AW: Spirale des Schweigens versus Zivilcourage
@Miriam und Frankie:
Ja, ich weiß! Eure Einwände sind mir vertraut.
Lassen wir das Wehklagen lieber erst gar nicht so unkontrolliert zu, es könnte sein, dass wir es nicht mehr stoppen können. Allzuviel habe wir in unserem Leben schon geschluckt, allzuviel haben wir an Schlägen eingesteckt und mussten irgendwie damit fertig werden. Leider sind wir es nun selbst, die ziemlich fertig sind. Aber wir halten uns tapfer. Wir sortieren unsere Gefühle in ernstzunehmende und zu vernachlässigende, wir treffen vernünftige Entscheidungen, auch wenn wir ratlos und orientierungslos sind. Wir brauchen dazu einfach nur eine klare Sprache, sehr überzeugend klingende und leicht angriffslustige Formulierungen, schon fühlen wir uns stark und sicher.
Und das überzeugt uns auch davon, dass wir unser Leben gut und fest im Griff haben, dabei sind wir auf dem besten Weg, uns selbst zu erwürgen. Aber immerhin haben wir wenigstens nicht gejammert.
@ frankie: Zivilcourage hat nicht unbedingt nur mit der Anzahl der Personen zu tun, die sich den Mund aufmachen trauen. Zivilcourage habe ich, wenn ich mich von der Macht der Obrigkeit nicht einschüchtern lasse und für mein Recht oder das Recht von anderen eintrete. Damit ist klarerweise nicht nur die Staatsobrigkeit gemeint, sondern auch, wie in Kathis Beispiel, auch eine hierarchische Obrigkeit, wie sie ein Schuldirektor ja darstellt.
Ich weiß auf vieles keine Antwort. Ich spüre aber, dass über so manche Unsicherheit viel zu schnell drübergefahren wird, nur um seine eigene Meinung ja schnell wieder abzusichern. Gerade im Bereich von Themen, die mit Schuld oder Scham zu tun haben, die vielleicht durch Darüber Sprechen erst einmal wirklich beleuchtet werden können. Der ganze Themenbereich "Fremdheit bzw. Fremd-Sein" gehört hier hinein.
Ob ich an dieses Thema aus der Position eines "Richters" (im weitesten Sinne) oder eines "Bittstellers" der vll. auch gleich zum "Angeklagten" wird, herangehe, bewirkt dann auch sehr unterschiedliche Antworten.
In Ö gingen gestern und schon einige Tage vorher die Wogen hoch, weil eine Familie, die seit fünf Jahren in Österreich auf die Entscheidung wartete, ob ihrem Asylantrag stattgegeben wird, nun plötzlich wieder in den Kosovo abgeschoben wurde. Die 15-jährige Tochter ist geflüchtet und immer noch nicht aufgetaucht. Sie drohte in einem Brief, sich umzubringen, da sie im Kosovo keine Zukunftschancen sieht. Die Familie war bereits gut integriert, die Mutter konnte hierbleiben, der Vater ist mit drei minderjährigen Kindern abgeschoben worden. Er hat dort keine Arbeit, keine Wohnung, einzig eine Großmutter ist noch dort.
Alles ist den geltenden Gesetzen entsprechend abgelaufen, der Ermessensspielraum für die Abschiebepraxis wurde nicht ausgeschöpft, aber das muss ja auch nicht sein.
Dass damit die Menschenrechte missachtet werden, schon durch die Formulierung solcher Gesetze, das wurde dem Innenministerium schon mehrmals mitgeteilt. Unsere zuständigen Minister haben sich darum nicht gekümmert. Man kann doch nicht einfach die Leute unkontrolliert herein lassen.
Derzeit läuft eine Mailaktion, die sich an den Bundeskanzler, den Bundespräsidenten und den Innenminister richtet, mit der darauf hingewiesen wird, dass wir als österreichische Staatsbürger unsere Volksvertreter bei der letzten Wahl nicht dazu ermächtigt haben, die Menschenrechte zu missachten.