• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Miriam

New Member
Registriert
26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Die Entscheidung wo ich dieses Thema einordnen soll, fiel mir sehr schwer. Denn eigentlich gehört es genau so zu den Wissenschaften, wie m.E. auch zur Philosophie.

Das eigentliche Interesse an Benoît Mandelbrots Theorien, wurde erst in den 80. Jahren geweckt – und so entstand dieser neue Zweig der Geometrie: die Fraktalgeometrie.
Da dieses Gebiet der Mathematik eigentlich die Visualisierung einer infiniten Zahlenmenge ist, erlaubt sie die Beschreibung von Systemen deren Entwicklung zeitlich gesehen, nicht mit voller Sicherheit vorherzusagen ist.
Ein gutes Beispiel dafür, welches wir ja auch täglich erleben: das Wetter.

Das bekannteste Werk von Mandelbrot bleibt wohl jenes das er im Jahr 1975 geschrieben hat:
Die fraktale Geometrie der Natur. Daraus ein Zitat:


„Wolken sind keine Kugeln, Berge keine Kegel, Küstenlinien keine Kreise. Die Rinde ist nicht glatt – und auch der Blitz bahnt sich seinen Weg nicht gerade...
Die Existenz solcher Formen fordert uns zum Studium dessen heraus, was Euklid als formlos beiseite läßt, führt uns zur Morphologie des Amorphen. Bisher sind die Mathematiker jedoch dieser Herausforderung ausgewichen. Durch die Entwicklung von Theorien, die keine Beziehung mehr zu sichtbaren Dingen aufweisen, haben sie sich von der Natur entfernt. Als Antwort darauf werden wir eine neue Geometrie der Natur entwickeln und ihren Nutzen auf verschiedenen Gebieten nachweisen. Diese neue Geometrie beschreibt viele der unregelmäßigen und zersplitterten Formen um uns herum - und zwar mit einer Familie von Figuren, die wir Fraktale nennen werden.“


Zitat: "Benoit Mandelbrot 1975 - Die fraktale Geometrie der Natur" (nach MathePrisma):

Von wo stammt aber das Wort Fraktale?

Mandelbrot hatte mal einen englischen Forscher gelesen, der sich mit der Messbarkeit der Länge der britischen Küste befasste.
Nun, dieses Unterfangen scheint fast unmöglich: versucht man es mit Satellitenbildern, kann man die kleineren Buchten nicht miteinbeziehen – dadurch fällt die Küste kleiner aus als sie es eigentlich ist.

Genau so unmöglich erweisen sich die Messungen mittels eines Meterstabs, mit dieser Art der Messung fallen die Zahlen größer aus.
Es geht hier also um eine zwar endliche Fläche (die Küste), die durch die Tatsache, dass sie als nicht messbar sich erweist oder als solche erscheint, den Umfang (Großbritannien) unendlich erscheinen lässt.

Da hatte Benoît Mandelbrot die Idee des Begriffes "Fraktal" – was auf die gebrochene Dimensionalität hinweisen soll.
Dieser Begriff erwies sich in der Folge auch in anderen Bereichen anwendbar. Wen soll es noch erstaunen, dass der geniale Mathematiker der Mandelbrot ist, im Jahr 2005 ein Buch herausgab, dessen Titel uns spätestens heute aufhorchen lässt: Fraktale und Finanzen (Piper 2005).
Hat er eigentlich dadurch die Finanzwelt erreichen, bzw. warnen können? Mir scheint dies nicht so.

Spätestens hier muss doch jeder begriffen haben, dass die Fraktale und die Fraktalgeometrie eng verbunden sind mit dem Chaos, bzw. mit der Chaostheorie.

(Fortsetzung folg demnächst) - bitte aber nicht das Ende meines Versuchs über Fraktale zu schreiben abzuwarten, ich würde mich freuen wenn schon jetzt auch andere sich zum Thema äußern würden.

Liebe Grüße

Miriam

 
Werbung:
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Liebe Miriam!

Schönes Thema! Danke!

Ich finde: Die Brüchigkeit des Seins umgibt uns allüberall und wir sind durchwirkter und durchwirkender Teil des Krummen und Ungeraden.

Deshalb meine Hochachtung vor der Leistung Benoit Mandelbrots, der
die Natur durch Fraktale in Form bringt und das bislang Unwägbare messbar macht!

Visualisierte infinite Zahlenmengen ... ich mag den Ausdruck!

Glaubst du, das Verfahren könnte man auch bei Menschen anwenden?
Bin ich nun berechenbar geworden?

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Lieber Raphi,

dich könnte nichteinmal Mandelbrot erfassen, denn du besitzt überhaupt keine Küsten - nicht nur solche die nicht messbar sind!

Was das nun zu bedeuten hat? Nun, nicht dass ich es versucht hätte - aber ich kann mir gut vorstellen, dass man bei dir nicht landen kann.

Schlaf trotzdem gut - bzw. schlaf weiter.

Liebe Grüße

Miriam
 
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Das Buch habe ich auch gelesen.

