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"Der Weg ist das Ziel"

FOLGEKRANKHEITEN


Wer alkoholkrank ist, hat im Durchschnitt 20 Jahre geringere Lebenserwartung. Langfristiger Alkoholmissbrauch bedingt oft (teils chronische) Folgekrankheiten.
Bösartige Tumoren
2016 zeigte eine Metastudie. dass es starke Hinweise darauf gibt, dass Alkoholkonsum ursächlich verantwortlich für Rachen-,Speisenröhren-,Leber-, Dickdarm-, Mastdarm-, Brust- und Kehlkopfkrebs ist und dass angenommen werden kann, dass Alkoholkonsum 2012 für 5,8 % aller Krebstode weltweit verantwortlich zu machen waren.
Leber
Durch die erhöhte Belastung mit Alkohol erhöht das Organ zunächst seine Fähigkeiten, dieses Gift abzubauen. Die Leber vergrößert sich. Oft entwickelt sich bei anhaltender Belastung eine Alkohol-Hepatitis und eine Leberzirrhose mit den entsprechenden Folgen. Die Leber kann dann ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Als Folge der Leberzirrhose können Krampfadern in der Speiseröhre bilden. Diese sind eine zusätzliche Gefahr, da der Betroffene verbluten kann. Die Letalität (Sterblichkeit) einer solchen Blutung liegt bei über 30 %. eine weitere häufige Komplikation ist die Hepatische Enzephalopathie. Sie entsteht, da die geschädigte Leber das durch natürliche Verdauungsprozesse im Darmtrakt entstehende Ammoniak und weitere Giftstoffe nicht mehr vollständig verstoffwechseln kann. So gelangt Ammoniak in den Blutkreislauf und dringt über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn. Dort kommt es zum Anschwellen der Astrozyten, was zur Bildung eines Hirnödems beitragen kann. Im Endstadium kann die Hepatische Enzephalopathie zum Leberkoma führen.
Bauchspeicheldrüse
Auch die Bauchspeicheldrüse reagiert empfindlich auf Alkohol. Sie kann sich akut oder chronisch entzünden (Pankreatitis). eine akute Pankreatitis kann direkt tödlich sein. Folgen einer chronischen Pankreatitis können eine exkretorische Insuffizienz, bei der das Organ nicht mehr genug Verdauungsenzyme bildet, und/oder eine Diabetes Mellitus sein.
Muskulatur
Skelettmuskulatur und Herzmuskel werden geschädigt (alkoholische Myopathie bzw. Kardiomyopathie I41.4) Die mit der Ziffer G72.1 im ICD10 codierte alkoholische Myopathie tritt bei bis zu 30 bis 40 % aller chronischen Alkoholiker auf. Dabei sind die Beine meist schwerer betroffen als die Arme. Durch die toxischen (giftigen) Wirkungen des Alkohols entsteht eine Rhabdomyolyse, d.h., die Muskelfasern zersetzen sich. Die akute alkoholische Myopathie tritt bei etwa einem Prozent der Kranken auf. Sie zeigt sich u.a. durch Anschwellen, starke Schmerzen und Krämpfe in den betroffenen Muskeln.
Stoffwechsel
Übermäßiger Alkoholkonsum kann Gicht auslösen, da Carbonsäuren mit Harnsäure im Ausscheidungsmechanismus der Niere konkurrieren. Zudem liefert Bier durch darin enthaltene Hefereste zusätzlich Purine. Hormonelle Störungen können durch mangelnde Leistungsfähigkeit der Leber im Hormonabbau vielfältige Symptome hervorrufen, insbesondere im Wasser- und Elektrolythaushalt und bei den Sexualhormonen. Das kann zu charakteristischer "Verweiblichung" der Figur (Brust, Bauch) führen.
Herz-Kreislaufsystem
Alkoholmissbrauch kann zu Bluthochdruck, Herzmuskelerkrankungen (unter anderem der o.g. alkoholischen Kardiomyopathie) und Anämie (Hyperchrome, makrozytäre Anämie) beitragen. Anämie ist vor allem durch alkoholbedingten Mangel an Folsäure und Vitamin B 12 verursacht. Das Risiko für Koronarsklerose (Verkalkung der Herzkranzgefäße) und Schlaganfall ist bei moderatem Alkoholkonsum möglicherweise sogar seltener als in der Normalbevölkerung, da Alkohol unter anderem das HDL-Cholesterin erhöht und damit Ablagerungen an den Gefäßwänden verhindert. Möglicherweise haben auch gewisse Inhaltstoffe, z.B. die Polyphenole im wein, eine protektive Wirkung. Der gerinnungshemmende Effekt von Alkohol (Hemmung der Thrombozytenaggregation) könnte hier auch eine Rolle spielen. Bei höherem Alkoholkonsum (> 30 g/Tag) nimmt das Gesamtrisiko für eine koronare Herzerkrankung (KHK) jedoch zu.
Magen-Darm-Trakt
Chronischer Alkoholkonsum, oft in Verbindung mit Fehlernährung oder Tabakkonsum, schädigt die Schleimhäute in Mund, Rachen, Speiseröhre und Magen. Am häufigsten sind Speiseröhrenentzündungen und Magenschleimhautentzündungen (Gastritis). Krebserkrankungen im Nasenrachenraum und Kehlkopfkrebs sind bei Alkoholkranken häufiger als in der übrigen Bevölkerung; besonders hochprozentige Getränke begünstigen Speiseröhrenkrebs. Das Risiko von Mundhöhlen- und Zungengrundkrebsen vervielfacht sich bei gleichzeitigen Rauchen und Trinken. Hinzu kommen bei Leberzirrhose, die schon erwähnten Krampfadern in der Speiseröhre, durch welche viele Patienten verbluten. Außerdem verursacht das im Darmtrakt entstehende Ammoniak im fortgeschrittenen Stadium der Leberzirrhose häufig eine Hepatische Enzephalopathie, da die geschädigte Leber nicht mehr fähig ist, Giftstoffe regulär zu verstoffwechseln.
 
