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Das Leiden wird mir lieb

louiz30 schrieb:
Verfallen wir in Melancholie, Depression und Weltschmerz?
Wenn ja, was sind die Gründe?

Ich glaube das sich einfach immer mehr Menschen der wahren Werte bewußt
werden. Besonders in den letzten fünf Jahren (gesamt in etwa seit 15 Jahren
zunehmend) hat die Überreizung der Sinne durch extreme Werbung
zugenommen.
Langsam erkennen mehr Menschen das sie nicht 'schöner, toller oder besser'
als andere sind wenn sie das und das besitzen.
Sie erkennen das 'Schein' eben nicht 'sein' ist.
Viele der heute etwa 20 bis 25 jährigen müssen sich neu definieren, haben
keine eigene Wertigkeit entwickelt.
Ich kann mir schon vorstellen das dieses erkennen viele erstmal in ein großes
Loch fallen läßt.

LG
Phoenix
 
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Bei den ungefähr 25-35-jährigen bemerke ich einen unheimlichen Drang perfekt zu sein...ein perfektes, aufregenden Leben zu „führen“,... führen zu müssen. Im Bereich 14-19 habe ich den Eindruck, dass sie sich selbst dessen bewusst sind dass „sie alles haben und glücklich sein müssten“, es aber nicht sind.

Leider ist Melancholie noch nicht Antrieb genug, aus dem Sumpf herauszukommen. Leider braucht es dann meist ne innere oder äußere Katastrophe. Hier ahnt man, was Leute wie Sri Aurobindo meinen, wenn sie sagen, dass das Ausmaß des Leids auch die Fähigkeit zur Freude widerspiegelt. Ein Schwacher Trost für einen Betroffenen, das muss man zugeben.

Je tiefer das Tal, desto höher der Berg...Melancholie ist vermutlich ein Leben auf immer gleichen Höhe, mit der immerwehrenden Angst abzustürzen und der immerwährenden Belastung, „noch weiter aufsteigen zu müssen“...eigentlich ist es nicht auszuhalten, aber es geht...weil es ebenso wie jede Unwahrheit, wenn „es“ nur häufig genug wiederholt wird zu Wahrheit wird ...also wird Melancholie und Unzufriedenheit als Massenphänomen „normal“. Bloße Unzufriedenheit, führt einen vermutlich immer nur an der Nase herum... siehe Selbsterkenntnisboom oder „du sollst kleine Dinge schätzen“ und in der Extremform sektiererische Gruppen oder Esoterik (im Sinne von Lichtwesen und Astralebenen).

Wahrscheinlich sollte man, wenn man in das Loch fällt, versuchen „durch“ zu fallen. Aber leichter gesagt als getan, wenn man den Boden nicht sehn kann. *murmel*

Viele verschlafene Grüße :)
Bernd
 
Ich hoffe, dass Louiz irgendwann ein Fazit zieht und uns so noch klarer vor Augen führt, wie unterschiedlich die Auffassungen über die Melancholie die hier vertreten werden doch sind. Diese Unterschiede sind für mich eine Selbstverständlichkeit, denn wir sprechen über ein Gefühl - und Gefühlslagen werden von uns Menschen meist unterschiedlich erlebt bzw. wahrgenommen.

Aber auch im Laufe der Zeit hat sich die Melancholie und auch ihre Wahrnehmung verändert.

Vielleicht bleibt doch Albrecht Dürers "Melancholia I" eine der aussagekräftigsten Gemälden auch durch die in ihr erkennbare Symbolik. Eine Frau die anscheinend in ihrer Ratlosigkeit dargestellt ist und zu deren Füßen eine Menge aus der Geometrie bekannter Instrumente liegen. Instrumente die der Erforschung des Universums dienen sollten? Oder der Erfassung der Zeit?

In den Bildern mit religiösem Hintergrund wird die Melancholie jedoch immer in Begleitung von Dämonen, von Versuchungen, dargestellt. (z.B. Hieronymus Bosch: "Die Versuchung des Heiligen Antonius").
Für die Religion, war die Melancholie stets verbunden mit Faulheit und mit Sünde.

Ganz anders im Romantismus, da wird der Melancholie eine träumerische Note verliehen und erst da fängt eigentlich die Auseinandersetzung mit dem Weltschmerz richtig an.

Was wird aber zum Leitmotiv in der modernen Malerei z.B. bei Edvard Munch, Edward Hopper oder Claudio Parmiggiani? M.E. findet sich da ein gemeinsammer Nenner: die Einsamkeit des Menschen, seiner Melancholie mal ausgeliefert aber auch sich mit ihr abfindend (Hopper) oder aufschreiend (Munch). Aber auch selber verschwindend und nur eine melancholische Note hinterlassend, wie im Bild von Zoran Music, in dessen Bild nur noch der leere graue Sessel zu sehn ist.

