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Allerheiligen - lauter Scheinheilige???

Margit

Administrator
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27. März 2003
Beiträge
1.741
Kennt ihr das?

Ihr geht am 1.11 zum grab eurer verstorbenen und hört dem Pfarrer bei der predigt zu. habt die hände gefalltet, starrt auf das grab, und habt nur einen gedanken: es ist saukalt, wann komm ich endlich ins gasthaus? wie lange dauert es denn noch? reicht es nciht das ich schon 4 mal das ave maria gebetet hab???...

wenn ihr das nicht kennt, dann ist euch vielleicht schon mal aufgefallen wie ausdruckslos die gesichter der jugendlichen sind die bei ihren eltern stehen. wie sie angewidert da stehn, herumzappeln, spass machen am grab der verstorbenen.

ich selbst bin bis heuer beim grab meiner oma in Hallein gestanden, vor dem grab sind wir (mein Opa, seine freundin, mein Vater und meine Mutter) immer zum wirtn gegangen und mittaggegessen, das war immer sehr schön, dann sind wir zum grab gefahren und standen 15 min. dort
ich hab das für sehr beruhigend empfunden, meine gedanken liess ich freien lauf.

doch heuer, bin ich mit meiner mutter nach maria schmolln zu dem grab meines grossvaters gefahren, und da ich dort erst zum 2. mal an allerheiligen war, beobachtete ich mehr die menschen dort als meine gedanken. und mir viel auf wie die jüngere generationen mehr auf das ende warteten als die stille mal zu geniessen. wie sie dann alle am ende nach draussen drängten, nur weg von diesem ort schienen die schritte von ihnen zu sagen. und sobald sie durch das tor waren, machten sie sich aus wo es denn nun hingehe in welchem wirtshaus sie nun einkehren wollen.

LG margit
 
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Hallo, Mag ( Margit),

Ich kann jedes Deiner Worte nachvollziehen. Wer nicht im Herzen seiner Hinterbliebenen lebt,wird , wenn er könnte,so eine Art "Achtung" wie Du sie beschrieben hast, recht häufig an Gräbern zu Allerheiligen erleben.
Andrerseits sind diese Segnungen auch Tradition: und : Nicht zu vergessen: Leistungsschau an Gräberschönheit. Die Lebenden vergleichen ihre Gräber miteinander, suchen sich Anregungen und Trost, wenn sie noch schlichtere entdecken als ihres ist.

Ich jedenfalls möchte, falls es das in Wien gibt, auf einen Urnenfriedhof, der als Wiese gestaltet ist - ohne jede kenntlich gemachte Grabstelle. So erweise ich meinen Töchtern einen letzten Dienst - und, das ist mein stilles Kalkül - werde deshalb noch länger in ihren Herzen leben.

Danke für das Thema!
 
Original geschrieben von majanna
Andrerseits sind diese Segnungen auch Tradition: und : Nicht zu vergessen: Leistungsschau an Gräberschönheit. Die Lebenden vergleichen ihre Gräber miteinander, suchen sich Anregungen und Trost, wenn sie noch schlichtere entdecken als ihres ist.

Oja das hab ich vergessen zu schreiben, dieses konkurrenzdenken....
aber mir ist auch aufgefallen das aussehen der gräber heiss diskutiert wird, sondern auch die kleidung und das aussehen der anderen leute die dortstehn. hin und wieder hört man flüstern wie: hast du du die gesehn mit stöckelschuhe am grab, oder minirock? o gott, das passt ja nciht, oder das sakko passt absolut nicht zur hose, und wer tut sich schon ne rosa krawatte umbinden?.... usw.
man kann schon sagen:
die reinste modenschau

LG Margit
 
Ich habe schon immer Massenveranstaltungen dieser Art gehasst. Kann man der Leute die man geliebt hat nicht auch unter dem Jahr gedenken? Und stiller?
 