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Nervensystem
Durch chronischen Alkoholkonsum kommt es zu Zerstörungen der Axone wie der Myelinscheiden des Gehirns und des peripheren Nervensystems. Dies geschieht vermutlich zum einen durch direkte Schädigung der Axone durch die zelltoxischen Eigenschaften des Alkohols, zum anderen durch eine Beeinträchtigung der Myelinbildung als Folge fehlender neurotroper Vitamine(Vitamine der B-Gruppe, vor allem Thiamin). Als Ursachen hierfür werden einseitige Ernährung, ein generell erhöhter Vitaminbedarf und Resorptionsstörungen durch die Veränderungen im gastrointestinalen System (Magen-Darm-Trakt) diskutiert.
Schon bei einzelnen Räuschen treten Gedächtnislücken ("Filmriss") auf. Langfristig entstehen chronische neuropsychologische Schwächen in Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis, Lernfähigkeit, räumlichem Vorstellungsvermögen, Zeitwahrnehmung und Problemlösungsstrategien. Dazu entwickeln sich häufig soziale Störungen wie alkoholischer Eifersuchtswahn und sexuelle Deviation. Eine schwere langfristige Folge am Zentralnervensystem ist das Wernicke-Korsakow-Syndrom. Hierbei kommt es typischerweise
- häufig im Zusammenhang mit einem Entzug
- zunächst zur Wernicke-Enzephalopathie, einer neurologischen Erkrankung aufgrund eines Vitamin-B1-Mangels mit Ophthalmoplegie (Augenmuskellähmung mit Doppelbildern), Ataxie (unkoordinierte, oft überschießende Bewegungen speziell beim Gehen) und Bewusstseinsstörungen. Hierauf folgen Gedächtnisstörungen, welche als amnestisches Syndrom, Korsakow-Syndrom oder Korsakow-Psychose bezeichnet werden. Charakteristisch sind schwere Störungen der Merkfähigkeit und zunehmend auch des Langzeitgedächtnisses (v.a. des episodischen Gedächtnisses), wobei Gedächtnislücken häufig durch Konfabulationen ausgefüllt werden. Anatomisch findet man Veränderungen im Bereich des Zwischen- und Mittelhirns. Zudem kann bei chronischen Alkoholkonsum im Rahmen einer Pellagra ein Demenzsyndrom entstehen. Ursächlich ist ein Mangel an Nicotinsäure (Vitamin B3) oder Tryptophan. Neuropathologisch finden sich vor allem Veränderungen der großen Neurone des Motorcortex. Das Basalganglien, das Kleinhirn oder das Vorderhorn (vgl. Hirnventrikel) können jedoch betroffen sein. In Folge können depressive Zustände, Müdigkeit, Konzentrationsminderung, Verwirrtheit, Halluzinationen oder Optikusneuropathie auftreten, sowie (meist als Vorstufe) Appetitlosigkeit, Diarrhö, Glossitis, Anämie und Hautrötungen (Erythema).
Auch kann es infolge einer alkoholischen Lebererkrankung zu einer hepatocerebralen Degeneration kommen. Betroffen sind meist die Basalganglien und das Kleinhirn. Die Beeinträchtigungen sind nicht reversibel.
Häufig kommt es im Verlauf einer alkoholinduzierten Leberzirrhose zu einer hepatischen Enzephalopathie. Neben einem Teil eines Demenzsyndroms können sich Auffälligkeiten wie zerebellare Ataxie, Dysarthrie, Tremor und Choreoathetose (ausfahrende Bewegung von Händen oder Füßen) zeigen. Die hepatische Enzephalopathie entsteht durch die Unfähigkeit der geschädigten Leber, Ammoniak und andere im Darm entstandenen schädliche Stoffe regulär zu verstoffwechseln. So gelangen Ammoniak und andere Gifte ungehindert in den Blutkreislauf und dringt durch die geschwächte Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn. Dort verursacht es ein Anschwellen der Astrozyten, was zur Bildung eines Hirnödems führen kann. Im Endstadium progressiert die Hepatische Enzephalopathie bis zum Leberkoma. Die Spätatrophie des Kleinhirns ist eine häufige und irreversible degenerative Schädigung des Kleinhirns, die vorzugsweise bei Männern auftritt. Hierbei kommt es vor allem zu einer zunehmenden zerebellaren Gangataxie, Extremitätenataxie (vor allem der Beine) Dysarthie und Polyneuropathie. Als Ursachen werden Thiaminmangel, ein unmittelbar toxischer Effekt des Alkohols und Elektrolytverschiebungen diskutiert. Neuropathologisch findet sich häufig eine Atophie der Purkinjezellen im Bereich des vorderen und oberen Kleinhirnwurms.
Die zentrale pontine Myelinolyse ist eine seltene Erkrankung, die den Pons (Teil des Stammhirns) betrifft. Typisch ist die relativ rasche Entwicklung von Lähmungserscheinungen (Paraparese, Tetraparese oder Pseudobulbärparalyse) sowie einer deutlichen Bewusstseinseinschränkung. Häufig kommt es begleitend zu einer Wernicke-Enzephalopathie.
Das Marchiafava-Bignami-Syndrom ist eine ebenfalls seltene Erkrankung, die meist bei Männern mit Chronischen Alkoholmissbrauch und Mangelernährung auftritt. Betroffen ist das Corpus callosum. Es kann zu Krampfanfällen, Vigilanzstörungen, Spastik, Tremor, frontale Enthemmung (z.B. Logorrhoe, Aggressivität), Apatie und apraktischen Störungen kommen.
Zur Tabak-Alkohol-Amblyopie kann es bei Alkoholabusus und Mangelernährungen in Kombination mit Tabakkonsum kommen. Hierbei kommt es zu einer Schädigung des Sehnervs mit Verlust der Sehschärfe. Schädigungen der Hirngefäße erhöhen zudem das Risiko für Schlaganfälle und Hirnblutungen (subkortikale Sklerose). Schäden des Rückenmarks (funikuläre Myelose), werden durch den alkoholismusbedingten Mangel an Vitamin B 12 verursacht.
Die Polyneuropathie eine häufige chronische neurologische Erkrankung in Verbindung mit einem Alkoholabusus. Sie betrifft das periphere Nervensystem. Anfangs bestehen die Symptome meist in Sensibilitätsstörungen und Missempfinden wie Kribbeln, v.a. der unteren Extremitäten (Beine), später auch in motorischen Einschränkungen. Als Grenzwert der Entstehung der Polyneuropathie wird ein Wert von 60 g reinem Alkohol pro Tag angesehen.
 
SONSTIGES


Die Annahme, dass eine gerötete Knollennase (Rhinophym) ursächlich mit Alkoholmissbrauch zu tun habe, ist verbreitet, aber irrig. Allerdings beeinflusst der Konsum von Alkohol durch die Gefäßerweiterung die Entwicklung eines Rhinophyms ungünstig. Chronischer Alkoholismus verringert die Produktion des Proteins Folattransporter 1 in den Nierenzellen und damit die Wiederaufnahme des ausgeschiedenen Vitamins Folsäure. Zudem nimmt der geschädigte Darm nur noch einen Bruchteil der Folsäure auf, die ohnehin oft in der Nahrung nicht ausreichend enthalten sind. Beide Faktoren erklären zu niedrige Folat-Plasmagehalte bei diesen Kranken. (Folge: weitere Stoffwechselstörungen und Fehlgeburten). Eine englische Studie (2012), die etwa 4000 Schwangere befragte und untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass sich auch kleine Mengen Alkohol auf die Intelligenz der Kinder negativ auswirken.

SELBSTEINSCHÄTZUNG

Häufig geht der medizinischen Diagnostik die Erkenntnis des Alkoholkranken oder- gefährdeten voraus, dass mit dem eigenen Alkoholkonsum "etwas nicht stimmt". In dieser Phase können Selbsttests u.a. im Internet oder aus Informationsmaterial der Beratungsstellen hilfreich sein.


KLINISCH-PSYCHOLOGISCHE DIAGNOSTIK

Es können vier Bereiche der klinisch-psychologischen Diagnostik bei Alkoholkranken unterschieden werden:
1. Sceeningverfahren
Screeningverfahren sind vor allem für die Hausarztpraxis geeignet. Sie können erste Hinweise darauf liefern, ob eine Alkoholerkrankung vorliegt. Zur Stellung einer Diagnose reichen sie nicht aus, hierzu bedarf es einer differenzierteren Diagnostik. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass Betroffene, die ihr Alkoholproblem nicht zugeben wollen (aufgrund mangelnder Krankheitseinsicht oder Vrberungstendenzen), auch nicht "entdeckt" werden.
1. Der AUDIT-Test (Alcohol Use Disorders Identification Test) wurde on Babor und Kollegen 1992 im Auftrag der WHO entwickelt. Es handelt sich um ein reines Sceeningverfahren, das anhand von zehn Fragen hauptsächlich persönlicher Trinkgewohnheiten erhebt. Als Kurzversion für die Hausarztpraxis liegt der AUDIT-C vor, der ausschließlich die drei Konsumfragen des AUDIT beinhaltet.
2. Der MALT (Münchner-Alkoholismus-Test) on Feuerlein und Kollegen besteht aus zwei Teilen, einem Fremdbeurteilungsteil (Laborwerte, Entzugserscheinungen, Folgeerkrankungen etc.) und einem Selbsturteilungsteil. Er ist auch zur Anamneseerhebung geeignet.
3. Das CAGE-Interview besteht aus vier Fragen. Liegen mindestens zwei "Ja"-Antworten vor weist dies auf eine Alkoholabhängigkeit hin. C = Cut down: " Haben Sie (erfolglos) versucht, Ihren Alkoholkonsum einzuschränken ?" A = Annoyed: "Haben andere Personen Ihr Trinkerhalten kritisiert und Sie damit verärgert ?" G = Guilty: "hatten Sie schon Schuldgefühle wegen Ihres Alkoholkonsums ?" E = Eye Opener: "Haben Sie jemals schon gleich nach dem Aufstehen getrunken, um ´in die Gänge zu kommen` oder sich zu beruhigen ?"
2. Diagnostik der Entstehungsbedingungen
1. Eine ausführliche Differentialdiagnostik ist mit dem Trierer Alkoholismusinventar (TAI) möglich. Hier werden anhand von 90 Fragen sieben Dimensionen abgebildet: "Schweregrad", "Soziales Trinken", "Süchtiges Trinken"", "Motive", "Schädigungen" sowie im Fall bestehender Partnerschaften "Partnerprobleme wegen Trinken" und "Trinken wegen Partnerproblemen".
2. Der Fragebogen zum funktionalen Trinken (FFT) on Beltz-Weinmann und Metzler (1997) gibt Aufschluss, welche sozialen und Intrapsychischen Funktionen der Alkohol übernommen hat, und liefert indirekt Informationen über die dahinterliegenden Erwartungshaltungen.
3. Der Toronto Alexithymia Scale ist ein geeignetes Instrument, um alexithyme von nicht-alexithymen Betroffenen zu unterscheiden.
4. Mit Hilfe des Tridimensional Personality Questionnaire (TPQ) von Cloninger kann u.a. die bei Suchtkranken oft vorhandene Persönlichkeitseigenschaft des Sensation Seeking erfasst werden. Diese entspricht in etwa Cloningers Dimension des Novely Seeking.
5. Zur Erfassung der Stressverarbeitung des Betroffenen kann der Stressverarbeitungsfragebogen (SVF) von Janke und Kollegen eingesetzt werden.
6. Zur Erfassung von Auslösereizen für den Alkoholkonsum kann zudem die in der Verhaltenstherapie übliche Methode der Tagebuchführung eingesetzt werden. Dabei werden täglich die konsumierte Menge an Alkohol, Ort bzw. Auslösesituation und die persönliche Reaktion (Gedanken, Gefühle, Verhalten) notiert.
3. Diagnostik hirnorganischer Folgeerkrankungen
Die Diagnose von hirnorganischen Folgeerkrankungen und Komplikationen wie z.B. des Korsakow-Syndroms oder der hepatischen Enzephalopathie bedarf (neben der medizinischen Diagnostik) geeigneter Neuropsychischer Testverfahren (z.B. zur Erfassung von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen oder exekutiver Funktionen). Die Auswahl geeigneter Testverfahren und deren Auswertung sollte von einem diagnostisch erfahrenen Psychologen bzw. Neuropsychologen durchgeführt werden. Zur Früherkennung der Hepatischen Enzephalopathie geben bspw. der Animal-Naming-Test, der Zahlen-Verbindungs-Test oder die Schriftprobe erste Anhaltspunkte.
4. Diagnostik möglicher psychischer Grund- oder Begleiterkrankungen
Nicht selten liegt bei einer Alkoholkrankheit ursprünglich oder zusätzlich eine andere psychische Erkrankung vor, wie z.B. eine Angststörung, Depression oder Persönlichkeitsstörung. Die Diagnose sollte ebenfalls anhand geeigneter diagnostischer Verfahren gestellt werden, die für die jeweilige Erkrankung vorliegen.


