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Ist Selbsterkenntnis leicht?

Konfuzi schrieb:
Aber du hast schon angedeutet, dass Selbsterkenntnis nicht philosophisch, sondern mystisch geschieht. Nicht durch Worte - auch gedachte - erkennst du dich, sondern in "anderen Ebenen". Und hier ist Distanz nicht nur wünschenswert, sondern auch möglich.
*grins* Erklär das mal dem Gysi...
 
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fckw schrieb:
Hmm, der Einwand hat was. Würde das dann aber nicht doch heissen, dass wir uns sowieso nie selbst-erkennen können? Der Akt der Selbsterkenntnis müsste sich dann ja auf etwas beziehen, welches gerade jetzt stattfindet. Damit wäre eine Distanzierung unmöglich.


Der Akt der Reflektion, fckw, den ich beschrieben habe, bezieht sich - wie du erhoffst - durchaus auf etwas Gegenwärtiges: Es ist das Erinnerungsphänomen, das den bereits vergangenen Akt repräsentiert. Nur über diese "Brücke" der Erinnerungsphänomene, auch wenn es sich um einen grade erst beendeten Bewusstseinsakt handelt, haben wir Zugang zu unseren jeweiligen vergangenen Ich-Wirklichkeiten!

gruß manni
 
Fckw, hier nun die versprochene Antwort zu dem zweiten Teil deiner Gedanken.

Wer die tiefste und letzte Selbsterkenntnis verwirklicht, hat sich somit gleichzeitig von jeglicher Identifikation gelöst. Er hat alles Erkennbare zu einem Objekt gemacht und übrig bleibt nur noch das "reine Subjekt", das reine "Nicht-Selbst", die reine "Leere" der Dinge.

Ich weiß nicht, wie Buddhisten zur Reflexion stehen und was sie unter Selbsterkenntnis verstehen, doch nach meiner Selbsterkenntnis ist es ausgeschlossen, das mein Ich, also das Subjekt, ohne das Objekt vorkommt. Jedenfalls habe ich derartiges noch nicht entdeckt. Selbst die Erinnerung an mein schlafendes Ich ist im Traum – in unterschiedlichen Gestalteten - immer in Relation mit anderen Personen bzw. Gegenständen zu beobachten. Kennst du eine Situation – außer dieser hypothetischen, die du erwähnst – in der du dein Ich ohne Relation erkannt hast?



Der Verstand will sich selbst erkennen, wie soll das gehen?

Durch Reflexion mit Hilfe der Erinnerung kann ich meine verschiedenen vergangenen Ich-Wirklichkeiten erkennen.


Oder es gibt etwas jenseits des Verstandes, mittels welchem der Verstand erkannt werden kann (allerdings nicht im üblichen Sinne), dann ist unser Verstand aber bereits in gewissem Masse disqualifiziert als Instrument zu echter Erkenntnis.

Da der der Mensch sich selbst mit Hilfe seiner Erinnerung erkennt, ist auch die Reflexion des Verstandes so möglich. Die Frage: Wie habe ich z.B. den Begriff Selbsterkenntnis verstanden, kann ich mit Hilfe der Erinnerungsphänomene beantworten. Und dann einem Gesprächspartner darüber berichten.

gruß manni
 
Konfuzi schrieb:
Selbsterkenntnis entsteht sehr oft in der Meditation, in der ja das bewusste Denken bewusst ausgeschaltet wird. Somit ist in der Praxis das Denken kontraproduktiv.

Lieber Konfuzi, ich verstehe unter Selbsterkenntnis einen ganz bewussten Vorgang der Reflexion auf meine verschiedenen vergangenen Ich-Wirklichkeiten. Beispielsweise wenn ich dir antworte, muss ich ja beständig reflektieren, was ich denke, wie ich das sehe, was du äußerst ... nur so erkenne ich mich. Wenn du mich fragst, warum ich so und so denke muss ich mich auf die Suche nach meinen Gründen machen, und dabei erkenne ich mich auch: Ich erkenne meinen Verstand, meine Gefühle, mein Wollen, meine Gründe ... Sie gehören auch zu mir.

Aber wenn ich recht verstanden habe, geht es dir im Augenblick ja nicht so sehr um die Praxis, oder?

Wie du aus dem Vorstehenden sehen kannst, geht es nur um die Praxis!

gruß manni
 
Differenzieren

Hallo, Manni!

Ich bin sicher, wir haben trotzdem aneinander vorbei geredet (bzw. geschrieben).

Aus deiner Antwort kann ich entnehmen, dass du mit Selbsterkenntnis die des "Ich" meinst. Das Ich aber ist die Summe der Eindrücke, Erfahrungen, damit verbundenen Gefühle, etc.

