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Der Geist hilft unserer Schwachheit auf

G

Gaius

Guest
Der Geist hilft unserer Schwachheit auf,
denn wir wissen nicht,
was wir beten sollen,
wie sich's gebühret;
sondern der Geist selbst vertritt uns aufs beste
mit unaussprechlichem Seufzen.
Der aber die Herzen forschet, der weiß,
was des Geistes Sinn sei;
denn er vertritt die Heiligen nach
dem, das Gott gefället.

---
Soweit sei hier der Text der Chormotette BWV 226 von Johann Sebastian Bach zitiert - als durch und durch protestantische Reflexion.

Bei all den Diskussionen um "neue" Religionen - zuletzt wurden hier im Forum Erwägungen über die Vorzüge des Bahaismus vollzogen - verstehe ich nicht, warum einer sich Neuerem zuwenden sollte, wenn das Ältere so viele Fragen und Rätsel offen läßt, daß es für einen halbwegs gläubigen Menschen für ein ganzes Leben reichen kann.

Die Suche nach einem grundsätzlich Neuen steht ja gerade im Widerspruch zu dem Wort "Religion", das, vom klassischen Latein aus gesehen, entweder religare "Rückbindung" oder relegere/religere "wieder/erneut Lesen" - der alten Schriften nämlich - bedeutet; aber eine vollständige Umdeutung des Überlieferten, wie es bereits der Koran gegenüber der Bibel vollzieht, ist doch damit nicht gemeint?

fragt Gaius
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Hallo Gaius,

Ich fühle mich angesprochen, da ich den Bahaismus-Thread eröffnet habe.

Bei all den Diskussionen um "neue" Religionen - zuletzt wurden hier im Forum Erwägungen über die Vorzüge des Bahaismus vollzogen - verstehe ich nicht, warum einer sich Neuerem zuwenden sollte, wenn das Ältere so viele Fragen und Rätsel offen läßt, daß es für einen halbwegs gläubigen Menschen für ein ganzes Leben reichen kann.
Das verstehe ich jetzt nicht. Wir sind hier im Denkforum/Bereich RELIGION,Glaube, Spirituelles. Wo und wann sollte man über "neue" Religion diskutieren , wenn nicht hier?
Welche offenen Fragen hätttest du den gerne geklärt, bevor du dich mit anderen Religionen beschäftigen würdest?
Ich wusste gar nicht, das du ein gläubiger Mensch bist.

Gaius schrieb:
Die Suche nach einem grundsätzlich Neuen steht ja gerade im Widerspruch zu dem Wort "Religion",...
Niemand sucht nach etwas grundsätzlich Neuem. Es hat eher einen konserativen Charakter.

grüße,
Fussel
 
Hallo Gaius !

Bei all den Diskussionen um "neue" Religionen - zuletzt wurden hier im Forum Erwägungen über die Vorzüge des Bahaismus vollzogen - verstehe ich nicht, warum einer sich Neuerem zuwenden sollte, wenn das Ältere so viele Fragen und Rätsel offen läßt, daß es für einen halbwegs gläubigen Menschen für ein ganzes Leben reichen kann.

Die Suche nach einem grundsätzlich Neuen steht ja gerade im Widerspruch zu dem Wort "Religion", das, vom klassischen Latein aus gesehen, entweder religare "Rückbindung" oder relegere/religere "wieder/erneut Lesen" - der alten Schriften nämlich - bedeutet; aber eine vollständige Umdeutung des Überlieferten, wie es bereits der Koran gegenüber der Bibel vollzieht, ist doch damit nicht gemeint?
Der Sinn einer Religion kann nur sein, ein gemeinsames Gottesbild zu vertreten bzw. zu verehren. Wenn Religionen - welche auch immer - den Anspruch erheben, eine Weltreligion zu sein, sollten aber auch die meisten Menschen der Welt fähig sein, ihre Gebote auch zu praktizieren, das heißt konkret zu leben. Was helfen uns tausende religiöse Grundsätze, wenn wir (mehrheitlich) keine 17 Gebote praktisch leben können ?

Warum können wir keine Religion "zusammenbasteln", die die Gemeinsamkeiten möglichst vieler Religionen (deren Grundsätze auch von der Mehrheit lebbar sein müssen) herausstreicht ?

Ich vermute zum Beispiel (Theologen und andere Religionswissenschaftler werden es wissen), dass die meisten Religionen der Welt für das Verzeihen sind. Nehmen wir es einmal als gegeben an und schließen wir demokratische Grundsätze bzw. Pluralismus aus dem religiösen Denken nicht aus, sollten wir doch auch einen Nahostfrieden zusammenbringen.