LABORWERTE


Da die Leber mit dem Abbau des Alkohols überfordert ist, wird sie durch nicht mehr vollständig abgebaute Stoffwechselprodukte sukzessive geschädigt. Dies läuft in mehreren Stadien ab: Zuerst bildet sich die Fettleber. Dabei ist nur die Gamma-Glutamyltransferase (y-GT) erhöht. Bei der Fettleberhepatitis steigen auch Aspartat-Aminotransferase (GOT/ASAT), Aspartat-Aminotransferase, Alanin-Aminotransferase (GPT/ALAT) (GOT/ASAT) und Alkalische Phosphatasen (AP) an. Bei weiterer Schädigung geht fortschreitend und irreversibel Lebergewebe unter bzw. es wird umgebaut in funktionsuntüchtiges Bindegewebe. Jetzt sind auch alle Stoffe erniedrigt, die die Leber herstellt, wie etwa Albumin, direktes Bilirubin und in der Leber synthetisierte Gerinnungsfaktoren:
- Quick
- Protein C
- Protein S
Den Alkoholkonsum kann man (etwa zur Klärung der Schuldfrage nach einem Autounfall) nachweisen durch:
- direkte Blutabnahme oder einen Atemalkoholtest einige Stunden nach Alkoholeinnahme
- erhöhtes EtG (Ethylglucuronid), ein neuer, seit 2003 verwendeter, empfindlicher Kurzzeitmarker.
Er weist (auch einmaligen geringen) Alkoholkonsum bis zu drei Tagen später nach. Man kann damit den einmaligen Konsum von einer Halben Flasche Bier nachweisen, sogar wenn die Person nie zuvor oder danach Alkohol getrunken hat - erhöhtes CDT; dies ist ein Langzeitmarker (ab dem fünften bis zirka 21. Tag nachweisbar), mit CDT kann man die konsumierte Alkoholmenge in den letzten drei Wochen nachweisen oder abschätzen
- Begleitalkoholanalyse zum Nachweis längerer Trunkenheitsphasen
- erhöhtes MCV hierbei ist eine makrozytäre Anämie Folge eines ernährungsbedingten Folsäuremangels

VERÄNDERUNGSMODELL VON PROCHASKA UND DICLEMENTE


Prochaska und DiClemente postulierten in ihrem transtheoretischen Modell (TTM) fünf Phasen, die ein Alkoholkranker auf den Weg aus der Abhängigkeit durchläuft. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Ausstieg aus der Abhängigkeit gelingt. Somit handelt es sich um ein zirkuläres Modell, der Kreislauf kann mehrfach durchlaufen werden.
1. Phase der Vorüberlegung (Precontemplation):
Der Alkoholkranke schätzt sich in dieser Phase noch nicht als abhängig ein. Eine Behandlung erfolgt höchstens auf äußeren Druck, der Behandlungserfolg ist wahrscheinlich nicht von Dauer (wenn er dabei nicht Phase 2 übergeht).
2. Phase des Nachdenkens (Contemplation):
Der Betroffene beginnt, über seinen Alkoholkonsum nachzudenken, wägt die Vorteile der Abstinenz (z.B. bessere Leberwerte, wieder akzeptiert werden) mit deren Kosten ab (z.B. Unsicherheit in Gesellschaft, Gefühle, Einsamkeit). Diese Phase ist in der Regel mit großer Ambivalenz,einem inneren Hin- und Hergerissensein, verbunden.
3. Phase der Entscheidung (Preparation):
Es kommt zu einem Entschluss, und Verhaltensziele bezüglich des Trinkverhaltenswerden festgelegt, z.B. völlige Abstinenz, kontrolliertes Trinken, oder weiterzumachen wie bisher. Konkrete Hinweise auf Handlungsmöglichkeiten sind in dieser Phase für den Betroffenen hilfreich.
4. Umsetzungsphase (Action):
Der Entschluss wird in die Tat umgesetzt (z.B. Entgiftung, Besuch einer Selbsthilfegruppe, Suche eines "trockenen" Umfelds). Diese ersten Schritte sagen jedoch noch nicht viel über den Bestand der Veränderung aus.
5. Phase der Aufrechterhaltung (Maintenance):
Es kommt zu ersten Konfrontationen mit schwierigen "Versuchssituationen", in denen die vorher getroffenen Entscheidung möglicherweise wieder in Frage gestellt werden kann. In dieser Phase geht es also darum, den Weg zu festigen, die Veränderungen stabil aufrechtzuerhalten, damit ein dauerhafter Ausstieg (Termination) aus der Abhängigkeit erreicht wird. Alternativ kommt es zum Rückfall (Relapse). Hierbei wird der Rückfall nicht als Misserfolg, sondern als Lernmöglichkeit angesehen. Dies setzt voraus, dass der Betroffene sich mit der Rückfallsituation auseinandersetzt und weiter aktiv an der Umsetzung seiner Entscheidung (Abstinenz) arbeitet.
 
  1. BEHANDLUNGEN
  2. ENTGIFTUNG

    Die Entgiftung (Alkoholentzug) erfolgt meist stationär in einer speziellen Entgiftungsstation für Alkoholkranke. Dies hat den Vorteil, dass ein großer Teil der (u. U. auch lebensbedrohlichen) Entzugssymptome unter ärztlicher Aufsicht mit Medikamenten behandelt werden kann. In leichteren Fällen verbreitet sich zunehmend die ambulante Entzugsbehandlung. In Deutschland üblich ist die Verwendung von Distraneurin (Wirkstoff Clomethiazol, nicht zugelassen in Österreich) oder eines Präparates om Benzodiazepin-Typ (etwa Diazepan, Clorazepat) sowie oftmals blutdrucksenkende Mittel der Wirkstoffe der Imidazoline (etwa Clonidin). Unterstützend werden meist auch sedierende trizyklische Antidepressiva und nieder- oder mittelpotente Neuroleptika verabreicht Im Delirium tremens erhält der Patient ein hochpotentes Antipsychotikum, etwa Haloperidol. Alternativ zu Clomethiazol oder Benzodiazepinen ist auch das sogenannte TT-Schema üblich, bei dem das Neuroleptikum Tiaprid und das Antiepileptikum Carbamazepin gegeben werden. Um die Gefahr von Krampfanfällen zu reduzieren, empfiehlt sich die Verwendung eines Antiepileptikums, wobei sowohl Clomethiazol als auch die Benzodiazepine selbst schon antiepileptisch wirken. Hat der Patient den Entzug überstanden, ist sein Körper vom Alkohol entgiftet. Die Sucht als solche ist damit allerdings noch nicht ausreichend bekämpft. Deshalb wird in der Klinik oft eine Langzeittherapie eingeleitet und der Kontakt mit Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen geknüpft

