eine Frau mit einer komisch quakenden Stimme.
F***!
Meine Mutter!
Auch wenn ich vorher gedacht habe, dass mich nichts aus dem Bett holen kann, meine Mutter schafft das. Was sucht diese blöde (Entschuldigung) Schlampe in meiner Wohnung!? Ich ziehe mir das erstbeste über den Kopf was ich finde und das ist Stephans Shirt und renne sofort aus meinem Zimmer. Meine Mutter steht mit puterrotem Gesicht vor Stephan und schreit ihn an. Er allerdings steht nur in seinen Boxern vor ihr und sieht verwirrt aus. Meine Mutter sieht mich aus dem Augenwinkel und geht auf mich los.
„Wie kannst du es wagen! Bist du noch ganz dicht? Was für ein Flittchen habe ich großgezogen!?“
Sie schreit und wütet und brüllt rum und wird dabei immer röter und ich sehe es kommen, dass ihr Kopf wie in einem Cartoon zerplatzt. Allerdings ist mir schon lange der Kragen geplatzt und ich lasse mich seit dem Auszug nicht mehr von ihr anschreien.
„Halt dein elendes Schandmaul.“
Ich sage es wirklich nur mit einem Punkt am Ende. Für meine Mutter erhebe ich meine Stimme nicht. Das wirkt bei ihr nur noch reizender. Wenn ich dagegen einfach ruhig bleibe und sie verachtend anschaue, sackt sie in sich zusammen und wird ganz schnell wieder ruhig. Dieses Mal wird sie auch ruhig, fängt allerdings zu heulen an. Das ist neu. Ich kenne meine Mutter nicht heulend. Ich kenne sie stöhnend, stinkbesoffen, schreiend, auf Entzug, schlafend... Alles nur nicht heulend.
„Was ist los?“
„Ich dachte immer du wärst besser und klüger als ich, Alexa!“
Diesen Satz verstehe ich nur durch geschicktes Zusammenflicken von Wörtern, die zwischen Schluchzern hervorgepresst werden.
„Wie kannst du nur? Es ist mir egal, wie sehr du mich verachtest, wegen all der Männer, aber ich bin dabei im Privaten geblieben!“
Diesen Satz kann ich verdammt gut verstehen, da er nur von zwei Schluchzern unterbrochen wird.
„Was meinst du damit?“
Was hat das nun schon wieder zu bedeuten? Ist das irgendeine neue Masche, um mich um Geld anzubetteln?
„Du bist im Internet!“, faucht sie mit der ihr eigenen Autorität, die sie noch vor der Scheidung von meinem Vater inne hatte.
Ich schaue meine Mutter an, ich schaue Stephan an. Ich bin starr vor Schreck.
„Mu..Mutter, was meinst du?“
Sie steht auf und hievt sich zu meinem Computer, loggt sich im Internet ein und öffnet eine Seite. Stephan und ich schauen uns verblüfft an und treten näher zu dem Monitor. Was wir dort sehen verschlägt uns die Sprache. Ich kann das Zimmer auf dem Monitor als eindeutig meines identifizieren und die zwei Menschen, die sich da gerade die Kleider vom Leib reißen sind eindeutig Stephan und ich. Unter mir zieht sich der Boden weg. Ich spüre, wie ich kippe und wie Stephan mich an sich drückt.
„MACH – DAS – AUS!“
Ich brülle. Mir ist es egal. Dieses Stöhnen und keuchen reibt meine Nerven auf. Ich kralle mich in Stephans Haut und schluchze wie meine Mutter kurz vorher noch.
Meine Mutter stellt das Video aus und sieht uns mit Tränen in den Augen an.
„Es tut mir leid. Ich wusste doch nicht, dass du davon keine Ahnung hast!“
„Ja... Danke...Bitte, geh!“, ich weiß, dass ist jetzt verdammt eklig von mir, aber ich kann sie jetzt hier nicht gebrauchen.