Eine moralische Ursache dieses Krieges ist nämlich sicher - neben der Unfähigkeit beider Parteien, sich Land aufzuteilen - dass niemand verzeihen kann und so kommt es schon jahrzehntelang, wie von einem deutschen Soziologen treffend charakterisiert, zur Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung . . . . .

Wir könnten mit etwas gutem Willen "neue alte" Religionen machen, in dem wir von mehreren Religionen alte Grundsätze übernehmen.

Liebe Grüße

Zeili
 
Zeilinger schrieb:
Wir könnten mit etwas gutem Willen "neue alte" Religionen machen, in dem wir von mehreren Religionen alte Grundsätze übernehmen.



Ich habe das Gefühl,daß in Zeiten der Individualisierung es sogar wichtig sein könnte,sich nicht mehr an Althergebrachtem,Tradiertem zu orientieren,sondern eben -wie Zeili oben schon fast revolutionär vorschlägt ( ;) ) - sich aus einem Mix aus Religionen und Philosophien einen ureigenen Extrakt Kraft unseres Geistes zu ziehen ,um nach selbstgewählter spiritueller und geistiger Ausrichtung zu leben und im Idealfall "glücklich" zu werden....

Gaius,ein spannendes Thema!
 
Zuletzt bearbeitet:
kunta kinte

Gaius schrieb:
Bei all den Diskussionen um "neue" Religionen - zuletzt wurden hier im Forum Erwägungen über die Vorzüge des Bahaismus vollzogen - verstehe ich nicht, warum einer sich Neuerem zuwenden sollte, wenn das Ältere so viele Fragen und Rätsel offen läßt, daß es für einen halbwegs gläubigen Menschen für ein ganzes Leben reichen kann.

Ave, Gaius!

Ich glaube, ich habe verstanden, was du meinst. Vielleicht weil ich es so ähnlich sehe. Ich glaube nämlich auch, dass es (das, was du meinst) für ein ganzes Leben reichen kann.

Trotzdem erscheint mir Verbissenheit hier nicht ratsam. Ist nämlich eine sehr persönliche Sache: was einem reicht und was nicht, meine ich. Manche müssen sich vielleicht zuerst Neuerem (Bahai etc.) zuwenden, um dann SPÄTER das Alte richtiger zu verstehen. Ich sehe nicht, was daran problematisch wäre. Schiefgehen kann alles. Auch das von dir Projektierte. Auch Back to the Roots kann schiefgehen.

Gaius schrieb:
Die Suche nach einem grundsätzlich Neuen steht ja gerade im Widerspruch zu dem Wort "Religion", das, vom klassischen Latein aus gesehen, entweder religare "Rückbindung" oder relegere/religere "wieder/erneut Lesen" - der alten Schriften nämlich - bedeutet; aber eine vollständige Umdeutung des Überlieferten, wie es bereits der Koran gegenüber der Bibel vollzieht, ist doch damit nicht gemeint?

Die Etymologie des Wortes Religion ist erstens nicht ganz so safe, sondern höchst umstritten (was auch verständlich ist). Deshalb kann das m.E. höchstens als ein HINWEIS gewertet werden. Zweitens ist das so eine Sache mit der Überlieferung. Da liegen bald 2000 Jahre dazwischen (oder noch mehr, wenn du auf das AT besonderen Wert legst). Mich würde daher sehr interessieren, wie du dir diese "Rückbindung" als exegetische Maxime vorstellst. Ich befürchte, wir kapieren einfach einiges nicht mehr richtig, weil es eine Welt voraussetzt, die wir garnicht mehr kennen können. Wenigstens nicht aus EIGENER Erfahrung. An der Uni nennen die das hermeneutisches Problembewusstsein oder so ähnlich.

Übrigens in welcher Sprache sollen wir denn religere: Aramäisch, Hebräisch, Altgriechisch, Altlateinisch, Mittellateinisch, Altkirchenslavisch ...?

Oder in knackigem neuen Deutsch? Luther-Bibel???

Ich mag alten Wein auch lieber als neuen. Aber willst du den wirklich aus 2000 Jahre alten Schläuchen trinken? (Wo sollen wir die alten Schläuche überhaupt herbekommen?)

Eine letzte Frage: Glaubst du, Jesus wollte uns sagen: "Tuet Gutes, lest in einem 2000 Jahre alten Buch!" ?

Wäre das dann "Religion"?

Wäre das dann "christlich"?


Herzlich Gruß

pergola
 
Klassisches Latein

pergola,

die politische Konsequenz aus Deinen Worten #5 wäre, religiöse Gründe als Motivation menschlichen Handelns nicht anzuerkennen.

Nicht mehr, nicht weniger...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
nus rei mid...