...gut, dass du das thema ansprichst.

es ist,so denke ich, jedem überlassen, wann er die gräber der verstorbenen besucht (ich bervorzuge eher nicht den 1. bzw. 2 nov - möchte am friedhof die ruhe und stille auf mich wirken lassen, dies ist ja an diesen beiden tagen nicht möglich).

dennoch war ich gestern am friedhof.
und was ich dort sah, ekelte mich ein wenig an. es wurde gelacht, konsumiert (lángos), wirkte auf mich wie eine ausgelassene Kirtagsstimmung.
:(
 
In Wien gibt es keinen Friedhof wie du ihn beschreibst majanna. Auf jeden Friedhof gibt es Urnengräber. Die Wiener Friedhöfe sind teilweise in Gemeindeverwaltung und teilweise noch in der Verwaltung von Pfarren.

Zu Allerheiligen war früher als die Zeitrechnung eine andere war das Jahr zu Ende. Die Ernte war eingebracht worden.

Rituale um den Tod sind von Kulturkreis zu Kulturkreis verschieden.
Das Wort Friedhof oder veraltert Gottesacker kommt daher. Dass früher die Toten auf dem Acker eingegraben. Die Wurzeln sind im Widerauferstehungsglauben zu finden. Es soll Fruchtbarkeit symbolisieren. Geburt und Tod als ewiger Kreislauf im Leben. Wurden die Toten begraben fanden regelrechte Orgien bei den Begräbniszeremonien statt. Die Kinder welche danach geboren wurden galten als besondere Glückskinder da sie von den Ahnen geschickt wurden. Noch heute wird in manchen Kulturkreisen ein Jahr nach dem Tod ein Fest am Grab veranstaltet. Jemand ist erst dann Tod wenn er vergessen ist. Reste von diesem alten Glauben finden wir noch im Totenmal und im Brauch Blumen und Kränze auf die Gräber zu legen.
Ebenso ist der Holzsarg ein Relikt. Die Verstorbenen wurden in einem ausgehöhlten Baum beerdigt. Der Tod als unbegreifbar wurde durch viele Rituale in das Leben integriert. Je mehr wir uns vom Leben entfernen umso mehr entfernen wir uns auch vom Tod. Es ist der Zeitgeist.
 
Keine Gedenkstätte zu haben ist für Hinterbliebene furchtbar. Dieses Problem hatte man bei Menschen welche sich der Wissenschaft vermacht haben. Deshalb wurde auf dem Zentralfriedhof auch eine allgemeine Gedenkstätte eingerichtet mit Namenstafeln der Verstorbenen. Trauernde Menschen brauchen einen Ort an dem sie ihrer Trauer Ausdruck geben können. Es ist einer der Gründe warum es Kriegsdenkmäler gefallener Soldaten gibt. Es ist nicht nur eine Verherrlichung oder Verteufelung des Krieges solche Denkmäler zu errichten. Denkmal = nachdenken, gedenken

Vielleicht ist eine Diskussion zu diesem Thema auch wirklich interessant. Wie verhalten wir uns bei Trauernden Mitmenschen.
Tod und Trauer gehören leider zu den großen Tabu-Themen unserer Zeit. Im allgemeinen Schönheits- und Jugendwahn unserer schnellen Gesellschaft, haben Verfall und Sterben wenig Raum, denn sie erinnern uns nur zu deutlich, dass viele von uns einer Illusion nachjagen. Weil dies so ist, treffen Trauernde oft auf wenig Verständnis für ihren Schmerz. Eine gewisse Trauerzeit - in der Regel ein paar Tage - wird den meisten zwar zugestanden. Dann aber bitte schön soll derjenige doch loslassen, das Leben geht schließlich weiter...
Mir gefallen diese Worte besonders gut.

Alles hat seine Zeit.
Es gibt die Zeit der Freude,
eine Zeit der Stille,
eine Zeit des Schmerzes,
der Trauer und
eine Zeit der dankbaren Erinnerung
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke Akelei und dundalk für eure beiträge!
ausserdem Herzlich Willkommen Dundalk!