Ich habe mir eine kleine, vielleicht auch gewagte Analyse der Melancholie im Laufe der Zeit erlaubt, denn nur in diesem Kontext kann man m.E. auch eine Antwort auf Louiz Frage geben:

Verfallen wir in Melancholie, Depression und Weltschmerz?
Wenn ja, was sind die Gründe?
 
Bernd schrieb:
l.



Wir brauchen Menschen, die Angst haben, Gewalt einsetzen und ehrgeizig sind...sonst würde unsere große Lebenslüge in sich zusammenfallen. Wir brauchen Menschen, die Angst vor Einsamkeit haben...denn dann sind sie steuerbar. Vielleicht ist die Massen-Melancholie ein Ausdruck dessen, dass Zivilisation gescheitert ist...kleine bunte Pillen, Moral, Kampagnen und Motivations-Workshops werden nichts bringen. Warum?, weil wir nur an den Symptomen herumfummeln, wie immer.

Viele Grüße
Bernd

Hallo, Bernd -

ich habe diese Worte von Dir besonders intensiv empfunden.
Genau diese Gedanken plagten mich ja auch in meiner lyrischen Nachtstunde.


Nur wer Angst hat, kann ermessen, was mit ihm geschieht. So sehe ich das auch -
Es ist sicher die Aufgabe des Einzelnen selbst, dann mit der erkannten Angst umgehen zu lernen. Mir erscheint halt eine echte Wut gut zu sein als Mittel, dieser Angst zu entgehen. Institutionen ( vom Art bis zur Selbsthilfgruppe) können hilfreich sein - können .
Marianne
 
louiz30 schrieb:
Verfallen wir in Melancholie, Depression und Weltschmerz?
Sollte Deine Frage gesellschaftspolitisch gemeint sein,gibt es sicher tausendfache Gründe,die hier ja auch schon diskutiert wurden.

Ich nehme mir die Freiheit,Deine Frage persönlich zu nehmen...

Denke ich an meine "zwanziger Jahre",so würde ich sie als meine Weltschmerzjahre bezeichnen.
Die Schwermut hatte mich lange,lange in ihrem kühlen Griff und nicht umsonst war der Stich von Dürer- Melencholia-mein Lieblingsbild.So gut konnte ich mich in diesen trauernden,bekümmerten Mann einfühlen,der -so schien es mir-all meinen Schmerz über die Welt verkörperte...

Wo kam sie her,diese "Schwarzgalligkeit"?
Lag es daran,daß ich meinen Platz in der Welt noch nicht fand;auf der Suche nach mir selbst war;die Ungerechtigkeiten in der Welt persönlich nahm?..ich weiß es nicht....

Die andere Seite dieses "Verschattetsein" war ,daß ich mich darin auch wohl fühlte;ich genoß es,still zu trauern...hob mich das doch deutlich von meinen lärmenden Altersgenossen ab.....
Ich fühlte mich durch diese Schwermut auch ganz in mir,geistesgegenwärtig und hellwach...


Ewig sollte der Mensch nicht grundlos trauern und so verlor sich die Melancholie im Laufe der Zeit so leise,wie sie gekommen war....
 
Liebe Sibel

schneller sicher nicht, nur etwas früher am Werke. Aber du könntest auch zum Dürer etwas sagen?
 
marianne schrieb:
Nur, wer etwas tut, hat auch das Recht, Trauer bei Misslingen zu empfinden.
Zustimmung.

Ich finde wir sollten hier aber die Begriffe Melancholie und Weltschmerz gegenüber der Depression abgrenzen. Ich finde sie widersprechen sich.
Melancholie und Weltschmerz sind für mich Gefühle der Trauer. Depression heisst, für mich Gefühlosigkeit. Mangel an Gefühl.

Trauert die Gesellschaft oder ist sie depressiv?
 
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Bernd schrieb:
Wo kann ich denn das Bild mal sehn. *neugierig kuck* :foto:


Lieber Bernd,

wenn ich ins Kittchen komme weil ich vielleicht etwas Unerlaubtes mache, werde ich dir einen Zettel zukommen lassen, was du bei deinen Besuchen mir nettes bringen könntest. Ja?

http://www.metmuseum.org/toah/images/h2/h2_43.106.1.jpg

Um eventuellen Unanähmlichkeiten vorzubeugen: das Bild hängt nicht bei mir zuhause. Noch nicht
 
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