    PSYCHOTHERAPIE

    Rahmenbedingungen
    Die psychotherapeutische Behandlung kann stationär (i.d.R. Langzeit-Entwöhnungstherapie) und/oder ambulant erfolgen.
    Häufig empfiehlt es sich, vor einer ambulanten Psychotherapie eine stationär Behandlung in Erwägung zu ziehen. Empfohlen wird eine stationäre Therapie vor allem dann, wenn Psyche, Körper oder sozialer Bereich schwer gestört sind, der Patient von seinem Umfeld nicht ausreichend gestützt wird oder werden kann, keine Berufliche Integration besteht, die Wohnsituation nicht gesichert ist oder der Alkoholiker während ambulanter oder teilstationärer Behandlung zu Rückfällen neigt. Entsprechende Therapien werden meist in speziellen Suchtkliniken als Langzeit-(10-16 Wochen) oder Kurzzeittherapien durchgeführt. Ambulante Psychotherapien (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie) werden seit 1996 von Kostenträgern (Krankenkassen) übernommen. Voraussetzung für die ambulante Behandlung war bisher eine mittelfristige Abstinenz von mindestens zwei bis drei Monaten. Am 14. April 2011 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss, dass Alkoholkranke in Zukunft nicht mehr abstinent sein müssen, um eine Psychotherapie zu beginnen, wenn die Abstinenz auch kurzfristig (d.h. in maximal zehn Behandlungsstunden) ohne Entgiftung zu erreichen ist. Dies ist nach Ender der zehn Behandlungsstunden durch eine ärztliche Bescheinigung (die nicht vom Therapeuten selbst ausgestellt werden darf) anhand "geeigneter Mittel" (i.w. Laborparameter) festzustellen, anderenfalls muss die Therapie beendet werden. Bei Rückfällen müssen "unverzüglich geeignete Behandlungsmaßnahmen zur Erreichung der Suchtmittelfreiheit bzw. "Abstinenz" ergriffen werden. Erste Anlaufstelle für ambulante oder stationäre Therapie sind Suchtberatungsstellen oder psychosoziale Beratungsstellen. Auch Gesundheitsämter können weiterhelfen.
    Motivierende Gesprächsführung
    Die motivierende Gesprächsführung (motivational interviewing) ist eine klientenzentrierte, aber direkte Technik zum Aufbau einer intrinsischen Motivation zur Abstinenz. Sie ist daher vor allem in der Phase von Bedeutung, in der der Alkoholkranke selbst noch kein Problembewusstsein entwickelt hat oder bezüglich der Abstinenz ambivalent ist (siehe auch den Abschnitt Veränderungsmodell nach Prochaska und DiClemente in diesem Artikel).
    Kognitive Verhaltenstherapie
    Bei der Behandlung von Alkoholkranken können u.a. folgende kognitiv-verhaltenstherapeutische Strategien zum Einsatz kommen:
    - Expositions- bzw. Alkoholablehnungstraining
    - Herausarbeiten der individuellen Erwartungshaltungen
    - Kognitives Umstrukturieren
    - Erkennen internaler Auslöser
    - Bewältigungsstrategien für den Umgang mit internalen Auslösern entwickeln
    - Generalisierungen auflösen
    - Entspannungstraining Bei Alexithymie:
    - kognitives Differenzieren von Gefühlen
    - Wahrnehmungs- und Verbalisierungsübungen (Erlebnis-/gefühlaktivierende Maßnahmen, Finden von Ausdrucksmöglichkeiten) bei Sensation Seeking:
    - Entwicklung eines neuen Freizeitverhaltens
    - Stimulus-Ersatz für "Drogen-High"
    suchen
    Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
    Psychodynamische Psychotherapien gehen davon aus, dass unbewusste Konflikte und Defizite im Strukturniveau die Ursachen für psychische Erkrankungen sind. Ziel einer Therapie ist es, Defizite auszugleichen und dem Betroffenen seine Konflikte bewusst zu machen. Für die Sucht sehen psychoanalytische Theorien unterschiedliche Ursachen an. So wird die Sucht häufig als Abwehr gegen eine Depression verstanden. Aber auch psychotraumatische Ursachen können aus Sicht der Psychoanalyse eine Sucht unterstützen.
    Weitere Psychotherapiemethoden
    Psychoedukation ist in der Regel Teil jeder Psychotherapie und bedeutet Aufklärung des Patienten über seine Krankheit und deren Auswirkungen auf seinen Körper, seine Psyche und die seines Umfeldes sowie die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das Verstehen der Alkoholkrankheit durch den Patienten ist eine wichtige Voraussetzung für deren Bekämpfung. Auch kann so ein sich anbahnender Rückfall frühzeitig und besser erkannt werden. Die Motivation steigt, sich selbst und anderen keinen Schaden durch den Alkoholismus mehr zufügen zu wollen.
    Paar- und Familientherapie:
    Die partnerschaftliche Beziehung und eventuell vorhandenen Kinder haben unter dem Alkoholismus des Menschen in der Regel schwer gelitten. Unzuverlässigkeit, Unberechenbarkeit und eventuell Gewalt sowie die Co-Abhängigkeit haben das Vertrauen erschüttert und die Familie belastet und erschüttert. Die Therapie hilft nicht nur der Familie, sich selbst wieder zu stabilisieren, sondern auch dem Alkoholiker, ein sicheres und stabiles Umfeld zu bieten.


 
  1. SEBSTHILFEGRUPPEN

    Seit vielen Jahren haben sich Selbsthilfegruppen wie Anonyme Alkoholiker, Blaues Kreuz, Guttempler oder Kreuzbund bewährt. Hier treffen sich in regelmäßigen Abständen trockene und auch nicht-trockene Alkoholiker, die über ihr gemeinsames Problem (und ihre persönlichen Probleme) sprechen. Beim Kreuzbund e.V. wird auch die Familie mit einbezogen. Selbsthilfegruppen wirken sehr unterstützend auf den Therapieerfolg. Manchmal können sie sogar als Alternative zur klassischen Therapie in Betracht kommen, besonders, wenn der Patient genügend Rückhalt durch Familie und Freunde hat.
    Alkoholabhängigkeit ist immer auch Interaktion mit den Mitmenschen. Diese sind deshalb in die Behandlung einzubeziehen. Lebenspartner, Kinder und ggf. Kollegen spielen bei der Änderung auch des eigenen Verhaltens eine wichtige Rolle. Auch für Angehörige und Freunde von Alkoholikern gibt es Selbsthilfegruppen, sowohl gemeinsam mit wie auch getrennt von den Selbsthilfeangeboten für Alkoholkranke, etwa Al-Anon.
    Das Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker hat auch in Kliniken Einzug gehalten. Dessen Ansatz ist ein Weg zur geistigen Gesundung über einen verhaltensbezogenen, kognitiven und spirituellen Weg. Bei Schwerabhängigen (soweit man davon sprechen kann) ohne psychische Begleiterkrankungen zeigt sich hier eine Überlegenheit gegenüber der kognitiven Verhaltenstherapie. Postakutbehandlung
    Postakute Behandlungen umfassen meist Maßnahmen der Entwöhnung von Alkohol zum Erhalt, der Verbesserung oder die Wiederherstellung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des chronisch Alkoholkranken in Alltag und Beruf. Zielgruppe sind Menschen mit schädlichem Gebrauch von Alkohol (F10.1) und Alkoholabhängigkeit (F10.2). Allerdings kommen nur 3 % aller Alkoholabhängigen in eine solche Therapie.
    Sie besteht aus Langzeitentwöhnung einerseits und Persönlichkeitsentwicklung und sozialem Training andererseits. Dazu wird zunächst eine gründliche Anamnese der Suchtgeschichte und des Suchtverhaltens, aber auch weitere begleitender Störungen erstellt. Stationäre Therapien finden meist in Gruppen- und gelegentlich Einzelgesprächen statt. Sie werden von Sozialpädagogen, Psychiatern, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Heilpraktikern und Pfarrern durchgeführt. Die wesentliche und notwendige Erkenntnis in der Therapie ist, dass der Zustand der "Alkohollosigkeit" zwingende Voraussetzung für die "Trockenheit" ist, dass die eigentliche Trockenheit durch persönliche und soziale Entwicklung erreicht wird und dies ein lebenslanger Prozess ist. Um dieses "Lebenslänglich" etwas weniger unerreichbar scheinen zu lassen, propagieren Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker, sich für jeweils vierundzwanzig Stunden vorzunehmen, nicht zu trinken.
    Im Rahmen einer Entwöhnungstherapie alkoholbezogener Störungen (evidenzbasierte Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) können auch niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten die Alkoholkrankheit behandeln.
    Die Therapeutische Gemeinschaft bezeichnet die Gesamtheit der an der Therapie beteiligten Personen, d.h. Ärzte, Psychotherapeuten, Pflegekräfte, Sozialarbeiter usw. sowie der Patienten. Durch sie soll ein soziales Klima entstehen, welches die Aufarbeitung der Probleme ermöglicht. In der Praxis werden tägliche Gesprächsrunden (oft morgens) geführt, zudem hat die Gruppentherapie einen hohen Stellenwert. Die Patienten bekommen Aufgaben im Klinikalltag (Tische decken, Gartenarbeit und ähnliches). Oft wählen Patienten auch einen Sprecher, der ihre Anliegen vorbringt. Dadurch wird die Eigen- und Fremdverantwortlichkeit gefördert. Wesentliche Methoden sind: therapeutische Gemeinschaft, soziales Kompetenztraining, Selbsthilfegruppe und die medikamentöse Therapie. Unabdingbar ist dabei eine soziale Einbindung (etwa durch Arbeitsplatz, Familie, Freundes- und Bekanntenkreis, Selbsthilfegruppe).
    Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass Verhalten erlernt wird. Sie versucht daher, durch die Erkenntnisse der Lerntheorien Einfluss auf das Verhalten zu nehmen. Die Kognitive Verhaltenstherapie ist hierbei eine Gruppe von Psychotherapiemethoden, die auch kognitive Elemente enthält. In der Verhaltenstherapie werden einige Methoden auch bei Suchterkrankungen, wie der Alkoholkrankheit angewendet.
    Beim Training sozialer Kompetenzen wird versucht, die sozialen und zwischenmenschlichen Kompetenzen eines Betroffenen zu erhöhen. Hierzu stehen einige standardisierte Methoden zur Verfügung. Die Erhöhung der Kompetenzen in diesem Bereich soll der Betroffene dazu befähigen, besser mit den Beziehungen zu anderen umgehen zu können. Zu den trainierten Kompetenzen gehört etwa auch der Umgang mit Konflikten.
    Die Selbstmanagement-Therapie soll den Betroffenen darin bestärken, sein Verhalten selbst besser kontrollieren zu können. Sie kann nicht in Selbstbehandlung ("Eigenregie") erfolgen - was die Begriffe "Selbstmanagement" und "Zeitmanagement" (Managen der eigenen Person bzw. des eigenen Handelns) fälschlich suggerieren. Der Patient durchläuft mit Hilfe des Therapeuten einen definierten psychologischen Prozess.