Auch du, Gaius?

Gaius schrieb:
die politische Konsequenz aus Deinen Worten #5 wäre, religiöse Gründe als Motivation menschlichen Handelns nicht anzuerkennen.

Warum sollte ich religiöse Gründe als Motivation für menschliches Handeln nicht anerkennen???

Kann dir nicht folgen. Oder soll ich #6 garnicht als Antwort auf meine 11 Fragen an dich verstehen?

Ich hatte in #5 in Frage gestellt, dass "Religion" primär was mit dem Lesen (und sei es ein Wiederlesen) eines Buches zu tun habe.

Sonst könnte man nämlich auch den Marxismus als "Religion" bezeichnen oder sonst irgendwas, das sich an ein Buch klammert, um es "wieder und wieder" zu lesen. Zweitens können auch Menschen, die weder schreiben noch lesen können, eine Religion haben, offenbar sogar eine Religion stiften. Drittens gibt es (z.B. auch in diesem Forum) regelrechte Bibel-Experten, die sich selbst aber als Atheisten bzw. als areligiös bezeichnen.

Deshalb nehme ich an, dass Religion nur am Rande was mit Lesen zu tun hat. (Sowie das Beantworten von # auch nur am Rande was mit dem Lesen von # zu tun hat.)

Meine These: Das Wort (und die Sache) "Religion" bezieht sich auf Gott, und nie und nimmer auf ein Buch.

Bist du nicht einverstanden, Gaius?
 
AW: Der Geist hilft unserer Schwachheit auf

Hallo, Pergola!

>Bist du nicht einverstanden, Gaius?<
Das ist doch egal, vielleicht bin ich zwei- oder dreiverstanden.

>Meine These: Das Wort (und die Sache) "Religion" bezieht sich auf Gott, und nie und nimmer auf ein Buch.<
"Am Anfang war das Wort" - so beginnt das Johannesevangelium. Ob dahinter sich ein platonischer Gedanke verbirgt: daß nur das gesprochene, atmend beseelte Wort Wahrheit verbürge? Wir aber entnehmen diesen Gedanken heute nurmehr einem Buche.

>Deshalb nehme ich an, dass Religion nur am Rande was mit Lesen zu tun hat. (Sowie das Beantworten von # auch nur am Rande was mit dem Lesen von # zu tun hat.)<
Die Schriftreligionen - Judentum, Christentum, Islam - stünden damit in ihrer Geltung infrage, wie auch Dein vorheriger Absatz sagt:

>Sonst könnte man nämlich auch den Marxismus als "Religion" bezeichnen oder sonst irgendwas, das sich an ein Buch klammert, um es "wieder und wieder" zu lesen. Zweitens können auch Menschen, die weder schreiben noch lesen können, eine Religion haben, offenbar sogar eine Religion stiften. Drittens gibt es (z.B. auch in diesem Forum) regelrechte Bibel-Experten, die sich selbst aber als Atheisten bzw. als areligiös bezeichnen.<

Habe ich Dich also recht verstanden - Religion wäre keine Frage von Tradition oder Überlieferung, keine Frage von "Schrift" in dem Sinne, daß "Schrift" dort anfängt, wo Menschen Spuren markieren, um denselben Weg wiederholen zu können - "Religion" wäre nichts als ein "Gefühl zu Gott"?

Habe ich Dich also nicht recht verstanden. Der "Schrift" im eben genannten Sinne können wir bereits als Fühlende nicht entgehen, das "Buch" ist dann nur eine etwas fortgeschrittene Kulturtechnik.

Aber was hat nun jenes "Der Geist hilft" aus dem Brief Paulus' an die Römer (Römer 8, 26/27) zu bedeuten, wenn also alle Gebete in jeder Hinsicht "vor-geschrieben" sind, und wir nur ablesen? Was - mit Verlaub - faselt Paulus vom Geiste, wenn er selber nur schreibt, damit andere den von ihm markierten Weg wiederholen; und wie kann er dem Geist "unaussprechliches Seufzen" unterstellen - als wenn nicht jeder Seufzer Aussprache wäre?
 
in den Katakomben des Denkforums

Hallo Gaius,

Gaius schrieb:
"Am Anfang war das Wort" - so beginnt das Johannesevangelium. Ob dahinter sich ein platonischer Gedanke verbirgt: daß nur das gesprochene, atmend beseelte Wort Wahrheit verbürge?

... das nur gesprochene, atmend beseelte Wort ...

Dann verstehst du ja doch, und noch viel besser als ich selbst, was ich MEINTE.

Gaius schrieb:
Wir aber entnehmen diesen Gedanken heute nurmehr einem Buche.