Stephan setzt mich auf den Schreibtischstuhl und bringt meine Mutter raus.
Wie konnte das geschehen? Theoretisch geht das nicht! Sämtliche Elektronik in dieser Wohnung ist von einem vertrauenswürdigen Freund gemacht worden oder von mir selbst. Ich habe keine Webcam und es kann niemand anders eine ohne mein Wissen installiert haben. Weder in mein Schlafzimmer noch in mein Arbeitszimmer lasse ich jemanden rein. Außer mit mir.
Auch wenn es mir zuwider ist, ich muss das Video noch einmal öffnen. Ich schalte den Ton aus, um die Geräusche nicht zu hören und konzentriere mich auf den Winkel aus dem gefilmt worden ist. Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Der Virusverseuchte Laptop! Ich hacke mich in die Seite ein und lösche sämtliche Videos. Danach schreibe ich über die ganze Seite eine recht bedrohliche Warnung und vernetze sie so, dass sich meine Suchmaschine sofort einschaltet, sobald der Besitzer sich einloggt. Dieses Schwein bekomme ich. Und dann will ich Blut sehen.
Meine Mutter hat das Video zugeschickt bekommen. Also ging das zielgerichtet gegen mich. Der Besitzer des Laptops? Der wird ja wohl nicht so blöd sein...
Wie viele haben dieses Video noch zugeschickt bekommen?
Mein Vater auch?
Bitte nicht!
Oh mein Gott!
Bitte nicht!
Tut mir das nicht an!
Ich fange wieder unkontrolliert an zu zittern und schluchze in meine Hände. Wie konnte mir das nur passieren? Stephan ist wieder bei mir und zieht mich an sich. Er versucht mich zu beruhigen, es gelingt ihm aber nicht. Ich bin zu verzweifelt, um mich zu beruhigen. In dem Moment kommt mir ein Gedanke. Ich drehe mich wieder zu dem Monitor und öffne meine private Website und mein E-mail- Fach.
Tatsächlich.
Das Schwein hat das Video sowohl auf meine Seite geschickt, als auch per Mail. Der will mich wohl auf den Arm nehmen.
Zum ersten mal in meinem Leben bin ich meiner Mutter dankbar. Wer weiß was passiert wäre, wenn sie es mir nicht erzählt hätte.
Mit einem Spezialprogramm lösche ich über verschiedene Wege und Verbindungen alle Vervielfältigungen des Videos. Über die Mailadresse und die Websiteadresse geht das einfach. Zu dem Video, das ich geschickt bekommen habe ist noch eine nette Mail verfasst worden.
Der Typ, der sie verfasst hat, kennt anscheinend die Groß- und Kleinschreibung nicht. Und Kommaregelungen auch nicht. Wenn ich eine solche Mail verfasse, achte ich doch besonders auf diese Dinge, oder? Ich meine, das macht mich doch bei dem anderen lächerlich. Selbst die Wortwahl ist lächerlich. Sie ist so kindisch.
Wen kenne ich, der irgendwie einen Groll gegen mich hegt, entweder selber Computerspezialist ist oder gute Beziehungen zu einem hat und dann auch noch so kindisch ist?
„Es tut mir leid. Das ist mir noch nie passiert.“
Ich drehe mich wieder zu Stephan um und schaue ihn ernsthaft an.
„Offensichtlich. Aber du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen. Du kannst dafür nichts.“
„Stimmt zwar, trotzdem ist das peinlich.“
Er kniet sich vor mich hin und küsst mich. Ich umschlinge seinen Nacken mit meinen Armen und presse meinen Körper fest an ihn. Es ist so schön von ihm getröstet zu werden. Seine starken Arme sind so ein sanfter Schutz. Ich habe mich von Anfang an bei ihm sicher gefühlt.