  2. MEDIKAMENTE BEI DER ALKOHOLENTWÖHNUNG

    Bei Alkoholkranken ist die Übertragung vieler Botenstoffe im Gehirn gestört. Beispielsweise erhöht sich die Anzahl der Glutamat-Bindungsstellen. Daher wird versucht, dort mit verschiedenen Medikamenten regulierend einzugreifen und so die psychischen Entzugserscheinungen zu mildern. Andererseits wird mit Medikamenten wie Disulfiram eine Abneigung gegen Alkohol erzeugt.
    Acamprosat
    Acamprosat (Campral in D, A, CH) wird als Anti-Craving-Substanz eingesetzt. Es dämpft die durch Überschuss an Glutamat bedingte Übererregbarkeit des Gehirns und greift in das Belohnungssystem ein (Belohnungsgefühl durch Alkohol bleibt aus). In verschiedenenn Studien war Acamprosat gegenüber Placebo deutlich wirksam. Allerdings sprechen längst nicht alle Patienten darauf an. Naltrexon
    Naltrexon, ebenfalls eine Anti-Craving-Substanz, ist ursprünglich zum Opioid-Entzug verwendetes Medikament. Es wurde im Jahr 2010 zur Rückfallverhütung zugelassen. Es wird erfolgreich eingesetzt. Alkoholiker, die mit Naltrexon behandelt werden bleiben zu etwa 30 % mehr trocken als die nichtbehandelte Kontrollgruppe
    Disulfiram
    Einen anderen Ansatz hat das schon sehr lange eingesetzte Disulfiram (Antabus). Durch Hemmung des Enzyms Aldehyddehydrogenase, welches beim Abbau des Alkohols benötigt wird, steigt bei Konsum von Alkohol der Spiegel von Acetaldehyd. Das verursacht Vergiftungserscheinungen wie schwere Kopfschmerzen und Brechreiz. Das soll das Trinken unmöglich machen. Die Vergiftung kann aber auch vital gefährlich werden.
    Baclofen
    Das Muskelrelaxans Baclofen wurde zuerst von dem französischen Arzt Olivier Ameisen zur Behandlung seiner eigenen Alkoholsucht verwendet. Da er damit erfolgreich war, setzte er es auch bei Patienten ein. Es eignet sich besonders für Alkoholiker mit Leberzirrhose, da es kaum über die Leber verstoffwechselt wird.
    Antidepressiva
    Aktuell wird untersucht, ob Medikamente, die in den Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin eingreifen (z.B. Serotoninwiederaufnahmehemmer wie etwa Fluoxetin), zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit geeignet sind.
    Unabhängig davon ist eine Therapie mit diesen sinnvoll, wenn als Begleiterkrankung eine Depression vorliegt. Dabei ist es unerheblich, ob sie vorher schon bestand oder erst durch die Alkoholkrankheit ausgelöst wurde. eine ausgeglichene Stimmung ist sehr wichtig für die künftige Trockenheit.
 
WEITERE MEDIZINISCHE VERFAHREN

Aktuell erhoffen Forscher Erfolge bei der Suchtbekämpfung durch die körpereigene Substanz GDNF, die direkt ins Gehirn gespritzt helfen soll, um das Verlangen nach Alkohol zu stoppen. Bislang verliefen Tests an Ratten, denen der Wachstumsfaktor injiziert wurde, erfolgreich. Man hofft, diese Erkenntnis auch auf den Menschen übertragen zu können, da der Alkoholsucht bei Ratten ähnliche Prozesse zugrunde liegen wie bei Menschen.
Zur Behandlung bei Suchtkrankheiten werden auch Akupunktur und Ohrakupunktur angewendet. Ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit steht jedoch aus. Eine leichte Verbesserung des Therapieerfolges wurde zwar festgestellt, wird aber bisher auf die durch die Akupunktur entstehende Bindung des Klienten an den Therapeuten zurückgeführt. Aus wirkungsvoll wird von einigen Forschern auch die Einnahme von Medikamenten eingeschätzt, die bewirken, dass nach dem Trinken die Euphorisierung ausbleibt.

FORMEN DES RÜCKFALLS

Es kann zwischen verschiedenen Formen des Rückfalls unterschieden werden. Enge Rückfalldefinition Hier wird jeglicher Konsum des Suchtmittels nach einer Phase der Abstinenz als Rückfall angesehen.
Trockener Rückfall
Der Betroffene fällt in sein altes Verhalten (z.B. Großspurigkeit, Sprunghaftigkeit, rigide und schnelle Urteile über andere) zurück, ohne jedoch zu trinken.
Fehltritt (lapse)
Kurzfristiger und geringfügigerer Alkoholkonsum, der (bei ernsthafter Reflexion und Anknüpfen an die Abstinenz) ein einmaliger Vorfall bleiben kann.
Schwerer Rückfall (relapse)
Rückfall in alte Trinkmuster in Bezug auf Menge, Trinkfrequenz und Trinkdauer.
Schleichender Rückfall
Hier steht am Anfang der Versuch, kontrolliert zu trinken. Nach scheinbaren Erfolg kommt es jedoch zu einem Abrutschen in alte Trinkgewohnheiten mit zunehmenden körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen.

URSACHEN DES RÜCKFALLS

Klassische Konditionierung
Nach dem Konzept der Klassischen Konditionierung wird davon ausgegangen, dass der Rückfall durch eine konditionierte Entzugserscheinung ausgelöst werden kann. Während der Zeit des Substanzmissbrauchs werden die körperliche (entzugsbedingte) Stoffwechselstörung (unkonditionierter Reiz) und das dabei empfundene Bedürfnis nach Alkohol (unkonditionierte Reaktion) mit den in der jeweiligen Situation regelmäßig auftretenden Reizen (z,B. Stimmungen, Umgebungssituation, Personen) verknüpft. Ist diese Verbindung einmal etabliert (konditioniert), reicht es aus, dass der Alkoholkranke diesen entsprechenden Reizen (z.B. bestimmte Kneipe, konditionierter Reiz) ausgesetzt, damit das Bedürfnis nach Alkohol (konditionierte Reaktion, Substanzverlangen) auftritt. Die körperliche Grundlage (Stoffwechselstörung) muss dazu nicht mehr vorhanden sein. Die konditionierte Entzugserscheinung wurde zum diskriminativen Hinweisreiz (d.h., es wurde gelernt, dass in dieser Situation Alkoholkonsum zur Beseitigung der negativen Empfindungen führt, vgl. operate Konditionierung). Dies erklärt, warum es auch nach langen Jahren der Abstinenz in bestimmten Situationen zum Rückfall kommen kann. Diese Theorie liefert jedoch keine Erklärung dafür, warum nicht jeder konditionierte Reiz automatisch zu einem erneuten Konsum führt und warum es nicht bei jedem Fehltritt zum Rückfall kommt.
Kognitiv-behaviorales Rückfall-Modell von Marlatt und Gordon
Marlatt und Gordon (1985) gehen davon aus, dass der Rückfall nicht plötzlich auftritt, sondern sich über längere Zeit vorbereitet. In ihrem Modell greifen sie auf Konzepte der sozialkognitiven Lerntheorie von Bandura zurück. Das Modell beinhaltet folgende Komponenten, die die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls beeinflussen:
 
1. Konfrontation mit einer Risikosituation, z.B. negative Gefühle, soziale Konflikte oder soziale Verführung)
2. Bewältigungsstrategien (Coping Response) für den Umgang mit der Risikosituation
3. Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung der Situation 8Selbstwirksamkeitserwartung, self-efficacy)
4. Erwartungen bezüglich der unmittelbaren Wirkungen des Alkohols (ergebniserwartung, Outcome-expectancies)
5. Abstinenz-Verletzungs-Effekt (abstinence Violation Syndrome).

