Erinnerungen als konstituierende Elemente des Bewusstseins
Die Antworten zu dem Thema – so vielfältig und unterschiedlich sie sind- machen sehr nachdenklich. Wissen wir eigentlich noch, wer wir selbst sind? Diese Frage stellt sich u.a., wenn man die Beiträge liest. Nur noch ganz verhalten meldet sich ein überzeugtes Bewusstsein zu Wort, das aus Kenntnis der Sache, nämlich seines eigenen Bewusstseins – das Problem des Unbewussten einmal ausgeklammert – ein begründetes Urteil sich zu geben traut. Es scheint so, als könne das Wissen um die Lebendigkeit des eigenen Innenlebens durch ein vermeintlich besseres Wissen der Naturwissenschaften ersetzt werden. Besonders deutlich wird dies im Beitrag von Robin, der glaubt, durch den Hinweis auf die Unsichtbarkeit von Gedanken, sei der neurobiologischen Betrachtungsweise der Vorzug zu geben, weil diese ja das Geschehen von „außen“ betrachten könne. Ist das ein Vorteil? Genügt es uns irgendwo bei wichtigen Fragen eine Sache von außen, d.h. nicht aus der Sache selbst zu betrachten? Ist es nicht sinnvoller, von der unmittelbaren Anschauung des Bewusstseins selbst auszugehen, anstatt den „bewusstseinsblinden“ Daten der Neurobiologie zu vertrauen? Diese Daten sind ja keinesfalls identisch mit der Sache selbst, und daher weder unmittelbar und direkt, d.h. nicht aussagekräftiger als die eigene Beobachtung wie man vielleicht annehmen könnte. Unmittelbar – wenn man erkenntnistheoretische Fragestellungen erst einmal vernachlässigt – öffnet sich aber jedem von uns das eigene Bewusstsein. Hierüber kann man fundierte Aussagen machen und wir können uns miteinander darüber verständigen.
Unmöglich natürlich wird dies natürlich, wenn man davon ausgeht, es gäbe gar keinen eigenen Bewusstseinsort! Das scheint mir aber ein absurder Standpunkt, denn wie um Himmels willen, sollte man sonst seine eigenen Gedanken erkennen und formulieren können. Aber vielleicht ist das auch ein Hinweis darauf, dass es Menschen gibt, die sich schon so weit aus dem Auge verloren haben, dass sie sich nur noch von außen, d.h. also über Fremdes definieren.
M.E. kann es gar keinen Zweifel geben, dass menschliches Bewusstsein eine Lebendigkeit eigener Art – verschieden von der des Gehirns – besitzt. Ein Umstand der meines Wissens auch von der Neurobiologie nicht bestritten wird. Dies drückt sich auch in vielen anderen Beiträgen aus.
Schon ein ganz grober Blick in eigene bewusste Denkvorgänge sollte eigentlich jedem zeigen: Erinnerungen sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Bewusstseins, denn diesem ist immer nur ganz eingeschränkt etwas bewusst. Ein Beispiel: Für die einfache Rechnung 1+2=3, so schnell und scheinbar ohne Nachzudenken diese Aufgabe zu lösen ist, braucht man eine Reihe von Erinnerungen. Man braucht drei verschiedene Zahlvorstellungen nämlich 1,2,3. Man muss die Funktion der Addition verstanden haben und wissen, was das + bedeutet. Und schließlich muss man eine Vorstellung vom Sinn einer Gleichung haben und sich der Bedeutung des Zeichens = erinnern. Wenn wir nicht gerade Schulanfänger sind, fällt uns diese Aufgabe leicht, ja wir können sie ohne Probleme erinnernd aus dem Gedächtnis abrufen. Das Bewusstsein arbeitet dabei mit einer sehr großen Geschwindigkeit und auch Vielgliedrigkeit von Erinnerungsphänomenen, deren Komplexität von uns so selbstverständlich gehandhabt wird, so dass wir kaum wahrnehmen, was passiert.
Bewusster wird uns die Vorgehensweise des Bewusstseins ansatzweise, wenn wir Unbekanntes lernen und dann zum Verstehen des Neuen auf Altes erinnernd zurückgreifen und neue Erinnerungsphänomene über die Brücke neuer Informationen bauen.
Aus dem Beispiel der einfachen und philosophisch oberflächlichen Betrachtung der Additionsaufgabe ergibt sich für unser Thema:
Erinnerungen sind ein konstituierendes Element von Bewusstseinsvorgängen und man kann dabei beobachten, dass sie einem fast wie von selbst zu Hilfe kommen. Das Bewusstsein ist außerdem in der Lage komplexe Erinnerungen zu händeln, zu analysieren, und mit Hilfe neuer Informationen neue Erinnerungsphänomene zu bilden.
Gibt es da andere Beobachtungen?
mfg
manni