Mit "Selbst" aber meinte (zumindest ich) das Selbst über dem Ich. Das Selbst, das jedem Menschen zugrunde liegt, bevor er ein Ich entwickelt. Dieses Selbst zu erkennen bedingt, das Ich zumindest eine Zeit lang zurück zu nehmen und zum Schweigen zu bringen.

Natürlich kann man auch versuchen heraus zu bekommen, was das Ich nun genau ist. Wer ich bin, wofür ich stehe, wie sich mein Ich weiterentwickelt. Hierbei muss man natürlich auf seine verschiedenen Erfahrungswerte und Erinnerungen zurückgreifen. Aber das "Denken" ist vorwiegend eine Tätigkeit des "Ich", nicht des höheren "Selbst", ebenso der Verstand und seine Verknüpfungen. Bei der Erkenntnis deines Ich bist du also auf das alles angewiesen.

Da aber das Ich und das Selbst zwei verschiedene Dinge sind, muss man genauer differenzieren.

Konfuzi
 
mwirthgen schrieb:
Durch Reflexion mit Hilfe der Erinnerung kann ich meine verschiedenen vergangenen Ich-Wirklichkeiten erkennen.
Meine "vergangenen Ich-Wirklichkeiten" - bin das wirklich ich? Wenn ich das genau nehme, so heisst das mit andern Worten, der Mensch kann sich selbst nie erkennen, wie er in der Gegenwart ist. Das einzige, was er erkennen kann, ist sich selbst in der Vergangenheit. Man kann sich darüber streiten, ob eine "vergangene Ich-Wirklichkeit" echte Rückschlüsse auf die jetztige Ich-Wirklichkeit zulässt oder nicht.

doch nach meiner Selbsterkenntnis ist es ausgeschlossen, das mein Ich, also das Subjekt, ohne das Objekt vorkommt. Jedenfalls habe ich derartiges noch nicht entdeckt. Selbst die Erinnerung an mein schlafendes Ich ist im Traum – in unterschiedlichen Gestalteten - immer in Relation mit anderen Personen bzw. Gegenständen zu beobachten. Kennst du eine Situation – außer dieser hypothetischen, die du erwähnst – in der du dein Ich ohne Relation erkannt hast?
Ja, ich bin ebenfalls der Auffassung, dass ein Subjekt nur in Beziehung zu einem Objekt existieren kann und umgekehrt, ich nenne dieses Prinzip einfach mal "Dualität" ("ja" gibt es nur, wenn es "nein" gibt, "links" nur wenn da auch "rechts" ist, "kalt" kann nur in Verbindung mit "heiss" einen Sinn machen usw.). Und ich bin der Meinung, dass der Mensch in seinem Wesen immer eine Dualität darstellt: Er ist gleichzeitig Subjekt und Objekt. Objekt an ihm ist das, was wir normalerweise als "unsere Persönlichkeit" oder "mein Ich" verstehen. Da ist also erstmal ein Körper, da sind Gedanken, Gefühle, Ideen, Motivationen, typische Verhaltensmuster usw.

Was aber ist nun das Subjekt? Hier laufen wir Gefahr, in eine Falle zu tappen. Wenn das Subjekt "das Erkennende" im Menschen ist, während das Objekt "das Erkannte" im Menschen darstellt, dann können wir als logischen Schluss folgern, dass das Subjekt unmöglich sich selbst jemals erkennen kann. Könnte das Subjekt sich selbst erkennen, also sich selbst zum eigenen Objekt machen, dann würde das heissen, dass unser Subjekt eben zuvor noch kein richtiges Subjekt gewesen war, sondern immer noch ein gewisser Rest an "Objekthaftigkeit" in ihm drin vorhanden war, der jetzt raus ist ("der jetzt als Objekt erkannt wurde"). Mit andern Worten: Das "Subjekt im Menschen" kann unmöglich jemals vom Menschen erkannt werden, hingegen das "Objekt im Menschen" durchaus.

Der Mensch ist aber immer beide Seiten der Münze, der Mensch ist immer die ganze Dualität, immer Subjekt und Objekt in einem. Weil wir aber - hier kann ich nur auf die Erfahrung jedes Menschen hinweisen, denn ein Beweis im klassischen Sinne ist unmöglich - unsere Persönlichkeit zum eigenen Objekt machen können (beispielsweise indem wir über unsere Charakterstruktur nachdenken), können wir folgern, dass da logisch zwingend auch ein Subjekt sein muss. Trotz dieser gedanklichen Folgerung wird es uns aber nie möglich sein, das Subjekt jemals wirklich zu fassen.

Wenn wir jetzt postulieren, das Subjekt des Menschen sei "Bewusstsein", so können wir sagen, dass der Mensch sein eigenes Bewusstsein nie und nimmer jemals wirklich wird fassen können. Er kann nur darauf schliessen, dass da eine solches vorhanden sein muss, einfach weil er sich selbst (eben: die eigene Persönlichkeit) überhaupt wahrnehmen, will heissen "zum Objekt machen" kann.