Eine dieser (vermeintlichen) Selbstverständlichkeiten. Bist du absolut sicher, dass wir Gedanken auf diese Weise erhalten? Und ausschließlich? Platonisch gedacht wäre das übrigens gerade nicht. Und christlich?

Meine Frage die atheistischen Bibel-Experten betreffend hast du nicht beantwortet. Egal?

Die Schriftreligionen - Judentum, Christentum, Islam - stünden damit in ihrer Geltung infrage (...)

Hier steht bisher nur in Frage, ob deren Charakterisierung als Schriftreligionen zutreffend ist. Wenn du erlaubst, frage ich mal ein bisschen gezielter:

Denkst du, diese Charakterisierung hätte oder würde Jesus von Nazareth gefallen?

Habe ich Dich also recht verstanden - Religion wäre keine Frage von Tradition oder Überlieferung, keine Frage von "Schrift" in dem Sinne, daß "Schrift" dort anfängt, wo Menschen Spuren markieren, um denselben Weg wiederholen zu können (...) ?

Nein, nicht ganz. Religion ist natürlich AUCH eine Frage von Tradition und Überlieferung, einschießlich der "Schrift". Mir scheint aber, du siehst zu wenig das Problematische an der Tradition, der Überlieferung und der Schrift. Muss ich dich jetzt ernsthaft darauf hinweisen, welche unchristlichen Irrwege das Christentum hinter sich und wohl noch vor sich hat, gerade unter Berufung auf Tradition, Überlieferung UND insbesondere die Schrift?

Und dann, noch wichtiger: Fehlt in deinem Religionsbegriff nicht irgendwie der Aspekt der Gegenwart?

Gaius schrieb:
"Religion" wäre nichts als ein "Gefühl zu Gott"?

Ein "Gefühl zu Gott" ist doch nicht nichts. (Da wär dann auch schon mal ein bisschen Gegenwart drin.)

"Religion" = "Rückbindung", wie du selbst ganz zu Anfang geschrieben hast. Aber eben nicht an ein Buch, sondern an Gott.

An Gott persönlich, gewissermaßen. Warum willst du dich mit Autoren ÜBER Gott zufriedengeben? (Hier bist du plötzlich garnicht mehr anspruchsvoll.) Wäre das nicht Religion "aus zweiter Hand"?

Gaius schrieb:
Habe ich Dich also nicht recht verstanden. Der "Schrift" im eben genannten Sinne können wir bereits als Fühlende nicht entgehen, das "Buch" ist dann nur eine etwas fortgeschrittene Kulturtechnik.

Nein, das Buch ist schon mehr. Deswegen ist ja religere auch in Ordnung. Aber Gott ist eben noch mehr. Unendlich viel mehr. Und deswegen ist religare noch mehr in Ordnung. Unendlich viel mehr in Ordnung.

Das sind unsere beiden Punkte. Deiner und meiner. Exakt nebeneinander gestellt.

Du hast es selbst antizipiert. Meine Gegenstimme war schon in dir, bevor ich irgendwas schreiben konnte.

Und jetzt ist deine auch in mir. Ist absolut in Ordnung.

Aber was hat nun jenes "Der Geist hilft" aus dem Brief Paulus' an die Römer (Römer 8, 26/27) zu bedeuten, wenn also alle Gebete in jeder Hinsicht "vor-geschrieben" sind, und wir nur ablesen? Was - mit Verlaub - faselt Paulus vom Geiste, wenn er selber nur schreibt, damit andere den von ihm markierten Weg wiederholen; und wie kann er dem Geist "unaussprechliches Seufzen" unterstellen - als wenn nicht jeder Seufzer Aussprache wäre?

[Ergriffenheit]

Danach: Vielleicht faselt Paulus. Aber wie sollen wir dann das nennen, was WIR tun? Grunzen, krächzen, zwitschern, blöken, fauchen, bellen ...???

Salve!pergola
 
Werbung:
AW: Der Geist hilft unserer Schwachheit auf

von Gaius
Die Suche nach einem grundsätzlich Neuen steht ja gerade im Widerspruch zu dem Wort "Religion", das, vom klassischen Latein aus gesehen, entweder religare "Rückbindung" oder relegere/religere "wieder/erneut Lesen" - der alten Schriften nämlich - bedeutet; aber eine vollständige Umdeutung des Überlieferten, wie es bereits der Koran gegenüber der Bibel vollzieht, ist doch damit nicht gemeint?

Hallo Gaius,

du hast hier ein interessantes Thema gewählt, nur ist der letzte Absatz für mich nicht ganz verständlich. Bitte könntest Du mit anderen Worten die Stelle erklären, was ich fett gedruckt hervorgehoben habe?

Danke

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