„Aber nicht wieder weinen.“
„Nein. Ich habe mich gefasst. Danke, dass du noch da bist.“
„Ich lasse dich jetzt bestimmt nicht alleine. Ich will wissen, wer das war. De Kerl bringe ich um.“
„Das überlässt du schön mir. Ich will Blut fließen sehen. Und wenn er sich dann im Dreck windet und um Gnade fleht, werde ich ihm noch einen Tritt für jede Sekunde des Videos verpassen. So schnell wird der nicht wieder eine Tastatur bedienen können, wenn ich mit ihm fertig bin.“
Mein Ton muss irgendetwas angsterregendes inne gehabt haben, denn Stephan schaut mich irritiert an.
„Tut mir leid. Aber niemand, der noch bei Verstand oder nicht lebensmüde ist, legt sich mit Alexa Tenning über Computer an. Niemand! Und dieser Typ wird es der Welt bestätigen können, das ist ein Versprechen.“
Es ist mir zur Zeit egal, was er von mir denkt. Ich will meine Rache und ich kriege sie. Ich wende mich wieder dem Rechner zu und tippe schnell einen Text für eine Mail ein.
>Wenn du so mutig bist, dich mit mir anzulegen, bist du sicher auch mutig genug die Folgen zu tragen.
Ich finde dich.
Und lass dir gesagt sein, mit einem Schlag in deine Fresse kommst du nicht weg. Ich will dafür Blut fließen sehen. Und es ist mir scheißegal, ob ich danach in den Knast wandere. Such dir schon mal einen Platz in einem ausländischen Krankenhaus, gesetzt dem Fall, dass du, nachdem ich mit dir fertig bin, noch lebst.<
Hinter mir höre ich ein entsetztes Stöhnen.
„Willst du das wirklich abschicken?“
„Und wie ich das will. Es sind nur Worte. Er könnte mir höchstens Todesdrohung anhängen. Allerdings wird er das nicht wagen, denn ich kann ihn wegen illegaler Pornografie drankriegen. Es ist zwar ein Spiel mit dem Feuer, aber ich beherrsche dieses Spiel perfekt. Der wird nichts tun.“
Bevor ich doch noch Bedenken kriege, schicke ich es ab.
Nachdem ich alles notwendige arrangiert habe, was nötig war um diese Peinlichkeit aus der Welt zu schaffen, bin ich wieder dieses hilflose kleine Mädchen, das nicht weiß, was es machen soll. Mein Gehirn ist ausgebrannt und leer, die Schwärze, die vorhin schon gedroht hat mich zu ersticken, steht winkend knapp vor meinem Nervennetz und grinst mich an, während sie nach dem Haupthebel greift. Ich zittere so heftig, dass selbst ich es durch den Schock hindurch mitbekomme. Kalter Schweiß rinnt mir über die Wirbelsäule und das Adrenalin, das mich vor der Ohnmacht bewahrt hat, ist aufgebraucht. Die Kälte kriecht nach oben und presst die Tränen aus mir heraus.

Alexa ist mit den Nerven am Ende. Das sieht ein Blinder. Sie zittert so heftig, während sie in ihre Hände weint, dass ich am liebsten einen Krankenwagen holen würde. Ich lasse sie hier auf keinen Fall alleine. Nicht in einer Wohnung, in der wir noch kurz vorher gefilmt worden sind.
Als ich mich entschieden habe, dass ich sie mit zu mir nach Hause nehme, bemerke ich, dass sie ganz still da sitzt. Ihr Kopf liegt auf der Tastatur. Ich glaube sie ist in Ohnmacht gefallen. Es wäre zwar leichter, sie in ein Krankenhaus zu bringen, aber ich denke, das würde sie mir übel nehmen. Außerdem will ich bei ihr sein. Also schalte ich überall Licht aus und Computer ab, suche nach ihrem Wohnungsschlüssel und hebe sie dann in meine Arme, nachdem ich ihn gefunden habe. Da fällt mir ein, dass ich mich eventuell anziehen sollte. Meine Autoschlüssel befinden sich in meiner Hose, daher habe ich das noch rechtzeitig mitgekriegt. Vorsichtig setze ich Alexa wieder auf der Couch ab und schnappe mir meine Hose aus ihrem Schlafzimmer. Mein Hemd trägt sie ja.
