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Angepasstsein/Unangepasstsein

R

Robin

Guest
Jahrzehntelang war das Ideal zumindest der eher denkfreudigen Menschen dasjenige des Unangepassten, Querdenkers, Individualisten, Selbstverwirklicher usw.

Könnte es sein, dass in diesen Zeiten, d.h. Zeiten mit verstärkten Zukunftsängsten, Arbeitslosigkeit auf der einen Seite, auf der anderen Seiten einer zunehmenden Erschöpfung gegenüber dem immer Neuen und den Mengen an Selbstverwirklichern und -darstellern, das Ideal eines zumindest genügsamen Geistes en vogue wird? Könnte eine Art lässiger Konservatismus aufkommen, der sich nicht bewusst anpasst, aber Anpassung auch nicht panisch vermeidet?
Oder wäre das schlimm?
 
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Robin schrieb:
Könnte eine Art lässiger Konservativismus aufkommen,
der sich nicht bewusst anpasst, aber Anpassung auch nicht panisch vermeidet?

Oder wäre das schlimm?
Ich würde das nicht gar so schlimm finden,
solange zumindest darüber reflektiert wird, woran man sich anpasst.

Anpassungen nicht krampfhaft vermeiden, aber auch nicht jede Anpassung unreflektiert mitmachen.

Wie so oft im Leben, ist auch in dieser Frage ein Mittelweg zu suchen.

lg nase
 
Hey Robin,
ohne Angepasste keine Unangepassten und umgekehrt.
Es kommt immer wieder vor, dass mal die eine Seite stärker ist und mal die andere Seite. Ich finde es schlimm, wenn man keine eigene Meinung mehr hat, nur Mitläufer ist.
Angst macht Leute tot. Ich weiß nicht mehr woher das kommt - jetzt mal sinnbildlich gemeint. Klar, dass in solchen Zeiten wie diesen, die Angepasste Seite wieder überwiegt. Die Angst aufzufallen - rauszufallen ist zu groß.

Robin schrieb:
Könnte eine Art lässiger Konservatismus aufkommen, der sich nicht bewusst anpasst, aber Anpassung auch nicht panisch vermeidet?
Oder wäre das schlimm?[/

Du meinst so ein Wischiwaschigewurschtl - nein, das wäre nicht schlimm... weil ... es wird sich sowieso wieder ändern. Vielleicht wird´s mal kurz schlimm sein. :rolleyes:
Noemi
 
Robin schrieb:
Jahrzehntelang war das Ideal zumindest der eher denkfreudigen Menschen dasjenige des Unangepassten, Querdenkers, Individualisten, Selbstverwirklicher usw.

Könnte es sein, dass in diesen Zeiten, d.h. Zeiten mit verstärkten Zukunftsängsten, Arbeitslosigkeit auf der einen Seite, auf der anderen Seiten einer zunehmenden Erschöpfung gegenüber dem immer Neuen und den Mengen an Selbstverwirklichern und -darstellern, das Ideal eines zumindest genügsamen Geistes en vogue wird? Könnte eine Art lässiger Konservatismus aufkommen, der sich nicht bewusst anpasst, aber Anpassung auch nicht panisch vermeidet?
Oder wäre das schlimm?


Hoi Robin,

ich bin nicht davon überzeugt, daß es in den letzten Jahrzehnten generell mehr Individualisten, Querdenker usw. gab als zu jeder anderen Zeit auch. Oder vielleicht richtiger gesagt: der "Denkfreudige", wie Du's so nett umschreibst, wird zu allen Zeiten eher bereit gewesen sein, seine Gedanken auf Wege abseits von allgemein anerkannten, gesellschaftlichen Normen schweifen zu lassen.

Ob eine Gesellschaft als Gesamtes solche Abschweifungen zuläßt, sofort sanktioniert oder sogar ausgesprochen unterstützt, mag vom jeweiligen Zeitgeist abhängen - wie der sich entwickelt und sich als "allgemein gesundes Volksempfinden" etabliert - keine Ahnung, sicher spielen dabei wirtschaftliche, technische Entwicklungen eine Rolle, mehr noch Vorhandensein, Nutzung und Verbreitung von / durch Medien usw.

Was Deine Frage zum "lässigen Konservatismus" angeht (schön formuliert! :) ): da passiert nix anderes, als es zu allen Zeiten, in denen Menschen um ihr Auskommen fürchten mußten, auch passiert ist. Oder poplicher ausgedrückt: was wir heutzutage als "konservativ" betrachten, war zu anderen Zeiten ausgesprochen "progressiv" und wird's irgendwann in der Zukunft vermutlich auch wieder sein. Nix besonderes also :jump1:

LG, wirrlicht
 
Hallo !