So gesehen wäre dann aber Selbsterkenntnis im Jetzt durchaus möglich, ohne dass sich der Mensch auf seine Erfahrung von vergangenen Werten verlassen muss.
 
das ist eine katze, die sich in den schwanz beißt!

Was aber ist nun das Subjekt? Hier laufen wir Gefahr, in eine Falle zu tappen. Wenn das Subjekt "das Erkennende" im Menschen ist, während das Objekt "das Erkannte" im Menschen darstellt, dann können wir als logischen Schluss folgern, dass das Subjekt unmöglich sich selbst jemals erkennen kann. Könnte das Subjekt sich selbst erkennen, also sich selbst zum eigenen Objekt machen, dann würde das heissen, dass unser Subjekt eben zuvor noch kein richtiges Subjekt gewesen war, sondern immer noch ein gewisser Rest an "Objekthaftigkeit" in ihm drin vorhanden war, der jetzt raus ist ("der jetzt als Objekt erkannt wurde"). Mit andern Worten: Das "Subjekt im Menschen" kann unmöglich jemals vom Menschen erkannt werden, hingegen das "Objekt im Menschen" durchaus.

die falle hiebei ist, dass die dualität zwischen dem immateriellen, bewussten kreativen geist und seinem produkt, der materie, existiert:

wenn ein wesen (also du und ich und jeder andere), das sich dessen bewusst ist, dass es bewusst ist, versucht, sich über seine produkte - das was es wahrnimmt in drei dimensionen - zu erkennen, wird es automatisch damit beschäftigt sein, nur mehr 'dinge' zu beobachten und darüber betrachtungen anzustellen (also zb auch erfahrungen, vergangene identitäten usw, die als wahrnehmungsbilder-pakete in einem gebilde genannt 'verstand' aufbewahrt werden), und wenn es versucht, sich zu lokalisieren - also an einem ort festzumachen - wird das nicht möglich sein - da jede art von 'ort' sich in einem koordinatennetz eines (erschaffenen, postulierten!) raumes befinden muss, in welchem sich energie und materie und die dinge befinden, die man wahrnehmen, als kopien oder 'erinnerungen' speichern und darüber räsonieren KANN.

selbsterkenntnis wäre also der prozess, all die relevanten wahrnehmungsbilder wieder auszugraben, in denen man sich entschlossen hat, immer mehr wirkung zu seinem eigenen produkt zu werden und ihm daher unterliegen oder sich damit verwechseln zu können:

hat man das gründlich genug geschafft, WEISS man einfach wieder unverfälscht und direkt:

a) dass man NICHT sein produkt oder 'materie' oder eine körperliche identität ist, und
b) dass man alles und jedes nach belieben SEIN kann, und trotzdem immer wissen wird, dass man sich seines bewusstseins bewusst und daher ein lebendiges selbst ist.
 
lenbach schrieb:
selbsterkenntnis wäre also der prozess, all die relevanten wahrnehmungsbilder wieder auszugraben, in denen man sich entschlossen hat, immer mehr wirkung zu seinem eigenen produkt zu werden und ihm daher unterliegen oder sich damit verwechseln zu können:
Öh, tut mir leid, ich habe keine Ahnung, was die Aussage dieses Satzes ist. Und ich sehe auch nicht genau ein, inwiefern deine Position die meinige kritisiert. Oder tut sie das gar nicht? :confused:
 
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fckw schrieb:
Öh, tut mir leid, ich habe keine Ahnung, was die Aussage dieses Satzes ist. Und ich sehe auch nicht genau ein, inwiefern deine Position die meinige kritisiert. Oder tut sie das gar nicht? :confused:
tut sie gar nicht*gg*

mit der aussage "selbsterkenntnis wäre also der prozess, all die relevanten wahrnehmungsbilder wieder auszugraben, in denen man sich entschlossen hat, immer mehr wirkung zu seinem eigenen produkt zu werden und ihm daher unterliegen oder sich damit verwechseln zu können" habe ich gemeint:
man sollte verantwortung für seine eigene vergangenheit übernehmen, indem man all die geschehnisse/erlebnisse wiederfindet und 'ausgräbt', in denen man beschlossen (oder 'erkannt' - was dasselbe ist) hat, dass man wirkung, nicht uneingeschränkte ursache seines lebens/schicksals ist!

kann natülich sein, dass noch mehr in meinen obigen aussagen nicht ganz klar war! es ist ein neuer gesichtspunkt, nicht nur opfer seiner bösen mitmenschen, der politik, wirtschaftslage oder seiner eigenen dummheit zu sein, sondern all dies zugelassen zu haben - ursächlich!
 
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