Zu Hause angekommen, trage ich die immer noch bewusstlose Alexa in das Haus und in mein Zimmer. Mein Vater steht mit hochgezogenen Brauen in der Tür und betrachtet die Szene. Er hat mich noch nie dabei erlebt, wie ich eine Frau zudecke, nachdem ich sie aus meinem Auto in mein Zimmer getragen habe. Das muss für ihn wirklich komisch sein. Ich lege meinen Finger auf die Lippen und bedeute ihm er soll still sein. Ich will Alexa nicht alleine lassen, aber ich muss meinem Vater das ganze Fiasko erklären. Er ist Rechtsanwalt. Der beste Job, den er in dieser Situation - neben Polizist - haben kann. Für den Polizisten ist allerdings auch gesorgt. Meine Mutter ist die ausführende Gewalt in unserem Haus. Ich hole mir noch schnell ein Shirt aus meinem Schrank und gehe dann runter zu meinem Vater ins Wohnzimmer, wo ich ihm alles darlege.
„Das hört sich verdammt mies an, Stephan.“
„Du hast es auf den Punkt gebracht, dad. Ich bin froh, dass Alexa nicht gleich verrückt geworden ist. Es ist beruhigend, zu wissen, dass sie Ahnung von Computern hat und den Typen zur Rechenschaft ziehen wird.“
„Sie scheint mir ein kalkulierendes Mädchen zu sein.“
„Ja, dad. Sie ist intelligent.... Ich will nur noch ins Bett. Shit, war das ein anstrengender Tag.“
Mein Vater lächelt ironisch und legt seinen Kopf schief.
„Schläfst du bei ihr?“
„Und ob ich das werde. Wenn sie heute Nacht aufwacht, wird sie wissen wollen, wo sie ist. Ich glaube nicht, dass du aus dem Schlaf gerissen werden willst.“
Jetzt lacht er wirklich.
„Du magst die Kleine wirklich gerne, hm?“
Oh ja! Und zwar mehr als nur gern!
„Ja, dad. Gute Nacht. Ich weiß übrigens noch nicht, ob ich morgen in die Schule gehe. Je nachdem, wie sich Alexa fühlt.“
Ich gehe die Treppe wieder hoch und lege mich neben Alexa ins Bett. Obwohl ich so müde bin, kommt der Schlaf ewig nicht. Zuerst, weil ich über diese ganze feige Aktion nachdenken muss und dann, weil ich von ihrem Körper erregt bin. Das ist mir selbst nicht ganz geheuer. Ich meine, immerhin schläft sie und bewegt sich überhaupt nicht. Wenigstens ist die Erregung bloß leicht und ich kann mit einem Lächeln einschlafen, weil ich mir vorstelle, was passiert, wenn sie aufwacht.

Ich hatte Recht.
Als sie mitten in der Nacht aufwacht, spürt sie mich neben sich und legt ihre Hand auf mein Gesicht, um mich aufzuwecken.
„Was ist los?“
„Wo sind wir? Nicht in meinem Schlafzimmer, oder?“
„Für was für einen Idioten hältst du mich? Wir sind bei mir.“
Ich ziehe sie zurück in meine Arme. Ich bin müde und will weiterschlafen. Sie kuschelt sich bei mir ein und gibt mir einen Kuss auf mein Kinn.
„Danke.“
„Pscht. Schlaf weiter, Süße. Wir reden morgen, ist das in Ordnung?“
Ich glaube, sie ist schon wieder eingeschlafen, denn es kommt nur ein >Hmmm< bei mir an.
 
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