@Dundalk
ja Kirtagsstimmung ist wohl der richtige Begriff für das was am 1. November passiert.

@Akelei
Danke für deinen kleinen geschichtsbeitrag :) war wirklich interessant!
Auch ein Danke für dein schönes Posting.

Aber eigentlich meinte ich speziell eure meinung zum 1.November, und nicht zum generellen Tod oder Grab.
Sondern Speziell dieser Feiertag.

LG Margit
:grouphug:
 
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Ursprünglich hatten Feiertage einen religiösen Charakter und waren mit natürlichen Ereignissen verbunden, etwa dem Lauf der Sonne oder den Mondphasen. Später wurden weltliche Feiertage, die an historische Ereignisse oder besondere Persönlichkeiten erinnerten, zahlreicher als die kirchlichen, obwohl sich viele frühe religiöse Rituale und Bräuche bis in die moderne Zeit gehalten haben. Solche religiösen Festtage finden für Christen meist an Sonntagen statt, für Muslime an Freitagen und für Juden an Samstagen (siehe Sabbat). (Quelle Microsoft® Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.)


In der Vorindustrialisierten Zeit gab es wesentlich mehr Feiertage. Mit der Abschaffung der Sklavenarbeit, durch die Vereinheitlichung der Erwerbsarbeitszeit, und mit dem Wachstum der Städte wurde es notwendig Feiertage festzulegen. Dies waren die Sonntage, bewegliche und unbewegliche Feiertage.
Da wir unsere Abhängigkeit zu Mutter Natur vergessen oder besser gesagt ignorieren, verlieren wir auch den Bezug zu unseren Wurzeln und den Sinn von Festtagen. Wir finden keinen Rhythmus mehr im Jahresablauf (Wir finden das ganze Jahr und jederzeit alle Nahrungsmitteln in den Supermarktregalen. Ehrlicher Weise müssten wir zugeben nicht alle und die in einer bunten Monotonie) oder im Kreislauf von Leben und Tod. Wir haben eine Abhängigkeit gegen eine andere Eingetauscht. (Besser ausgedrückt, wir haben sie potenziert) Gegen denen von Multinationalen Konzerne und dem Wirtschaftssystem welche unser Überleben scheinbar sichern soll.
Die Gestaltung von Festen und Feiertagen finden wir in der konservierbaren, konsumierbaren, jederzeit abrufbaren Freizeitindustrie. Was wir dabei vergessen ist der Sinn, daher steigen die Depressionen. Die Sinne werden überreizt aber nicht mehr befriedigt. Es kommt zu einer Abneigung gegenüber den Festen wie Weihnachten Ostern oder eben Allerheiligen.

Walter… Rituale wie in dem Artikel der SN sind sehr schön solange sie persönlichen Bezug zu den Verstorbenen haben. Es ist der letzte Weg den Angehörige und Freunde gemeinsam gehen. Bei Hochzeiten und Begräbnissen trifft sich die ganze Sippschaft. Ob wir den Weg traditionell oder moderner gestalten ist unwichtig. Das Herz dürfen wir dabei nicht vergessen.
Begräbnisfeierlichkeiten lassen sich vermarkten wie Hochzeiten, Geburtstag und andere Feierlichkeiten, Sie können dadurch wieder unpersönlich zu einem reinen Geschäft werden, das liegt an der Arbeitsteilung und „dem keine Zeit haben.“ Es ist eine Frage der Serviceleistung, persönlichem Engagement und Möglichkeiten.

Kinderbegräbnisse sind immer erschütternd auch mit bunten Luftballons. Diese Erschütterung bei dem Tod eines Kindes empfinden Ärzte, Pfleger, Totengräber, Friedhofsarbeiter auch wenn sie Jahrzehnte in ihrem Beruf tätig sind.

Übrigens Standeln bei den Friedhöfen, Kirtagsstimmung zu Allerheiligen hat es immer schon gegeben. Es sind nur mehr Reste vorhanden. Es ist eben ein Feiertag und Gedenktag.
 
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