Ohne eine der ersten 3 Meinungen verneinen zu wollen, will ich noch eines ergänzen:

Angepasstsein hängt auch zusammen mit demütig sein.

Dabei kommt es auch darauf an, in welcher Lebenssituation man ist.

Ist wer ein Verkäufer, der eine Frau und 2 Kinder zu ernähren hat, kann man ihm schwer vorwerfen, dass er ein Hasenfuß ist, weil er zu einem Kunden - sagen wir einmal - etwas überfreundlich ist.

Hat jemand seine Schäfchen im trockenen und er traut sich keine der politischen Parteien kritisieren, dann ist er entweder geldgierig (er will statt 2 Millionen Euro über die A...hkriec....i 4 Millionen Euro), feige, jedenfalls aber nach meinem Geschmack zu angepasst.

Wie unangepasst jemand in einem Land sein darf, ist m.E. auch ein Maßstab für die demokratische Gesinnung.

Demokratisch entstandene (Straf)-Gesetze stehen auf einem anderen Blatt; wer sie bewusst missachtet, ist eher unvernünftig als unangepasst.

Liebe Grüße

Zeili
 
PHP:
ich bin nicht davon überzeugt, daß es in den letzten Jahrzehnten generell mehr Individualisten, Querdenker usw. gab als zu jeder anderen Zeit auch. Oder vielleicht richtiger gesagt: der "Denkfreudige", wie Du's so nett umschreibst, wird zu allen Zeiten eher bereit gewesen sein, seine Gedanken auf Wege abseits von allgemein anerkannten, gesellschaftlichen Normen schweifen zu lassen.
Sicher.
Ich glaube, ich meine Unangespasstsein eher als ein Bild, das man abgibt/abgeben will. Eine Ausdrucksform, die dann wieder die Unterscheidung zwischen Individualisten und wahren Individualisten hervorgebracht hat. Letztere sind dann solche, die so eigen sind, dass sie es nicht nötig haben, es zu zeigen...
Es geht weniger um abseitige Gedanken (die hat vielleicht jeder), sondern zum Beispiel um flippige Kleidung oder "verrückte" Handlungen.

Meine Beobachtung ist, dass das Fernsehen in letzter Zeit die Verrückten hofiert, indem in jeder Talkshow, in jedem Gerichtsdrama, im Container sowieso Leute mit bunten Haaren und echt crazy Piercings sitzen, die sich unheimlich selbst ausdrücken und heftig um Toleranz werben (die ihnen leicht gelangweilt sowieso gewährt wird...).
Was also früher individueller Ausdruck war, ist nun mediales Kalkül, oft eine Karikatur auf die Ursprünge, auf die zum Beispiel punkige Attitüde o.ä. verweisen.
EIn wacher Geist bemerkt dies und will damit nichts mehr zu tun haben, gerade weil er vielleicht in seiner Jugend leicht angepunkt oder sonstwas war. Es ist nicht nur das Älterwerden. Es ist das Älterwerden vor der Folie eines täglich im Fernsehen inszenierten Skandals. EIne Verrat am einst mühsam erkämpften Protests.

Der Skandal findet aber nur noch in den Medien statt. Draußen geht das Leben seinen Gang. Von den ständigen Konflikten, der ewigen Zuspitzung, der hitzigen Hysterie im Fernsehen wenig zu spüren. Abklärung macht sich breit. Oder auch: Angst. Es ist ein Sich-Anpassen aus Resignation, aus Furcht, aus Langeweile, aus Überdruss, aus vielen Gründen. Ein lässiger Konservatismus wäre die positivere Variante.

Und es wächst vielleicht eine Jugend heran, für die Protest als Selbstzweck überhaupt keinen Sinn ergibt. Für die Protestbewegungen Teil der Historie sind. Die fast schon beneidenswert konstruktiv und vernünftig sind, von Anfang an. Die ihre Fantasie von Anfang in Bahnen lenken. Oder keine Fantasie haben? Oder keine Folie, um sie darauf zu projizieren? Die vielleicht doch Sehnsucht nach mehr haben, aber die das Scheitern der Generation davor noch zu knapp vor Augen haben...?
 
