Ich will mal schnell noch ein paar ganz egozentrierte Gedanken zum Thema loswerden, bevor ich mich ins Auto packe und zur Wichtelfeier nach Dresden lostingle...
Nämlich: ein früherer Freund hat mal so ganz nebenbei erwähnt, er fände Garderoben "irgendwie spießig" - ich grüble heute noch manchmal darüber nach, wie sowas "spießig" sein kann (trifft angeblich auch auf Eichenholzmöbel und geblümte Couchgarnituren zu
)
Robin, es "trifft" schon irgendwie, als Spießer bezeichnet zu werden. Mir passierte das früher öfter, heute ernte ich immer wieder mal diesen typischen "Spießermutti"-Blick von modern lifestyligen Möchtegernchens so um die 17, die die Welt schon völlig erkannt, durchschaut, durchgekaut und als untauglich wieder ausgespuckt haben
Moi latscht rund, kurzsichtig, unfrisiert und in bequemen Bauchrausstreckklamotten durch die Gegend, nix mit esoterischen Halsgehängseln, schicken Tattoos auf stofffreien Hinterbacken oder piercingverziertem Zahnfleisch.
"Spießertum" wird fast immer an Äußerlichkeiten gemessen, und da war's Anfang der 80er, als meinereine ganz unbedarft im grünen Loden-Manterl in die Partei der "Grünen" eintreten wollte und zu diesem Zweck zu einem Treffen der palästinensertuchuniformierten Friedenstauben in Turnschuhen ging, schon nicht besser als heute.
Unter der Oberfläche - das, was manche vielleicht als Individualität oder "eigenen Weg gehen" bezeichnen würden - da mag die Sache anders aussehen.
Ich lebe heute in einer "festen heterosexuellen Beziehung" - bin ich also jetzt Spießerle geworden, weil ich mich aus meiner fast 20-jährigen Politlesbenzeit herausentwickelt habe? Oder: irgendwann habe ich meine Straßenkinder-Babystrich-Phase abgeschlossen, mich von grünen Freunden und Helfern in eine geschlossene Mädchenheimstatt schaffen lassen und bin ausnahmsweise mal nicht mehr ausgebüxt, weil mir ein Abschluß an der Wirtschaftsschule + Lehrstelle nicht völlig nutzlos schienen.
Also Mainstream-Abzweigung. Macht das dann eine "Entscheidung zum Spießertum" aus?
Oder: manchmal, wenn ich mir die revoluzzerimitierenden Jungschen heute so angucke und mich wie Mamma-Matrone an ihnen vorbeibewege, denke ich mir "Ach - ich könnte Euch Sachen erzählen..." - ist DAS Spießertum? Mit Vergangenem prahlen, als wären's Diplome für nichtspießig geführte Lebensläufe?
Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem Schluß, daß "Spießer" nix weiter ist als eine mehr oder weniger stilvolle Art, andere abzuqualifizieren. Und vielleicht noch (aber aus dem Alter sollten wir alle doch schon längst raussein, oder?) sich auf der Suche nach eigenem Stil an anderen zu "messen"?
LG, wirrlicht