Ist der Betroffene einer Risikosituation ausgesetzt, wird er diese entweder bewältigen (Coping) oder nicht. Die Bewältigung führt zu einer erhöhten Selbstwirksamkeitserwartung und insgesamt zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls. Wird die Situation nicht bewältigt, kommt es zu einer Abnahme der Selbstwirksamkeitserwartung, die Situation ohne Alkohol in den Griff zu kriegen. Positive Erwartungen an den Substanzkonsum (z.B. "dann werde ich mich besser fühlen") werden aktualisiert, und es kommt zum Substanzkonsum (lapse). Infolge kann es zu einer problematischen psychischen Verarbeitung, dem Abstinenz-Verletzungs-Effekt (abstination Violation Syndrome) kommen. Durch den Vorfall (lapse) kommt es zum Widerspruch (kognitive Dissonanz) zwischen dem Selbstbild des Betroffenen ("Ich will abstinent leben") und dem konkreten Verhalten (Alkoholkonsum). Dieser Konflikt kann nur durch die Änderung des Verhaltens (Abstinenz) oder des Selbstbildes ("Ich bin eben ein Trinker") aufgelöst werden. Im letzteren Fall sieht man sich selbst als Ursache für das Trinken (internale Attribution: "Ich bin ein Versager"), was zu Selbstwertminderung, Schuld und Schamgefühl und letztlich einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für einen vollständigen Rückfall (relapse) führt. Gelingt es demjenigen jedoch, den Fehltritt "konstruktiv" zu verarbeiten (z.B. "das ist jetzt keine Katastrophe, ich kann daraus lernen und es beim nächsten Mal anders machen"), kann der Rückfall u.U. aufgefangen werden und zum Vorfall (prolapse) werden. D.h. es kommt zur Rückkehr auf den Weg zur Abstinenz. Somit spielen kognitive Faktoren nach Marlatt und Gordon eine entscheidende Rolle bei der Rückfallprävention.

Als weiterer Risikofaktor wird ein dauerhaft unausgeglichener Lebensstil (unbalanced lifestyle) beschrieben, bei dem die täglichen Belastungen nicht durch stabilisierende Aktivitäten oder Entlastungsmöglichkeiten ausgeglichen werden. Hierzu zählt auch die Rückkehr zu ungünstigen Gewohnheiten, wie z.B. sozialer Rückzug oder häufiger Fernsehkonsum, was zu Unzufriedenheit und dem Wunsch nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung führen kann. Das Modell bietet somit verschiedene Ansatzpunkte für die Prävention von Rückfällen im Rahmen einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung (z.B. Änderung des Lebensstils, Erlernen von Bewältigungsstrategien oder kognitive Umstrukturierung).
Abstinenz
Trockenen, also vom Alkohol abstinent lebenden Alkoholkranken wird von Fachkliniken, Sebsthilfegruppen und Therapeuten totale Abstinenz von allen alkoholhaltigen Lebensmitteln empfohlen, weil laut Erfahrungsberichten schon geringe Mengen Alkohol das Verlangen nach mehr auslösen können. So kann der alte Kreislauf von Abhängigkeit neu entstehen; manchmal reicht eine Praline mit Alkohol aus. Das kann sogar nach Jahrzehnten der Abstinenz geschehen. Das gilt auch für "alkoholfreies Bier" und andere Getränke wie Wein oder Sekt, die als alkoholfrei verkauft werden. Diese enthalten oft bis zu 0,5 Prozent Alkohol; dies braucht aber nach derzeitigen Vorschriften nicht deklariert zu werden. Zudem können auch Geschmack und Geruch sowie die äußerliche Ähnlichkeit ein Alkoholverlangen auslösen. Ein bis zu 0,5-prozentiger Alkoholgehalt findet sich als natürliches Nebenprodukt ungekennzeichnet teilweise auch in Fruchtsäften aufgrund deren natürlicher Gärung. Wichtig ist auch, ob der Alkohol bewusst oder unbewusst eingenommen wird. Entscheidet sich der Alkoholiker, etwas zu sich zu nehmen, obwohl es Alkohol enthält, ist der Rückfall wahrscheinlicher als bei einem reinen "Unfall".
Kontrolliertes Trinken
Ein anderer Ansatz in der Behandlung der Alkoholkrankheit ist das kontrollierte Trinken, im deutschen Sprachraum propagiert vor allem durch Joachim Körkel. Mit einem "10-Schritte-Programm" soll der Kranke unter anderem die Rahmenbedingungen überprüfen, ein Trinktagebuch führen und seine Trinkziele festlegen.
Dieser Ansatz wird vielfach kritisiert. Der Begriff "kontrolliertes Trinken" sei nicht eindeutig definiert und werde nur von zwei bis fünf Prozent der Abhängigen über Jahre durchgehalten. Lediglich noch nicht abhängige Personen könnten dies Ziel mit höherer Wahrscheinlichkeit erreichen. Das kontrollierte Trinken könne daher als generelles Behandlungsprinzip für Alkoholabhängige nicht empfohlen werden.
Prognose
Eine wesentliche Voraussetzung für den Therapieerfolg ist die Motivation des Abhängigen. Je eher die Alkoholkrankheit behandelt wird, desto besser ist die Erfolgsaussicht. Patienten, die den starken Wunsch haben, mit dem Trinken aufzuhören, haben in der Regel weit bessere Chancen, abstinent zu werden und zu bleiben, als solche, die das Ausmaß ihres Alkoholproblems noch nicht realisiert haben. Vor allem im ersten halben Jahr nach einer Entgiftung ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, rückfällig zu werden. Entwöhnungstherapie bessert die Chancen erheblich. Etwa 15 Prozent schaffen es, langfristig abstinent zu bleiben, während bis zu 85 Prozent aller nur entgifteten alkoholabhängigen Patienten rückfällig werden.
Die unterstützende Behandlung mit Medikamenten (Anti-Craving-Substanzen) (siehe dort) nach Langzeittherapie verspricht noch bessere Erfolge. Schwere Rückfälle machen erneuten Entzug mit anschließender Therapie unumgänglich. Viele Patienten gelangen erst nach mehreren Therapiemaßnahmen zur stabilen Abstinenz.
 