Robin
Es hat sich alles relativiert. Die Toleranzgrenze ist gestiegen. Deshalb wird es anders gewertet als noch vor einigen Jahren. Und durch flippige Kleidung kann man sich nun wirklich nicht mehr abgrenzen, "ach, früher, das waren noch Zeiten :rolleyes: " ,es gehört vieles mittlerweile zum normalen Bild. Und um sich abzugrenzen muss man schon einiges bringen. Nicht umsonst steigen in Zeiten wie diesen "vorerst unheilbare" Krankheiten und Drogenmissbrauch. Erst wenn das vorüber ist, wird es sich ändern.
Robin schrieb:
Es ist ein Sich-Anpassen aus Resignation, aus Furcht, aus Langeweile, aus Überdruss, aus vielen Gründen. Ein lässiger Konservatismus wäre die positivere Variante.
Mit dieser Variante wird sich aber nicht viel ändern. Es wird so dahinplätschern bis es knallt. Und es wird irgendwann knallen, weil es nicht genügt. Es werden wieder Werte gesucht und die Entwicklung wird vorangehen. Erst dann, können sich Individualisten wieder abgrenzen.
Noemi
 
Individualist vs. Spiesser / Individualist+Spiesser

Robin schrieb:
PHP:
...Es ist ein Sich-Anpassen aus Resignation, aus Furcht, aus Langeweile, aus Überdruss, aus vielen Gründen. Ein lässiger Konservatismus wäre die positivere Variante. 
[/QUOTE]

Salut!

Robin, vielleicht spielen alle diese Gründe -wie auch die Angst vor der Zukunft- manchmal eine -nicht unbedeutende- Rolle.  Individualisten/Querdenker/Denkfreudige werden sie aber wahrscheinlich als generelle Gründe ablehnen. 
Warum sollte man Anpassung panisch vermeiden? Lässiger Konservatismus hat in meinem Verständnis nichts mit Spiessertum zu tun. Ich sehe ihn eher als einen bewusst gewählten Lebensstil, als Produkt einer individuellen Entwicklung. 
Ich kann die Frage nur persönlich und nicht allgemein beantworten: Sollte jemand zu mir sagen: 'Aus dir ist ein richtiger Spiesser geworden', so berührte mich das nicht sonderlich, würde mir nicht mal die Mühe geben, es zu verneinen. In gemässigten 'Angepasstsein' -grins liegt für mich die Freiheit, im kompromisslosen Individualismus lag die Gefahr eines grenzenlosen Egoismus, der mich keinesfalls befriedigte.
Als ich noch dachte, die ganz grosse Freiheit zu haben/zu leben, hatte ich nichts, woran ich mich hätte festhalten können. Erst, seit mir dies bewusst wurde, kann ich [B]weitgehend, bzw. weitergehend[/B] tun, woran es mir liegt, worauf ich Lust habe, was mir behagt etc. Vielleicht liegt darin mehr Individualismus als man meint; ich empfinde es jedenfalls als mehr denn vorher und das ist für mich ausschlaggebend.

Allgemein, aber auch wieder subjektiv betrachtet: Nichts wird so stark medial manipuliert wie die scheinbar Unangepassten. Die Macht der Medien wird m.E. unterschätzt, erst durch das Medienspektakel wird die Gesellschaft uniformiert. Welchen Sinn haben 'die Verrückten', die vom Fernsehen hofiert werden - woraus besteht ihr Protest - wofür demonstrieren sie? Muss/darf sich überhaupt 'Unangepasstsein' auf diese Art und Weise manifestieren? Diese 'Verrückten'=Selbstdarsteller liefern doch höchstens ein paar Modetrends, die längst nicht mehr für Furore sorgen, und die sie nur in der Masse wieder verschwinden lassen. 

Möglicherweise fehlt tatsächlich die Projektionsfläche für wirkliche Individualisten, weil diese von den Medien mit der ganzen Kraft ihrer Macht verteidigt und in Anspruch genommen wird (?). Wir könnten versuchen, diese Macht zu durchbrechen, fürchte aber, dass daran unsere Generation endgültig scheitern würde ;).
 
Jérôme, wie schaffst du es nur immer, von so vielem nicht berührt zu sein? Der Vorwurf, man sei ein Spießer geworden, würde mich schon sehr treffen, weil er so traurig ist zumindest für den, der ihn ausspricht. Denn es ist ein ganz armseliger Vorwurf, den man meistens direkt auf den Betreffenden zurückspiegeln kann.
Überhaupt ist das immer sehr armselig, man erzeugt eine Differnez und wähnt sich implizit immer auf der anderen Seite - d.h. wer den Spießervorwurf tut, ist selber keiner usw. In einem anderen Forum las ich neulich das Credo: 95 von 100 von denen, die immer über die Masse oder die Menschheit sprechen, gehören selbst dazu...oder so ähnlich.
Dennoch habe den Spießervorwurf schon von vielen intelligenten Menschen gehört, nebst der Befürchtung, irgendwann selbst dazuzugehören.