Mandelbrot kritisiert, dass fälschlicher Weise davon ausgegangen wird, dass Aktienkurse im Sinne einer Gaußkurve schwankten, einfach, weil es leichter zu berechnen ist, aber leider irrelevant.

Erschreckende Schlussfolgerung : Jeder, der mit Aktien zu tun hat, rechnet & rechnet und alles ist kalter Kaffee, weil man es eigentlich gar nicht berechnen kann.

Ansonsten meine ich überhaupt nicht, dass Fraktale etwas mit Chaos zu tun hätten. Für mich ist es eher eine Form einer Symmetrie, die etwas in verkleinerter Form in sich selbst abbildet, also sozusagen spiralsymmetrisch.

Und was hat das mit Aktienkursen zu tun ? Deren Verläufe verhalten sich fraktal, d. h.
- skaleninvariant - ein Tages-Chart eines Kursverlaufes sieht genauso aus wie ein Monats- oder 10-Jahres-Chart.
- viele kleine, mittelviele mittlere und wenige heftige Kursbewegungen kommen in der logarithmischen Darstellung linear häufig vor.
- wichtigste statistisch erfassbare Eigenschaft ist die Volatilität (Heftigkeit der Schwankungen), die deutet auf Instabilität hin.
 
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Mir stellt sich bei diesem Thema die selbe Frage wie zur Christustafel von Eisi.

Warum immer wieder der Versuch, alles zu vermessen und zu ordnen? Ein Lädchen für jedes Steinchen an der Küste.

Ich kann mit welch langen Formeln auch immer versuchen, eine Küste zu vermessen, sie wird aber schneller ihre Form ändern als ich mit meiner Rechenaufgabe fertig bin.

Es ist jetzt acht Uhr vierundfünfzig Minuten zehn Sekunden - elf Sekunden - zwölf Sekunden.....
 
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Ansonsten meine ich überhaupt nicht, dass Fraktale etwas mit Chaos zu tun hätten.

im damaligen Sprachgebrauch war fraktal der Oberbegriff für alles,
was irgendwie mit der Chaostheorie zu tun hatte

z.B.
GERD GERKEN (1994)
Die fraktale Marke
eine neue Intelligenz in der Werbung​

man betrachtete Apfelmännchen am Computer und sinnierte

man fand den Zusammenhang zwischen Kybernetik (experimentelle Systemerforschung) und Chaostheorie
man sah, daß sich Stammbäume und tatsächliche Bäume ähneln
und suchte die gemeinsame Ursache
(um bspw. den Verlauf von Aktienkursen vorhersagen zu können)

Für mich ist es eher eine Form einer Symmetrie, die etwas in verkleinerter Form in sich selbst abbildet, also sozusagen spiralsymmetrisch.

fraktal ist das dualistische Gegenwort zu polar

bei einer polaren Symmetrie sind die (punkt-/achsen)gespiegelten Pole einander ähnlich

bei einer fraktalen Symmetrie ist die Form zu sich selbst ähnlich
(die Form ist aus kleineren Versionen der eigenen Form aufgebaut)

der goldene Schnitt,
Fernseher im Fernseher​

.........

GEOMETRIE
nichteuklidisch
euklisch
Raummuster
SYMMETRIE
fraktal
polar
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Liebe Miriam,

persönlich finde ich dies ein sehr schönes und spannendes Thema, auch wenn es mich fast schon schmerzhaft mit meiner Beschränktheit, was das Verstehen von Mathematik bertifft, konfrontiert.

Was mich fasziniert sind diese Strukturen, die sich die sich wiederholen vom Grossen ins Kleine und umgekehrt.

Das Thema interessiert mich vor allem vom Gesichtspunkt unserer Wahrnehmung der Dinge her. Unsere Sinne haben ja die Tendenz, die Dinge zu reduzieren und zu vereinfachen, die klaren Linien zu suchen und zu sehen.
Und dies nicht nur bei Gegenständen, sondern allgemein beim Erfassen von Wirklichkeit.

Da finde ich den Gedanken, dass alles immer sehr viel komplexer ist als es scheint und die damit einhergehende Herausforderung, genauer hinzuschauen, manchmal doch sehr lohnend.

Jedenfalls freue ich mich auf weitere Beiträge von dir zum Thema. :)

Liebe Grüsse
Ela
 
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Danke Euch für das Interesse an dieses nicht gerade einfache Thema.

Etwas sehr persönliches: es reizt mich auch Themen mal vorzuschlagen, bei denen ich selber noch nachschlagen muss, anhand der Antworten die ich hier lese erst sehe, dass das Thema mehr Tiefe besitzt als ich vorerst angenommen hatte - etc...

Du siehst liebe Ela, ich schmeiße mich in so ein unbekanntes Wasser hinein, manchmal kann ich nicht weiter schwimmen - aber das soll uns nicht schmerzen.

Unsere Wahrnehmung ist tatsächlich sehr beschränkt - sowohl von der Ratio her - aber noch mehr in Bezug auf unsere Sinne.