  1. Vorbeugung
    Angesichts der weiten Verbreitung der Alkoholkrankheit und der daraus entstehenden Folgen entwickelten Anfang der 1970er Jahre erste Firmen Alkoholpräventionsprogramme. in vielen, aber noch nicht allen Betrieben gibt es Ansprechpartner, oft aus dem Kreis der Belegschaft, als betriebliche Suchthelfer und Suchtbeauftragte mit entsprechender Fort- und Weiterbildung, die zusammen mit dem Betriebsarzt arbeiten. Sie können Partner für vertrauliche Gespräche sein, aber auch bei disziplinarischen Gesprächen mit auffällig gewordenen Mitarbeitern und deren Vorgesetzten zugegen sein und über das weitere Vorgehen mit beraten, Zum Beispiel hat die Universität Münster eine detaillierte Dienstvereinbarung, wie im Falle von suchtauffälligen Mitarbeitern vorgegangen wird.
    In vielen europäischen Ländern laufen koordinierte Aufklärungskampagnen zum Thema Alkohol, in Deutschland ist z.B. bekannt: "Alkohol? Kenn Dein Limit" Experten der Weltgesundheitsorganisation stellten außerdem fest, dass hohe Alkoholpreise den Alkoholkonsum von Jugendlichen vermindern (siehe auch: Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen). Auch das Binge Drinking, d.h. Trinkgelage und exzessives Rauschtrinken werden dadurch reduziert. ein komplettes Verbot (Prohibition) löst das Problem nachweislich nicht: Die Prohibition in den Vereinigten Staaten hat gezeigt, dass Schmuggel und Schwarzbrennerei dies unterwandern können und werden, und dass der Alkoholkonsum in der Illegalität noch bei Weitem schwerer zu kontrollieren ist. Die Kommission sieht die Werbung für alkoholische Getränke als sehr problematisch an. Auch die Verknüpfung mit Sponsorschaften und anderen positive Darstellungen von Alkohol fördern den Konsum.
    Verbreitung und Ausmaß der Krankheit
    Alkohol ist die Droge, die am häufigsten zur behandlungsbedürftigen Abhängigkeitsentwicklung führt. Im Vereinigten Königreich wurde die Zahl der 2abhängigen Trinker" für das Jahr 2001 auf über 2,8 Millionen geschätzt.
    Ungefähr zwölf Prozent der Erwachsenen in den USA hatten mindestens eine Zeit lang in ihrem Leben Probleme mit Alkoholabhängigkeit. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit ungefähr 140 Millionen Menschen alkoholabhängig sind. In den Vereinigten Staaten und Europa erfüllen 10 bis 20% der Männer und fünf bis zehn Prozent der Frauen irgendwann in ihrem Leben die Kriterien für Alkoholismus.
    Die Medizin und andere Wissenschaften sind sich einig, dass Alkoholismus eine Krankheit ist. Beispielsweise nennt die American Medical Association Alkohol explizit eine Droge und urteilt, dass Drogenabhängigkeit eine chronische, wiederkehrende Krankheit des Gehirns ist, beschrieben durch zwanghafte Suche nach der Droge und deren Gebrauch trotz oft verheerender Folgen. Alkoholismus ist zwar bei Männern häufiger als bei Frauen, allerdings hat der Anteil der Frauen in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen.
    Europäische Union
    7,4 % der gesundheitlichen Störungen und vorzeitigen Todesfälle in Europa werden auf Alkohol zurückgeführt. Damit steht er an dritter Stelle als Ursache für vorzeitiges Versterben nach Tabakkonsum und Bluthochdruck. Er ist zugleich die häufigste Todesursache bei jungen Männern in der EU. Geschätzt wird, dass ca. 55 Millionen Menschen in der EU Alkohol in riskanter Weise konsumieren (ICD10: F10.1) und weitere 23 Millionen abhängig sind. In der Region wird mit elf Litern reinen Alkohol pro Kopf doppelt so viel getrunken wie im weltweiten Durchschnitt. Der Anstieg des Binge Drinking (Komasaufen) unter Jugendlichen zwischen 1997 und 2007 ist dramatisch. Auch unter Erwachsenen wird es vermehrt praktiziert. Nach einer Erhebung der WHO im Jahr 2003 beschrieben sich über 38 % der männlichen Trinker in Polen und 30 % der männlichen Trinker in Ungarn als wöchentliche Binge Drinker, in Großbritannien sind es noch 24 %, in Spanien hingegen nur 8,5 %. Alkohol und seine Folgekrankheiten verursachen in diesem Gebiet etwa 195.000 Tote jährlich.

 
  1. Deutschland
    Die erste (bekannt gewordene) Welle hohen Alkoholkonsums war in Deutschland die sogenannte Branntweinpest im 19. Jahrhundert. Bis heute schwankt der Verbrauch und wird häufig unterschätzt. Nachdem zu Beginn der 1990er Jahre der absolute Alkoholverbrauch pro Kopf zurückgegangen war, hat er sich aktuell (Stand 2014) bei etwas unter zehn Litern pro Kopf und Jahr stabilisiert. Damit steht Deutschland international in der Spitzengruppe. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) nannte für 2009 (in ihrem Jahrbuch 2011) folgende Zahlen: 73.000 vorzeitige Todesfälle durch Alkohol; Jahresverbrauch an reinem Alkohol pro Kopf (vom Baby bis zum Greis) 9.7 Liter. Die WHO dagegen gibt für 2010 einen durchschnittlichen Alkoholkonsum von 11,8 Litern an. Im internationalen Vergleich belegt Deutschland damit bezogen auf den durchschnittlichen Alkoholkonsum weltweit Platz 23 und im europäischen Vergleich den 19. Platz.
    Nach aktuellen Schätzungen gibt es zwischen 1,3 und 2,5 Millionen alkoholabhängige Menschen in Deutschland, davon 30 Prozent Frauen. Etwa 9.5 Millionen Menschen konsumieren Alkohol in riskanter (gesundheitsgefährdender) Weise, nehmen also mehr als 24 g (Männer) bzw. 12 g (Frauen) reinen Alkohol pro Tag zu sich. Etwa 5,9 Millionen Bundesbürger konsumieren mehr als 30 g (Männer) bzw. 20 g (Frauen) täglich. Quellen beziffern die Zahl der Toten durch Alkoholkonsum unterschiedlich. Das Statistische Bundesamt zählte im Jahr 2000 16.000 Tote durch Alkoholkonsum; dabei trat der Tod in 9.550 Fällen durch Leberzirrhose ein. Das Deutsche Rote Kreuz berichtet von 40.000 Todesfälle, davon 17.000 an Leberzirrhose.
    Der Drogen- und Suchtbericht 2009 der Drogenbeauftragten der deutschen Bundesregierung spricht sogar von mindestens 73.000 Toten als Folge übermäßigen Alkoholkonsums in Deutschland (zum Vergleich: Drogentod durch illegale Drogen = 1.477 Fälle, Tod als Folge des Tabakrauchens = 110.000 Fälle).
    Nach einer Studie der Berliner Charite trinken 58 % aller Frauen während der Schwangerschaft Alkohol. 10.000 Kinder kommen alkoholgeschädigt zur Welt, davon 4.000 mit dem Vollbild des fetalen Alkoholsyndroms (FAS), Man schätzt, dass etwa 250.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahre stark alkoholgefährdet oder schon abhängig sind. Nach einer Befragung aus dem Jahre 2008 konsumieren 6,8 % der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren eine selbst für Erwachsene riskante Alkoholmenge.
    Das Robert-Koch-Institut schätzte 2002 den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden auf 20 Milliarden Euro; Michael Adams schätzt die direkten kosten bei Alkoholsucht (Behandlungskosten der verursachten Krankheiten) auf zehn Milliarden Euro, die Folgekosten (Arbeitsausfall, Frührente, Krankentagegeld) belaufen sich auf 15 bis 40 Milliarden Euro. Dem stehen 2,2 Milliarden Euro staatlicher Einnahmen durch Alkoholsteuern sowie ca. 2,5 Milliarden Euro Mehrwertsteuer gegenüber. Die Alkoholindustrie in Deutschland setzt zwischen 15 und 17 Milliarden Euro um und beschäftigt rund 85.000 Menschen. Das gesellschaftliche Ausmaß des Alkoholismus bei älteren Menschen wurde früher unterschätzt. Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung und der demografischen Entwicklung kann man nicht von einer sich selbst begrenzenden Krankheit ausgehen. Weltweit beträgt die Sterbequote durch Alkohol (inkl. Verkehrsunfällen, Krebs usw.) eins zu 25. In Europa stirbt einer von zehn Menschen vorzeitig an Folgen des Alkoholkonsums.
    Schweiz
    In der Schweiz ergab eine Untersuchung aus dem Jahr 2003, dass bereits 80 % der Fünfzehnjährigen regelmäßig Alkohol trinken, wobei die Abgabe von alkoholhaltigen Getränken wie in Deutschland geregelt ist. Danach ist die Abgabe von Bier und Wein unter 16, die Abgabe von Spirituosen unter 18 Jahren verboten. Die Eidgenössische Alkoholverwaltung sendet deshalb regelmäßig Testkäufer aus. Der Gesamtalkoholkonsum ist seit Jahrzehnten leicht rückläufig, betrug im Jahr 2011 8,5 Liter pro Einwohner. Die Alkoholprävention und -Therapie wird zu einem großen Teil aus dem sogenannten Alkoholzehntel, einem Anteil der Alkoholsteuer, finanziert. Von 2006 bis 2011 wurden im Durchschnitt pro Jahr in die Suchtprävention 15,1 Millionen Schweizer Franken (CSF) investiert, in die Therapie 11,4 Millionen Franken.
    Nach Informationen der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol in Lausanne (SFA) beläuft sich die Zahl der Alkoholkranken in der Schweiz auf ca. 600.000 Personen, was 7.7 % der Gesamtbevölkerung entspricht, weitere 300.000 gelten als gefährdet.
    Medizinische Behandlungen, Therapien und alkoholbedingte Unfälle verursachen jedes Jahr Kosten von rund 700 Millionen Schweizer Franken. Die Hälfte des verkauften Alkohols wurde von einem Achtel der Bevölkerung getrunken. Siebzehn Prozent der Schweizer leben abstinent (zahlen für das Jahr 2007).
    Österreich
    Das Österreichische Institut zur Suchtprävention gibt an, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung Österreichs abstinent lebt. 18 % trinken in gesundheitsgefährdendem Ausmaß, fünf Prozent der Einwohner über 16 Jahre gelten als chronisch alkoholkrank (insgesamt erkranken zehn Prozent der Bevölkerung). Letztere verbrauchen ein Drittel des in Österreich konsumierten Rein-Alkohols.
    Das Bundesministerium für Gesundheit spricht hingegen davon, dass 7,5 % der erwachsenen Männer und 2,5 % der erwachsenen Frauen an Alkoholismus erkrankt sind.
    In Österreich wird Alkohol vor allem in Form von Bier (2016: 102 Liter pro Kopf und Jahr) und Wein (2016: 28 Liter pro Kopf und Jahr) getrunken.

