• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Aktien und Arbeitslosigkeit

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.643
Liebes Forum,

ich würde gern mal von euch wissen, ob ihr einen Zusammenhang zwischen der in der Bevölkerung (wiedermal) wachsenden Begeisterung für Aktien und der Massenarbeitslosigkeit seht oder ob die Themen nicht viel mit einander zutun haben. Und vielleicht könnt ihr euren Standpunkt kurz beschreiben.

Viele Grüße
Bernd
 
Werbung:
Hallo Bernd,

ich habe davon jetzt zwar nicht so furchtbar viel Ahnung, könnte mir aber vorstellen, dass es nicht unbedingt einen Zusammenhang gibt.

Der, der Arbeitslos ist und kein Geld hat, wird kaum Aktien anschaffen können und wohl auch nicht wollen. Ist doch der Spatz in der Hand für diese Menschen erstmal mehr wert wie die Taube auf dem Dach.

Nur der, der noch Arbeit hat, wird die Aktien vielleicht nutzen um für den Fall des Falles ein Polster geschaffen zu haben.
Wie gesagt, ich habe davon nicht viel Ahnung, wir haben in (unsere) Immobilie investiert.

Liebe Grüsse
Sal
 
Hallo Bernd !

Aktien und Arbeitslosigkeit hängen sicher zusammen; und zwar ist Aktienkapital Spekulationskapital, damit kein Produktionskapital, steht den Betrieben nicht zur Verfügung und kann daher weder Arbeitsplätze schaffen noch erhalten. Im Gegenteil: Aktionäre sind oft die treibenden Kräfte, über Entlassungen mehr Gewinne (und damit mehr Dividende für die Aktionäre) zu erzielen. Von Sozialpolitikern, die HarzIV zustimmen, kann man aber kaum erwarten, dass sie etwas dagegen tun.

Einer Gruppe von Menschen verzeihe ich auch, dass sie in der Aktien- und Aktionärswelt aufgehen: Behinderten, die etwas geerbt oder sich vor der Behinderung etwas erwirtschaftet haben und daher logischerweise keine andere Chance mehr haben, auch zu einem kleinen Vermögen zu kommen.

Sozialkritische Grüße

Zeili
 
"Die Industrie schreibt hohe Gewinne und baut Arbeitsplätze ab. Wenn ich schon keinen Arbeitsplatz mehr habe, dann will ich wenigstens an diesen Gewinnen mitverdienen ..."

So könnte der eine oder andere denken.
 
Werbung:
In meinen Augen ist der Kleinaktionär und „Fondsparer“ in gewissem Maße daran beteiligt, dass die Nachbarstochter oder vielleicht in Kürze er selbst von Arbeitslosigkeit betroffen sein wird. Warum.

Große wie kleine Anteilseigner wollen in erster Linie verdienen. Die langfristiger orientierten, beziehen den Zins oder die Dividende, als Überschussbeteiligung in ihre Überlegungen ein, der kurzfristiger Handelnde zielt eher auf Kursdifferenzen ab. Kurse sind im Grunde eingepreiste Gewinnerwartungen (von Unternehmen).

Die aktuelle Unternehmenskultur hat sich von der langfristig und auf Namen, Ansehen und Familientradition basierenden Personengesellschaft zur Kapitalgesellschaft gewandelt, die im wesentlichen auf kuriosen Beteiligungsstrukturen, (steuerwirksamen) Gewinnverschiebungsmodellen und zeitlich befristeten Managerverträgen basiert. Sie ist vorrangig daran interessiert, die Kennzahlen hinzubekommen und den Gewinn zu maximieren. Kapitalgesellschaften handeln durch die Prämisse der Gewinnmaximierung und der relativ kurzfristigen Unternehmensziele, indem sie neben der Erweiterung der Märkte und dem Kreieren von Bedarf vorrangig Kosten senken, durch Einsparung von Materialkosten und Lohnkosten.

Neuerdings betrifft dies vorrangig die „gekauften“ Kapitalgesellschaften, in denen die Mutter wiederum zu einem Aktionär wird und „rausholen“ will. Jeder kennt die Auswüchse des „Kaputtsanierens“. Damit wird dem von Jürgen Schrempp propagierten Begriff des „Shareholder Value“ nachgekommen. Die Firmenleitung ist letztlich den Aktionären Rechenschaft schuldig. Auch der Kleinaktionär sollte sich dessen bewusst sein, dass er in Fonds das Stimmrecht an Banken delegiert und damit auch in gewisser Weise die Verantwortung abgibt und sein Interesse auf reine Zahlen reduziert. Die bösen Fonds setzen (auch) sein Interesse um.

Wo bleibt mein Gewinn. Gewinn, der sich in der Dividende und Kursdifferenzen wiederfinden sollte. Indem die kurzfristig orientiert eingestellten Manager Arbeitskräfte freisetzen oder Produktionen in Billiglohnländer verlagern oder Druck auf Zulieferer ausüben, die ihrerseits dann Kosten sparen, kommen sie ihrerseits dem „Druck von oben“ nach...die Zahlen stimmen.


Was man hier noch erwähnen kann ist, dass ein Arbeitnehmer, der Aktien an seiner oder anderen AG´s hält, sich einerseits als Mini-Unternehmer fühlt und andererseits eine gewisse Ambivalenz verspürt, wenn er in seiner oder andere in „seiner“ Firma streiken oder sich gewerkschaftlich organisieren. Nicht nur der eine ist neidisch auf den anderen, wenn der streikt, sondern „der solle sich gefälligst zusammenreißen“, denn das ist alles mein Geld (was er mir mit deinem Streik wegnimmt). Der Kleinaktionär wird damit in gewisser Weise an das System gefesselt und gräbt sich und anderen Mitbestimmungsrechte, Handlungsspielraum und Arbeit ab. Damit ist der Kleinaktionär am Verlagern der Arbeit ins Ausland und der Brutalisierung des Arbeitsmarktes auch Schuld.

...und das alles, weil er dem regenbogenfarbigen Schimmer des Gewinns und dem Glanz, der mit dem Titel "Aktionär“ auf seine Persönlichkeit fällt zum Opfer fiel.

Viele Grüße
Bernd
 
Zurück
Oben