Theoretisch spielen drei Komponenten eine Rolle:
1. Hat das, was als Spießertum bezeichnet wird, auch eine gewisse Berechtigung, schließlich hat es sich sozusagen evolutionär durchgesetzt und als stabil erwiesen?!
2. Finde ich eine andere Lebensform, die mich auf Dauer mehr überzeugt (mit dem Opfer dann "gegen" die Gesellschaft zu stehen)?
3. Und schließlich, finde ich jemanden, mit dem ich diesen Weg gehen kann und kann ich verhindern, dass diese Beziehung(en) dann nicht entweder doch vom Spießigen infiziert oder schlicht instabil werden?

(Ist Stabilität vielleicht der eigentliche Indikator für Spießigkeit...?)

Auch könnte man noch diskutieren, ob sich Stil und Spießigkeit ausschließen oder nicht...Schöne Diskussionsthemen an spießigen Kaminfeuern mit gaumenerfreuenden Getränken...

Jedenfalls: Die Medienmacht werden wir nicht brechen - aber lasst uns mal schauen, was wir für Kinder großziehen...;)

:winken:
 
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Ich will mal schnell noch ein paar ganz egozentrierte Gedanken zum Thema loswerden, bevor ich mich ins Auto packe und zur Wichtelfeier nach Dresden lostingle...

Nämlich: ein früherer Freund hat mal so ganz nebenbei erwähnt, er fände Garderoben "irgendwie spießig" - ich grüble heute noch manchmal darüber nach, wie sowas "spießig" sein kann (trifft angeblich auch auf Eichenholzmöbel und geblümte Couchgarnituren zu :D )

Robin, es "trifft" schon irgendwie, als Spießer bezeichnet zu werden. Mir passierte das früher öfter, heute ernte ich immer wieder mal diesen typischen "Spießermutti"-Blick von modern lifestyligen Möchtegernchens so um die 17, die die Welt schon völlig erkannt, durchschaut, durchgekaut und als untauglich wieder ausgespuckt haben :rolleyes:

Moi latscht rund, kurzsichtig, unfrisiert und in bequemen Bauchrausstreckklamotten durch die Gegend, nix mit esoterischen Halsgehängseln, schicken Tattoos auf stofffreien Hinterbacken oder piercingverziertem Zahnfleisch.

"Spießertum" wird fast immer an Äußerlichkeiten gemessen, und da war's Anfang der 80er, als meinereine ganz unbedarft im grünen Loden-Manterl in die Partei der "Grünen" eintreten wollte und zu diesem Zweck zu einem Treffen der palästinensertuchuniformierten Friedenstauben in Turnschuhen ging, schon nicht besser als heute.

Unter der Oberfläche - das, was manche vielleicht als Individualität oder "eigenen Weg gehen" bezeichnen würden - da mag die Sache anders aussehen.

Ich lebe heute in einer "festen heterosexuellen Beziehung" - bin ich also jetzt Spießerle geworden, weil ich mich aus meiner fast 20-jährigen Politlesbenzeit herausentwickelt habe? Oder: irgendwann habe ich meine Straßenkinder-Babystrich-Phase abgeschlossen, mich von grünen Freunden und Helfern in eine geschlossene Mädchenheimstatt schaffen lassen und bin ausnahmsweise mal nicht mehr ausgebüxt, weil mir ein Abschluß an der Wirtschaftsschule + Lehrstelle nicht völlig nutzlos schienen.

Also Mainstream-Abzweigung. Macht das dann eine "Entscheidung zum Spießertum" aus?

Oder: manchmal, wenn ich mir die revoluzzerimitierenden Jungschen heute so angucke und mich wie Mamma-Matrone an ihnen vorbeibewege, denke ich mir "Ach - ich könnte Euch Sachen erzählen..." - ist DAS Spießertum? Mit Vergangenem prahlen, als wären's Diplome für nichtspießig geführte Lebensläufe?

Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem Schluß, daß "Spießer" nix weiter ist als eine mehr oder weniger stilvolle Art, andere abzuqualifizieren. Und vielleicht noch (aber aus dem Alter sollten wir alle doch schon längst raussein, oder?) sich auf der Suche nach eigenem Stil an anderen zu "messen"?


LG, wirrlicht :weihnacht
 
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