Was mich bei Mandelbrot fasziniert, ist dass er Mittel findet diese beschränkte Wahrnehmung oder das eingeschränkte Verstehen von Phänomene, zu überwinden.

Ich beziehe mich nun nicht auf Mandelbrot - aber möchte als Beispiel für unsere subjektive und unvollständige Wahrnehmung unser Sehvermögen nehmen: wir meinen vom Visuellen her die Sachen zu erfassen.

Doch auch das stimmt nicht ganz. Wenn wir zwei Bilder nebeneinander setzen: eines welches ein Objekt oder ein Lebewesen mit der Digitalkamera erfasst hat (dies entspricht in etwa unserem Sehvermögen), - und dann das gleiche mit dem Elektronenmikroskop festgehalten (in diesem Fall mit dem Scanning-EM), werden wir erstmal feststellen wie wenig wir rein visuell (ohne Unterstützung der Apparate), erfassen.

Ich ergänze diesen Beitrag nicht durch solche Bilder, werde irgendwann in einem speziellen Thread vielleicht etwas zum Thema sagen.

Wo bleibt Hartmut? Nun, ich hoffe, dass er sich irgendwann hier meldet.

Zu Benoît Mandelbrots Buch "Die fraktale Geometrie der Natur" - habe ich soeben eine Kurzfassung gefunden - und setze sie hier ein:

Die fraktale Geometrie der Natur

Die Fraktale Geometrie der Natur ist ein Buch über moderne Mathematik, das dennoch kein Mathematikbuch ist. Mit seinen vielen Abbildungen gleicht es eher einem Bildband. Von Computerprogrammen erzeugt, scheinen sie künstlerische Computergrafiken zu sein, sind jedoch Kurven rekursiv definierter mathematischer Funktionen mit der Eigenschaft der Selbstähnlichkeit. Zwei Dinge verblüffen: Die Dimensionszahl solcher Kurven ist nicht ganzzahlig und Mandelbrot kann die Bedeutung solcher Funktionen für nahezu jedes Gebiet darlegen. Mandelbrot demonstriert in Bild und Text anschaulich die Beschreibung selbstähnlicher Gebilde aus der Natur mit Modellen der Fraktalen Geometrie: Inseln und Küstenlinien, Bäume und Blütenformen, Galaxienhaufen, Oberflächenreliefs und Texturen von Werkstoffen - alles Gebilde oder Mengen mit komplizierten Strukturen. Das Modell selbst ist jedoch stets einfach, nur durch wenige Parameter bestimmt.

Die fraktale Geometrie der Natur
Benoit B. Mandelbrot
Birkhäuser
Erschienen: 1999
ISBN: 376431771X
Preis: 40,00 €


Gruß von Miriam
 
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Unsere Sinne haben ja die Tendenz, die Dinge zu reduzieren und zu vereinfachen, die klaren Linien zu suchen und zu sehen.
Und dies nicht nur bei Gegenständen, sondern allgemein beim Erfassen von Wirklichkeit.

Das ist ein interessanter erkenntnistheoretischer Aspekt, Ela, auch wenn er etwas vom eigentlichen Thema ablenkt, oder?
Ich meine, dass wir uns schwerlich in unserer komplizierten Umwelt (Natur und Gesellschaft) zurecht finden könnten, hätten unsere Sinne nicht diese Tendenz.

Gruss
Hartmut
 
Werbung:
AW: Benoît B. Mandelbrot - und die Fraktalgeometrie

Wo bleibt Hartmut?
Nun, ich hoffe, dass er sich irgendwann hier meldet.

Schon geschehen, Miriam, wenn auch nur aus philosophischer Sicht.
Momentan habe ich nicht gerade viel Zeit. Es wird hoffentlich besser werden, wenn ich pensioniert bin, was in fünf Monaten der Fall sein wird.

Das von dir eröffnete Thema motiviert mich, endlich ein Buch genauer zu lesen, das ich vor etwa einem Jahr kaufte. Es trägt den Titel "Das Rätsel der Schneeflocke - Die Mathematik der Natur" und wurde von dem ziemlich bekannten Mathematik-Professor IAN STEWART geschrieben. Der zählt zu den profiliertesten Wissenschaftspublizisten im Bereich der Mathematik.

Was schreibt nun I. Stewart im Kapitel "Fraktale Geometrie" seines Buches?

I. Stewart:
Ein Fraktal ist eine geometrische Form, die eine Feinstruktur aufweist - ganz gleich wie stark man sie vergrössert.
Die meisten Formen, die uns aus der Natur vertraut sind, sind Fraktale. Ein Baum beispielsweise zeigt in vielen Massstäben ähnliche Strukturen: Stamm, Hauptäste, Nebenäste verschiedener Ordnung, Zweige. Gleiches gilt für Büsche, Farne oder einen Blumenkohl. Ein Steinhaufen wirkt wie ein Miniaturgebirge; ein Wölkchen sieht aus der Nähe genauso kompliziert aus wie eine grosse Wolke ...

Interessierten Usern kann ich das Buch wärmstens empfehlen.

Gruss
Hartmut
 
Zurück
Oben