    Zusammenhang mit Gebrauch anderer Substanzen
    In Längsschnittstudien wurde untersucht, ob die Wahrscheinlichkeit von Alkoholproblemen mit dem frühen Gebrauch von anderen Substanzen in Beziehungen steht. Umgekehrt wurde auch untersucht, ob Alkoholkonsum mit einer veränderten Wahrscheinlichkeit für den späteren Gebrauch anderer Substanzen in Beziehung steht.
    Eine Untersuchung von 27.461 Personen, die vor ihrem Cannabiskonsum keine Alkoholprobleme hatten, zeigte eine um den Faktor 5 erhöhte Wahrscheinlichkeit, im Zeitraum bis zu einer zweiten Untersuchung nach drei Jahren Alkoholprobleme zu entwickeln (Steigerung um 500 %) im Vergleich zu denen, die kein Cannabis konsumiert hatten.
    In einer anderen Stichprobe von 2121 Personen, die bereits zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung Alkoholprobleme hatten, war die Wahrscheinlichkeit, dass diese auch nach drei Jahren noch fortbestanden, bei Cannabis-Konsumenten um 74 % höher als bei Nicht-Konsumenten. Eine Studie über den Drogengebrauch von ca. 14.500 Schülern der 12. Klasse zeigte, dass Alkoholkonsum mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für den späteren Gebrauch von Nikotin, Cannabis und anderen illegalen Substanzen verbunden war.
    (Quelle: Wikipedia)

 
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KAPITEL 2:


TAGEBUCH EINES DEPRESSIVEN SUCHTKRANKEN

(Langzeit-Therapie in Leipzig vom 15. September 2006 bis 18. Januar 2007)


Zeiten, in denen man sich ändert, sind etwas Besonderes. Man muß ausgesprochen aufmerksam auf sich selbst sein, um den neuen Kurs nicht aus den Augen zu verlieren oder in den alten Trott zu verfallen.

Ein Tagebuch kann davor bewahren, daß die Zeit einfach verstreicht oder Ereignisse scheinbar sinnlos an einem Vorübergehen. Ein therapeutisches Tagebuch soll Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und damit letztlich Selbstverantwortung für das, was einem geschieht, stärken. Das Tagebuch kann diese Wirkung ausüben, weil das Schreiben einen zum Nachdenken, zur Klarheit beim Formulieren und zu mehr Verbindlichkeit zwingt. Es hilft Bilanz aus jeden einzelnen Tag zu ziehen und daraus Rückschlüsse für die Planung der nächsten Zeit zu gewinnen. Es soll also vor zwei Übeln bewahren. Vor Hast und vor Unentschlossenheit. Und es soll zwei Fähigkeiten fördern: Realistische Selbstbewertung und aktive Lebensgestaltung. Diese Rückschau am Abend kann dazu beitragen, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden, Positives und Negatives und vielleicht auch bereits Lösungsansätze eines Problems zu sehen.



Folgende Fragen können hilfreich sein:



1. Aktivitäten:

Was habe ich heute für mich persönlich gemacht ?

Welche meiner persönlichen Pläne und Therapieaktivitäten habe ich erledigt, was blieb unerledigt und warum ?

2. Befinden:

Gab es heute etwas, was mir gefallen hat, was ich gewagt habe oder worauf ich stolz bin ?

Was hat mir heute nicht gefallen oder mich geärgert ?

Gab es heute etwas, was mir Sorgen macht ? Wohin wandern meine Gedanken oft, ohne daß ich es vielleicht will ?

Habe ich heute eine wichtige Erfahrung gemacht, etwas Wichtiges gelernt ? Welchen Nutzen habe ich insgesamt aus dem Tag gezogen ?

3. Pläne:

Was will ich morgen für mich persönlich erledigen ?

Habe ich heute Vorsätze für die Zukunft gefaßt oder Veränderungen für die Zukunft geplant ?

Wem möchte ich morgen etwas Gutes tun ?


Das Tagebuch kann auch nützlich sein, indem es uns an Dinge erinnert, die in der Vergangenheit hilfreich waren. Rückschläge treten ja üblicherweise in jeder Therapie auf. Es kann dann sehr hilfreich sein, im Tagebuch zurückzusehen und nachzulesen, wie man sich das letzte Mal geholfen hat, als man sich schlecht gefühlt hat. Oder man kommt beim Lesen den unbeobachteten Vorläufern der Verschlechterung auf die Spur, zum Beispiel daß man sich immer wieder zuviel vornimmt oder sich aufladen läßt.


Ich habe während meiner Therapie zwei Tagebücher geführt. Ein Privates und ein Therapeutisches. In der Niederschrift werde ich dies wie folgt kennzeichnen:

Privates Tagebuch: PT

Therapeutisches Tagebuch: TT





ENTGIFTUNG - STATION II




PT: 15. September 2006 - 1. Tag




Ich fühle mich einsam, verlassen und depressiv, von der Außenwelt ausgeschlossen.

Regeln (Rauchzeiten, Station nicht verlassen u.a.), welche hier aufgestellt sind, tun meiner seelischen Verfassung nicht gut, weil meine persönliche Freiheit beschnitten wird. Sehe keine Verbindung zum Alkohol.

"Schlips" (Spitzname), welcher mich heute morgen per Taxi zur Klinik fuhr, hat es in unserem Gespräch auf den Punkt gebracht. Ich verarbeite es im Kopf nur anders (Stress, Geldnot usw.). Petra (Lebensgefährtin) fehlt mir schon nach vier Stunden, so sehr, daß es schon wieder weh tut. Dies lähmt zusätzlich.

Orientierung war heute angesagt und ein großes seelisches Loch in mir. Mein Thema muss der erneute Rückfall und der "Trockenrausch" sein. Die Gespräche mit Petra im Vorfeld, taten mir gut, aber meine Angst vor der Langzeit-Therapie bleibt, trotz der Erfahrung von 1997 ( 1. Langzeittherapie an gleicher Stelle). Warum ? Sie ist einfach zermürbend. Petra und die Kinder wären enttäuscht !



PT: 16. september 2006 - 2. Tag



Nach dem Gespräch mit Petra habe ich eine gewisse Sicherheit gefunden. Mein Unbehagen zur Therapie selbst bleibt. Ergänzend zu gestern, muß ich sagen, zu Rückfall und "Trockenrausch" gesellen sich noch ein tieferer Einblick in mein Gefühlsleben. Wo liegt der Fehler in der Verarbeitung ? Dies müssen auch eventuell Therapieziele werden. Es kann nicht der Zwang und mein Perfektionismus sein. Selbstdisziplin war während der neun Jahre Trockenheit mein Schlüssel zum Erfolg. Abstinent leben.

Meine Partnerin hat gesagt:" Du bist nicht mehr mein Olli, du kämpfst einfach nicht mehr." Irgendwo stimmt es, mir fehlt die Motivation, die Einstellung und mein Selbstwertgefühl. Letzteres hat arg gelitten. Der 1-Euro-Job hat dazu beigetragen. Ich wurde ausgelacht und angesprochen mit:" Halt dein Maul." Meine Langzeit-Arbeitslosigkeit (seit 1993 - 2007) hat sicher auch zum Rückfall beigetragen. Mein Druck, irgend eine passende Lösung für mich zu finden, wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Der Frust und meine Unzufriedenheit stiegen und dann holte mich meine Vergangenheit ein. Mein Suchtgedächtnis meldete sich immer vehementer. Die Sekunde eigener Zufriedenheit (falscher Zufriedenheit) holte ich mir dann, wie "gewohnt" mit dem Alkohol (Bier). Bier zur Entspannung, wie früher.

Patientenfürsprecher (Missstände), die Adaptionsmöglichkeiten in der Klinik und die genaue Bearbeitung meines ALG II-Anspruches, gaben mir dann doch wieder etwas Beruhigendes.
 
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